Amt der Tiroler Landesregierung

 

 

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Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Führerscheingesetz (12. FSG-Novelle) und die Straßenver­kehrsordnung 1960 geändert werden; Stellungnahme

Geschäftszahl

Innsbruck,

Präs.II-33/779
22.11.2007

 

 

Zu Zl. BMVIT-170.706/0007-II/ST4/2007 vom 22. Oktober 2007

 

Zum angeführten Gesetzentwurf wird folgende Stellungnahme abgegeben:

 

Zu Artikel I (FSG-Novelle):

Durch die vorgesehenen Änderungen in den §§ 7, 25, 26 und 30a des Führerscheingesetzes wird ein überaus komplexes Zusammenspiel der Bestimmungen über die Verkehrszuverlässigkeit, die Maßnahmen gegen Risikolenker im Rahmen des Vormerksystems und die Entziehung der Lenkberechtigung ge­schaffen, dessen Vollziehbarkeit bezweifelt wird. Aufgrund seiner Komplexität scheint es kaum möglich, Anwärtern auf eine Lenkberechtigung im Rahmen der Ausbildung in der Fahrschule auch nur annähernd zu vermitteln, mit welchen Konsequenzen sie zu rechnen haben, wenn sie schwere Verstöße begehen. Es kann nach ha. Ansicht auch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass das vorgesehene System von den (im Regelfall nicht rechtskundigen) Strafreferenten der zuständigen Strafbehörden ohne besondere Schulung durchschaut und korrekt angewendet werden kann. Der Zugang zum vom Gesetz­geber beabsichtigten Norminhalt erfordert nämlich im gegebenen Zusammenhang zumindest erhebliche methodische Kenntnisse und wohl auch eine gewisse Lust und ein entsprechendes Talent zum Lösen von Denksportaufgaben im Sinn der einschlägigen sog. „Denksporterkenntnisse“ des Verfassungsgerichts­hofes (siehe u.a. die Erk. VfSlg. 3130/1956, 12420/1990).

Weiters wird für Übertretungen nach § 14 Abs. 8 ein vom allgemeinen zweijährigen abweichender fünf­jähriger Beobachtungszeitraum geschaffen und ist in der Z. 4 eine Vermengung des soeben zitierten führerscheinrechtlichen Alkoholdelikts mit sonstigen schweren Verstößen vorgesehen, deren Konsequenz in der Entziehung der Lenkberechtigung auf die Dauer von einem Monat liegt. Einem Modell, nach dem Verstöße gegen die Alkoholbestimmungen einer gesonderten Regelung vorbehalten würden (vgl. die Be­stimmungen für Schnellfahrer nach § 26 Abs. 3 i.V.m. § 7 Abs. 3 Z. 4), würde ha. der Vorzug gegeben.


 

Zu Artikel II (StVO-Novelle):

 

Zu Z. 1 (§ 52 lit. a Z. 10b):

Gegen eine derartige Regelung bestehen erhebliche Bedenken, die im Fall der Bestrafung eines Kfz-Lenkers für eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit schlagend werden und – im Fall der Bekämpfung der Strafbescheide – zu einer Aufhebung der einschlägigen Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof führen könnten. Im gegebenen Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass nach ha. Ansicht das Problem der allfälligen Doppelbestrafung von Kfz-Lenkern wegen Geschwindigkeits­überschreitungen nach der StVO 1960 und dem IG-L und den nach diesen Gesetzen kundgemachten Verordnungen nach ha. Ansicht einer schlüssigen und umfassenden Lösung harrt. Konkret wird folgende Problematik erkannt:

Nach § 3 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirt­schaft über die Festlegung allgemeiner Kriterien für Verkehrsbeeinflussungssysteme gemäß Immissions­schutzgesetz-Luft tritt die Geschwindigkeitsbeschränkung nach § 14 Abs. 6a ff IG-L so lange nicht in Kraft, bis die Aufhebung der Verkehrsbeschränkung nach den §§ 44 Abs. 1a und 44 c StVO kundgemacht wurde, sofern zeitgleich sowohl die Voraussetzungen für eine Geschwindigkeitsbeschränkung nach den zitierten Bestimmungen des IG-L als auch die Voraussetzungen für eine Kundmachung einer zumindest gleich strengen Verkehrsbeschränkung nach den §§ 44 Abs. 1a und 44c StVO vorliegen.

Im Zusammenhang mit der neuen Z. 10b im § 52 lit. a gelesen ergibt sich nun, dass der Verordnungsgeber nach der Straßenverkehrsordnung durch das Anbringen oder Nicht-Anbringen des Verkehrszeichens nach § 52 lit. a Z. 10b über den örtlichen Geltungsbereich einer Verordnung entscheidet, die von einem anderen Normsetzer im Anwendungsbereich eines anderen Kompetenztatbestandes zu erlassen ist. Dagegen be­stehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken.

Tritt die Kundmachung nach IG-L aber nicht in Kraft, solange die straßenpolizeiliche Geschwindigkeitsbe­schränkung nicht durch das entsprechende Verkehrszeichen aufgehoben wurde, so liegt darin eine Subsi­diarität der immissionschutzrechtlichen gegenüber der straßenpolizeilichen Geschwindigkeitsbeschrän­kung. Wenngleich eingeräumt wird, dass die Anordnung einer Subsidiarität in die eine oder andere Rich­tung von der Beantwortung schwieriger Wertungsfragen abhängt, wird doch eher die Subsidiarität in die andere Richtung für sachgerecht gehalten. In diesem Sinn wird im Interesse der umfassenden Lösung des Problems der politisch offenbar unerwünschten Doppelbestrafung bei gegebener Konkurrenz von Über­tretungen von auf immissionsschutzrechtliche und straßenpolizeiliche Vorschriften gegründeten Ge­schwindigkeitsbeschränkungen, und zwar im Hinblick auf das Verhältnis der ersteren zur allgemein er­laubten Höchstgeschwindigkeit nach der StVO 1960, vorgeschlagen, den § 20 Abs. 2 leg. cit. zu ändern, sodass er zu lauten hätte:

„Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt oder von der zuständigen Behörde aufgrund anderer gesetzlicher Bestim­mungen eine niedrigere Höchstgeschwindigkeit angeordnet wurde, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.“

Für den Fall der Umsetzung dieses Vorschlages wird allerdings auch angeregt, den § 3 der oben ange­führten Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft entsprechend anzupassen.

Ergänzend wird betont, dass es im Fall einer Neuregelung des angesprochenen Problembereiches aus Gründen der Rechtssicherheit als wesentlich angesehen wird, den Verkehrsteilnehmer durch das Anbrin­gen entsprechender Verkehrszeichen und Zusatztafeln (schon wegen des unterschiedlichen Straf­rahmens) deutlich darüber zu informieren, ob es sich um eine Geschwindigkeitsbeschränkung nach der StVO 1960 oder nach IG-L handelt.

 

 

Zu Z. 7 (§ 100 Abs. 5a):

Die Anhebung der Obergrenze für Organmandate für bestimmte Delikte von derzeit € 36,- auf künftig € 70,- wird begrüßt. Aus spezialpräventiven Überlegungen sollten jedoch festgestellte Geschwindigkeits­überschreitungen von mehr als 30 km/h jedenfalls nicht durch Organstrafverfügung, sondern jedenfalls im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens zu ahnden sein; erhebliche Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten haben nämlich einen besonders schädlichen Einfluss auf die Verkehrssicherheit. Eine Ahndung solcher Verwaltungsübertretungen mit Organstrafverfügung scheint daher nicht angebracht. Die Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens, ggf. mit entsprechender Vormerkung des Lenkers im Verwaltungsstrafregister, ist daher nach ha. Ansicht zwingend erforderlich.

 

Eine Ausfertigung dieser Stellungnahme wird unter einem auch dem Präsidium des Nationalrates übermittelt.

 

 

Für die Landesregierung:

 

 

Dr. Liener
Landesamtsdirektor