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HAUPTVERBAND DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNGSTRÄGER

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                                                                                                  Wien, 21. Februar 2008

An das                                                                                                                   Per E-Mail
Bundesministerium für
Gesundheit, Familie und Jugend
Radetzkystraße 2
1031 Wien

Betr.:     Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1998, das Hausbetreuungsgesetz und die Gewerbeordnung 1994 geändert werden

Bezug:  Ihr E-Mail vom 5. Februar 2008;
GZ: BMGFJ-92252/0002-I/B/6/2008

Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nimmt wie folgt Stellung:

Zu § 3 Abs. 3a GuKG

Das GuKG regelt den Tätigkeitsbereich, der von Angehörigen der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe an fremden Personen ausgeübt werden darf. Zur Durchführung von Pflegemaßnahmen sind gem. § 14 Abs. 2 Z 4 GuKG die Mitglieder des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege berechtigt. Dabei sind die eigentlichen Pflegemaßnahmen nicht näher definiert, es werden lediglich immer wieder Beispiele in verschiedenen Zusammenhängen (z. B. eigenverantwortlicher Tätigkeitsbereich) angeführt. Gleichzeitig dürfte es nicht beabsichtigt gewesen sein, Hilfeleistungen in der Nachbarschaft oder von Familienangehörigen – die meistens über professionelle Ausbildungen nicht verfügen – auszuschließen. Demgemäß normiert § 3 Abs. 3 GuKG, dass Hilfeleistungen in der Nachbarschafts-, Familien- und Haushaltshilfe sowie einige andere der Gewerbeordnung unterliegende Tätigkeiten durch dieses Bundesgesetz nicht berührt werden. Sofern es sich also nicht um medizinische Maßnahmen handelt, die Ärzten vorbehalten sind, dürfen diese Personen Pflegetätigkeiten ausüben, die grundsätzlich vom GuKG geregelt sind.

Der Gesetzestext des geplanten § 3 Abs. 3a ist daher auch nur mit diesem Vorbehalt verständlich, weil nicht einzusehen wäre, warum Familienangehörigen die Unterstützung bei der Nahrungs-, Flüssigkeits- und Arzneimittelaufnahme oder gar bei Körperpflege oder der Benützung der Toilette untersagt sein sollte. Diese Personen dürfen daher - obwohl in den erläuternden Bemerkungen ganz allgemein von „medizinischen Laien“ die Rede ist - aus unserer Sicht auch beispielsweise bei immobilen Patienten Leibschüsseln anwenden.

Dennoch verbleibt der Eindruck, dass der Gesetzgeber mit der geplanten Regelung in ein Gebiet eingreift, das besser der freien Disposition der Betroffenen überlassen bleiben sollte, zumal es sich hier um Tätigkeiten handelt, die nicht notwendigerweise einer professionellen Pflege vorbehalten bleiben sollten.

Ein Regelungsbedürfnis an sich ist deshalb aus unserer Sicht nur dort gegeben, wo es sich um den medizinischen Anteil der Pflege handelt und nicht um die klassische Grundpflege. Die erlaubten Tätigkeiten sollten deshalb derart als Generalklausel formuliert werden, dass grundsätzlich alle pflegerischen Tätigkeiten der Grundpflege erlaubt sind, es sei denn, es würden medizinische Gründe dagegen sprechen. Andernfalls dürfen nämlich tatsächlich nur die angeführten Tätigkeiten durchgeführt werden, jede andere, ebenfalls zur Grundpflege (im Sinne einer umfassenden Auffassung von Pflege) gehörende Tätigkeit, wie z. B. das Bettenmachen (!), wäre dann gesetzlich nicht gedeckt. Das sollte nicht Ergebnis des Entwurfes sein.

Nach den Erläuterungen obliegt die Beurteilung, ob im Einzelfall medizinische Gründe vorliegen, bei Fragestellungen aus pflegerischer Sicht einer diplomierten Pflegeperson, im Rahmen ärztlicher Fragestellungen einem/einer Arzt/Ärztin. Diese Verpflichtung wird im Normtext selbst jedoch nicht geregelt.

Des Weiteren bleibt offen, wie oft sich eine diplomierte Pflegeperson bzw. ein Arzt dahingehend vergewissern muss, ob die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3a GuKG weiterhin gegeben sind. Es erscheint nämlich äußerst fraglich, ob diese Einschätzung medizinischen Laien (v. a. jenen nach § 3b Abs. 1 Z 1 GuKG) obliegen sollte. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist daher unbedingt eine Klarstellung im Gesetzestext notwendig.

Im Übrigen bleibt unklar, wer im Falle einer Behandlung, die nicht lege artis erfolgte, haftet, wenn der Pflegebedürftige dadurch einen Schaden erlitten hat. Zum Zwecke der Rechtsklarheit sollten ergänzende Bestimmungen aufgenommen werden.

Zu § 3b GuKG

Aus ärztlicher Sicht ist zu sagen, dass diese Regelung im Hinblick auf die Delegationsmöglichkeiten zu allgemein gehalten ist und es ist zu vermuten, dass es Schwierigkeiten in der Abgrenzung fachlicher und delegierbarer Tätigkeit geben wird. Es wäre daher sinnvoll taxativ aufzuzählen bzw. tabellarisch zusammenzufassen, was von wem delegiert werden darf.

Die Möglichkeit der Delegation setzt – wie im Gesetz vorgesehen – von Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege nicht nur das Delegieren voraus. Vielmehr müssen sich diese auch versichern, dass die Person, an die delegiert wird, die Handlung lege artis durchführt. Dadurch wird eine Situation geschaffen, die ein zeitliches Mindestmaß zur Einschulung und Beurteilung benötigt. Eine Honorierungsdiskussion dieser Zeit für den/die Angehörige(n) des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege ist damit vorhersehbar.  Auf die bekannte die finanzielle Lage der sozialen Krankenversicherung darf hingewiesen werden.

Zu § 15 Abs. 7 GuKG

In § 15 Abs. 7 GuKG wird aufgezählt, welche Tätigkeiten an Personen, die nicht zur Ausübung eines Gesundheits- und Krankenpflegeberufes oder eines Sozialbetreuungsberufes berechtigt sind, delegiert werden können. Die taxativ aufgezählten Aufgaben, insbesondere das Anlegen von Verbänden und Bandagen sowie das Ver­ab­reichen von subkutanen Insulininjektionen (§ 15 Abs. 7 Z 2 und 3 GuKG), stellen Tätigkeiten dar, durch die Gesundheitsschäden hervorgerufen werden können. Aus medizinischer Sicht sollte es daher Laien nicht erlaubt sein, derartige Tätigkeiten durchzuführen.

Dessen ungeachtet wird darauf hingewiesen, dass die einzelnen aufgezählten Leistungen im Wesentlichen dem § 84 Abs. 4 GuKG entsprechen. Bei deren schon jetzt möglichen Übertragung an Angehörige der Pflegehilfe ist gem. § 15 Abs. 3 die Schriftlichkeit der Anordnung gefordert. Auch für den Bereich des geplanten § 15 Abs. 7 – nämlich die Übertragung an Laienbetreuer – wäre jedenfalls zumindest Schriftlichkeit einzufordern.

Des Weiteren ist unklar, welche Qualifikation oder Ausbildung Personen, denen Tätigkeiten übertragen werden, im Sinne einer Qualitätssicherung aufweisen müssen, da sie weder zur Ausübung des Gesundheits- und Krankenpflegeberufes noch des Sozialbetreuungsberufes berechtigt sind. Gewisse Mindeststandards einer pflegerischen Ausbildung sollten aber jedenfalls verankert werden.

Bei den angeführten Tätigkeiten kann es sich auch um Leistungen der medizinischen Hauskrankenpflege im Sinne des § 151 ASVG (und den korrespondierenden Sondergesetzen) handeln. Gemäß § 151 Abs. 2 ASVG dürfen Leistungen der medizinischen Hauskrankenpflege jedoch ausschließlich durch Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege erbracht werden und können daher von den Delegationsmöglichkeiten nicht erfasst werden. Eine entsprechende Klarstellung, sowie der Hinweis, dass im Falle einer Delegation diese Leistungen nicht im Rahmen der medizinischen Hauskrankenpflege verrechenbar sind, wird jedenfalls angeregt.

Zu § 50a ÄrzteG 1998

In § 50a Ärztegesetz ist nun – was grundsätzlich zu begrüßen ist – erlaubt, dass „einzelne ärztliche Tätigkeiten“ an Laien delegiert werden dürfen. Die Erteilung einer „erforderlichen Anleitung“ durch den Arzt und die Vergewisserung, ob die Fähigkeiten auch wirklich vorhanden sind, scheint jedoch äußerst problematisch, da ein Arzt in der Praxis wohl kaum überprüfen kann, ob ärztliche Tätigkeiten von einem Laien beherrscht und korrekt ausgeführt werden.

Aus ärztlicher Sicht ist daher zu sagen, dass diese Delegationsregelung zu allgemein gehalten ist und es Schwierigkeiten in der Abgrenzung fachlicher und delegierbarer Tätigkeit geben kann. Es bedürfte hier einer exakteren Beschreibung, welche ärztlichen Tätigkeiten dafür überhaupt in Frage kommen, und zwar abhängig vom erforderlichen Fachwissen. Dies nicht zuletzt deshalb, da die Durchführung von ärztlichen Tätigkeiten einen erhöhten Sorgfaltsmaßstab erfordert.

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit der Delegation – wie im Gesetz vorgesehen –vom/von der Arzt/Ärztin nicht nur das Delegieren voraussetzt. Vielmehr müssen sich diese auch versichern, dass die Person, an die delegiert wird, die Handlung lege artis durchführt. Dadurch wird eine Situation geschaffen, die ein zeitliches Mindestmaß zur Einschulung und Beurteilung benötigt. Eine Honorierungsdiskussion dieser Zeit für den/die Arzt/Ärztin ist damit vorhersehbar. Auch hier darf auf die finanzielle Situation der sozialen Krankenversicherung hingewiesen werden.

Erinnert werden darf dabei in diesem Zusammenhang aber auch an das Problem, dass für schwer erkrankte Personen eine Art Intensivstation zu Hause eingerichtet sein könnte und die Angehörigen in ihrer schwierigen Pflegesituation dabei manchmal überfordert würden (z. B. bei der Überprüfung des Sauerstoffgehalts des Blutes mittels Pulsoximeter). § 50a in der geplanten Version könnte nun sogar dazu beitragen, dass den Angehörigen noch mehr Verantwortung aufgebürdet wird, als dies derzeit schon der Fall ist.

Auf Grund eines redaktionellen Versehens in § 50a Abs. 1 Z 6 ÄrzteG ist das Wort „gültigen“ zu korrigieren („gültige“).

Zu § 1 HBeG

Das Hausbetreuungsgesetz gilt für die Betreuung von Personen in Privathaushalten und enthält eine Definition des Begriffes „Betreuung“. Im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Gesetzesentwurf zeigt sich, dass eine Abgrenzung der Betreuung von der eigentlichen (durch professionelle Hilfsdienste zu erbringenden) Pflegetätigkeit notwendig wäre. In diesem Sinne wäre auch die unter § 3 Abs. 3a GuKG beschriebene Generalklausel zweckmäßig, dass grundsätzlich alle pflegerischen Tätigkeiten der Grundpflege erlaubt sind, es sei denn, es würden medizinische Gründe dagegen sprechen.

Zu § 159 GewO 1994

Aufgrund der taxativen Aufzählung der einzelnen erlaubten Tätigkeiten bestehen hier dieselben Bedenken wie zu § 1 HBeG angeführt.

Abschließend ist zu betonen, dass nicht verkannt wird, dass – entsprechend der Lebensrealität und als Voraussetzung für eine 24-Stunden-Rund-um-die-Uhr-Betreuung – die Übertragung bestimmter pflegerischer und ärztlicher Tätigkeiten an Laien unter bestimmten und klar eingegrenzten Bedingungen zulässigerweise möglich sein sollte. Nicht aus den Augen verloren werden sollte jedoch jedenfalls das Ziel, mit den geplanten Änderungen eine klare Rechtsgrundlage für die Betreuung und Pflege zu Hause herzustellen und Pflege letztlich zu erleichtern. Dabei muss jedoch immer die Qualität der Pflegeleistung und die berechtigen Interessen der Angehörigen der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe sichergestellt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Für den Hauptverband: