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Amt der Wiener Landesregierung
Dienststelle: Magistratsdirektion
Geschäftsbereich Recht
Verfassungsdienst und
EU-Angelegenheiten
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DVR: 0000191
MD-VD - 189/08 Wien, 6. März 2008
Entwurf eines Bundesgesetzes mit
dem ein Bundesgesetz über die
finanzielle Unterstützung von
Personen, die durch Fliegerbomben-
blindgänger betroffen sind, erlassen
sowie das Waffengesetz 1996 (WaffG)
geändert wird;
Begutachtung;
Stellungnahme
zu BMI-LR1305/0001-III/1/2008
An das
Bundesministerium für Inneres
Sektion III-Recht
Zu dem mit Schreiben vom 25. Jänner 2008 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:
Zu Art. I:
Im Zuge eines einschlägigen Rechtsstreites zwischen der Stadt Salzburg und dem Bund hat das Landesgericht Salzburg mit (erstinstanzlichem) Urteil vom 24. August 2007 zur Zahl 5 Cg 6/03 h unter anderem festgehalten, dass „die beklagte Partei“ - der Bund - nach Art. 10 Abs. 1 Z 7 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) in Verbindung mit § 19 Abs. 2 erster Satz des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) zum Aufsuchen und Bergen samt Baubegleitung von Fliegerbombenblindgängern umfassend kompetent ist und dass damit auch eine entsprechende Verpflichtung zur Kostentragung auf Seiten des Bundes einhergeht. Das Amt der Wiener Landesregierung schließt sich dieser Rechtsansicht an und lehnt daher jede Limitierung oder Deckelung der den Bund im Zusammenhang mit dem Aufsuchen und Bergen von Fliegerbombenblindgängern treffenden umfassenden Kostentragungsverpflichtung, insbesondere die in Artikel I des vorliegenden Gesetzesentwurfes vorgesehene, strikt ab.
Zu Art. II:
Die mit der zur Begutachtung anstehenden Novellierung des § 42 Abs. 4 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) in Aussicht genommene Beschränkung der Sicherstellungsverpflichtung der Sicherheitsbehörden dahingehend, dass diese (Sicherstellungsverpflichtung) bei unter der Erdoberfläche befindlichen sprengkräftigen Kriegsrelikten zukünftig erst mit deren Freilegung eintreten soll, stellt eine unsachliche Differenzierung dar und ist - auch im Hinblick auf die obigen Ausführungen - aus verfassungsrechtlichen Gründen abzulehnen.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine eingeschränkte Sicherstellungsverpflichtung der Sicherheitsbehörden gerade bei sprengkräftigen Kriegsrelikten Platz greifen soll, also jener Art von Kriegsmaterial, welche mit einem sehr hohen Gefährdungspotential verbunden ist, während andere unter den Begriff des Kriegsmaterials nach § 5 WaffG fallende, weitaus „harmlosere“ Gegenstände (z. B. Ausrüstungsgegenstände) hievon nicht betroffen sein sollen.
Wenn in den Erläuterungen davon gesprochen wird, dass „der Gesetzestext von einem Gefahrenbegriff ausgeht, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zum Eintritt eines Schadens führt“, ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmung des § 42 Abs. 4 leg. cit. den Begriff der Gefahr nicht kennt, sondern völlig unabhängig davon, ob von wahrgenommenem (gewahrsamsfreiem) Kriegsmaterial eine Gefahr ausgeht oder nicht, eine Meldepflicht des Wahrnehmenden und folgend eine Sicherstellungsverpflichtung der Sicherheitsbehörden statuiert.
Dass - wie in den Erläuterungen vermerkt - ein Kriegsrelikt dann als „aufgefunden“ gilt, wenn es mit freiem Auge sichtbar ist, kann dem Wortlaut des § 42 Abs. 4 WaffG jedenfalls nicht entnommen werden, abgesehen davon, dass in dieser Bestimmung nicht von „Kriegsrelikt“, sondern „Kriegsmaterial“ und nicht von „aufgefunden“, sondern von „wahrnehmen“ die Rede ist.
Auch kann „wahrnehmen“ nicht mit „finden“ (im Sinne des § 389 Abs. 1 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches - ABGB) gleichgesetzt werden, zumal das Finden eines Gegenstandes immer mit einem An-Sich-Nehmen desselben verbunden ist.
(Dementsprechend wird beispielsweise in § 42 Abs. 2 WaffG normiert, dass jemand, der Schusswaffen oder verbotene Waffen findet, bei denen es sich nicht um Kriegsmaterial handelt, dies anzuzeigen und den Fund abzuliefern hat.)
Dass - wie in den Erläuterungen argumentiert wird - der historische Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 42 Abs. 4 WaffG nur den Fall des „zufälligen Entdeckens von Kriegsmaterial“ vor Augen gehabt haben soll, ergibt sich weder aus dem Wortlaut dieser Norm noch aus den diesbezüglichen Gesetzesmaterialien und trifft auch nicht die unstrittige Intention des historischen Gesetzgebers, mit dieser Norm jede Person, die gewahrsamsfreies Kriegsmaterial wahrnimmt, ob dessen Gefährlichkeit zu schützen, und zwar unabhängig davon, ob das Wahrnehmen von Kriegsmaterial zufällig erfolgt oder diesem eine gezielte Suche vorangegangen ist.
Weiters ist festzuhalten, dass der auch im Vorblatt erwähnten Empfehlung des Rechnungshofes, den Begriff „wahrnehmen“ im § 42 Abs. 4 leg. cit. exakt zu definieren (vgl. den Bericht des Rechnungshofes „Bund 2007/4 Band 2 - Wiedervorlage von Bund 2003/4“ vom 19. April 2007), mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf nicht entsprochen wird.
Abschließend sei noch ganz allgemein bemerkt, dass eine gesetzliche Regelung des vorliegenden Themenbereiches zum gegenwärtigen Zeitpunkt und in der gewählten Form im Hinblick auf den eingangs erwähnten, zwischen der Stadt Salzburg und dem Bund im Gegenstand geführten, noch nicht rechtskräftig entschiedenen Zivilprozess jedenfalls unangebracht erscheint.
Für den Landesamtsdirektor:
Mag. Andrea Mader
Mag. Wolfgang Fink Obermagistratsrätin
Ergeht an:
1. Präsidium des Nationalrates
2. alle Ämter der Landes-
regierungen
3. Verbindungsstelle der
Bundesländer
4. MA 62
(zu MA 62 - I/4219/2008)
mit dem Ersuchen um Weiter-
leitung an die einbezogenen
Dienststellen