An das

 

Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit

per E-Mail: POSTII1@bmwa.gv.at

 

 

 

 

 

 

 

GZ: BMSK-10322/0018-I/A/4/2007

Wien, 22.10.2007

 

 

 

Betreff: Entwurf eines Gesetzes mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktförderungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungs-
gesetz und das Nachtschwerarbeitsgesetz geändert werden

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz nimmt mit Bezug auf das Schreiben vom 19. September 2007, GZ BMWA-433.001/0054-II/1/2007, zum Entwurf eines Gesetzes, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktförderungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Nachtschwerarbeitsgesetz geändert werden, wie folgt Stellung:

Vorauszuschicken ist, dass der vorliegende Entwurf in keiner Weise den Standards des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs entspricht; es sollte diesem Aspekt unbedingt durch entsprechende Überarbeitung des Entwurfes Rechnung getragen werden.

Zu Art. 1 Z 1 (§ 1 Abs. 1 lit. e AlVG):

Neben einer Zitierungsanpassung betreffend das Entwicklungshelfergesetz soll mit dieser Bestimmung ausdrücklich normiert werden, dass Staatsangehörige von EU- und EWR‑Mitgliedstaaten sowie der Schweiz wie österreichische StaatsbürgerInnen zu behandeln sind. Dazu ist aus Sicht der zwischenstaatlichen sozialen Sicherheit Folgendes zu bemerken:

 

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Personenkreis zu eng gefasst ist: Nach der VO 1408/71 können auch Staatenlose und Flüchtlinge, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, nach der VO 859/2003 alle jene DrittstaaterInnen, die ihren rechtmäßigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben und deren Situation mit einem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist (z. B. weil vorher eine Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt worden ist), aber auch nach den von Österreich geschlossenen Abkommen mit Gleichbehandlungsverpflichtungen für den Bereich der Arbeitslosenversicherung (z. B. die Abkommen mit den Nachfolgestaaten von Jugoslawien) die Staatsangehörigen dieser Vertragsstaaten unabhängig von ihrem Wohnort den österreichischen Staatsangehörigen gleichzustellen sein.

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die korrespondierende Regelung des ASVG (§ 4 Abs. 1 Z 9, die ebenfalls hinsichtlich der Zitierung des Entwicklungshelfergesetzes anzupassen sein wird) nie jene Personen aufgezählt hat, die auf Grund der europarechtlichen oder zwischenstaatlichen Verpflichtungen den österreichischen Staatsbürger/inne/n gleichgestellt werden müssen.

Zur Hintanhaltung von Missverständnissen ist ein solches Auseinanderklaffen der Regelungen nach dem ASVG und AlVG, die ja beide den identischen Personenkreis ansprechen, auf jeden Fall zu vermeiden.

Im Hinblick auf die angesprochene Unvollständigkeit wird daher empfohlen, so wie im ASVG auch im AlVG nur die österreichischen Staatsangehörigen ausdrücklich zu erwähnen und die Ausdehnung auf die anderen Personengruppen im Wege des unmittelbaren Anwendungsvorranges des EG‑Rechts bzw. der zwischenstaatlichen Abkommen zu lösen.

Zu Art. 1 Z 4 (§ 3 AlVG):

-       Allgemeines zur Einbeziehung der Selbständigen in die Arbeitslosenversicherung:

Bei der Frage der Versicherungs- und Beitragspflicht nach dem AlVG handelt es sich um Verwaltungssachen der Sozialversicherung nach § 355 ASVG. Die Einbeziehung von Selbständigen in die Arbeitslosenversicherung im Rahmen eines Optionen‑Mo-
dells (§§ 3 ff. AlVG) wird zu Streitfällen und damit vermehrt zu Verfahren führen. Dies bedeutet eine Mehrbelastung der zuständigen Sozialversicherungsträger, der Landeshauptleute als Einspruchsinstanz und des
Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz als Berufungsinstanz (nur betreffend die Pflichtversicherung). Auch der Verwaltungsgerichtshof wird vermehrt angerufen werden.

-       Zu § 3 Abs. 1 AlVG:

Die Umschreibung jener FreiberuflerInnen, die infolge des Opting‑Out ihrer Berufsgruppen nicht (in der Pensionsversicherung) nach dem GSVG pflichtversichert sind, als Personen, die (auf Grund ihrer Erwerbstätigkeit) einer „Versicherungspflicht in der Pensionsversicherung“ unterliegen, ist terminologisch nicht geglückt.

Der unbestimmte (unklare) Terminus „Versicherungspflicht“ sollte durch die konkrete Anführung der einschlägigen GSVG‑Bestimmung ersetzt werden: „ (…) Personen, die (…) von der Pflichtversicherung nach § 5 GSVG ausgenommen sind".

Zu hinterfragen wäre, ob auch mehrfach geringfügig Beschäftigten, die (in der Regel rückwirkend) in die Vollversicherung nach dem ASVG einbezogen werden, die Möglichkeit einer freiwilligen Arbeitslosenversicherung eröffnet werden soll, zumal ja auch diese Personen als Erwerbstätige gelten, die der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegen.

Soweit durch § 3 ausschließlich die Einbeziehung selbständig erwerbstätiger Personen beabsichtigt ist, die in der Pensionsversicherung pflichtversichert sind bzw. nach § 5 GSVG von dieser Pflichtversicherung ausgenommen sind, sollte dies auch im Gesetzestext eindeutig zum Ausdruck gebracht werden.

-       Zu § 3 Abs. 2 AlVG:

Es wäre klarzustellen, welche Konsequenzen es für den Eintritt der Arbeitslosenversicherungspflicht und die Beitragspflicht hat, wenn die Mitteilung im Sinne des § 3 Abs. 2 AlVG (Information der in Betracht kommenden Erwerbstätigen durch den zuständigen Sozialversicherungsträger über die grundsätzliche Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung sowie die Möglichkeit, binnen sechs Monaten nach der Verständigung den Austritt aus der Arbeitslosenversicherung zu erklären) unterbleibt oder fehlerhaft zugestellt wird.

-       Zu § 3 Abs. 2 und 4 AlVG:

Die von dieser Bestimmung erfassten Personen unterliegen nach dem Entwurf bis zum Ende jenes Kalendermonats, der dem Einlangen der Mitteilung des Austritts aus der Arbeitslosenversicherung beim Sozialversicherungsträger folgt, der Beitragspflicht.

Diese Regelung wird von den betroffenen Parteien kaum akzeptiert werden, zu zahlreichen Verfahren führen und daher nicht zur „Begrenzung des Verwaltungsaufwandes“ beitragen, wie dies in den Erläuterungen ausgeführt wird.

Darüber hinaus ist die Zweckmäßigkeit dieser Bestimmung vor allem in jenen Fällen fraglich, in denen selbständig Erwerbstätige ex lege per 1. Jänner 2009 der Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung unterliegen und fristgemäß ihren Austritt erklären. Diesen Personen sollte aus sachlichen Erwägungen kein Beitrag vorgeschrieben werden.

-       Zu § 3 Abs. 6 AlVG:

Klarzustellen ist, ob mit dem Ausdruck „acht Jahre“ - bei der Frist für die (erneute) Zulässigkeit des Ausstiegs - der kalendermäßige Zeitraum zu verstehen ist, oder ob acht Jahre der Arbeitslosenversicherung gemeint sind (womit Zeiträume, in denen die Versicherung unterbrochen war, nicht mitgezählt würden).

-       Zu § 3 Abs. 7 AlVG:

Nach dieser Bestimmung soll die „Durchführung der Arbeitslosenversicherung“ für die nach § 3 Abs. 1 bis 6 AlVG Versicherten dem für die Einhebung der (Pensionsversicherungs-)Beiträge zuständigen Sozialversicherungsträger obliegen, soweit es sich um Pensionsversicherte handelt; für jene FreiberuflerInnen, für die lediglich eine „Versicherungspflicht in der Pensionsversicherung“ besteht (die also von ihrer Möglichkeit zum Opting‑Out aus der GSVG‑Versicherung Gebrauch gemacht haben) soll die SVA der gewerblichen Wirtschaft zuständig sein.

Dazu ist Folgendes zu bemerken:

Der Terminus „Durchführung“ (der Arbeitslosenversicherung) ist viel zu weit reichend im Verhältnis zu jenen (eingeschränkten) Aufgaben, die durch den vorliegenden Entwurf den Sozialversicherungsträgern übertragen werden sollen (nämlich im Wesentlichen die Feststellung der Pflichtversicherung und die Beitragseinhebung und – abfuhr). So ist der gesamte Bereich des Leistungsrechts nach dem AlVG anderen Institutionen übertragen.

Dieser Umstand sollte im Gesetzestext klar durch Bezeichnung jener Aufgaben, deren Vollziehung den Sozialversicherungsträgern obliegt, zum Ausdruck kommen.

Die Zuständigkeit der SVA der gewerblichen Wirtschaft für jene FreiberuflerInnen, zu denen auf Grund des Opting‑Out ihrer Berufsgruppe aus der Pflichtversicherung nach dem GSVG seitens der SVA kein Anknüpfungspunkt mehr besteht, erscheint unzweckmäßig und administrativ aufwendig.

So müsste die gesamte Administration für diese Personengruppen ausschließlich für Zwecke der Arbeitslosenversicherung neu aufgebaut werden; als (kostengünstigere) Alternative käme die Vollziehung durch die jeweiligen beruflichen Vertretungen (Kammern) in Betracht.

Zu Art. 2 Z 4 (§ 4 Abs. 1 AMPFG):

Diese Bestimmung, in der bezüglich der Beitragseinhebung auf die Vorschriften der Krankenversicherung über den „Abzug des Versicherungsbeitrages vom Entgelt“ verwiesen wird, müsste im Hinblick auf die nach § 3 Abs. 1 AlVG versicherten selbständig Erwerbstätigen entsprechend ergänzt werden (zumal jene Vorschriften, auf die in dieser Bestimmung verwiesen wird, nicht auf Selbständige übertragbar sind).

Zu Art. 7 (Änderung des NSchG):

Es wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die einschlägige Änderung im NSchG zur Sistierung der Anhebung des Nachtschwerarbeits‑Beitrages im Rahmen des SVÄG 2007 vorzunehmen; Art. 7 kann daher gegebenenfalls ersatzlos entfallen.

Eine Ausfertigung dieser Stellungnahme wird unter einem dem Präsidium des Nationalrates übermittelt.

 

Mit freundlichen Grüßen

Für den Bundesminister:

Dr. Helmut Günther

 

 

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