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BMI-LR1305/0001-III/1/2008      Rp 182/08/GZ/Zl                       4080                        6.3.2008

 

 

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem ein Bundesgesetz

über die finanzielle Unterstützung von Personen, die durch

Fliegerbombenblindgänger betroffen sind erlassen sowie das

Waffengesetz 1996 (WaffG) geändert wird

 

 

Die Wirtschaftskammer Österreich nimmt zum Entwurf wie folgt Stellung:

 

Grundsätzliche Position der Wirtschaftskammer Österreich:

 

Die Wirtschaftskammer Österreich spricht sich gegen den vorliegenden Entwurf aus, da damit eine Verpflichtung des Bundes gemäß den Bestimmungen des Waffengesetzes eingeschränkt und der überwiegende Teil dieser Verpflichtung und der damit verbundenen Kosten und Risiken auch auf Unternehmen abgewälzt wird. Die vorgeschlagene, finanzielle Unterstützung wird nur in einem sehr eingeschränkten Ausmaß und geknüpft an sehr restriktive Bedingungen gewährt. Unseres Erachtens darf es keine Rolle spielen, ob es sich um eine gezielte Suche oder einen Zufallsfund handelt, oder ob die wirtschaftliche Existenzfähigkeit einer Person oder eines Unternehmens gefährdet ist.

 

Der vorliegende Entwurf belässt nach wie vor die überwiegende oder gänzliche Kostenbelastung des Aufwands von Sondierungs- und Freilegungsarbeiten beim betroffenen Grundeigentümer bzw Verfügungsberechtigten, je nachdem, ob ein Blindgänger aufgefunden wird oder nicht. Die Reduzierung des Anspruchs der Betroffenen auf Unterstützung, je nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit einerseits oder dringendem Wohnbedürfnis andererseits, stellt eine verfassungsrechtlich unzulässige Belastung und damit sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung derjenigen Grundeigentümer bzw Verfügungsberechtigten dar, die diesen Bedingungen nicht entsprechen. Es ist daher schon allein unter der Annahme, dass finanziell potente Unternehmer oft nicht den Nachweis der Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz bei allenfalls auch frustrierten Sondierungskosten von rund € 70.000,- erbringen könn(t)en, der Entwurf in seiner vorliegenden Form entschieden abzulehnen.

 

 

 

Detailanmerkungen zum Entwurf:

 

Zu Artikel I

Bundesgesetz über die finanzielle Unterstützung von Personen, die durch Fliegerbombenblindgänger betroffen sind

 

Zu § 1 Abs 1 - Begriff Schaden

Die Formulierung „durch das Freilegen ein finanzieller Schaden entstanden ist“ ist nach unserer Meinung in der Praxis unbrauchbar, weil hier der Begriff Schaden verwendet wird. Dabei bleibt unklar, wie der Schaden zu bewerten ist, denn das Grundstück erfährt durch die Entfernung des Kriegsrelikts im Regelfall eine Wertsteigerung. Eine Wertsteigerung des Grundstücks schließt aber aus, dass dem Grundstückseigentümer ein Schaden entstanden ist. Es wäre hier also besser, von „Aufwand“ zu sprechen.

Zu § 1 Abs 1 und § 2 Abs 1 - Fliegerbombenblindgänger

Warum der Geltungsbereich des Gesetzes auf Fliegerbombenblindgänger eingeschränkt wird, damit aber Funde von Artilleriegranaten oder Landminen ausgeschlossen werden, ist nicht erklärlich. Es ist zwar zutreffend, dass während des 2. Weltkriegs, aus dessen Kampfhandlungen jene Kriegsrelikte stammen, von denen Gefahren ausgehen, aufgrund des Verlaufs der Kampfhandlungen das Staatsgebiet der Republik Österreich von Kampfhandlungen am Boden vergleichsweise kurz betroffen war (nämlich von März bis Mai 1945), Angriffe aus der Luft demgegenüber im Wesentlichen seit dem Sommer 1943 stattfanden, und daher die Fliegerbombenblindgänger andere Kriegsrelikte übertreffen. Eine rechtlich haltbare Begründung für diese Einschränkung lässt sich daraus jedoch nicht ableiten.

Zu § 1 Abs 1 und § 2 Abs 2 - Freilegen

Es wird übersehen, dass ein wirtschaftlicher Nachtteil  nicht erst durch das Freilegen eines Fliegerbombenblindgängers entsteht. Vielmehr entstehen bereits Kosten bei der Vermutung einer Verdachtsfläche und den notwendigen Vorkehrungen bis zur Feststellung, ob tatsächlich eine Fliegerbombe oder vergleichbare Munition vorliegt. Des Weiteren entsteht auch ein großer finanzieller Aufwand aus den Vorbereitungshandlungen zum Freilegen. Aus dem Gesetzestext geht nicht eindeutig hervor, ob Sondierungskosten von der Unterstützungsregelung erfasst sind.

Zu § 1 Abs 2

Die Festlegung, dass die Unterstützung des Bundes im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gewährt wird, legt den Rechtszug auf das streitige Verfahren des Zivilprozessrechts fest. Dies ist jedoch für denjenigen, der den Anspruch stellt, mit höheren Kosten verbunden als ein Verwaltungs­verfahren. Aus unserer Sicht wäre es daher besser, die Gewährung der Zuschüsse dem hoheitlichen Handeln zuzuordnen.

Im Übrigen ist anzumerken, dass die Entfernung des Kriegsrelikts vom Bund nach dem WaffenG durchgeführt wird und daher ein hoheitlicher Akt ist.

Zu § 3 Z 1

Die Z 1 wird in der Praxis wohl nie eintreten, denn es ist unwahrscheinlich, dass eine Person die Kosten einer Sondierung und der Freilegung vorfinanzieren kann, ohne gleichzeitig in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet zu sein; die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz schließt die Möglichkeit, die Vorfinanzierung übernehmen zu können, aus. Eine Finanzierung über Drittmittel wird in diesem Fall scheitern, weil kein Darlehensgeber einer Person, die in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet wäre, ein Darlehen einräumen würde.

Zu § 3 Z 2

Die Z 1 ist zunächst gleichheitswidrig, weil natürliche Personen auch ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz eine Unterstützung erhalten. Sie ist weiters gleichheitswidrig, weil ein ganz bestimmter Fall des Baugrundrisikos auf die Allgemeinheit überbürdet wird.

Weiters lässt der Entwurf offen, wie Grundstücke zu behandeln sind, die zwar von einer Person ohne eigenem Wohnbedürfnis errichtet werden (zB Bauträger, Wohnbaugenossenschaften), aber ausschließlich von Personen mit Wohnbedürfnis (zB Bewerber nach dem BTVG, Genossenschafter nach dem WGG) bewohnt werden. In diesem Fall müsste nämlich der Bauherr die Kosten auf die Bewohner überwälzen, was wiederum zu einer Belastung von Personen mit dringendem Wohnbedürfnis führt, und damit gleichheitswidrig wäre.

 

Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum Personen, welche das Grundstück aufgrund eines dinglichen oder obligatorischen Nutzungsrechts benützen und von der gezielten Freilegung eines Blindgängers finanziell betroffen wären, von einer allfälligen Unterstützung ausgeschlossen sind.

 

Zu § 4

Sowohl die relativ kurze Frist von sechs Monaten für die Antragstellung als auch die zweifache betragliche Begrenzung, einmal relativ und einmal absolut, sind zu beanstanden. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass hier auch rückwirkend die Ansprüche vom Geschädigten geregelt werden. Das ist insbesondere im Hinblick auf laufende Gerichtsverfahren, bei denen es bereits in erster Instanz Verurteilungen gab, rechtspolitisch höchst bedenklich.

 

Zu Artikel II

Waffengesetz 1996 (Änderung des WaffG)

 

Zu § 42 - Finden von Waffen oder Kriegsmaterial

Die geltende Bestimmung des § 42 Abs 4 WaffG sieht vor, dass, wer wahrnimmt, dass sich Kriegsmaterial offenbar in niemandes Obhut befindet, dies ohne unnötigen Aufschub einer Si­cherheits- oder Militärdienststelle zu melden hat, die die unverzügliche Sicherstellung der Ge­genstände durch die Behörde zu veranlassen hat. Durch die Novelle wird diese Bestimmung dahingehend eingeschränkt, dass bei unter der Erde befindlichen sprengkräftigen Kriegsrelikten die Sicherstellungsverpflichtung der Behörde mit Freilegung der Gegenstände eintritt.

 

Diese Bestimmung widerspricht unseres Erachtens der öffentlichen Sicherheit.

 

Durch die bisherige gesetzliche Bestimmung war gewährleistet, dass bei Antreffen von Kriegsmaterialien seitens der Behörde eine Sicherstellung vorgenommen worden ist, auch dann, wenn sie unter der Erdoberfläche gelegen sind. Nunmehr wird die Behörde von einer Sicherstellungspflicht bei unter der Erde liegenden Kriegsmaterialien gänzlich befreit, diese Bestimmung läuft somit den Grundsätzen der öffentlichen Sicherheit zuwider.

 

Es wird daher vorgeschlagen, § 42 Abs 4 nicht zu novellieren.

 

Zu § 62 - Übergangsbestimmungen/Inkrafttreten

Bemerkenswert erscheint, dass nach der Novelle § 42 Abs 4 in der Fassung der Novelle rückwirkend mit 01.07.1997 in Kraft treten soll (Abs 8). Ausgenommen sollen hierbei nur Verfahren sein, die zu einem noch festzulegenden Zeitpunkt gegen die Republik Österreich bereits ge­richtsanhängig sind. Es handelt sich unseres Erachtens um eine unsachliche Differenzierung und verfassungswidrige Übergangsbestimmung, die abgelehnt wird (und sich im Hinblick auf unseren Vorschlag, § 42 Abs 4 nicht zu novellieren, ohnedies erübrigt).

 

 

 

 

 

 

Zusätzliche Anregungen:

 

Im Begutachtungsverfahren wurde angeregt, im Gesetzestext folgende Anforderungen zu berücksichtigen:

 

4  Gänzliche Kostenübernahme für den Aufsuchungsaufwand (Sondierungs- und Freilegungsaufwand) durch den Bund, sobald ein konkreter Verdacht besteht. Ob sich der Verdacht im Nachhinein bestätigt oder nicht, darf dabei keine Rolle spielen. Eben so wenig soll dabei von Bedeutung sein, ob die Bombe gezielt oder durch Zufall (zB bei Bauarbeiten) gefunden wurde. Es darf auch nicht darauf ankommen, ob durch die Freilegungskosten die wirtschaftliche Existenz der Person (natürlich oder juristisch) gefährdet ist.

4  Gänzliche Kostenübernahme iS des ABGB für Sicherungs-, Freilegungs- sowie Bergungskosten durch den Bund.

4  Ebenso dürfen mit der Abstellung von Produktionsanlagen verbundene Produktionsverluste oder entgangene Gewinne nicht unberücksichtigt bleiben.

4  Klarstellung  im Gesetzestext, dass die Haftung des Bundes sowohl für natürliche als auch juristische Personen gilt.

4  Regelung des Zeitraums für Ansuchen um Unterstützung nach den Verjährungsfristen des AGBG (Für nach Erlassung dieses Bundesgesetzes neu entstandene Ansprüche sind Anträge binnen drei Jahren nach Entstehen des Anspruches zu stellen. Für davor erwachsene Ansprüche sind Anträge binnen drei Jahren nach Erlassung des Bundesgesetzes zu stellen.)

 

 

Zusammenfassung:

Der Gesetzesentwurf orientiert sich offensichtlich an jenem Verfahren vor dem LG Salzburg bzw OLG Linz, dass der Bund in erster Instanz verloren hat, und nunmehr durch ein Gesetz zu reparieren versucht.

 

Dem Novellenentwurf ist daher der Vorhalt zu machen, dass bloß aus finanziellen Einspa­rungsmotiven heraus den Sicherheitsbedürfnissen nicht mehr Rechnung getragen wird.

 

Bei Inkrafttreten der Novelle wäre zu befürchten, dass trotz Vorliegen des konkreten Hinweises auf unter der Erdoberfläche befindlichen Kriegsrelikten von den Behörden keine Freilegung der Gegenstände und damit auch keine Sicherstellung der Kriegsmaterialien in die Wege geleitet wird. Weiters wäre zu befürchten, dass Privatpersonen nicht über die erforderlichen Mittel zur Freilegung dieser Bomben verfügen, weil ihnen nach dem Novellenentwurf nur ein Teilbetrag von 35 von 100 des erforderlichen Aufwandes ersetzt wird. Somit werden Privatpersonen die Freilegung dieser Kriegsrelikte nach Möglichkeit unterlassen. Sie sind dann dazu auch nicht mehr verpflichtet, da nach dem Waffengesetz selbst die Behörde nicht dazu verpflichtet wird.

 

Insbesondere die vorgeschlagene Novellierung des § 42 Abs 4 WaffG läuft daher den Interessen der öffentlichen Sicherheit zuwider. Die bestehende Fassung entspricht bedeutend mehr den Bedürfnissen der öffentlichen Sicherheit.

 

In diesem Zusammenhang wird auch ausdrücklich festgehalten, dass durch die Verminderung der Verpflichtung der Sicherheitsbehörden auch eine Gefährdung der öffentlichen Interessen der Eisenbahn zu befürchten ist, weil durch unter der Erdoberfläche liegende sprengkräftige Kriegsrelikte jedenfalls eine Gefährdung der Sicherheit der Eisenbahn gegeben ist. Bisher war sichergestellt, dass in solchen Fällen die Sicherheitsbehörden eine Sicherstellung veranlassen, dies wäre in Zukunft nicht mehr gewährleistet.

 

Es ist unseres Erachtens unverantwortlich, dass die öffentliche Hand erst nach dem Freilegen einschreitet und das Freilegen von sprengkräftigen Kriegsrelikten Privatpersonen vornehmen sollen.

 

Da durch den vorliegenden Gesetzesentwurf weder die bestehenden Probleme gelöst, noch die betroffenen Personen (natürlich/juristisch) adäquat berücksichtigt werden, lehnt die Wirtschaftskammer Österreich den vorliegenden Entwurf entschieden ab und ersucht um Überarbeitung im Sinne ihrer Stellungnahme.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

Dr. Christoph Leitl                                                                  Dr. Reinhold Mitterlehner

Präsident                                                                                     Generalsekretär-Stv.