Bundesministerium für

Unterricht, Kunst und Kultur

 

 

 

 

Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit

Stubenring 1

1011 Wien

 

per E-Mail

 

Geschäftszahl:

BMUKK-13.375/0004-III/4/2008

SachbearbeiterIn:

Mag. Simone Gartner-Springer

Abteilung:

III/4

E-Mail:

simone.gartner-springer@bmukk.gv.at

Telefon/Fax:

+43(1)/53120-2331/53120-812331

Ihr Zeichen:

BMWA-433.001/0007-II/1/2008

Antwortschreiben bitte unter Anführung der Geschäftszahl.

 

 

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Berufsausbildungsgesetz, das Jugend-

ausbildungs-Sicherungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Arbeits-

marktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitslosen-

versicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktförderungsgesetz und das Einkommen-

steuergesetz 1988 geändert werden; Ressortstellungnahme

 

 

Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur dankt für die Übermittlung des im Betreff genannten Entwurfes und erlaubt sich wie folgt Stellung zu nehmen:

 

Zu § 15a des Entwurfes über eine Änderung des Berufsausbildungsgesetzes betreffend außer­ordentliche Auflösung des Lehrverhältnisses:

Aus pädagogischer Sicht kann diese Maßnahme nicht begrüßt werden. In den letzen Jahren wurden sehr viele Initiativen gesetzt, um die Duale Ausbildung attraktiver zu gestalten. Die Absicht, nunmehr die Möglichkeit einer außerordentlichen Auflösung von Lehrverhältnissen zu implementieren, widerspricht den Bemühungen der letzten Jahre, das Image der Dualen Aus­bildung zu heben. Für Erziehungsberechtigte, die die Bildungswege ihrer Kinder maßgeblich mitbestimmen, könnte dadurch ein gewisser Unsicherheitsfaktor hinzukommen. Möglicherweise könnte diese Regelung auch dafür ausschlaggebend sein, dass Jugendliche sich eher für eine vollzeitschulische berufliche Erstausbildung interessieren.

 

Betriebe, die Jugendliche zur Ausbildung im Rahmen einer Lehre aufnehmen, haben mit der Aufnahme auch eine Verpflichtung, eine Verantwortung übernommen, der sie gerecht werden sollten. Im Vorfeld einer etwaigen Auflösung sollte jedenfalls – neben dem Mediationsverfahren – seitens der zuständigen Stelle auch überprüft werden, ob der Lehrberechtigte die ihm oblie­genden Pflichten gemäß § 9 BAG erfüllt hat.

 

Zudem wird betreffend Jugendliche mit Behinderungen bzw. Beeinträchtigungen darauf hinge­wiesen, dass es in der Regel für diese sehr schwierig ist, einen ihren Begabungen und Inte­ressen entsprechenden Lehr- bzw. Ausbildungsvertrag zu erhalten, an welchem ein „maßge­schneidertes“ individuelles Konzept der integrativen Berufsausbildung umgesetzt werden kann. Die vorgesehene Ausweitung der Möglichkeit zur vorzeitigen oder außerordentlichen Auflösung des Lehrverhältnisses in der vorliegenden Fassung könnte im Rahmen der integrativen Berufsausbildung zu Nachteilen für Jugendliche mit Behinderungen bzw. Beeinträchtigungen führen, wenn „geringe Eignung oder schwerwiegende Motivationsmängel“ der Anlass für den Lehrberechtigten sind, das Lehrverhältnis bzw. den Ausbildungsvertrag aufzulösen. Ein weiterer Absatz in § 15a BAG sollte vorsehen, dass die Auflösung des Lehr- bzw. Ausbildungs­verhältnisses durch den Lehrberechtigten nicht mit den sich aus der Behinderung/Beein-trächtigung ergebenden Einschränkungen der Eignung im Zusammenhang stehen darf.

 

Zu § 19b des Entwurfes über eine Änderung des Berufsausbildungsgesetzes betreffend Bei­hilfen für die betriebliche Ausbildung von Lehrlingen:

Eingangs wird festgehalten, dass alle Aktivitäten, die zu einer Sicherung der beruflichen Erst­ausbildung für Jugendliche beitragen, grundsätzlich begrüßt werden. Diese Maßnahmen können für die Jugendlichen eine große Chance bedeuten, einen adäquaten Lehrplatz zu erhalten und somit den Einstieg in ihre berufliche Karriere zu schaffen. Eine gut fundierte Ausbildung zählt zu den wesentlichen Faktoren zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit. Intention ist es jedenfalls, durch ein finanzielles Anreizsystem die Ausbildungsbereitschaft von Betrieben zu erhöhen. Erhöhte Ausbildungsbereitschaft bzw. erhöhte Begründung von Lehrverträgen bedeutet gleichermaßen ein Ansteigen der Anzahl der Schülerinnen und Schüler an Berufsschulen, womit wieder Aus­wirkungen auf den Stellenplan verbunden sein können.

 

Neben den im § 19b des Entwurfes vorgesehenen Beihilfen für die betriebliche Ausbildung von Lehrlingen wird angeregt, weitere Förderstränge vorzusehen. Folgende Ergänzungen zum § 19b Abs. 1 des Entwurfes, die sowohl dem Ausbildungsbetrieb (als auch den Lehrlingen) zu Gute kommen sollen, werden vorgeschlagen:

 

1. Förderung zur Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung

Gemäß § 21 Abs. 1 des BAG ist es Zweck der Lehrabschlussprüfung festzustellen, ob sich der Lehrling die im betreffenden Lehrberuf erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse angeeignet hat. Die Lehrabschlussprüfung besteht aus einem praktischen und einem theoretischen Teil, wobei der theoretische Teil entfällt, wenn die Berufsschule erfolgreich absolviert wird. Bemer­kenswert erscheint, dass mit Stand 31. Dezember 2007 rund 17% der Kandidatinnen und Kan­didaten, die zur Lehrabschlussprüfung angetreten sind, diese nicht bestanden haben.

 

2. Vorbereitung von Lehrlingen auf eine Berufsreifeprüfung parallel zur Lehrzeit

Das Vorhaben „Lehre und Reifeprüfung“ tangiert zwei Bereiche im Berufsausbildungsgesetz. Die Dauer des Lehrverhältnisses (§ 13) und die „Beihilfen für die betriebliche Ausbildung“ (§ 19b). Zwecks Verbesserung der Zusammenführung von Lehre und Reifeprüfung („Berufs­matura“) mit dem Ziel der Steigerung der Attraktivität der Berufsreifeprüfung erscheint es ziel­führend, einen konkreten Tatbestand betreffend „Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung“ im BAG eigens anzuführen. Jedenfalls könnte nach Ansicht des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur dieses Anliegen auch unter Ziffer 5 des § 19b Abs. 1 des Entwurfes über „Zusatzausbildung von Lehrlingen“ subsumiert werden.

 

Zu § 19e des Entwurfes über eine Änderung des Berufsausbildungsgesetzes betreffend Daten­verarbeitung:

Es darf eine nochmalige Überprüfung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen in § 19e des Entwurfes angeregt werden. Die vorgesehenen weitreichenden Möglichkeiten zur Übermittlung einer großen Zahl an personenbezogenen Daten, die zum Teil als sensibel zu qualifizieren sind (an Behörden, Gerichte, Träger der Sozialversicherungen, Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Bundesanstalt „Statistik Österreich“) erscheinen datenschutzrechtlich bedenklich. Der Entwurf sieht darüber hinaus weder Datensicherheitsmaßnahmen noch Anonymisierungs- oder Löschungsverpflichtungen vor.

 

Zu § 30 und 30b des Entwurfes über eine Änderung des Berufsausbildungsgesetzes betreffend überbetriebliche Lehrausbildung:

Die überbetriebliche Lehrausbildung soll künftig in besonderen Ausbildungseinrichtungen (§ 30) sowie im Auftrag des AMS (§ 30b) durchgeführt werden können. Im Zusammenhang mit der überbetrieblichen Lehrausbildung muss gewährleistet werden, dass eine der betrieblichen Praxis adäquate Ausbildung stattfindet. Aus pädagogischer Sicht ist dies unabdingbar. Es wird daher dafür plädiert, dass in diesem Bereich ein Qualitätssicherungssystem implementiert wird.

 

Die Bestimmung des § 30 Abs. 8 des Entwurfes, auf die auch im § 30b Abs. 3 des Entwurfes verwiesen wird, stellt Personen, die in einer überbetrieblichen Ausbildungseinrichtung ausge­bildet werden, Lehrlingen hinsichtlich der Berufsschulpflicht gleich. Diese Gleichstellung im Berufsausbildungsgesetz ist zu streichen, zumal die Kompetenz zur Regelung von Angelegenheiten der Schulpflicht dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur obliegt und in den Erläuterungen zum Entwurf über eine Änderung des BAG unter dem Punkt „Kompetenzgrund­lage“ ausschließlich auf die Art. 10, 11 und 17 B-VG, nicht jedoch auf Art. 14 B-VG verwiesen wird. Eine entsprechende Kompetenzgrundlage fehlt daher. Die Wortfolge in § 30 Abs. 8 des Entwurfes „sind hinsichtlich der Berufsschulpflicht Lehrlingen gleichgestellt“ sollte daher ent­fallen.

 

Stattdessen müsste die Erwähnung der Berufsschulpflicht dieses Personenkreises system­konform im Schulpflichtgesetz 1985 aufgenommen werden: Im Rahmen einer beabsichtigten Novellierung des Schulpflichtgesetzes 1985 soll in § 20, der den der Berufsschulpflicht unter­liegenden Personenkreis als Regelungsgegenstand hat, geändert werden. Derzeit unterliegen gemäß § 20 Abs. 1 „Lehrlinge sowie Personen, die in einem Lehrberuf in besonderen selb­ständigen Ausbildungseinrichtungen gemäß § 30 des Berufsausbildungsgesetzes ausgebildet werden, der Berufsschulpflicht ….“. Der Vollständigkeit halber müssten nun in diese Aufzählung auch jene Lehrlinge aufgenommen werden, die eine überbetriebliche Lehrausbildung im Auftrag des Arbeitsmarktservices gemäß § 30b leg.cit. absolvieren.

 

Zu § 34 des Entwurfes über eine Änderung des Berufsausbildungsgesetzes betreffend Schluss­bestimmungen:

Grundsätzlich wird die im Entwurf vorgesehene (zeitliche) Erweiterung der integrativen Berufsausbildung (§ 34 Abs. 6) begrüßt. Die folgenden Zahlen der letzten Jahre über Lehrlinge in der integrativen Berufsausbildung zeigen, dass diese Maßnahme hohe Akzeptanz genießt:

 

Zahl der Lehrlinge in der integrativen Berufsausbildung seit Einführung

Stichtag

1.275

30.11.2004

2.726

31.12.2006

3.410

31.12.2007

 

Darüber hinaus fördert sie die Möglichkeiten benachteiligter Jugendlicher, im Berufsleben Fuß zu fassen. Sie ist daher eine sinnvolle Maßnahme, die – so die vorliegenden Erläuterungen – zur Zufriedenheit der Ausbildungspartner funktioniert. Im Zusammenhang mit der Aufhebung der Befristung wird jedoch angemerkt, dass ursprünglich zwischen den Ressorts die Vereinbarung bestand bzw. besteht, die Evaluierungsergebnisse über die Integrative Berufsausbildung in die Detailbestimmungen zum § 8b vor Außer-Kraftkraft-Setzung der Befristung einfließen zu lassen. Dies ist dem gegenständlichen Entwurf nicht zu entnehmen. Es wird daher diesbezüglich ersucht, die auch für den Berufsschulbereich relevanten Ergebnisse der Evaluierungen ange­messen zu berücksichtigen. Korrespondierend zum vorliegenden Entwurf ist seitens des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur beabsichtigt, einen Entwurf zur Änderung des Schulpflichtgesetzes 1985 zu erarbeiten, in dem auch die zeitliche Befristung der Maß­nahme der integrative Berufsausbildung beseitigt werden soll.

 

Zu den finanziellen Auswirkungen:

Die Zahlen der letzten Jahre über Lehrlinge in der integrativen Berufsausbildung zeigen, dass diese Maßnahme hohe Akzeptanz genießt. Mit einer weiteren Zunahme ist zu rechnen. Diese könnte wiederum Auswirkungen auf den Stellenplan haben, welche jedoch nicht näher darstell­bar sind.

 

Eine Kopie dieser Stellungnahme wird dem Präsidium des Nationalrates in elektronischer Form zur Verfügung gestellt.

 

 

Wien, 6. März 2008

Für die Bundesministerin:

Mag. Andreas Bitterer

 

 

Elektronisch gefertigt