Stellungnahme des ÖAMTC

zum Entwurf einer 12.FSG-Novelle

(GZ. BMVIT-170.706/0007-II/ST 4/2007)

 

 

A. Allgemeines

 

I. Zu den Änderungen des FSG:

Der ÖAMTC dankt für die Übermittlung des gegenständlichen Entwurfes zur Stellungnahme.

Das Hauptaugenmerk des Entwurfes gilt den neuen Bestimmungen bezüglich der Behandlung von 0,5 Promilledelikten im Rahmen des Vormerksystems. Der ÖAMTC bekennt sich dazu, Hochrisikolenker zum Schutze der Allgemeinheit aus dem Verkehr zu ziehen. Genau aus diesem Grund müssen wir unseren, bereits in den Arbeitsgruppensitzungen vertretenen Stand­punkt erneuern, dass wir den vorliegenden Entwurf in dieser Hinsicht für ungeeignet halten, da es sich bei den minderalkoholisierten Kraftfahrern gerade nicht um jene Hochrisikolenker handelt, die die Allgemeinheit gefährden. Auch sind aus dem Zusammenspiel des bisher bestehenden Vormerksystems und den neuen, mit diesem System in Widerspruch stehenden Bestimmungen Ungerechtigkeiten und Härten zu befürchten, die in der Bevölkerung mehr Widerstand als Verständnis für die vorgeschlagenen Maßnahmen erwarten lassen. Hinzu kommt, dass man die Textierung der Novelle nach Gesichtspunkten der Verständlichkeit, Logik und Transparenz als wenig geglückt bezeichnen muss, sodass nicht nur Normunter­worfene, sondern auch mit der Vollziehung betraute Organe und Institutionen damit ihre liebe Not haben könnten; Probleme in der Rechtsanwendung sind hier vorprogrammiert.

Der ÖAMTC ist jedenfalls gerne bereit, an der Gestaltung eines nachhaltig wirksamen und im Sinne von General- und Spezialprävention klar kommunizierbaren Systems zum Erkennen und zur Verhaltensänderung von Hochrisikolenkern insbesondere im Bereich ab 1,2 Promille und zur Vermeidung von Wiederholungstaten mitzuwirken. Auch allfälligen Über­legungen zur strengeren Bestrafung wirklicher Hochrisikolenker wird sich der ÖAMTC nicht ver­schließen.

 

Der ÖAMTC sieht daher davon ab, zu den einzelnen Vorschlägen zur Neuregelung der 0,5 Promille-Sanktionen Stellung zu nehmen, sondern unterbreitet vielmehr unter Pkt C ganz konkrete Alternativvorschläge, die besser geeignet scheinen, die angestrebten Ziele zur Reduzierung von Fahrten alkoholisierter Lenker zu erreichen. Da wir absolut kein Erfordernis sehen, die Neuregelung rasch und nicht ausdiskutiert im Nationalrat zu beschließen (die "überfallsartige", wenn auch inhaltlich im Wesentlichen zufriedenstellende Beschlussfassung der Winterausrüstungspflicht im Rahmen der 29. KFG-Novelle sollte keinesfalls als Präjudiz dienen), schlagen wir daher vor, die hochrangig mit Experten besetzte Arbeitsgruppe "10 Punkteprogramm" im Dezember neuerlich einzuberufen. Dabei sollten - neben den im Folgenden ausgeführten ÖAMTC-Alternativvorschlägen - auch die von anderen zur Begutachtung eingeladenen Institutionen erstellten Vorschläge diskutiert werden.  Diesen weitergehenden Diskussionsprozess halten wir schon deshalb für unverzichtbar, weil im vorliegenden Entwurf keinerlei Vorschläge für eine Verschärfung der Sanktionen für schwer alkoholisierte Lenker vorgelegt wurden.


II. Zu den verschärften Sanktionen im Bereich der StVO:

An sich wird der Ansatz begrüßt, durch klar festgeschriebene – mitunter auch „schmerzende“ - Strafdrohungen Präventivarbeit im Bereich der Verkehrssicherheit zu leisten. Mit der im Lauf der letzten Jahre immer deutlicher werdenden fortschreitenden kasuistischen Festlegung von Strafsätzen oder Strafrahmen für einzelne – wohl aber eher zufällig ausge­wählte – Delikte wird in der StVO in kleinen Schritten eine Art „Strafenkatalog“ geschaffen. Es erscheint sich aber – gerade in Hinblick auf die fehlende Systematik dieses Vorgehens – die Meinung des ÖAMTC zu bestätigen, dass nur in einem koordinierten Meinungsbildungs- und Ent­scheidungs­prozess ein in sich geschlossener, widerspruchsfreier nach der Schwere der Über­tretungen differenzierter und österreichweit verbindlicher Strafenkatalog geschaffen werden kann.

Gerade bei der nunmehr im Bereich des FSG geplanten Änderung der Sanktionen für das Lenken nach dem Konsum von Alkohol (ab 0,25 bis 0,39 Alkohol mg/Liter Atemluft) wird deutlich, dass nur ein in sich schlüssiger und leicht kommunizierbarer Katalog an Sanktionen unter Einbeziehung der Strafdrohungen der StVO zweckmäßig ist. Leider ist eine derartige Gesamtreform der Sanktionen nach dem Genuss von Alkohol oder Suchtgiften bisher unter­blieben und dürfte eine solche auch mit der vorliegenden Novelle nicht gelungen sein. Ganz im Gegenteil:  Die Präventivarbeit dürfte durch die erhebliche Verkompli­zierung der Vor­schriften im Bereich des FSG erheblich erschwert werden.

Es ist aber absolut nicht erwiesen, dass die Androhung höherer Strafen alleine eine Ver­haltensänderung bei Rechtsunterworfenen wie etwa Fahrzeuglenkern bewirkt. Eine derzeit gerade in Fertigstellung befindliche Studie des Instituts für Verkehrswesen der Universität für Bodenkultur und des ÖAMTC zeigt, dass vor allem die Wahrscheinlichkeit der Beanstan­dung und die unmittelbare Folge der Sanktion verhaltensändernd wirken. Das Wissen über konkret drohende Strafhöhen ist in der Regel äußerst gering, sodass Änderungen der Straf­drohungen meist gar nicht wahrgenommen werden oder auf Dauer im Gedächtnis bleiben.

Die öffentlich kolportierten Hintergründe für die jetzt vorzunehmende Strafenerhöhung mit der Untergrenze von 70 Euro für die grenzüberschreitende Vollstreckung sind nicht über­zeugend bzw unzutreffend: Bekanntlich sind etwa Organstrafverfügungen nicht „vollstreck­bar“ und können daher auch nicht im Ausland „vollstreckt“ werden. Eine Anhebung der Straf­sätze für Organmandate (im übrigen auch von Anonymverfügungen) ist daher in Hinblick auf die grenz­über­schrei­tende Vollstreckung nicht erforderlich. In der Regel sind ohnehin Strafver­fügun­gen und Straferkenntnisse deutlich „teurer“ als Organmandate bzw Anonymverfügun­gen und meist auch schon derzeit in der Höhe von mehr als 70 Euro.

Es genügt daher, die Höhe der Organmandate für „Standarddelikte“ bei maximal 36 Euro zu belassen. Die geplante Anhebung auf bis zu 70 Euro bei Geschwindigkeitsüberschreitungen über 30 km/h hat daher rein verkehrspolitische Gründe und sollte die Ausnahme bleiben.

III. Grundsätzliche Reform des Straßenverkehrsrechtes:

Nach nunmehr fast 50 Jahren strukturell unverändertem Bestand ist die StVO grundlegend überarbeitungsbedürftig. Nicht nur die Tatsache, dass tierbespannten Fuhrwerken erheblich mehr Aufmerksamkeit und Platz als Kreisverkehren oder der Telematik gewidmet wird sondern auch die Vernachlässigung weiter Teile der modernen Mobilität verlangen nach einer Neuausrichtung der Schwerpunkte und nach Korrektur gewisser Wertungswidersprüche und Ausfüllung von Systemlücken.

Völlig fehlend sind etwa Vorgaben für die Straßenbehörden, wann sie verkehrsorganisa­to­rische Maßnahmen setzen müssen bzw dürfen. Nur ansatzweise bestehen Vorschriften, welche Instru­mentarien hierfür zur Verfügung stehen. Absolut schutzlos ist dementsprechend auf der anderen Seite der Bürger, der sich durch falsche, unzureichende oder überzogene Ver­kehrs­maßnahmen in seiner Sicherheit gefährdet oder die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt sieht.

Es fehlt etwa schon ganz allgemein die „Verzahnung“ des Gesetzes mit technischen Richt­linien, nach denen die Straßengestaltung vorgenommen wird (bzw werden sollte), den soge­nannten „RVS“. Ironische Zungen meinen gar bisweilen, die StVO „widerspreche“ in manchen Punkten einzelnen RVS, worin doch ein relevantes Indiz für eine erhebliche und sanierenswerte Irritation im „Stufenbau der Rechtsordnung“ zu erkennen ist.

IV. Weitere Vorschläge:

Abschließend sei auf unsere im Teil C) dieser Stellungnahme über die Anmerkungen zum FSG hinausgehenden Vorschläge hingewiesen:

Dringend erforderlich ist eine systematische Neubearbeitung der Bestimmungen über Be­hinderte bzw von Vorgaben für die vielfach noch nicht ganz selbstverständliche „Barrierefrei­heit“. Wichtig erscheint es dem Club auch, gesetzlich eine Hilfe für Rettungs- und Nothilfe­organisationen zum schnelleren Erreichen eines Einsatzortes auf Autobahnen in Form der sogenannten „Rettungsgasse“ zu verankern.

Wir haben es nicht für zweckmäßig erachtet, im Rahmen dieser (unnummerierten) "Mini-StVO-Novelle" auf die zahlreichen sonstigen Novellierungswünsche hinzuweisen, die wir bereits anlässlich früherer Stellungnahmen vorlegten. Wir halten die unerledigten Vorschläge jedenfalls weiterhin für berücksichtigungswert und bringen unseren zentralen Wunsch neuerlich in Erinnerung, eine mit Vertretern der Länder und der Verkehrsorganisationen besetzte Arbeitsgruppe zur Diskussion der StVO-Reform einzusetzen!

 

 

B. Besonderer Teil

 

I. Änderungen des FSG

 

Zu Z 2 (§ 25 Abs 3) – Verlängerung der Entziehungsdauer bei Vorliegen mehrerer Vormerkungen

Die Begründung in den Erläuterungen, mit dieser Bestimmung die sinnwidrige und ungerechte Ungleichbehandlung von 0,8 Promilledelikten und 0,5 Promilledelikten aus­räumen zu wollen, mag auf den ersten Blick logisch erscheinen, unterschlägt aber die Tat­sache, dass die Verlängerungsregel nicht nur in diesem Fall, sondern bei allen Tatbeständen der Verkehrunzuverlässigkeit in Kombination mit jeglichem Vormerkdelikt zur Anwendung gelangt. Das bedeutet, dass auch bei Vorliegen einer gerichtlich strafbaren Handlung ohne direkten kraftfahrrechtlichen Bezug (§ 7 Abs 3 Z 7 bis 11), Versäumung ärztlicher Kontroll­untersuchungen (Z 12) oder sonstiger wiederholter Nichteinhaltung von Lenkerauflagen (Z 13, zB Fahren ohne Brille) jede Vormerkung eine Verlängerung der Entziehungsdauer um einen Monat bewirkt, und zwar auch, wenn niemals Alkohol im Spiel war. Diese Vorgangs­weise ist überzogen und zielt ganz eindeutig auf die Schikanierung der Masse ab, anstatt wirklich rücksichtslose Verkehrssünder zu sanktionieren.

 

Außerdem veranschaulicht diese Bestimmung einmal mehr, dass die vorgesehenen Sonder­regelungen für 0,5 Promilledelikte einen Systembruch im an sich schon komplizierten Vor­merkgefüge darstellen und die Vollziehung unnötig erschweren. Dies ist wohl vor allem in der unglücklichen Zwitterrolle des 0,5 Promillevergehens begründet, das einerseits zum Vor­merkdelikt erklärt wurde, andererseits das einzige Alkoholdelikt im Vormerksystem ist. Dieser Systembruch ist durch keine wie auch immer gearteten nachträglichen Ausnahme- und Sonderregelungen zu beheben.

 

II. Änderungen der StVO

Z 1 (§ 52 lit a Z 10b) - Ende einer Geschwindigkeitsbeschränkung

Dem Vorschlag, bei „neuen“ Geschwindigkeitsbeschränkungen nur deren Beginn, nicht aber das Ende der bis zu dieser Stelle geltenden alten Geschwindigkeitsbeschränkung anzuzeigen, wird zugestimmt. Man darf aber nicht vergessen, dass dies nur dann zur Anwendung gelangen kann, wenn die zeitlichen Geltungsbereiche übereinstimmen und sich die Verordnungen an dieselben Normadressaten richten.

Endet aber die neue Geschwindigkeitsbeschränkung, sollte im Sinne der Klarheit ein Ver­kehrszeichen gem Z 11 („Ende von Überholverboten und Geschwindig­keits­begrenz­ungen“ - grauer Schrägbalken auf weißem Grund) angebracht werden, um klarzustellen, dass sämtliche bisher in örtlicher Abfolge verordneten Geschwindigkeitsbeschränkungen an dieser Stelle enden.

Aus Anlass der beabsichtigten Änderung weist der ÖAMTC auf den unbefriedigenden Zu­stand hin, wonach ein auf der Rückseite des betreffenden Vorschriftszeichens gem Z 10a angebrachtes „Ende“ gem Z 10b für den Annäherungsverkehr nur auf der linken Fahrbahn­seite steht. Da mit einem derartigen „Ende“ auch das Ende einer Anhebung der zulässigen Höchst­geschwindigkeit gem § 43 Abs 4 kundgemacht werden kann (und idR auch wird), gilt ab dem (wie erwähnt oft nur linksseitig angebrachten Vorschriftszeichen) die niedrigere Höchstge­schwin­digkeit gem § 20 Abs 2 (meist 50 bzw allenfalls 100 km/h).

Diese „Falle“ – oft in Verbindung mit einer unmittelbar auf die Änderung des Tempolimits folgenden Geschwindigkeitsüberwachung – wird durchaus berechtigt als „Methode des unfairen Abkassierens“ empfunden. Überdies wird durch „Geheimvorschriften“, die nicht eindeutig wahrgenommen werden können, insbesondere der Verkehrssicherheit kein guter Dienst erwiesen.

Der ÖAMTC schlägt daher vor, dass im Fall des Endes einer gem § 43 Abs 4 verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung die nunmehr vorgeschlagene Kundmachungsform verpflich­tend zu wählen ist bzw in diesem Falle auf die ab dieser Stelle geltende Geschwindigkeits­beschränkung gem § 20 Abs 2 mit geeigneten (noch zu schaffenden) Straßenverkehrszeichen  hinzuweisen ist. Vielfach kommen gelbe oder weiße rechteckige Tafeln mit dem Symbol eines Vorschriftszeichens zur Anwendung. Vorschriften, ob und wann aber diese Tafeln auf­zustellen sind, wann sie entbehrlich oder verwirrend und daher verboten sind, vor allem aber, wie sie konkret auszuführen sind, fehlen dem Gesetz derzeit völlig.

 

Z 2 (§ 99 Abs 2) - Anhebung der Mindeststrafe von € 36,-- auf € 150,--

Dass die Untergrenze des Strafrahmens für die hier genannten „Führerschein-Entziehungs-Delikte“ bisher mit € 36,-- unter jenem Wert des § 99 Abs 2c (€ 72,--, meist „Vormerk­delikte“) liegt, ist ausschließlich historisch begründet. Eine Anhebung erscheint daher sach­gerecht. Das Ausmaß erscheint hingegen in Anbetracht der Tatsache, dass die Behörde nicht gezwungen ist, stets die Mindeststrafe zu verhängen, deutlich überzogen.

Der ÖAMTC schlägt daher vor, dass der Betrag auf € 100,-- geändert wird.

 

Z 3 und 4 (§ 99 Abs 2 lit b und c bzw Entfall des § 99 Abs 2c Z 9) - Verschiebung der Tempoüberschreitung um mehr als 40 bzw 50 km/h von Abs 2c in Abs 2

Die Einbeziehung dieses „Kurzzeitentziehungs-Tatbestandes“ der Geschwindigkeits­über­schreitung um mehr als 40 bzw 50 km/h in die qualifizierten Delikte des § 99 Abs 2 StVO erscheint sachgerecht. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass das Gesetz nach wie vor keinen technischen Beweis für die begangene Übertretung verlangt. Es ist daher nicht ausge­schlossen, dass Lenker wegen einer Geschwindigkeitsübertretung mittels (händischer) Laser­messung  beanstandet wurden, wobei dann – außer der Aussage des Meldungslegers – kein Beweis vorliegt, dass die Tat wirklich durch den Lenker des beanstandeten Fahrzeuges begangen wurde.

Der ÖAMTC verlangt daher, dass die Bestrafung – insbesondere aber die Anwendung des erhöhten Strafsatzes nach dieser Gesetzesstelle - nur dann zulässig ist, wenn die Überschrei­tung mittels eines technischen Hilfsmittels festgestellt und durch technisch nachvollziehbare Hilfsmittel (Foto, Video, elektronische Datenerfassung udgl) nachgewiesen wird, dass die vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Lenker des beanstandeten Fahr­zeuges begangen wurde bzw auch eine Geschwindigkeitsüberschreitung im angeführten Ausmaß vorlag. Die Aussage des Meldungslegers allein reicht dazu jedenfalls nicht aus.

In formaler Hinsicht wird aus systematischen Gründen angeregt, am Beginn der lit b) das Wort „wer“ durch die Wortfolge „wer als Lenker eines Fahrzeuges“ zu ersetzen.

 

Z 5 (§ 99 Abs 2d) - Strafrahmen für Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 30 km/h

In der gemeinsamen Arbeitsbesprechung von Experten mit dem BMVIT (zum so genannten „10-Punkte-Programm“ von BM Faymann) wurde vorgeschlagen, für die Überschreitung der ziffernmäßig festgelegten Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km/h den Strafrahmen mit mindestens € 70,-- festzulegen. Gegen die Untergrenze wird kein Einwand erhoben.

Es wird allerdings angemerkt, dass der ÖAMTC in Anbetracht des Entwurfes für den neuen, bisher nicht existenten Strafrahmen von 70 bis 726 Euro feststellen muss, dass es immer mehr einzelfallbezogene Strafrahmen in der StVO geben wird. Daher ruft der ÖAMTC seine bereits mehrfach vorgetragenen und in Teil A) nochmals zusammengefassten Vorschläge in Erinne­rung, einen in sich wertungswiderspruchsfreien Strafkatalog durch Gesetz (allenfalls als Grundlage für eine diesbezügliche Verordnung) festzulegen.

 

Z 7 (§ 100 Abs 5a) - Änderung der Bestimmungen betreffend Organmandate

Die Erhöhung des Rahmens für Organstrafverfügungen bei Geschwindigkeits­über­schrei­tun­gen auf  bis zu € 70 wird abgelehnt. Um einen vertretbaren Betrag für darauffolgende Anonymverfügungen (die in der Regel mit 50 bis 100 % Zuschlag zu den Organmandats­sätzen festgelegt werden) bzw Strafverfügungen zu ermöglichen, sollte der Organmandats-Strafbetrag keinesfalls höher als 50 Euro liegen. Die Unterschreitung des für die grenzüber­schreitende Verfolgung erforderlichen Betrages von € 70,-- ist schon deshalb irrelevant, weil Organstrafverfügungen nicht rechtskräftig und daher auch nicht vollstreckbar werden. Unter anderem aus diesem Grund hat der Vertreter des ÖAMTC in der Arbeitsgruppe des BMVIT daher den Betrag von € 50,-- genannt.

Ein Gesetzestext im Sinne der Entwurfsfassung würde aber auch die Grundlage dafür schaffen, dass für Organstraf­verfügungen nach anderen Übertretungen ein höherer Strafsatz vorgesehen werden dürfte. Für eine derartige Anhebung bestehen aber keinerlei Anlass und Notwendigkeit. Überdies wurde darüber in der Arbeits­gruppe im BMVIT nicht diskutiert und besteht auch keinerlei Konsens in diesem Sinne. Sogar BM Werner Faymann hat im Zuge einer Presseaussendung vom 26. Oktober 2007 (als Reaktion auf eine entsprechende Aus­sendung des ÖAMTC vom Vortag, mit der vor der möglichen Verdoppelung aller Organman­datsstrafen der in § 100 Abs 5a StVO aufgezählten ca 70 Einzeltatbestände gewarnt wurde) derartige Absichten dementiert. Der Text sollte daher in diesem Sinne angepasst werden.

 

 

 

C. Grundsätzliches zum 0,5 Promilledelikt im Vormerksystem und ergän­zende Vorschläge (auch zur StVO)

 

I. Vorschläge und Anmerkungen zum FSG

 

Unsere Kritik an der vorgeschlagenen Änderung des Vormerksystems stützt sich im wesent­lichen auf zwei Punkte.

 

Erstens wird - entgegen der landläufigen Meinung - der weitaus größte Anteil von Verkehrs­unfällen, bei denen Alkohol im Spiel war, nicht von Lenkern im 0,5 Promillebereich began­gen. Die Alkolenker, denen die Aufmerksamkeit aller in Österreich an Verkehrssicherheit interessierten Kreise gilt, sind jene, die sich weit jenseits der 1,2 Promillegrenze bewegen und schwere Unfälle, oft in Verbindung mit Fahrerflucht, begehen. Aufgrund ihrer Gefährlichkeit sind sie bzw Alkodelikte ab 0,8 Promille auch nicht Teil des Vormerksystems, da diesen Lenkern sofort die Lenkberechtigung entzogen werden muss (anstelle des Stufensystems Vormerkung - Maßnahme - Entziehung).

 

Daraus ergibt sich der zweite Kritikpunkt: 0,5 Promillevergehen sind die einzigen Alkohol­delikte im Vormerksystem. Dies war ursprünglich richtigerweise so gedacht, eben weil diese Deliktskategorie als weniger kritisch angesehen wurde als die Alkoholdelikte, bei denen sofort eine Entziehung erfolgen muss. Der Gedanke war, dem Durchschnittslenker, der einmal zu viel getrunken hat, die Chance zur Bewährung zu geben.

Nun aber wird versucht, 0,5 Promilledelikte zwar im Vormerksystem zu belassen, sie trotz­dem aber nahezu gleich den schweren Alkoholdelikten zu sanktionieren. Nicht nur, dass sich hier ein Wertekonflikt offenbart, führt dies auch zu einem Systembruch, der kaum mit legistischen Maßnahmen zu kitten ist. Es sind durch diese Änderung eine Menge Nachjustie­rungen erforderlich, um das schon ursprünglich komplexe Vormerksystem in scheinbarer Balance zu halten.

 

Zu den erforderlichen Nachjustierungen, die das System an sich und die Verwaltung bzw. Vollziehung zusätzlich belasten, zählen neben der Änderung der Verlängerungsregel (§ 25 Abs 3, siehe oben) auch die Registrierung von 0,5 Promilledelikten für fünf Jahre anstelle der sonst für alle Vormerkdelikte vorgesehenen zwei Jahre. Die Sinnhaftigkeit ist angesichts der verschwindend geringen Anzahl von Lenkern, die zwei Vormerkungen eingetragen haben und den damit erschwerten Bedingungen für eine Bewährungschance für Ersttäter, kaum erklär­bar.

 

Zur Illustration:

Derzeit bedeutet das dritte Vormerkdelikt - egal welche Kombination, drei verschiedene oder dreimal das gleiche Delikt, mit oder ohne 0,5 Promille - den Entzug der Lenkberechtigung für mindestens drei Monate. Nach zwei Jahren Wohlverhalten bzw nach der Entziehung wegen Kumulierung dreier Vormerkdelikte sind alle Delikte gelöscht.

 

Künftig würde es so aussehen:

a) wenn man (irgendwelche) drei "alkoholfreie" Vormerkdelikte begeht, bleibt alles beim Alten - mit dem dritten Delikt wird die Lenkberechtigung entzogen. Nach zwei Jahren haben die betroffenen Lenker eine reine Weste.

 

b) handelt es sich aber beim ersten oder zweiten Delikt um einen 0,5 Promilleverstoß, erfolgt die Entziehung gleich nach dem zweiten Vergehen. Nach einem dritten Delikt wird die Lenk­berechtigung erneut entzogen. Während das Alkoholdelikt fünf Jahre registriert bleibt, werden die anderen Vormerkdelikte gelöscht. Ob ein Alkoholdelikt nach fünf oder zwei Jahren gelöscht wird, hängt lediglich davon ab, ob es zu einer dritten Vormerkung – egal aus welchem Grund – kommt und nicht davon, ob jemand ein unbelehrbarer Wiederholungstäter hinsichtlich Fahren in alkoholisiertem Zustand ist.

 

Unserer Meinung nach wäre es besser, darüber nachzudenken, entweder alle Alkoholdelikte gleich zu behandeln und zb die derzeit im FSG stehende 0,5 Promillegrenze zu den übrigen Alkoholdelikten der StVO hinzuzufügen, oder aber die ursprüngliche und bewusst gewählte Differenzierung nach Schwere und Unrechtsgehalt beizubehalten. Der im gegenständlichen Entwurf gewählte Ansatz wird jedenfalls den tatsächlichen Problemen am wenigsten gerecht.

 

Alternativen:

Um das Vormerksystem in seiner bisherigen Form weitgehend unverändert beibehalten zu können und dennoch ein Zeichen zu setzen, dass 0,5 Promilledelikte besondere spezial- und generalpräventive Aufmerksamkeit verdienen, schlägt der ÖAMTC daher – wie bereits in der Arbeitsgruppe diskutiert und auch von anderen Experten unterstützt – Folgendes vor:

 

Handelt es sich beim ersten Vormerkdelikt um einen 0,5 Promilleverstoß, wird dieser nicht nur mit einer Vormerkung belegt, sondern zusätzlich ein Alkohol-Aufklärungs- und Be­ratungsgespräch (Arbeitstitel: Verkehrscoaching) vorgeschrieben. Hierbei handelt es sich um eine Maßnahme, die inhaltlich und von ihrem Umfang her am ehesten einer herkömmlichen Nachschulung vergleichbar ist, die jedoch weniger umfangreich - 3 Stunden - und somit weniger kostspielig sein soll. Auch muss sie nicht notwendigerweise durch Psychologen durchgeführt werden. Details können den Vorschlägen des KfV entnommen werden (siehe Beilage).

In allen anderen (Wiederholungs-) Fällen kann das bisherige Regime des Vormerksystems unverändert weitergeführt werden: Beim zweiten Delikt erfolgt zusätzlich zur Vormerkung eine Nachschulung, bei der dritten Deliktsbegehung wird die Lenkberechtigung für mindestens drei Monate entzogen.

 

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Lenkberechtigung beim zweiten Alkoholdelikt für ein Monat zu entziehen (anstatt nach zwei Vormerkdelikten, von denen nur eines Alkohol betraf). Dies würde eine zielgerichtete Maßnahme gegen alkoholisierte Wiederholungstäter darstellen.

 

Schließlich besteht eine dritte Möglichkeit, mit wenig Aufwand effizient gegen Alkohol­sünder im Straßenverkehr vorzugehen: Die 0,5 Promillegrenze wird aus dem FSG und dem Vormerksystem heraus genommen und in die StVO übernommen. Bei wiederholter Ver­letzung der 0,5 Promillebestimmung wird die Lenkberechtigung für eine noch festzulegende Dauer entzogen. Demzufolge wäre in § 7 Abs 3 FSG die wiederholte Begehung eines 0,5 Promilleverstoßes als neuer Verkehrsunzuverlässigkeitstatbestand zu ergänzen. Dies würde auch einen (systemkonformen) längeren Beobachtungszeitraum des Alkoholdeliktes von zehn Jahren ermöglichen (§ 7 Abs 6).

 

 

II. Weitere Vorschläge zur Änderung der StVO:

1. Hinweis auf bestehende gesetzliche oder verordnete Verkehrsbeschränkung

Wie bereits oben angesprochen sollte der Gesetzgeber ausdrücklich festlegen, dass Hinweis­zeichen auf gesetzliche oder aufgrund von Verordnungen bestehende Verkehrs­beschrän­kun­gen zulässig sind und wie diese auszuführen sind.

Sollte der Inhalt einer Verordnung nicht (zur Gänze) durch Straßenverkehrszeichen kund­ge­macht werden können (zB temporäre Geschwindigkeitsbeschränkungen auf einzelnen Auto­bahnstücken für bestimmte Straßen­­benützer) und erfolgt daher derzeit eine Kund­machung nur mittels eines der in § 44 StVO genannten anderen Kundmachungsmittel, sollte (zumindest) auf den Inhalt jenes Teils der Verordnung, die sich an eine erhebliche Zahl von Straßen­be­nützern richtet, mittels derartiger Hinweiszeichen an geeigneten Stellen hinge­wiesen werden müssen.

Im übrigen sind die Bestimmungen des § 44 insoferne restriktiv auszulegen und sind – so etwa auch der UVS Steiermark im Zusammenhang mit einer Verordnung nach dem Immissions­­schutzgesetz-Luft - (normale) Straßenverkehrszeichen anzubringen.

In der Praxis bestehen bereits Tafeln zum Hinweis auf geltende Beschränkungen (etwa auf solche gem IG-L), wobei in der Regel gelbe rechteckige bzw quadratische Grundtafeln mit aufgelegtem Bild des Vorschriftszeichens angebracht werden. Es erscheint sachgerecht, diese Praxis gesetzlich für zulässig zu erklären und die verwendeten Hinweiszeichen zu vereinheit­lichen.

2. Vorschriften für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, Barrierefreiheit

Der ÖAMTC regt an, im Rahmen einer Themen-Arbeitsgruppe die Novellierung zahlreicher Bestimmungen im Zusammenhang mit Behinderten in der StVO zu diskutieren.

Als illustrierendes Beispiel sei etwa erwähnt, dass oft „Behinderten­ram­pen“ errichtet werden, vor denen gem § 24 Abs 1 lit l StVO das Halten und Parken verboten ist. Worum es sich dabei aber handelt, wie und in welcher Form sie auszuführen sind usw, ist dem Gesetz bisher nicht zu entnehmen; Kraftfahrer riskieren jedoch, kostenpflichtig abgeschleppt zu werden!

Auch die Bestimmungen über die Rechte zur Benützung von Behindertenparkplätzen sind nicht mehr zeitgemäß und bedürfen einer Überarbeitung.

Im Zuge der Vorbereitung einer nächsten - als ausdrückliche StVO-Novelle bezeichneten - Novellierung sollte zeitgerecht eine der­artige Arbeitsgruppe eingerichtet werden. Der ÖAMTC ist hierfür gerne bereit, die Erfahrungen seiner seit Jahrzehnten sehr praxisnahen Rechtsberater, vor allem jener, die sich speziell mit Fragen von Menschen mit besonderen Bedürfnissen widmen, einzubringen.

 

3. Gesetzliche Verankerung einer „Rettungsgasse“

Wie bereits seitens des Roten Kreuzes und der Österreichischen Gesellschaft für Notfall- und Katastrophenmedizin (ÖNK) vorgeschlagen, sollte – etwa nach dem Vorbild entsprechender Bestimmungen in der Schweiz und in Deutschland - in die StVO die Pflicht für Fahrzeug­lenker aufgenommen werden, bei Staubildung auf Autobahnen und Autostraßen im Freiland mit getrennten Richtungsfahrbahnen eine sogenannte „Rettungsgasse“ frei zu halten. Ziel sollte es sein, Rettungs- und Sicherungskräften jederzeit die Zufahrt zu einer Unfallstelle bzw deren Passieren zu ermöglichen, und zwar unabhängig davon, ob ein allen­falls vorhandener Pannenstreifen das Vorankommen derartiger Kräfte ermöglichen würde.

 

4. Kundmachung großflächiger Kurzparkzonen

Großflächige Kurzparkzonen bedürfen nach Ansicht des ÖAMTC und der Volksanwalt­schaft einer besonderen Publizität. Zonenbeschilderungen mittels an den Außengrenzen angebrach­ter Verkehrszeichen gem § 52 lit a Z 13d und 13e StVO reichen erfahrungsgemäß nicht aus, um insbesondere ortsfremden Personen den Umstand der beschränkten Parkdauer und der Gebührenpflicht zu vermitteln. Dementsprechend hat auch die Volksanwaltschaft in einem ihrer jüngsten Missstandsberichte gefordert, dass innerhalb von großflächigen Zonen die zur Einhaltung der zulässigen Parkdauer und der ordnungsgemäßen Gebührenentrichtung notwendigen Informationen zugänglich gemacht werden müssen. Nicht zuletzt, weil ein ent­sprechender Bedarf vor allem in Wien besteht und durch das massive Entfernen von „Binnentafeln“ sogar noch verstärkt wurde, ist unseres Erachtens der Gesetz­geber gefordert, festzulegen, dass und wo derartige Erinnerungsschilder notwendig sind.

Bei sehr weitläufigen Kurzparkzonen könnte man etwa die Rechtssicherheit als gefährdetes Kriterium nennen, wobei insbesondere dem Faktum Rechnung zu tragen ist, dass auch inner­halb großflächiger Zonen in manchen Fällen kleinräumige „lineare“ Zonen verordnet sind und diese erfahrungsgemäß für zusätzliche Unklarheiten sorgen. Als legistisches Vorbild könnte etwa § 51 Abs 1 StVO dienen, der Wiederholungszeichen verlangt, „wenn dies aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich ist“. Dementsprechend wären also Wieder­holungs­tafeln auch dann notwendig, wenn dies zur Erhaltung der Rechtssicherheit hinsichtlich der Geltung und Erkennbarkeit genereller Normen erforder­lich ist. 

Allfällige durch die lokalen Behörden gestaltete „Reminder“-Tafeln (Hollabrunn, Zwettl, Wien 15. Bezirk etc) sollten nach gleichem Muster oder zumindest nach gleichen Grund­sätzen gestaltet sein, um nicht bloß auf lokaler Ebene verstanden zu werden.

 

 

 

 

ÖAMTC-Rechtsdienste,

Mag. Ursula Zelenka

Mag. Martin Hoffer                                                                          Wien, im November 2007

 

 

Beilage: Vorschlag "Verkehrschoaching"

 


Beilage:

 

 

 

Arbeitstitel: Verkehrscoaching:


Wesen und Hintergrund:
Für Ersttäter im untersten Promillebereich erscheint die zur Zeit vorgesehene Nachschulung im Vormerksystem zu zeit- und kostenaufwändig, auch die Anwendung von bei Personen mit stark verhärteten Fehlverhaltensweisen erprobten Maßnahmen wäre verfrüht. Dem überall im Sanktionenbereich anzuwendenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgend ist diesen Ersttätern weitaus zielführender mit einem coachingartigen Aufklärungsgespräch zu begegnen, in dem sie über die Folgen, Reichweite und Nachhaltigkeit ihres Tun aufgeklärt und Einsicht, Verständnis und Verantwortung aktiviert werden sollen.


Inhalte:
Durch Information und Aufklärung über maßgebliche Rechtsvorschriften, einschlägige Gefahrenkunde, Unfallzahlen und –folgen, weiters der Einsichtnahme in Unfallbilder sowie einer umfassenden Erörterung des Einzelfalls sollen nach dem Prinzip Reflexion – Option – Aktion zunächst Einsicht und Verständnis hinsichtlich des Fehlverhaltens gewonnen, ein alltagstaugliches Alternativverhalten erarbeitet sowie Vermeidungsstrategien beschlossen und umgesetzt werden.


Anbieter & Vortragende
Hier sollten ein unkompliziertes System ohne neue Ermächtigungen udgl. geschaffen werden, vorwiegend durch Verweis auf bestehende Systeme.


Dauer:
Vorschlag: 4-6 Unterrichtseinheiten.


Preis:
Jedenfalls günstiger als Vormerksystem-Nachschulung!