Bundesministerium für Finanzen

Abteilung III/6

Hintere Zollamtsstraße 2b

1030 Wien

 

 

 

 

 

GZ: BMSK-90170/0084-III/3/2007

Wien, am 16.10.2007

 

 

 

Betreff:  Entwurf eines BG, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert wird; Begutachtungsverfahren; GZ. BMF-400202/0006-III/6/2007; Stellungnahme des BMSK

 

 

 

Das Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Konsumentenschutz kann dem vom BMF zur Begutachtung versandten Gesetzesentwurf , mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert wird, aus der Sicht des Verbraucherschutzes nur dann zustimmen, wenn § 75 Absatz 2 Z 7 und § 75 Absatz 3 zweiter Satz VAG ersatzlos aufgehoben werden.

 

Aus § 75 Absatz 2 Z 7 VAG ergibt sich, dass die Haftung des Versicherungsunternehmens für eine leicht fahrlässige Verletzung der Pflichten des § 75 Absatz 2 Z 1 bis 5 VAG durch eine in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) enthaltene Klausel wirksam vollständig ausgeschlossen werden kann, sofern diese Klausel gegenüber dem übrigen Text deutlich hervorgehoben ist. Diese konsumentenfeindliche Regelung will der gegenständliche Gesetzesentwurf nicht nur beibehalten, sondern im § 75 Absatz 3 VAG-E überdies auch auf kapitalorientierte Lebensversicherungen ausdehnen.

 

§ 75 Absatz 2 Z 7 VAG hat in der Praxis dazu geführt, dass die Haftung der Versicherungsunternehmen für eine leicht fahrlässige Verletzung der Pflichten des § 75 Absatz 2 Z 1 bis 5 VAG in den für fondsgebundene Lebensversicherungen verwendeten AVB regelmäßig vollständig ausgeschlossen wird. Da der Haftungsausschluss in den AVB enthalten ist, ist er für den Versicherungsnehmer selbstverständlich auch nicht verhandelbar. Somit besteht derzeit in der Praxis nur im Ausnahmefall des groben Verschuldens auch tatsächlich eine Haftung des Versicherungsunternehmens bei der Verletzung der Pflichten des § 75 Absatz 2 Z 1 bis 5 VAG.

 

Dieser Zustand ist umso unbefriedigender, als ohne die Sonderregelung des § 75 Absatz 2 Z 7 VAG ein lediglich in AGB (bzw AVB) enthaltener gänzlicher Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit grundsätzlich wegen eines Verstoßes gegen § 879 Absatz 3 ABGB unwirksam wäre (OGH in 4 Ob 179/02f zu Z 9 ABB 2000). Es ist aber keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennbar, gerade Versicherungsunternehmen gegenüber anderen Unternehmen hinsichtlich ihrer Haftung dadurch zu privilegieren, dass vollständige Haftungsausschlüsse für leichte Fahrlässigkeit auch dann zugelassen werden, wenn sie lediglich in AGB enthalten sind.

 

Eine Aufhebung des § 75 Absatz 2 Z 7 und Absatz 3 zweiter Satz VAG ist auch deswegen unumgänglich, weil in der Zwischenzeit auch die seinerzeitige Vorbildregelung für § 75 Absatz 2 Z 7 VAG, nämlich § 15 Absatz 2 WAG aF, dadurch ersatzlos aufgehoben wurde, dass diese Haftungsregelung nicht mehr in das WAG 2007 übernommen wurde. Dabei ist anzumerken, dass die vom Gesetzgeber aufgehobene Bestimmung des § 15 Absatz 2 WAG aF sogar insofern konsumentenfreundlicher war als es § 75 Absatz 2 Z 7 VAG ist, als § 15 Absatz 2 WAG aF einen Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit nur dann zuließ, wenn diese Vertragsbestimmung in einem vom Verbraucher zu unterfertigenden Vertragswerk enthalten und dort deutlich hervorgehoben war. Nach § 15 Absatz 2 WAG aF war daher ein lediglich in AGB enthaltener Haftungsausschluss (mag er in den AGB auch deutlich hervorgehoben worden sein) anders als nach § 75 Absatz 2 Z 7 VAG nicht wirksam. Umso dringlicher ist es, nunmehr auch die noch konsumentenfeindlichere „Schutzbestimmung“ des § 75 Absatz 2 Z 7 VAG ersatzlos aufzuheben.

 

Die Bestimmung des § 75 Absatz 2 Z 7 VAG ist nicht zuletzt auch deswegen untragbar, weil es sich bei den Pflichten des § 75 Absatz 2 Z 1 bis 5 VAG um aufsichtsrechtliche Pflichten handelt, die dem Schutz des Versicherungsnehmers dienen sollen. Diese aufsichtsrechtlichen Pflichten kann das Versicherungsunternehmen in vertraglichen Vereinbarungen mit dem Versicherungsnehmer naturgemäß weder ausschließen noch einschränken. Es kann aber nicht sein, dass der Gesetzgeber ausdrücklich eine Vereinbarung zulässt, nach der das Versicherungsunternehmen bei einer Verletzung dieser Schutzgesetze dem Versicherungsnehmer nicht haftbar ist, obwohl es gleichzeitig aufsichts- und verwaltungsstrafrechtlich wegen der gleichen Pflichtverletzung jedenfalls in vollem Umfang verantwortlich ist. Es ist für den Versicherungsnehmer völlig unverständlich, dass wegen der Verletzung einer seinem Schutz dienenden Gesetzesbestimmung zwar über das Versicherungsunternehmen eine Verwaltungsstrafe verhängt werden kann, dass er aber dennoch das Versicherungsunternehmen wegen dieser Pflichtverletzung nicht haftbar machen kann.

 

Für den Bundesminister:

Dr. Arnulf Komposch

 

Elektronisch gefertigt.