Anschrift:

 

An das
Bundesministerium für Inneres
Sektion III
Herrengasse 7
1014 Wien

                        Der Vorsitzende

VA 6100/2-V/1/08 - km                                                   Wien, am 11. März 2008

 

Sachbearb.:                                                                  Tel.: (01)51 505-121 od. 0800 223 223-121

Mag. Thomas Sperlich                                                                   Fax: (01)51 505-150

 

Betr.:   Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem ein Bundesgesetz über die finanzielle Unterstützung von Personen, die durch Fliegerbombenblindgänger betroffen sind erlassen sowie das Waffengesetz 1996 (WaffG) geändert wird

Stellungnahme der Volksanwaltschaft
zu GZ BMI-LR1305/0001-III/1/2008

Sehr geehrte Damen und Herren!

Die Volksanwaltschaft erstattet zu dem im obigen Betreff genannten Entwurf eines Bundesgesetzes nachstehende Stellungnahme:

Durch einschlägige Beschwerden bei der Volksanwaltschaft ist die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung der fraglichen Materie erkennbar. Auch im Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode wird zum ungelösten Problem der Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg erklärt: „Das Freilegen schafft für Grundeigentümer unzumutbare Problemstellungen. Notwendig ist daher eine Änderung der diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen.“ Die im vorliegenden Gesetzesentwurf vorgeschlagene (privatwirtschaftliche) Unterstützungsmöglichkeit löst die Problemstellung jedoch nur zum Teil.. Daher wird um Berücksichtigung nachstehender Erwägungen ersucht.

1)    Regelung im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung
Weder im Vorblatt noch in den Erläuterungen wird ausdrücklich auf ein (noch nicht rechtskräftiges) erstinstanzliches Gerichtsurteil hingewiesen, das zur Frage der Kostentragung für Sondierungs- und Freilegungskosten in einem von der Stadt Salzburg gegen den Bund angestrengten Musterprozess ergangen ist. In diesem Urteil ist das Aufsuchen sprengkräftiger Kriegsrelikte als Aufgabe der Sicherheitsverwaltung festgestellt worden. Diese Entscheidung stützt sich dabei keineswegs nur auf den (lt. Entwurf der authentischen Interpretation unterzogenen) § 62 Waffengesetz, sondern in weiten Bereichen auch auf das Sicherheitspolizeigesetz und weitere Rechtsvorschriften.
Für die begutachtenden Stellen bleiben daher die positiven wie negativen Argumente unbekannt, ob nach geltendem Recht die Pflicht der Sicherheitsbehörden zum Aufsuchen von Bombenblindgängern bestehe und die Kosten dafür aus öffentlichen Mitteln zu tragen wären.
Ausdrücklich hingewiesen wird darauf, dass mit der vorgeschlagenen Änderung das Risiko für Sondierungskosten keinesfalls der öffentlichen Hand, sondern grundsätzlich dem Grundeigentümer auferlegt werden soll. Das vorgeschlagene Gesetz führt somit dann zu einer Schlechterstellung der betroffenen Personen, wenn die bestehende gerichtliche Argumentation auch im Rechtsmittelwege Bestätigung fände.

2)    Das Auffinden und die Sicherstellung von herrenlosem Kriegsmaterial liegt regelmäßig auch im öffentlichen Interesse. Völlig unbefriedigend findet die Volksanwaltschaft daher den Vorschlag, dass der betroffene Grundstückseigentümer – unabhängig von seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und unabhängig vom Ausmaß des Verdachts des Vorhandenseins eines Blindgängers- zunächst das volle Kostenrisiko zu tragen hat und lediglich bei „Erfolg“ (durch tatsächliches Auffinden eines Blindgängers) einen teilweisen Kostenersatz erwarten kann. Das tatsächliche Auffinden eines Fliegerbombenblindgängers ist daher eine absolute Unterstützungsvoraussetzung. Bei erfolglosen Sondierungen würde daher das volle Kostenrisiko unabhängig von der Verdachts- und Gefährdungslage allein dem Grundstückseigentümer auferlegt.
Hinzu tritt, dass der Betroffene das Ausmaß des Kostenersatzes, für den laut Entwurf überdies eine mit 35 % der Kosten relative und mit maximal 35.000 Euro eine absolute Deckelung festgelegt werden soll, vor Beginn der Sondierungsmaßnahmen nicht in Erfahrung bringen kann.

3)    An Hand eines konkreten Beschwerdefalles bei der Volksanwaltschaft wird noch ein weiterer Schwachpunkt des Entwurfs deutlich. Sofern nämlich der Eigentümer eines Grundstücks mit Blindgängerverdacht aus welchen Gründen auch immer kein Interesse an der Durchführung (oder auch der bloßen Gestattung) von Suchmaßnahmen zeigt, bleiben Nachbarn dieses Grundstücks selbst dann ohne rechtliche Möglichkeiten, wenn die Existenz eines Blindgängers sehr wahrscheinlich ist.
Da in Expertenkreisen unbestritten ist, dass nicht nur mechanische Einflüsse (z.B. durch Bauarbeiten) zur Explosion solcher Blindgänger führen können, sondern auch Selbstdetonationen (durch bloßen Zeitablauf) möglich sind und in der Vergangenheit auch tatsächlich vorgekommen sind, hält die Volksanwaltschaft eine Ausdehnung der Kostenersatzregelung auf derartige mittelbar betroffene Personen ebenso für erforderlich wie eine Regelung, die (bei begründetem Verdacht) Suchmaßnahmen auch ohne Einverständnis des Grundeigentümers ermöglicht.

Diese Stellungnahme ergeht auch per e-mail an die Adresse bmi-III-1@bmi.gv.at sowie an das Präsidium des Nationalrates.

Der Vorsitzende:

Volksanwalt Dr. Peter KOSTELKA   e.h.