|
|
An das |
GZ ● BKA-600.774/0009-V/5/2007 Abteilungsmail ● v@bka.gv.at bearbeiter ● Herr MMag Dr Patrick SEGALLA Pers. E-mail ● patrick.segalla@bka.gv.at Telefon ● 01/53115/2353 Ihr Zeichen ● BMVIT-170.706/0007-II/ST4/2007
|
Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie
|
Antwort bitte unter Anführung der GZ an die Abteilungsmail
|
Betrifft: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Führerscheingesetz (12. FSG-Novelle) und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden;
Begutachtung; Stellungnahme
Zum mit der do. oz. Note übermittelten Gesetzesentwurf samt Beilagen nimmt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst wie folgt Stellung:
Zu legistischen Fragen darf allgemein auf die Internet-Adresse http://www.bundeskanzleramt.at/legistik hingewiesen werden, unter der insbesondere
· die Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „LRL …“),
· das EU-Addendum zu den Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „RZ .. des EU-Addendums“),
· der ‑ für die Gestaltung von Erläuterungen weiterhin maßgebliche ‑ Teil IV der Legistischen Richtlinien 1979,
· die Richtlinien für die Verarbeitung und die Gestaltung von Rechtstexten (Layout-Richtlinien) und
· verschiedene, legistische Fragen betreffende Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst
zugänglich sind.
Die Gemeinschaftsrechtskonformität des im Entwurf vorliegenden Bundesgesetzes ist vornehmlich vom do. Bundesministerium zu beurteilen.
Die strengere Bestrafung von Delikten, die auf einer Überschreitung der 0,5-Promille-Grenze beruhen, im Vergleich zu anderen vom Vormerksystem erfassten Delikten, ist verfassungsrechtlich im Sinne von Art. 7 B-VG nur dann als zulässig anzusehen, wenn sie aufgrund sachlicher Umstände gerechtfertigt werden kann. Dies erscheint zwar nicht unplausibel; es wird jedoch am Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie liegen, hierfür im Rahmen eines allfälligen verfassungsgerichtlichen Verfahrens solche Umstände zu nennen.
Angemerkt darf auch werden, dass die vorgeschlagenen Änderungen das ohnehin legistisch schon sehr komplexe Vormerksystem weiter verkomplizieren und das Verständnis der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen erschweren
Hier wäre die Angabe nur des Kurztitels „Führerscheingesetz“ ausreichend und aus legistischer Sicht vorzuziehen (LRL 120).
Um Missverständnisse darüber hintanzuhalten, ob aus dem unterschiedlichen Wortlaut im Vergleich zu Z 14 und 15 („ein Delikt begangen“ bzw. „wegen eines Deliktes rechtskräftig bestraft“) der Schluss einer unterschiedlichen Bedeutung zu ziehen ist und um eine Auslegung zu verhindern, wonach Z 16 schon vor Rechtskraft eines Strafbescheides als verwirklicht gilt (was angesichts dessen, dass auch § 30a Abs. 1 den Begriff der Begehung verwendet, aber ausdrücklich regelt, dass eine Vormerkung erst nach Rechtskraft zu verfolgen hat, nicht ausgeschlossen erscheint), wird angeregt, zu überlegen, die Begrifflichkeiten zu vereinheitlichen oder – falls die Differenzierung bewusst gewählt ist, um sicherzustellen, dass auch das zweite Delikt noch zu einer Vormerkung führt – an der Tatsache der erfolgten Vormerkung und nicht an der Begehung anzusetzen. Jedenfalls sollte – schon aus verfassungsrechtlichen Gleichheitsgründen – die unterschiedliche Begrifflichkeit nicht dazu führen, dass in den neu hinzugekommenen Fällen, anders als bisher, eine gesetzliche Reaktion im Rahmen des Vormerksystems schon aufgrund bloßer Tatbegehung ohne rechtskräftige Bestrafung erfolgen kann (was überdies die Frage aufwerfen würde, in welchem rechtsstaatlichen Verfahren über die Tatbegehung abgesprochen wird, wenn ein entsprechendes Strafverfahren nicht zu Ende geführt wurde; das Entziehungsverfahren gemäß § 24 ff FSG dürfte dafür seiner Funktion nach nicht der richtige Platz sein).
Angemerkt wird auch noch, dass es sprachlich problematisch erscheint, darauf abzustellen, ob ein Delikt eine Vormerkung „darstellt“. Denn nach dem System des § 30a ist eine Vormerkung eine Folge eines Deliktes, mit diesem aber nicht gleichzusetzen.
Hier sollte aus terminologischer Sicht geprüft werden, ob es nicht vorteilhaft wäre, statt von „Eintragung“ von „Vormerkung“ zu sprechen. Aus § 30a ergibt sich nämlich, dass aufgrund der Begehung eines Deliktes des § 30a Abs. 2 eine Vormerkung „einzutragen“ ist. Nun dürfte es wohl der Sache nach nicht falsch sein, wie in der Entwurfsbestimmung von einer Eintragung der Vormerkung zu sprechen (und damit „Vormerkung“ und „Eintragung“ gleichzusetzen; aus Sicht einer einheitlichen Terminologie wäre es aber eindeutig vorzuziehen, das Faktum einer eingetragenen Vormerkung generell mit dem Begriff „Vormerkung“ (und nicht „Eintragung“) zu bezeichnen, wie dies etwa in Z 4 des Entwurfs der Fall ist.
Gleichzeitig könnte dieser terminologische Aspekt auch im geltenden § 7 Abs. 3 Z 14 FSG berücksichtigt werden: Dort ist ebenfalls von „zu berücksichtigender Eintragung“ die Rede, während der dort verwiesene § 30a Abs. 4 ausschließlich von Vormerkungen spricht.
Anzumerken ist in Bezug auf Z 17 weiters, dass die Formulierung „Entziehung gemäß Z 14 oder 15“ unpräzise ist, da Entziehungen zwar auf diese Zahlen zurückgeführt werden können, die Rechtsgrundlage für Entziehungen aber eine andere ist (§§ 24 ff FSG).
Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass die Tatbestandselemente „ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen“ ohnehin bereits für § 14 Abs. 8 konstitutiv sein dürften und daher nicht ersichtlich ist, wieso sie nochmals erwähnt werden.
In der Novellierungsanordnung sollte das Wort „ergänzt“ besser entfallen. Da sich das Partizip „angefügt“ ohne weiteres auch auf das Wort „oder“ beziehen kann, ist dies unproblematisch, wenn gleichzeitig das Wort „wird“ in die Pluralform gesetzt wird.
Bezüglich der Verwendung des Begriffs „Eintragung“ gelten die Ausführungen zu § 7 Abs. 3 Z 17 sinngemäß.
In diesem Absatz wird ebenso wie in § 7 Abs. 3 Z 16 das Delikt mit der Vormerkung gleichgesetzt. Angeregt wird, stattdessen von einer Vormerkung, der ein gewisses Delikt zu Grunde liegt, zu sprechen.
Es wird zur Erwägung gestellt, diese Bestimmung in einen eigenen Absatz aufzunehmen, um den ohnehin komplexen § 30a Abs. 4 nicht zu überfrachten.
Im Lichte der Novellierungsanordnungen der Z 9 und 10 wäre es konsequent, die Anordnung hier wie folgt zu formulieren: „In § 30 Abs. 1 wird folgende Z 3 angefügt“. Darüber hinaus wird zur Diskussion gestellt, generell „Dem § xy wird angefügt“ satt „In § xy wird angefügt“ zu formulieren.
Hinsichtlich der Berücksichtigung bereits in der Vergangenheit begangener Delikte sind die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die Anforderungen aus dem Gleichheitssatz und aus Art. 7 EMRK zu beachten. Hinsichtlich letzterer Bestimmung ist davon auszugehen, dass die rein an der Verkehrszuverlässigkeit orientierten Maßnahmen (Nachschulungen und Führerscheinentzug) nach der Judikatur nicht als Strafen zu verstehen sind (vgl. dazu Verfassungsgerichtshof, VfSlg. 16.855/2003). Diesbezüglich ist allerdings anzumerken, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht auszuschließen ist, dass ein System, in dem eine zunehmende direkte Korrelation zwischen Delikten und – zeitlich gestaffelten und wiederholten – Entziehungsmaßnahmen irgendwann einmal doch die Grenze zur „Strafe“ im Sinne der EMRK überschreiten und von den Gerichten als solche beurteilt werden könnte.
Hinsichtlich des Sachlichkeitsgebotes ist insbesondere die Aufnahme des § 30b Abs. 1 Z 3 in den Katalog zu problematisieren. Denn nach dieser Bestimmung reicht in Hinkunft bereits eine Vormerkung wegen eines Alkoholdeliktes zur Anordnung besonderer Maßnahmen aus. Wenn nun ein entsprechendes, zur Vormerkung führendes Delikt erst nach dem 1. März 2008 begangen wird, bedarf es keiner Übergangsregelung. Sofern aber bereits vor diesem Datum erfolgte Vormerkungen herangezogen wären, hätte dies aufgrund der Systematik der Neuregelung wohl zur Folge, dass die Anordnung besonderer Maßnahmen unmittelbar nach Inkrafttreten der Novelle erfolgen müsste. Gegen eine solche Auslegung – abgesehen davon, dass sie aus praktischer Sicht kaum erwünscht sein kann – bestünden erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken.
Soweit die übrigen im „Katalog“ aufgezählten Bestimmungen betroffen sind, scheint es sich so zu verhalten, dass die Bestimmung des vorgeschlagenen § 41 Abs. 9 keine unmittelbare Konsequenz für bereits vorgemerkte Personen bewirken wird. Ihr „Spielraum“, weitere Delikte zu begehen, wird allerdings insofern eingeschränkt, als nunmehr im Falle neuerer Delikte schnellere und strengere Verkehrszuverlässigkeitsmaßnahmen ergriffen werden. Da für die Betroffenen aber die Möglichkeit besteht, sich darauf einzustellen und weitere Delikte zu vermeiden, dürften die Bestimmungen – soweit sie tatsächlich nur das Ausgeführte regeln – die Grenze zur Unsachlichkeit aufgrund einer indirekten Rückwirkung bzw. einer Verletzung des Vertrauensschutzes noch nicht überschreiten (wenn auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass dies der Verfassungsgerichtshof letztlich anders beurteilt).
Anzumerken ist letztlich, dass kein § 30a Abs. 1 Z 2 existiert; gemeint ist wohl § 30a Abs. 2 Z 1.
Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst weist auf seine Rundschreiben vom 13. November 1998, GZ 600.824/8-V/2/98 ‑ betreffend Vorblatt und Erläuterungen zu Regierungsvorlagen; Aufnahme eines Hinweises auf Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens ‑ und vom 19. Februar 1999, GZ 600.824/0-V/2/99 – betreffend Legistik und Begutachtungsverfahren; Auswirkungen von Rechtssetzungsvorhaben auf die Beschäftigungslage in Österreich und auf den Wirtschaftsstandort Österreich; Gestaltung von Vorblatt und Erläuterungen ‑ hin, in denen insbesondere um die Aufnahme bestimmter zusätzlicher Hinweise in das Vorblatt und den Allgemeinen Teil der Erläuterungen ersucht wurde.
Nach dem Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 19. Februar 1999, GZ 600.824/0-V/2/99 ‑ betreffend: Legistik und Begutachtungsverfahren; Auswirkungen von Rechtssetzungsvorhaben auf die Beschäftigungslage in Österreich und auf den Wirtschaftsstandort Österreich; Gestaltung von Vorblatt und Erläuterungen ‑ hätte das Vorblatt einen Abschnitt „Finanzielle Auswirkungen“ zu enthalten, gegliedert in
§ Auswirkungen auf den Bundeshaushalt,
§ Auswirkungen auf die Planstellen des Bundes und
§ Auswirkungen auf andere Gebietskörperschaften,
Die nähere Darstellung der finanziellen Auswirkungen des Gesetzesvorhabens sollte dem Allgemeinen Teil der Erläuterungen vorbehalten bleiben (vgl. die Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 29. Oktober 1980, GZ 600.824/21-V/2/80, und vom 19. Februar 1999, GZ 600.824/0-V/2/99).
Unter „Alternativen“ wären andere Wege zur Erreichung der angestrebten Ziele als die im Gesetzesentwurf gewählten Lösungen anzugeben (vgl. das Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 29. Oktober 1980, GZ 600.824/21-V/2/80); in diesem Sinne kommt die Beibehaltung der geltenden Rechtslage nicht als zur Zielerreichung geeignete, und daher auch nicht als im Vorblatt anzugebende, Alternative in Frage.
Gemäß § 14 Abs. 1 BHG ist jedem Entwurf für (ua.) ein Bundesgesetz von dem Bundesminister, in dessen Wirkungsbereich der Entwurf ausgearbeitet wurde, eine den Richtlinien gemäß § 14 Abs. 5 BHG entsprechende Darstellung der finanziellen Auswirkungen anzuschließen, aus der insbesondere hervorzugehen hat, wie hoch die durch die Durchführung der vorgeschlagenen Maßnahmen voraussichtlich verursachten Ausgaben oder Einnahmen sowie Kosten oder Erlöse für den Bund im laufenden Finanzjahr und mindestens in den nächsten drei Finanzjahren zu beziffern sein werden. Eine solche Darstellung kann dem vorliegenden Entwurf nicht entnommen werden.
Diese Stellungnahme wird im Sinne der Entschließung des Nationalrates vom
6. Juli 1961 u.e. auch dem Präsidium des Nationalrats zur Kenntnis
gebracht.
23. November 2007
Für den Bundeskanzler:
i.V. SIESS-SCHERZ
Elektronisch gefertigt