Frau

Bundesminister

Andrea Kdolsky

 

Radetzkystraße 2

1030 Wien

 

                                                                                                          7. Februar 2008

 

 

Betreff: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz,

 das Ärztegesetz 1998, das Hausbetreuungsgesetz und die     

 Gewerbeordnung 1994 geändert werden

 

 

Die ÖGB- Fachgruppenvereinigung für Gesundheitsberufe nimmt zu obigem Entwurf wie folgt Stellung:

Grundsätzlich erfolgt im Sinne des Patientennutzens eine umfassende Kritik an der Entstehung, den begleitenden Umständen und den Ergebnissen dieser Gesetzesvorlage. Aus rein ökonomischen Gründen wird in durchaus sinnvolle Ausbildungsvorbehaltsregelungen zur Qualitätssicherung eingegriffen, ohne die Folgen zu diesem Zeitpunkt nur annähernd abschätzen zu können.

Die Fachgruppenvereinigung warnt zu diesem Zeitpunkt vor dieser Art der Anlassgesetzgebung und schließt sich auch der Kritik einzelner Versorgungsunternehmen zur Pflegebetreuung an, ohne diese im Einzelnen zu nennen.

 Der unfreundliche Akt, der durch diese Begutachtungsnovelle dem Gesundheits- und Krankenpflegepersonal aufgezwungen wird, verstärkt sich noch dadurch, dass Pflegevorbehaltstätigkeiten an Mediziner, übertragen wurden.

Besonders bedauerlich ist das, weil 1998 der Gesundheits- und Krankenpflege die eigenverantwortliche Pflege auf der Basis einer neuen gesetzlichen Regelung, vor allem unter dem Qualitätsaspekt übertragen wurde. Man scheint aus ökonomischen Gründen wieder auf die Rechtslage vor dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz zurück zu kehren und Pflege als ärztliche Hilfstätigkeit zu qualifizieren.

Die ÖGB-Fachgruppenvereinigung weist diese Provokation des Pflegepersonals vor allem aus Gründen der Patientensicherheit zurück.

Grundsätzlich ist jede pflegerische Tätigkeit durch unqualifizierte Kräfte eine erhebliche Gefährdung der körperlichen Sicherheit und deshalb an eine qualifizierte Ausbildung gebunden, welche hiermit eingefordert wird. Wir fordern daher eine adäquate Ausbildung als Grundbedingung für die Pflegetätigkeit in der Hausbetreuung.

Im übrigem wird darauf hingewiesen, dass die gegenwärtige Regelung im Hausbetreuungsgesetz, wonach Hausbetreuer dem freien Gewerbe unterliegen, nochmals, wie in den Vorbesprechungen zu diesem Gesetz, kritisiert wird.

Unserer Ansicht nach sollte dieses Gewerbe als gebundenes Gewerbe behandelt werden.

 Die ÖGB-Fachgruppenvereinigung für Gesundheitsberufe fordert auch eine Erweiterung des § 184 StGB (Kurpfuscherei) auf  Gesundheits- und Krankenpflege um damit zu erreichen, dass künftig medizinisch pflegerische Tätigkeiten über die ärztliche Anordnung hinaus eine gerichtlich strafbare Handlung darstellen.

 

Die ÖGB Fachgruppenvereinigung fordert überdies:

 

      Erweiterung des eigenverantwortlichen Bereichs der Gesundheits- und Krankenpflege.

      Anwendung von pflegerisch indizierten Arzneimitteln.

      Care- und Casemanagement.

      Ermöglichung der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung an den Fachhochschulen.

 

Zu den Paragraphen im Einzelnen

 Zu § 3 Abs 3a

Vorweg sollten die Rechtsbegriffe Durchführung und Unterstützung geklärt werden.  Unserer Ansicht nach bedeutet Unterstützung etwas völlig anderes als Durchführung. Wenn es also einmal heißt im Rahmen der Unterstützung und ein anderes Mal  Durchführung  ist dies vom allgemeinen Sprachgebrauch irreführend und daher sollte klarer geregelt werden, was damit gemeint ist.

 

Unterstützung bei der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme

Bei Verabreichung von Nahrung und/oder Flüssigkeiten an Menschen mit Schluckstörungen kann es zu Aspiration und in weiterer Folge zu Erstickungsanfällen und Pneumonie kommen, wenn die nahrungsverabrei­chende Person bei einem derartigen Zwischenfall nicht in der Lage ist, die Gefahren zu erkennen und sich auf Grund mangelnder Ausbil­dung nicht lege artis verhalten kann.

 

Unterstützung bei der Körperpflege

Ein Laie kann bei der morgendlichen Körperpflege eine Minderdurch­blutung z.B. am Gesäß nicht erkennen. Die Folge kann sein, dass sich daraus in der Regel in kürzester Zeit ein Dekubitus (offene Wunde) entwickelt. Die Heilung solcher Wunden kann Wochen bis Monate dau­ern. Die Behandlung verursacht Schmerzen und erhebliche Kosten.

 

Unterstützung bei der Benützung von Toilette oder Leibstuhl

Zur Unterstützung bei der Benützung von Toilette oder Leibstuhl, bei welcher die Betreuungsperson Hilfestellung und Sicherung für die mobile betreute Person ermöglichen soll, kann es sich nur um eine Unterstützung als „Gehhilfe“ handeln, da der Transfer aus dem Bett auf den Leibstuhl oder die Toilette ohne Ausbildung im Bereich der möglichen alters- oder krankheitsbedingten Bewegungseinschränkungen (Oberschenkelhalsprothesen, Multiple Sklerose, Kontrakturen,...) bereits im Krankenhaus in einigen Fällen der Hinzuziehung des gehobenen med. – techn. Dienstes der Physiotherapie bedarf.

 

Hilfestellung beim Wechseln von Inkontinenzprodukten

Zur Hilfestellung beim Wechseln von Inkontinenzprodukten im Rahmen der Toilettenbenutzung (wie in den Erläuterungen beschrieben) muss klargestellt werden, dass es sich hier nicht um Katheterwechsel oder anderen Vorbehaltstätigkeiten des ärztlichen Dienstes handeln kann. Bereits im Tätigkeitsbereich der Heimhilfe (Basisausbildungsverordnung lt. GuKG / 20 Stunden Theoretische Ausbildung) wird nur das Wechseln von Schutzhosen und die Assistenz bei der Verwendung von Einlagen beschrieben.

 Zu § 3b Zi 2

Nochmals wird auf die Ansicht von Prof. Mazal  hingewiesen, dass eine selbständige Tätigkeit im Rahmen der Hausbetreuung undenkbar ist, da ein direkter Weisungszusammenhang zwischen Betreutem und Betreuer gegeben ist, wie könnte dieser sonst, wie die Vorlage fordert, wen unterstützen.

Zu § 3b Abs 2

Die normierte Einzelfallermächtigung versucht zwar familienähnliche Rechtsformen zu erzeugen, widerspricht jedoch jedem Gewerbebegriff. Es ist zweifellos von konkurrenzierenden Rechtsnormen auszugehen, weshalb die Bestimmung vermutlich auch verfassungsrechtlich bedenklich erscheint, und daher vom Verfassungsdienst des BKA abgeklärt werden sollte.

 Zu § 3b Abs 2 Zi 4

Um die Anleitung der Angehörigen des gehobenen Gesundheits- und Kranken-pflegedienstes überhaupt zu ermöglichen, fordert die ÖGB-Fachgruppenvereinigung für Gesundheitsberufe die Einbeziehung der Hauskrankenpflege in  sozialversicherungsrechtliche Verträge, um die solidarische Finanzierung der Hauskrankenpflege zu gewährleisten. Dazu ist es nötig die gegenwärtige Bestimmung im ASVG, welche von krankenhausersetzender Hauskrankenpflege spricht, zu ändern. Es ist keinesfalls einzusehen, warum im angeblich besten Gesundheitssystem der Welt medizinisch-pflegerische Dienstleistungen zu Hause anders behandelt werden sollen als im Spital.

 Zu § 3b Abs 2 Zi 4 u 5

Hier sollte der Formulierung Anleitung und Aufsicht der Vorzug gegeben werden, wobei trotzdem die Einschulung und Unterweisung durch einen Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege und deren schriftliche Bestätigung Voraussetzung für die Durchführung pflegerischer Tätigkeiten ist.

 Zu § 3b Abs 3

Absatz 3 scheint erstmals im Wege der Gesetzgebung eine lex spezialis zu der immer geäußerten Ansicht des OGH Aufsicht ist nicht Draufsicht in Form einer culpa in eligendo darzustellen. Wir fordern dem gegenüber eine regelmäßige Kontrolle der Betreuer, entweder durch qualifizierte Fachkräfte über die Bezirkshauptmannschaft oder was noch besser wäre, des Versicherungsträgers, der die Pflegegeldleistung erbringt.

 Zu § 3b Abs 4

Die Fachgruppenvereinigung bestreitet die Fähigkeit nicht qualifizierter Personen eine medizinisch pflegerisch relevante Änderung des Zustandsbildes betreuter Personen, wie in den Erläuterungen angeführt, im gehörigen Ausmaß festzustellen, auch deshalb ist externe Kontrolle unverzichtbar.

 Zu § 3b Abs 7

Eine Delegation medizinisch pflegerischer Tätigkeiten an unqualifizierte Kräfte im extra- muralen Bereich ist aus unserer Sicht äußerst fahrlässig, wenn man bedenkt, dass diese Tätigkeiten im klinischen Bereich, wo eine viel weitgehendere Kontrolle möglich ist, nur an einen bestimmten ausgebildeten oder in Ausbildung befindlichen Personkreis (zB Pflegehelfer, Sanitäter) möglich ist.

 

Anlegen von Bandagen und Verbänden

Hier geht es nicht nur um das Anlegen eines neuen Verbandes, sondern auch um das Erkennen von Veränderungen des Wundzustandes, z.B. ob eine beginnende Durchblutungsstörung eingetreten ist oder ob sich die Wunde so verändert hat, dass eine andere Verbandsart erforder­lich ist. Eine Fehlbeurteilung kann gravierende Folgen haben. Sie kann in schweren Fällen sogar die Amputation einer Gliedmaße, Erysi­pel oder Sepsis zur Folge haben.

 

 

Verabreichung von subkutanen Insulininjektionen

Bei der subkutanen Verabreichung von Insulin können schon einige Einheiten mehr oder weniger schwerwiegende Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel haben. (Coma diabeticum - Bewusstlosigkeit durch hohen Blutzuckerspiegel oder Hypoglykämie - niedriger Blutzucker­spiegel - Kaltschweissausbruch, Zittern, Heißhunger, Allgemeine Schwäche und Unwohlbefinden etc).

 

Zusammenfassend fordern wir, dass

 

·        beim vorliegendem Gesetzesentwurf ist der Einsatzbereich nur „zu Hause“ in den Verfassungsrang zu heben.

·        die begleitenden Kontrolle durch unabhängige Einrichtungen z.B. Versicherungsträger, die das Pflegegeld zahlen, vorzusehen

·        qualitätssichernde Maßnahmen

·        Care- und Casemanagement

·        Delegation nur nach qualifizierender Ausbildung im Einzelfall.

 

 Zu § 50a Ärztegesetz:

 Abs.2 sollte lauten:

 „Ärztliche Tätigkeiten, die gem. § 15 GuKG im mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich durch Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflege durchgeführt werden, dürfen nur nach Anleitung durch Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflege, erfolgen“.

 Der jetzige § 50a Abs 2 wird Abs 3 und sollte lauten:

“Die Anordnung der nach Abs.1 übertragenen Tätigkeiten ist nach ärztlicher Beurteilung befristet zu erteilen“.

Dies würde in Verbindung mit einer zivil- und strafrechtlichen Verantwortung der anordnenden Ärzte zumindest die gröbste Gefahr eines Eintritts von erheblichen Patientenschäden hintanhalten, da die anordnenden Ärzte zweifellos regelmäßige Kontrollen durchführen müssten um Schadenersatzfolgen hintanzuhalten.

Weiters fordert die ÖGB-Fachgruppenvereinigung für Gesundheitsberufe die Anknüpfung der Zuerkennung des Pflegegeldes für die Betreuung zu Hause an ein Monitoring durch Angehörige  der Gesundheits- und Krankenpflege, um eine gesicherte Durchführung der ärztlichen Anordnung im Pflegebereich zu erzielen.

Aus den genannten Gründen, muss der nun vorliegende Gesetzesvorschlag trotz seiner Intention in einem langdauernden Graubereich Rechtssicherheit zu erzielen in seinen wesentlichen Punkten  von der ÖGB-Fachgruppenvereinigung für Gesundheitsberufe abgelehnt werden, weil damit die Patientensicherheit nach unserer Ansicht erheblich gefährdet würde. Wir ersuchen unsere Einwände zu berücksichtigen um weitere Gefährdungen, welche zweifellos bereits bestehen künftig zu vermeiden.

Lainz darf sich nicht wiederholen!

 

 

 

 

Stellv. BV                                          Bundessekretär                               Geschäftsf. BV

Johann Hable                                   Karl Preterebner                              Josef Zellhofer

Direktor                                             DGKP                                                           DGKP