1 Präs. 1611-1182/08x

 

 

Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs

zum Bundesgesetz über die Errichtung einer

Justizbetreuungsagentur (Justizbetreuungsagenturgesetz - JBA-G)

 

 

Wie schon bei früheren Anlässen ist die äußerst kurze Frist für eine Stellungnahme zu beanstanden. Unter Berücksichtigung der Geschäftsabläufe (die eine Befassung des zuständigen Begutachtungssenates in einer eigens einzuberufenden Sitzung erfordern können) blieben hiefür nur wenige Tage Zeit. Zumindest in Fällen wie diesen sollte daher auf die juristisch ohnehin fragwürdige Fiktion verzichtet werden, dass bei Versäumung der Äußerungsfrist angenommen wird, es bestünden keine Bedenken gegen den Entwurf.

Das Ziel des Entwurfs - die Ausgaben für den Straf- und Maßnahmenvollzug bei geistig abnormen Rechtsbrechern ohne Qualitätsverlust zu verringern, indem justizeigene Anstalten die bisher in öffentlichen psychiatrischen Krankenhäusern erledigten Aufgaben übernehmen - ist sicherlich zu begrüßen. Wenn in diesem Zusammenhang mit dem hohen Einsparungspotential am Beispiel der bereits bestehenden Justizanstalt Göllersdorf argumentiert wird, stellt sich allerdings die Frage, warum die Einsparungen auf dem Umweg über eine extra einzurichtende Anstalt öffentlichen Rechts erreicht werden sollen, statt das Justizressort direkt mit dem erforderlichen Personal auszustatten.

Unter dem Aspekt dieser politischen Entscheidung und der primär ökonomischen Zielsetzung des Gesetzesvorhabens entzieht sich der Entwurf weitgehend einer juristischen Bewertung. Der Entwurf sollte jedoch noch redaktionell überarbeitet werden, weil er systematische und stilistische Mängel aufweist. Manche Detailregelungen scheinen nicht mehr als Erläuterungen zu sein und sollten daher besser in den ohnehin kurz geratenen Besonderen Teil aufgenommen werden. Als Beispiele seien genannt:

 

Zu § 1:

Die der JBA zuerkannte Berechtigung, das Bundeswappen zu führen, erwartet man eher in Abs 1 statt in Abs 2.

Dass es sich beim Geschäftszweig nur um Aufgaben der JBA handeln kann (die noch dazu durch den Hinweis auf § 2 genau umschrieben werden), ist so klar, dass sich eine besondere Erwähnung der JBA in Abs 4 erübrigt.

Der bedeutsame Umstand, dass die JBA nicht auf Gewinn ausgerichtet ist, sollte an prominenterer Stelle angeführt werden als in Abs 6 im Zusammenhang der Gleichsetzung von Geschäfts- und Kalenderjahr.

Ähnliches gilt für die in § 2 Abs 7 enthaltene Regelung, dass die Tätigkeiten der JBA nicht den Bestimmungen der GewO unterliegen; sie passt besser in § 1.

 

Zu § 2:

Abs 1 schafft mit der Aufzählung der personellen Qualifikationen, die von Dienstnehmern der JBA erwartet werden, Verwirrung. Genügt im Zusammenhang mit der exemplarischen Aufzählung der Aufgaben in Abs 2 nicht der Satz, dass Aufgabe der JBA die Versorgung der Justizanstalten mit Personal zur Betreuung von Insassen dieser Anstalten ist? Welches „therapeutische“ Personal neben dem in Abs 2 genannten (siehe dazu auch § 4) wird noch benötigt?

Dass Leitung und Exekutivdienst der Justizanstalten nicht zum Aufgabenbereich der JBA gehören, bedarf wohl keiner eigenen Erwähnung in Abs 3.

Was es bedeuten soll, dass die JBA übernommene Aufträge in „wirtschaftlich“ vertretbarem (statt bloß vertretbarem) Zeitraum auszuführen hat (Abs 4), bleibt unklar.

Auslegungsschwierigkeiten bereitet auch der „Anstaltszweck“ in Abs 6. Soll die JBA zB auch den Reinigungsdienst übernehmen können oder ist in Wahrheit der in Abs 1 und Abs 2 umschriebene Betreuungszweck gemeint? Wenn ja, könnte Abs 6 überhaupt entfallen, dessen zweiter Halbsatz ohnehin schon in Abs 5 enthalten ist.

In Abs 4 ist wie an vielen anderen Stellen des Entwurfs auch (siehe etwa §§ 3, 7, 8, 9, 11, 12, 13, 14, 17, 18 und 30) von der Bundesministerin für Justiz die Rede. Wie in anderen Gesetzen üblich, sollte auch die männliche Form aufgenommen werden. In §13 Abs2 ist ein offenkundiger Schreibfehler unterlaufen („durch die Bundesminister für Justiz“).

 

Zu § 5:

1Manche Regelungen, etwa jene über die ohnehin nicht anzweifelbare Möglichkeit der Nebenintervention (Abs 1), sollten auf ihre Notwendigkeit hin überprüft werden.

Dass Abs 3 der JBA einen Rückersatzanspruch gegen denjenigen einräumt (die JBA für zu fordern „berechtigt“ erklärt), den die JBA „für den Rückersatzanspruch für haftbar erachtet“, geht zu weit. Auch im Vertrauen auf das Korrektiv juristischer Interpretation sollte eine weniger verfängliche Formulierung (wie sie etwa in Abs 5 enthalten ist) verwendet werden.

In Abs 3, 4 und 5 wird auf die Verschwiegenheitspflicht der von der JBA eingesetzten Personen Bezug genommen. Die entsprechende Regelung findet sich erst in 24. Sie sollte vorangestellt, am zweckmäßigsten also in den 2. Abschnitt aufgenommen werden.

 

Zu § 12:

Der zweite Satz des Abs 1 (vor allem dessen zweiter Halbsatz) enthält den Hinweis auf eine ohnehin gefestigte Judikatur zu vergleichbaren Fällen der Organvertretung und ist daher entbehrlich. Er sollte, wenn überhaupt, nur in den Erläuterungen zur Gesetzesvorlage Erwähnung finden. Ähnliches gilt zwar auch für die in Abs 3 und Abs 6 enthaltenen Regelungen, doch kann hier wenigstens mit einem erhöhten Publizitätsbedürfnis argumentiert werden.

 

Zu § 19:

Dass auf die Arbeitnehmer/innen der JBA sowie die Bewerber/innen um Aufnahme in ein Arbeitsverhältnis zur JBA das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, BGBlNr.100/1993, mit Ausnahme des vierten, fünften und sechsten Abschnitts des dritten Teils und des § 41 und §50 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass die JBA als Dienststelle und als Zentralstelle gilt, bezieht sich offenbar auf die Urfassung des Gesetzes, kann also an Hand der geltenden Gesetzeslage (siehe dazu die Gesetzesänderungen bis BGBl I Nr. 96/2007 im RIS des BKA) nicht nachvollzogen werden. Sollte damit eine Beseitigung der anerkannten Standards zur Frauenförderung und deren Durchsetzung einhergehen, wäre durch eine eigene Regelung im Gesetz Ersatz zu schaffen. Das müsste für eine Anstalt öffentlichen Rechts eine Selbstverständlichkeit sein. Vor demselben rechtlichen Hintergrund stellt sich außerdem die Frage, warum der Auftrag des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes zur Überwindung der Geschlechterdiskriminierung und Unterrepräsentation von Frauen nicht auch für die Bestellung der Geschäftsführung oder von Mitgliedern des Aufsichtsrates gelten soll. Entsprechende Regelungen wären in § 7 Abs 1 bzw § 14 Abs 1 des Entwurfes vorzusehen, notabene konstitutiv, weil das Stellenbesetzungsgesetz insoweit lückenhaft ist und ein Gesetz wie das vorgeschlagene Anlass bietet, das Anliegen einer geschlechtergerechten Beschickung von Aufsichtsräten auch in Österreich ernst zu nehmen.

 

Wien, am 14. März 2008

Hon.-Prof. Dr. Griss