An das

 

Bundesministerium für Gesundheit,

 

Familie und Jugend

 

 

 

per E-Mail: vera.pribitzer@bmgfj.gv.at

 

 

 

GZ: BMSK-10307/0051-I/A/4/2007

Wien, 22.10.2007

 

 

 

Betreff:  Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken und Unfall­versicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz, das Heeresversorgungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 und das Familienlastenaus­gleichsgesetz 1967 geändert werden; Stellungnahme des Bundes­ministeriums für Soziales und Konsumentenschutz

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Unter Bezugnahme auf die Note vom 12. Oktober 2007 nimmt das Bundesminis­terium für Soziales und Konsumentenschutz zu dem im Betreff angeführten Gesetz­entwurf wie folgt Stellung:

 

A) Allgemeines:

 

1) Laut Regierungsprogramm ist bei Gesetzesvorhaben für eine ausreichende Zeit für die Begutachtung zu sorgen. Für den vorliegenden Ministerialentwurf ist der Begutachtungszeitraum mit einer knappen Woche sicherlich zu kurz bemessen.

 

2) Es wird angeregt, den gegenständlichen Sammelgesetzentwurf durch Ausstat­tung mit einem Kurztitel und einer Abkürzung (etwa „2. Sozialrechts‑Änderungs­gesetz 2007“ und „2. SRÄG 2007“) zitierfähig zu machen.

 

3) Auf den geschlechtergerechten Sprachgebrauch sollte lückenlos geachtet wer­den (siehe etwa § 635 Abs. 3 der vorgeschlagenen ASVG‑Novelle: auch die Des­zendentinnen sind zu nennen).

 

 

B) „Bereinigung“ des Tatbestandes der Teilversicherung in der UV für Wirt­schaftstreuhänderInnen:

 

Es ist darauf hinzuweisen, dass die der Gruppe der WirtschaftstreuhänderInnen zu­gehörigen Personen nach § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG - zum Unterschied vom Versi­cherungstatbestand des (laut dem vorliegenden Gesetzentwurf aufzuhebenden) § 8 Abs. 1 Z 3 lit. b ASVG - nur dann unfallversichert ist, wenn sie die maßgeblichen Einkommensgrenzen nach dem GSVG überschreiten.

 

 

C) Einführung einer Rezeptgebührenobergrenze in der Höhe von 2 % des Netto­einkommens der versicherten Person:

 

Aus der Sicht der zwischenstaatlichen sozialen Sicherheit wird darauf hingewiesen, dass in Fällen von ausländischen Patienten und Patientinnen, die auf Grund von ge­meinschaftsrechtlichen Bestimmungen oder Abkommensrecht Anspruch auf eine Krankenbehandlung in Österreich haben, jedoch selbstredend keine österreichische e‑card besitzen, eine Art Ersatzverfahren vorgesehen werden muss (z. B. wenn sich ein deutscher Staatsbürger monatelang in Österreich aufhält und eine teure Dauer­medikation benötigt).

 

 

D) Erhöhung des Beitragssatzes in der Krankenversicherung der Pensions­bezieherInnen:

 

Die Erhöhung des Krankenversicherungsbeitragssatzes für Pensionisten und Pensi­onistinnen von 4,85 % auf 5 % ist aus zwei Gründen problematisch:

 

a) Die ohnehin schon als schwierig einzuschätzenden Verhandlungen um die Pen­sionserhöhung 2008 (Stichwort: Pensionistenindex statt Verbraucherpreisindex, geringe Nettoerhöhung wegen Steuerprogression, wegfallende Einmalzah­lung 2007) werden durch die Erhöhung des Beitragssatzes in der Krankenversi­cherung für PensionsbezieherInnen zusätzlich belastet bzw. es würde damit der Effekt einer allenfalls über das gesetzlich vorgesehene Ausmaß hinausgehenden Pensionserhöhung zunichte gemacht.

 

b) Sieht man die De‑facto‑Verdoppelung der Beiträge zur Krankenversicherung der PensionsbezieherInnen über die Hundertsätze als fiktiven Dienstgeberanteil, so ist der daraus resultierende „Gesamtbeitragssatz“ der Pensionisten und Pensionistin­nen schon jetzt bei weitem höher als jener der aktiv Erwerbstätigen.

 

Bezüglich der laut Erläuterungen „nur marginalen zusätzlichen Belastungen“ für den Bund kann gesagt werden, dass diese rund 5 Mio. € pro Jahr betragen würden. Daher wird die „aufgerundete“ Gestaltung der Hebesätze zu Lasten des Kapi­tels 16 entschieden abgelehnt.

 

 

E) Adaptierung der Bestimmungen über den Krankenversicherungsschutz von Angehörigen, die eine entsendete Person ins Ausland begleiten:

 

Zur geplanten Novellierung des § 130 Abs. 1 ASVG bzw. des § 58 Abs. 1 B‑KUVG ist aus zwischenstaatlicher Sicht auf folgendes Praxis‑Problem aufmerksam zu ma­chen:

 

Bei Entsendungen nach § 3 Abs. 2 lit. d ASVG in Nichtvertragsstaaten, die teilweise sehr lange dauern, kann es zur Aufgabe des inländischen gewöhnlichen Aufenthaltes für begleitende Angehörige kommen; damit fällt die Angehörigeneigenschaft nach § 123 ASVG weg.

 

Dessen ungeachtet sieht § 130 ASVG für begleitende Angehörige einen Leistungs­anspruch gegenüber dem Dienstgeber der entsendeten Person vor. Übernimmt der Dienstgeber für Angehörige die Erkrankungskosten nach § 130 Abs. 1 ASVG, könnte die Gebietskrankenkasse, bei der die Erstattung der Kosten nach § 130 Abs. 3 ASVG beantragt wird, u. U. einwenden, dass auf Grund der langen Entsendedauer keine Angehörigeneigenschaft nach § 123 ASVG mehr vorliegt, da eine Wohnortver­legung erfolgte bzw. kein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland mehr gegeben ist.

 

 

F) Verlängerung des Geltungszeitraumes der Bestimmungen über die Deckelung der Verwaltungskosten:

 

In diesem Zusammenhang wird angeregt, § 625 Abs. 2 Z 1 ASVG (Ausnahme der Fusionskosten von der Verwaltungkostendeckelung) um eine zeitliche Beschränkung zu ergänzen. So könnte etwa vorgesehen werden, dass die Kosten der Auflösung und Umgestaltung von Organisationseinheiten im Zuge einer Fusion für längstens fünf Jahre (ab Beginn der Fusion) als Abzugsposten geltend gemacht werden kön­nen.

 

Dadurch würde festgeschrieben werden, wie lange der Gesetzgeber den Zeitraum einer Fusion bezüglich der Wirksamkeit für die Verwaltungskostendeckelung akzep­tiert. Das jetzt gegebene offene Ende der entsprechenden Auswirkungen einer Fu­sion wurde bereits vom Rechnungshof (im Zuge der Einschau bei der PVA) kritisiert. Bei der PVA wäre bei fünfjähriger Beschränkung der Zeitraum vom 1. Jänner 2003 bis 31. Dezember 2007 umfasst; dies entspricht auch dem gegenwärtig gültigen Zeit­raum des § 625 ASVG.

 

Darüber hinaus wäre es überlegenswert, bei der Verwaltungskostendeckelung auch den Synergieeffekt einer Fusion zu berücksichtigen. Bei der PVA wurde mittelfristig ein Synergieeffekt von 10 % angenommen (siehe Erläuterungen zur einschlägigen ASVG‑Novelle). Fünf Jahre Fusion kann man sicher als mittelfristig ansehen. Es wäre daher durchaus angebracht, die Synergieeinsparungen auch gesetzlich einzu­fordern.

 

§ 625 Abs. 9 wäre somit dahingehend zu ergänzen, dass sich die Kopfquote des Jahres 1999 nach dem fünften Geschäftsjahr einer Zusammenführung von Ver­sicherungsträgern um 10 % verringert.

 

 

G) Zum Übergangsrecht:

 

a) § 635 Abs. 3 ASVG: Es erscheint kurios, einen Teil der gegenwärtig nach § 8 Abs. 3 lit. b ASVG versicherten Personen nach Aufhebung der zitierten Bestim­mung in Hinkunft einfach einem anderen Versicherungstatbestand zu unterwerfen. § 635 Abs. 3 ASVG sollte besser nach dem Muster des § 572 Abs. 4 ASVG ab­gefasst werden.

 

b) § 635 Abs. 6 ASVG: Abgesehen davon, dass die Ratio dieser Bestimmung lo­gisch nicht nachvollziehbar ist (Außer‑Kraft‑Treten einer für die finanzielle Konsoli­dierung der Gebietskrankenkassen dringend benötigten Beitragssatzerhöhung, wenn ein bestimmtes Einsparungsziel nicht erreicht wird, wodurch sich die finan­zielle Situation der Kassen erst recht zuspitzt - letzten Endes zulasten der Versi­chertengemeinschaft), ist auch die formelle Gestaltung dieser Norm zu hinterfra­gen. So ist es mit den Legistischen Richtlinien und einer transparenten Rege­lungstechnik unvereinbar, dass das allfällige Außer‑Kraft‑Treten von Bestimmun­gen des GSVG, BSVG, B‑KUVG, AlVG, SUG, HVG, KOVG 1957 und des Fami­lienlastenausgleichsgesetzes 1967 nicht in den jeweiligen Stammgesetzen, son­dern im ASVG festgeschrieben wird - auch und gerade wenn dieses Außer‑Kraft‑ Treten von der Erlassung einer diesbezüglichen Verordnung abhängt.

 

Es bleibt zudem völlig im Dunkeln, welche konkreten Maßnahmen zur Effizienzstei­gerung und Kostendämpfung „im Ausmaß von 150 Millionen Euro“ zugunsten der finanziellen Absicherung der Gebietskrankenkassen dem Hauptverband zur Be­schlussfassung vorgegeben sind.

 

 

H) Zu Artikel 7 Änderung des Heeresversorgungsgesetzes und zu Artikel 8 Änderung des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957:

 

Die Übernahme der Beitragssatzerhöhung um 0,15 Prozentpunkte für die Bereiche des KOVG 1957 und des HVG würden jeweils einen sozial besonders schutzwürdi­gen Personenkreis treffen, der zahlenmäßig nicht einmal mehr 3000 Personen aus­macht und daher auch betragsmäßig sicher nicht ins Gewicht fallen könnte, sodass diese Maßnahme seitens des Bundesministeriums für Soziales und Konsumenten­schutz abgelehnt wird und daher überdacht werden sollte.

 

Weiters wird darauf hingewiesen, dass sich derzeit Novellen zum KOVG 1957, Opferfürsorgegesetz und HVG in Begutachtung befinden (Ende der Begutachtungs­frist: 2. November 2007), was bei den In-Kraft-Tretens-Regelungen zu beachten wäre.

 

 

Diese Stellungnahme wird in elektronischer Form auch dem Präsidium des National­rates an die Adresse „begutachtungsverfahren@parlinkom.gv.at“ übermittelt.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für den Bundesminister:

Dr. Peter Gamauf

 

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