Zentrum für

Selbstbestimmtes Leben

 


Behindertenberatungszentrum

Kaiserstraße 55/3/4a, 1070 Wien

 

 

Wien, den 12. Oktober 2018

 

Abs.: , Kaiserstraße 55/3/4a, 1070 Wien

 

 


An das                            EINSCHREIBEN

BMSK

z. H. Sektionschef Mag. Pallinger

Stubenring 1

1010  Wien

 

 

 

 

Stellungnahme zur Novelle Bundesbehindertengesetz

 

 

 

Sehr geehrter Herr Sektionschef!

 

Gerne nehmen wir die Gelegenheit wahr, zur geplanten Veränderung des Bundesbehindertengesetzes unsere Ideen einzubringen.

 

Untenstehend übersenden wir Ihnen daher die Stellungnahme von BIZEPS zum Entwurf einer Novelle des Bundesbehindertengesetzes (GZ: BMSK-40101/0024-IV/9/2007).

 

Vielen Dank im Voraus.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Martin Ladstätter

Zentrum für Selbstbestimmtes Leben

 

 

 

Allgemeine Anmerkungen:

 

Das UN-Übereinkommen „über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ (Convention On The Rights Of Persons With Disabilities) wurde von Österreich unterschrieben. Eine Ratifizierung ist leider noch nicht erfolgt.

 

Die im UN-Übereinkommen aufgezählten Rechte sind in vielen Bereichen (als Beispiel seien hier Artikel 3, 4, 9,19, 21, 24 oder 25 erwähnt) erst ansatzweise gesichert und daher können wir der Feststellung der Erläuterungen „Es ist davon auszugehen, dass die im Übereinkommen festgelegten konkreten Rechte inhaltlich bereits vor Unterzeichnung des Abkommens in der österreichischen Rechtsordnung verankert sind,“ nicht zustimmen. Umso wichtiger sind die in Artikel 33 zu schaffenden Strukturen zur Überwachung des UN-Übereinkommens in Österreich.

 

Status quo ist die Zuordnung der Anliegen von Menschen mit Behinderungen im Sozialministerium wo auch der Bundesbehindertenbeirat eingerichtet ist. Das UN-Übereinkommen erhebt jedoch den Anspruch, Menschen mit Behinderungen alle Menschenrechte barrierfrei zu ermöglichen und solcherart die Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu garantieren.

 

Aus dem Menschenrechtsansatz folgt, dass alle Diskriminierungen, egal welchen Ursprungs und auf Basis welcher Motivation, in gleichem Maße zu verbieten und zu unterbinden sind. Eine Hierarchisierung von Diskriminierungsgründen oder deren Wirkungsbereich stünde im Widerspruch zum Ziel der Menschenrechte: die Würde Aller in gleicher Weise zu garantieren.

 

Die Hierarchisierung von Diskriminierungsgründen darf sich weder legistisch, noch in einer unterschiedlichen Zuordnung der Implementierung widerspiegeln. Daraus folgt, dass die nun geplante Schaffung eines Überwachungsgremiums für das UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ nur als Übergangsregelung angesehen werden kann. Das mittelfristige Ziel muss ein Gremium sein, welches die Menschenrechte aller Menschen – egal aufgrund welchen Merkmales sie diskriminiert werden – überwacht. Dieses Gremium muss mehrheitlich von NGO-VertreterInnen besetzt sein, wie es auch in dieser Novelle geplant ist.

 

Artikel 33 ist die erste UN-Bestimmung, die konkrete nationale Implementierungs- und Überwachungsmechanismen vorsieht. Dieser Anspruch ergibt sich aus den menschenrechtlichen Entwicklungen nach Ende des Kalten Krieges: Es wurde bis 1989 nicht nur eine Spaltung in politische und soziale Rechte – West und Ost respektive – propagiert, sondern auch eine abstrakte Ebene von „internationalen Menschenrechten“ konstruiert, die jedoch auf nationaler Ebene keinen Niederschlag fanden.

 

1993 wurde bei einer in Wien abgehaltenen Konferenz festgehalten, dass Menschenrechte national gültige – und daher zu implementierende – Rechte sind. Die so bezeichnete „Vienna Declaration and Programme of Action 1993“ hat zu diesem Zweck auch nationale Implementierungsmechanismen entwickelt. Sie sieht nationale Menschenrechtsbehörden (National Human Rights Institutions, NHRI) vor, die von den Vereinten Nationen in den so bezeichneten Paris Principles weiter entwickelt wurden.

 

Die Umsetzung von Artikel 33 muss daher die Zusammenführung der Überwachung sämtlicher menschenrechtlicher Anliegen in einer nationalen Institution zum Ziel haben.

 

Grundsätzlich zeigt diese Novelle auch die Schwächen des Bundesbehindertenbeirates auf. Der Monitoringausschuss ist u.a. deswegen notwendig, weil im Bundesbehindertenbeirat die Vertreterinnen und Vertreter der Behindertenbewegung eklatant in der Minderheit sind, was dem UN-Übereinkommen widerspricht.

 

Daher sollte der Gesetzgeber auch die Zusammensetzung der Mitglieder des Bundesbehindertenbeirates überdenken. Der Bundesbehindertenbeirat sollte so gestaltet werden, dass Vertreterinnen und Vertreter der Behindertenbewegung in der Mehrheit sind.

 

Ob „Vertreter der organisierten Behinderten und der organisierten Kriegsopfer“ die gesamte Breite der Behindertenbewegung des 21. Jahrhunderts widerspiegeln, sollte hinterfragt werden.

 

Der Bundesbehindertenbeirat ist für die österreichische Behindertenpolitik nahezu bedeutungslos. Dieses Faktum sollte mittelfristig geändert werden.

 

 

 

Zur Novelle im Detail:

 

Änderung des Bundesbehindertengesetzes

 

Zu 1, 3, 4, 7-10: Keine Anmerkung

 

Zu 2: Diese Erweiterung um eine Vertreterin bzw. Vertreter des Bundesministeriums für Frauenangelegenheiten ist inhaltlich nachvollziehbar. In der Konsequenz bedeutet dies aber eine Stärkung der Dominanz der BehördenvertreterInnen. Das steht im Widerspruch zum UN-Übereinkommen.

 

Da Verbandsklagen gemäß § 13 Abs. 2 BGStG „mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen“ des Bundesbehindertenbeirats zu beschließen sind, bedeutet diese Erweiterung eine Verschlechterung. Wir schlagen daher vor, die Zahl der Vertreterinnen und Vertreter von Menschen mit Behinderungen zumindest auch um ein Mitglied zu erhöhen.

 

Zu 5: Wir schlagen vor, die Formulierung „Vertreter der organisierten Behinderten und der organisierten Kriegsopfer“ durch eine zeitgemäß Formulierung – wie sie auch in dieser Novelle mehrfach zum Einsatz kommt - zu ersetzen. Beispielsweise: „Vertreter der Menschen mit Behinderungen“

 

Im Abs 2. Ziffer 3 schlagen wir – im Sinne unserer allgemeinen Anmerkungen - folgende Erweiterung vor. „Empfehlungen und Stellungnahmen betreffend die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Zusammenhang mit § 8 Abs. 2 Z 4 gegenüber dem Bundesbehindertenbeirat und dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments abzugeben.“

 

Zu 6: Es ist erfreulich, dass dieser redaktionelle Fehler – auf den wir schon im Rahmen der Gesetzwerdung des Gleichstellungspaketes hingewiesen haben – bereinigt wird.