BUNDESMINISTERIUM FÜR EUROPÄISCHE UND

INTERNATIONALE ANGELEGENHEITEN

VÖLKERRECHTSBÜRO

Federal Ministry for European and International Affairs

Ministère Fédéral des Affaires Européennes et Internationales

A-1014 Wien, Minoritenplatz 8

Tel.: 0501150-0, FAX: 0501159-212

E-MAIL

 

GZ:

BMaA-AT.8.15.02/0403-I.2c/2007

Datum:

16. Jänner 2007

Seiten:

3

An:

BMSK: stellungnahmen@bmsk.gv.at       elisabeth.bednar@bmsk.gv.at

 

Kopie:

begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

Von:

Bot. Dr. H. Tichy

SB:

Mag. Theuermann, Dr. Heindl, Dr. Loidl

DW:

3991

 

 

 

BETREFF:   Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesbehindertengesetz                  geändert wird; Stellungnahme BMeiA

 

 

Zu do. GZ BMSK-40101/0024-IV/9/2007

vom 5. Dezember 2007

 

 

Das BMeiA bemerkt zum oz. Entwurf Folgendes:

 

Art. 33 Abs. 2 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen bestimmt, dass die Vertragstaaten auf nationaler Ebene „für die Förderung, den Schutz und die Überwachung der Durchführung (des) Übereinkommens … eine Struktur …. unterhalten, stärken, bestimmen oder schaffen“, die „… einen oder mehrere unabhängige Mechanismen einschließt“.

 

Art. 33 Abs. 2 des Übereinkommens sieht weiters vor, dass bei der Bestimmung oder Schaffung eines solchen Mechanismus die Vertragsstaaten die Grundsätze betreffend die Rechtsstellung und die Arbeitsweise der einzelstaatlichen Institutionen zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte berücksichtigen“.

 

Damit sind die „Pariser Prinzipien“ bezüglich des Status von nationalen Institutionen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte angesprochen, die 1993 von der Generalversammlung der Vereinen Nationalen verabschiedet wurden.

 

Zur Gewährleistung der Unabhängigkeit einer nationalen Menschenrechtsinstitution fordern die Pariser Prinzipien vor allem eine adäquate materielle Ausstattung und budgetäre Autonomie, um eine Einflussnahme der Regierung im Wege budgetärer Kontrolle hintan zu halten. Der Vorgang der Bestellung der Mitglieder muss eine pluralistische Vertretung der gesellschaftlichen Kräfte der Zivilgesellschaft, die an der Förderung und am Schutz der Menschenrechte beteiligt sind, in der Menschenrechtsinstitution gewährleisten.

 

Um dieser Forderung nach Unabhängigkeit zu entsprechen, hätte ein in Ausführung von Art. 33 Abs. 2 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen neu zu schaffendes Organ kein bloßer Unterausschuss des Bundesbehindertenbeirates (in dem der Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz den Vorsitz führt) sondern ein selbständiges Organ mit eigener Infrastruktur und budgetärer Autonomie zu sein. Die Weisungsfreiheit der stimmberechtigten Mitglieder des Organs wäre explizit und mit Verfassungsbestimmung zu verankern, um ihnen die Kontrolle der Tätigkeit der Bundesregierung bzw. ihrer Mitglieder, was die Durchführung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen betrifft, zu ermöglichen.

 

Das als „Monitoringausschuss“ bezeichnete neue Organ ist im ggst. Entwurf mit der Überwachung der Einhaltung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen betraut. Art. 33 des Übereinkommens spricht aber neben der „Überwachung“ auch die „Förderung“ und den „Schutz“ der Durchführung des Übereinkommens an. Nach international herrschender Interpretation hat eine „schützende“ Funktion die Befugnis zur Behandlung individueller Anbringen und Beschwerden einzuschließen.

 

Im den Erläuterungen zum Entwurf ist angedeutet, dass davon ausgegangen wird, dass die „Schutzfunktion“ hinsichtlich der Durchsetzung der Rechte einzelner Personen mit Behinderung einerseits im Wege bestimmter Rechtmittel und Rechtsbehelfe bzw. von den Gerichten, und andererseits, unterstützend, von der Volksanwaltschaft und dem Behindertenanwalt wahrgenommen wird bzw. im Hinblick auf das neue Übereinkommen wahrgenommen werden soll. Nach Ansicht des BMeiA sollten im Rahmen der innerstaatlichen Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ein oder mehrere Organe festgelegt werden, die diese „Schutzfunktion“ ausüben. Sollte die Wahl auf den bestehenden Behindertenanwalt fallen, so wäre diese Funktion in den ihn betreffenden Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes explizit festzulegen.  Weiters wäre die bereits in § 13c Abs. 1 Bundesbehindertengesetz festgelegte Weisungsfreiheit des Behindertenanwalts durch eine Verfassungsbestimmung abzusichern, und diesem die budgetäre Autonomie zu sichern.

 

Als Hinweis auf die Tatsache, dass die Kontrollfunktion der Volksanwaltschaft auch die Tätigkeit der Behörden bei der Durchführung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen mit umfasst, könnte die Festlegung der Schutzfunktion eine Bestimmung mit der Formel „Unbeschadet der Kompetenzen der Volksanwaltschaft“ mit einschließen. Schließlich wäre auch die von Art. 33 des Übereinkommens geforderte „fördernde“ Funktion hinsichtlich der Durchführung des Übereinkommens innerstaatlich zu verankern. Diese Funktion könnte dem neuen „Monitoring“-Organ, dem Behindertenanwalt, oder beiden übertragen werden. Sie wäre jedenfalls entsprechend festzuschreiben.

 

Die oben ausgeführten Änderungen am Entwurf erscheinen aus der Sicht des BMeiA unerlässlich, um das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen entsprechend der daraus erwachsenden Verpflichtungen umzusetzen, einer seitens Österreichs angestrebten Vorbildfunktion zu genügen und

die Voraussetzungen für eine positive Bewertung Österreichs durch das künftige Überwachungsorgan des Übereinkommens, des in Art. 34 vorgesehenen Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen,  zu schaffen.

 

Grundsätzliche Kritik des Überwachungsorgans des Übereinkommens zu Beginn des internationalen Prozesses zur Durchführung des Übereinkommens, und die Notwendigkeit nachträglicher innerstaatlicher Nachbesserungen und Umsetzungsmaßnahmen erscheinen rechtlich, politisch und ökonomisch nicht wünschenswert.

 

 

Für die Bundesministerin:

H. Tichy