Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend

 

 

Per E-Mail:    alexandra.lust@bmgfj.gv.at

 

 

 

GZ: BMSK-40150/0009-IV/9/2008

Wien, 22.02.2008

 

 

 

 

Betreff:  Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1988 , das Hausbetreuungsgesetz und die Gewerbeordnung 1994 geändert werden; Begutachtung

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

 

Das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz nimmt zu dem mit E-Mail am 5. Februar 2008 unter der GZ: BMGFJ-92252/0002-I/B/6/2008 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1998, das Hausbetreuungsgesetz und die Gewerbeordnung 1994 geändert werden, wie folgt Stellung:

 

 

1.         Generelle Anmerkungen

 

 

1.1      Nationalratsentschließung

 

Der vorliegende Begutachtungsentwurf enthält Änderungen im GuKG, ÄrzteG 1998, Hausbetreuungsgesetz und in der GewO 1994, mit denen die Tätigkeitsfelder und Kompetenzbereiche der Personenbetreuer/innen und der persönlichen Assistenten/innen maßgeblich erweitert werden sollen. Diese Änderungen gehen inhaltlich weit über die Entschließung des Nationalrates Nr. 57/E vom 16. Jänner 2008 hinaus.

 

 


1.2      Betroffene Berufsgruppen

 

Die Nationalratsentschließung beschränkt sich auf die Berufsgruppe der 24-Stunden-Betreuer/innen (Betreuungspersonen im Sinne des Hausbetreuungsgesetzes).

 

Die Gruppe der persönlichen Assistenten/innen, die schwer behinderten, aktiv im Leben stehenden, Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen soll, wurde in der Entschließung nicht erwähnt. Den persönlichen Assistenten/innen, die üblicherweise von den betreuten behinderten Menschen persönlich als Betreuer/innen angelernt und instruiert werden und die häufig über keine einschlägige Ausbildung verfügen (auch nicht über eine Heimhelfer/innen-Ausbildung), wird im vorliegenden Entwurf ebenfalls eine sehr weitgehende Kompetenz in pflegerischen bzw. medizinischen Aufgaben übertragen. Dies erfordert ausreichende gesetzliche Vorkehrungen zur Qualitätssicherung und zu haftungsrechtlichen Fragen.

 

In Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit von Personenbetreuer/innen (Gewerbeordnung 1994) stellt sich die Frage, ob überhaupt noch von einer selbstständigen Tätigkeit bzw. einem selbstständigen Gewerbe gesprochen werden kann, wenn die erbrachte Dienstleistung in nicht unwesentlichem Ausmaß aus Tätigkeiten besteht, die unter Anleitung, Anweisung oder Anordnung von diplomiertem Gesundheits- und Krankenpflegepersonal bzw. von Ärzten/innen zu erfolgen hat. Genau aus diesem Grund können vergleichbare Berufsgruppen wie etwa Pflegehelfer/innen oder Angehörige der Sozialbetreuungsberufe keine Pflegetätigkeiten im Sinne des GuKG selbstständig ausführen.

 

 

1.3      Auswirkungen auf die Sozialbetreuungsberufe

 

Der Gesetzesentwurf räumt Personenbetreuern/innen bzw. persönlichen Assistenten/innen pflegerische Kompetenzen gemäß GuKG und ärztliche Kompetenzen gemäß Ärztegesetz ein, die weiter gehen, als die derzeit bestehenden Befugnisse für ausgebildete Fachkräfte der Sozialbetreuungsberufe. Ähnliches gilt auch für die Gruppe der Pflegehelfer/innen.

 

Bei einer allzu weitgehenden Delegationslösung besteht die Gefahr, dass das gesamte System der Sozialbetreuungsberufe, das derzeit von den Ländern gerade gesetzlich umgesetzt wird, in Frage gestellt wird. Insbesondere könnte dadurch dem Beruf der Heimhelfer/innen die Grundlage entzogen werden.

 

 

1.4      Problembereiche

 

Vorrangig sollte eine Lösung für folgende zwei Problembereiche gefunden werden:

 

v     Umfang der Befugnisse für pflegerische Tätigkeiten gemäß GuKG bzw. ärztliche Tätigkeiten gemäß Ärztegesetz (der gegenständliche Entwurf ist sehr weitgehend, vgl. Verabreichung von Injektionen und Wechseln von Kathetern etc. – Überforderungsgefahr für die Betreuungspersonen sowie gesund­heitliche Gefahren bis hin zur Lebensgefahr für die betreuten Personen);

 

v     Haftungsvorkehrungen bei Fehlleistungen der Betreuer/innen.

 

 

1.5      Haftungsproblematik

 

Die Frage der Haftung ist nicht ausreichend geklärt. Ohne gesetzliche Vorkehrungen bleibt es der Praxis überlassen, was im Notfall von wem und wann zu tun bzw. zu unterlassen ist (Notfallmanagement). Dies ist in Anbetracht der sehr weitgehenden Delegation und Weiterdelegation pflegerischer Tätigkeiten gemäß GuKG bzw. ärztlicher Tätigkeiten gemäß Ärztegesetz problematisch, da das Risiko für Fehlleistungen mit großer Wahrscheinlichkeit nach unten auf die Betreuer/innen abgewälzt werden bzw. bei den Pflege- und Betreuungsbedürftigen hängen bleiben würde. Da insgesamt vier verschiedene Personengruppen in diesem vorgeschlagenen System von Delegation und Weiterdelegation (Betreute und Angehörige, Betreuer/innen, diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal, Ärzte/innen) als Akteure auftreten, besteht die Gefahr, dass in Konfliktsituationen am Ende niemand bereit ist, die ihm zugedachte Verantwortung zu übernehmen.

 

 

1.6      Finanzielle Auswirkungen des Gesetzesvorhabens

 

In den Ausführungen zum Vorblatt ist bei den finanziellen Auswirkungen von „positiven finanziellen Auswirkungen“ für die Versorgung betreuungsbedürftiger Menschen die Rede. Diese Ausführungen sind nur bedingt nachvollziehbar. Es ist nicht auszuschließen, dass Betreuungspersonal, das über mehr Kompetenzen verfügen soll und damit verbunden wesentlich mehr Verantwortung tragen muss, auch ein höheres Entgelt für die Dienstleistung verlangen wird.

 

 

1.7      Kostentragung

 

Offen ist die Frage, wer für die zusätzlich entstehenden Kosten aufzukommen hat. Eine Klarstellung hinischtlich der Kostentragung (z.B. durch die Krankenversicherungsträger), die zu keiner zusätzlichen finanziellen Belastung der Betroffenen und deren Angehörigen führt, wäre erforderlich.

 

 

2.         Spezielle Anmerkungen zu den einzelnen Bestimmungen

 

 

2.1      Zu § 3 Abs. 3a und § 3b GuKG

 

Neue Befugnisse im Rahmen der persönlichen Assistenz (§ 3b Abs. 1 Z 1) sollten nur dann eingeräumt werden, wenn eine kontinuierliche Betreuung durch ein ausreichendes zeitliches sowie räumliches Naheverhältnis sichergestellt ist, damit die Betreuungsperson in die Lage versetzt wird, körperliche und gesundheitliche Veränderungen wahrzunehmen und unmittelbar darauf adäquat reagieren zu können.

 

Weiters wird bemerkt, dass bei allen übrigen Betreuungsverhältnissen neue Befugnisse nur dann einzuräumen sind, wenn die Einsatzzeiten das im Hausbetreuungsgesetz genannte Mindestausmaß erreichen. Daraus ergibt sich, dass die Tätigkeiten nur im Einzelfall (an einer bestimmten zu betreuenden Person) durchgeführt werden dürfen. Die Betreuungsperson wird nämlich mehr oder weniger ständig im Haushalt anwesend sein, sodass sie körperliche und gesundheitliche Veränderungen wahrnehmen kann. Nur durch Vorliegen einer solchen 1:1 Betreuungssituation kann die erforderliche Qualitätssicherheit erreicht werden.

 

Das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz geht im Übrigen davon aus, dass die in § 3b Abs. 1 erwähnten einzelnen pflegerischen Tätigkeiten über die in § 3 Abs. 3a genannten hinausgehen.

 

 

2.2      Zu § 3 Abs. 3a GuKG und Erläuterungen, Besonderer Teil zu Z 1

 

Der erste Satz sollte – analog zu § 3b – beginnen wie folgt:

„Personen, die nicht zur Ausübung eines Gesundheits- und Krankenpflegeberufs oder eines Sozialbetreuungsberufs berechtigt sind, ….“ (mit entsprechenden Ergänzungen im Besonderen Teil der Erläuterungen).

 

 

2.3      Zu § 3 Abs. 3a GuKG und § 159 Abs. 2 GewO 1994

 

Die Erweiterung der selbstständigen Befugnisse von Betreuungspersonen um die genannten Tätigkeiten wird grundsätzlich begrüßt. Fraglich ist allerdings, wer im Einzelfall zu beurteilen hat, ob „Umstände vorliegen, die aus medizinischer Sicht die Durchführung dieser Tätigkeiten durch Laien nicht zulassen“. Die Beurteilung durch den zu betreuenden Menschen selbst, einen Angehörigen oder die Betreuungsperson selbst kann wohl nicht gemeint sein.

 

Ferner stellt sich die Frage, ob mit dieser Einschränkungsklausel auch eine daraus resultierende Haftung bei Zuwiderhandeln verbunden ist. Da es sich hier aber idR um Laien handeln wird, die tätig werden, wäre eine derartige Haftungsüberwälzung aus ho. Sicht wohl nicht zumutbar.

 

 

2.4      Zu § 3b Abs. 1 Z 1 GuKG

 

Diesbezüglich wird  angemerkt, dass die Einschränkung auf Menschen mit nicht nur vorübergehenden körperlichen Funktionsbeeinträchtigungen im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz bedenklich erscheint, da beispielsweise auch Menschen mit Sinnesbehinderungen, mit psychischen oder geistigen Behinderungen zum Zwecke einer möglichst selbstbestimmten Lebensführung pflegerischer Tätigkeiten im Sinne des GuKG bedürfen können.

 

 

2.5      Zu § 3b Abs. 2 Z 5 GuKG

 

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie vorzugehen ist, wenn z.B. eine betreuungsbedürftige Person bislang zur Gänze von einem/r Angehörigen betreut wurde, der/die auch jene Tätigkeiten erbracht hat, die unter § 3b GuKG fallen würden, wenn diese betreuungsbedürftige Person nun von einer Betreuungskraft nach dem HBeG oder einem Personenbetreuer nach der GewO 1994 betreut werden soll. Geht man davon aus, dass in diesem Fall nun erst auch noch zusätzlich ein Betreuungsverhältnis zu einem Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege begründet werden müsste – auch wenn bislang kein solcher professioneller Dienst eingebunden war – damit § 3b GuKG überhaupt anwendbar wird, so ist darauf hinzuweisen, dass dies sowohl administrativ als auch finanziell mit einem Mehraufwand der Betroffenen verbunden wäre und die Begründung eines Betreuungsverhältnisses nach dem HBeG bzw. der GewO 1994 spürbar verkomplizieren würde.

 

 

2.6      Zu § 3b Abs. 3 GuKG und § 50a Abs. 1 Ärztegesetz

 

Im Hinblick auf den Wortlaut des § 3b Abs. 3 GuKG und des § 50a Abs. 1 ÄG 1998 (Schlussteil) wird angemerkt, dass hier offenbar als Voraussetzung für eine Delegierung von Tätigkeiten das Vorliegen der „erforderlichen Fähigkeiten“ bei der Betreuungsperson normiert wird, wobei dieser unbestimmte Gesetzesbegriff nicht näher präzisiert wird; dementsprechend dürfte es den Betreuungspersonen auch kaum möglich sein, Vorsorge dafür zu treffen, dass sie die „erforderlichen Fähigkeiten“ auch tatsächlich aufweisen können, was aus ho. Sicht sowohl für die betreuungsbedürftigen Menschen als auch für deren Angehörige und die Betreuungspersonen ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit mit sich bringt.

 

Abgesehen von der Notwendigkeit der Sicherstellung der Verfügbarkeit von Fachkräften im ausreichenden Ausmaß erscheint es problematisch, den zu betreuenden Menschen einen finanziellen Mehraufwand für die Anleitung und Anordnung einzelner pflegerischer Tätigkeiten durch einen Angehörigen des gehobenen Dienstes der Gesundheits- und Krankenpflege abzuverlangen.

 

 

2.7      Zu § 3b Abs. 4 GuKG und § 50a Abs. 3 Ärztegesetz

 

Hinterfragenswert ist, ob „die Veränderung des Zustandsbilds der betreuten Person, die für die Anordnung relevant sein könnte“, auch in jedem Fall für den Laien ersichtlich sein kann. Ferner stellt sich die Frage, ob aus dieser Regelung eine Überwälzung der Haftung des Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege bzw. des Arztes auf den Laien für den Fall, dass er nicht oder nicht rechtzeitig über eine solche Veränderung des Zustandsbildes informiert hat, erfolgen soll, was aus ho. Sicht wohl kaum vertretbar erscheint.

 

 

2.8      Zu § 15 Abs. 7 GuKG

 

Zu § 15 Abs. 7 GuKG ist festzuhalten, dass die angeführten Tätigkeiten keine pflegerischen, sondern ärztliche Tätigkeiten darstellen und daher in § 50a Ärztegesetz zu regeln sind, der dementsprechend präzisiert werden sollte.

 

 

2.9      Zu § 50a Ärztegesetz

 

Im § 50a Ärztegesetz sollte klargestellt werden, dass die Übertragung einzelner ärztlicher Tätigkeiten keinesfalls über den Umfang der Delegation ärztlicher Tätigkeiten an diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal hinausgehen darf.

 

 

2.10    Zu § 1 Abs. 4 und 5 HBeG

 

Ärztliche Tätigkeiten gemäß Ärztegesetz und pflegerische Tätigkeiten gemäß GuKG sollten, wenn sie von Betreuungskräften ausgeführt werden, nicht als „Betreuungstätigkeiten“ definiert werden. Es ist nämlich nicht nachvollziehbar, warum dieselben Tätigkeiten, wenn sie von Betreuungspersonen erbracht werden Betreuungstätigkeiten, und wenn sie von Pflegekräften gemäß GuKG erbracht werden, Pflegetätigkeiten heißen sollen.

Weiters würde mittelfristig eine Angleichung der Begriffe für die 24-Stunden-Betreuer/innen jedenfalls Sinn machen, und es sollte einheitlich von (unselbstständigen bzw. selbstständigen) „Personenbetreuern/innen“ die Rede sein (vgl. GewO 1994).

 

 

2.11    Zu § 1 Abs. 5 HBeG

 

Es ist nicht klar, was unter „überwiegend erbracht“ in § 1 Abs. 5 zweiter Satz HBeG zu verstehen ist und wer das im Einzelfall zu beurteilen haben wird. Hier dürfte es sich um eine für die betreuungsbedürftigen Personen bzw. ihre Angehörigen und die Betreuungskräfte kaum nachvollziehbare und daher auch kaum anwendbare Regelung handeln.

 

 

2.12    Zu § 159 GewO

 

Von eigenen Regelungen für Gewerbetreibende wäre Abstand zu nehmen; diesbezüglich wäre ein Verweis auf das GuKG vorzunehmen.

 


 

2.13    Rechtsbegriffe

 

Folgende Rechtsbegriffe sollten näher ausgeführt werden (im Gesetzestext oder zumindest in den Erläuterungen):

 

v     „nicht nur vorübergehende körperliche Funktionsbeeinträchtigung“ (§ 3b Abs. 1 Z 1 GuKG, § 50a Abs. 1 Z 6 Ärztegesetz);

 

v     „Angehörige des Patienten“, „Obhut des Patienten“ und „örtlichen und persönlichen Naheverhältnis“ (§ 50a Abs. 1 Z 1, 2 und 3 Ärztegesetz);

 

v     „Laien“ (§ 50a Ärztegesetz). Die Personenbetreuer/innen und persönlichen Assistenten werden in diesem Zusammenhang unter den Begriff „Laien“ subsumiert, was in einem gewissen Widerspruch zur Tatsache stehen würde, dass sie die übertragenen Tätigkeiten teilweise im Rahmen ihres Berufes – also professionell und gerade nicht als Laien – ausüben dürfen;

 

v     „erforderlichen Fähigkeiten“ (§ 3b Abs. 3, 1. Satz GuKG); im Entwurf ist nicht definiert, welche Fähigkeiten dabei in welchem Ausmaß vorliegen müssen;

 

v     der Rechtsbegriff „im Einzelfall“ sollte näher definiert werden (§ 3b Abs. 1 GuKG, § 50a Abs. 1 ÄrzteG, § 159 Abs. 3 GewerbeO 1994).

 

 

Eine Ausfertigung der gegenständlichen Stellungnahme wird in elektronischer Form an das Präsidium des Nationalrates übermittelt.

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für den Bundesminister:

 

Mag. Manfred Pallinger

 

 

Elektronisch gefertigt.