An das

GZ ● BKA-603.448/0001-V/5/2008

Abteilungsmail v@bka.gv.at

bearbeiter Herr MMag Dr Patrick SEGALLA

Herr Mag Alexander flendrovsky[1]

Pers. E-mail patrick.segalla@bka.gv.at

Telefon 01/53115/2353

Ihr Zeichen

 

Bundesministerium für

Justiz

 

kzl.c@bmj.gv.at

Antwort bitte unter Anführung der GZ an die Abteilungsmail

 

 

 

Betrifft:  Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung der Justizbetreuungsagentur (Justizbetreuungsagenturgesetz – JBA-G);

Begutachtung; Stellungnahme

 

 

Zum mit der do. oz. Note übermittelten Gesetzesentwurf samt Beilagen nimmt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst wie folgt Stellung:

I. Allgemeines:

Zu legistischen Fragen darf allgemein auf die Internet-Adresse http://www.bundeskanzleramt.at/legistik hingewiesen werden, unter der insbesondere

·      die Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „LRL …“),

·      das EU-Addendum zu den Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „RZ .. des EU-Addendums“),

·      der ‑ für die Gestaltung von Erläuterungen weiterhin maßgebliche ‑ Teil IV der Legistischen Richtlinien 1979,

·      die Richtlinien für die Verarbeitung und die Gestaltung von Rechtstexten (Layout-Richtlinien) und

·      verschiedene, legistische Fragen betreffende Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst

zugänglich sind.

Die Gemeinschaftsrechtskonformität des im Entwurf vorliegenden Bundesgesetzes ist vornehmlich vom do. Bundesministerium zu beurteilen.

II. Zum Gesetzesentwurf:

Zu § 2:

Zu Abs. 3:

Der Gesetzesentwurf lässt weitgehend offen, in welchem Verhältnis das Personal der Justizbetreuungsagentur zu den Strafvollzugsstrukturen, insbesondere zur Justizanstalt, in der sie eingesetzt werden, steht. Dies könnte verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen: Zwar normiert § 2 Abs. 3 des Entwurfs, dass die Leitung und der Exekutivdienst der Justizanstalten weiterhin von Beamten und Vertragsbediensteten des Bundes wahrgenommen werden. Es scheint aber nicht ausgeschlossen (vgl. etwa §§ 16 ff StVG; siehe auch § 4, wonach die Justizbetreuungsagentur „die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Justizanstalten bestmöglich zu unterstützen hat“, eine Verpflichtung, der sie in erster Linie wohl nur durch das von ihr überlassene Personal nachkommen kann), dass von der Justizbetreuungsagentur beschäftigtes Personal auch hoheitliche Akte, insbesondere Zwangsakte im Zusammenhang mit dem Strafvollzug zu setzen hat. Da es sich bei der Justizbetreuungsagentur um einen ausgegliederten Rechtsträger öffentlichen Rechts handelt, wäre eine solche Konstellation dann, wenn die Handlungen des Personals nicht der Justizanstalt (und damit unmittelbar der Bundesvollziehung), sondern der Agentur zuzurechnen sind, verfassungsrechtlich wie eine Beleihung zu beurteilen (siehe zur „Beleihung“ eines Rechtsträgers des öffentlichen Rechts die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zur Bundes-Wertpapieraufsicht, VfSlg. 16.400/2001), und dies in einem Rechtsbereich, der im Sinne der verfassungsgerichtlichen Judikatur zum „ausgliederungsfesten Kernbereich“ gehören dürfte (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Grenzen der Ausgliederung, 87; vgl. im Übrigen aber auch die im Erkenntnis zur Bundes-Wertpapieraufsicht aufgestellte Prämisse, dass ein Weisungsrecht bloß an den Leiter einer beliehenen Einrichtung im Sinne der Art. 20 und 77 B-VG nicht ausreichend ist einerseits, und die Bestimmung des § 18 Abs. 1 des Entwurfs, wonach Weisungen der Justizministerin nur an die Geschäftsführung möglich sind, andererseits).

Um diese Konsequenz zu vermeiden, sollte gesetzlich vorgesehen werden, dass das in den Justizanstalten eingesetzte Personal, von der arbeitsvertraglichen Stellung abgesehen, während der „Dienstzuweisung“ in jeder Hinsicht in den dortigen Dienstbetrieb und die dortigen Weisungszusammenhänge eingegliedert ist, also nicht bloß aus fachlicher, sondern auch aus organisatorischer Sicht (Arbeitszeiten, Arbeitsort, Tätigkeitsbereich, etc.). Dies dürfte auch dem beabsichtigten Zweck der Justizbetreuungsagentur, Fachpersonal zu rekrutieren und zu beschäftigen, nicht entgegenstehen. Umgekehrt wäre aber das über die Agentur angestellte Personal vollständig in die Organisationsstruktur des Bundes eingegliedert und wäre dessen Handeln dem Bund zuzurechnen, wodurch die verfassungsrechtlichen Bedenken entschärft sein dürfen (vgl. aber auch Thienel, Öffentlicher Dienst und Kompetenzverteilung [1990] 226, der die Beschäftigung von Bediensteten, die einer Gebietskörperschaft von Dritten überlassen werden, nur im Bereich der schlichten Hoheitsverwaltung und der Privatwirtschaftsverwaltung, nicht aber im Bereich der obrigkeitlichen Verwaltung für zulässig hält).

Zu Abs. 4:

Soweit der Justizbetreuungsagentur eindeutig dem hoheitlichen Bereich zuzurechnende Aufgaben – ausgenommen bloße Hilfstätigkeiten – übertragen werden sollen (die bloße, in Abs. 2 genannte Bereitstellung von Personal, sofern dieses danach in die Vollziehungsstrukturen des Strafvollzugs eingegliedert sind – siehe die Anmerkung zu Abs. 3 oben – dürfte aber nicht darunter fallen), wäre die Regelung der Art und Weise der Aufgabenbesorgung mittels Vereinbarung verfassungsrechtlich problematisch, da Beleihungen wohl nicht mittels privatrechtlicher Verträge erfolgen dürfen (siehe die im Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofs im Verfahren zu G 36/04 und V 20/04 [Zivildienstverwaltung], wiedergegeben im Erkenntnis VfSlg. 17.341/2004, geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Übertragung hoheitlicher Zuständigkeiten mittels Vertrag.)

Es erscheint weiters problematisch, auch die Grundsätze für das zu leistende Entgelt in einer Vereinbarung festzulegen. Dies würde im Ergebnis bedeuten, dass ohne Zustimmung der Agentur das Entgelt nicht festgesetzt werden kann. Um diese Problematik zu vermeiden, wird vorgeschlagen, die derzeit für die sogen. Rahmenvereinbarung vorgesehenen Inhalte (Art und Weise der Erfüllung der Aufgaben, Grundsätze für das Entgelt) im Gesetz selbst oder in einer Verordnung aufgrund einer ausreichend determinierten gesetzlichen Grundlage festzulegen.

Zu Abs. 5:

Sollte sich die Möglichkeit der Übernahme zusätzlicher Aufgaben auch auf hoheitliche Aufgaben (ausgenommen reine Hilfsaufgaben) beziehen – was vom Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst nicht beurteilt werden kann, durch den Gesetzeswortlaut aber nicht ausgeschlossen erscheint, wenn auch die in den Erläuterungen genannten Beispiele eher dagegen sprechen – wäre diese Bestimmung ebenfalls verfassungsrechtlich bedenklich, da Beleihungen ausgegliederter Rechtsträge wohl durch Gesetz, nicht aber durch privatrechtliche Vereinbarung zu erfolgen haben (siehe die Anmerkung zu Abs. 4 oben).

Zu § 5:

Das Amtshaftungsgesetz gilt gemäß seinem § 1 Abs. 1 – der insoweit Art. 23 Abs. 1 B‑VG entspricht – für „in Vollziehung der Gesetze“, also im Rahmen der Hoheitsverwaltung, zugefügte Schäden. Nach dem vorgeschlagenen Abs. 1 erscheint unklar, ob der Bund in diesem Sinn nur für hoheitliches Handeln der Justizbetreuungsagentur nach dem Amtshaftungsgesetz haften soll oder ob die Haftung auch auf privatrechtliches Handeln ausgedehnt werden soll (was als Erweiterung der Haftung auf Grund des Art. 23 B‑VG nicht unzulässig wäre). Allein aus der Wortfolge „auf Grund dieses Gesetzes“ kann eine Beschränkung auf hoheitliches Handeln nicht abgeleitet werden; zumindest in den Erläuterungen sollte daher eine Klarstellung erfolgen.

Zu § 8 Abs. 4:

Angesichts der in § 8 sonst gewählten Ausdruckweise und auch zur Klarstellung scheint es auch in Abs. 2 zweckmäßig, den Absatztext mit „Die Geschäftsführung hat…“ beginnen zu lassen.

Zu § 18 Abs. 2:

Es ist unklar, weshalb die Aufsichtsmittel des Abs. 2 auf die wirtschaftliche Aufsicht beschränkt sind. Es erschiene zweckmäßiger – und auch im Sinne des Abs. 20 B-VG vorzuziehen – sie für sämtliche Arten der Aufsicht, insbesondere auch für die Rechtsaufsicht vorzusehen.

Zu § 26:

Die Ermächtigung bzw. Verpflichtung in § 26 sollte sich besser nur auf vorbereitende Maßnahmen beziehen, da die Justizbetreuungsagentur ihren Betrieb wohl erst mit dem Datum des Inkrafttretens des Gesetzes aufnehmen soll.

III. Zum Gesetzesentwurf aus datenschutzrechtlicher Sicht

Im Rahmen der Aufgaben der Justizbetreuungsagentur (§ 2 des Entwurfs) ist die Verwendung personenbezogener Daten wohl unumgänglich. Es wird daher angeraten, die datenschutzrechtliche Rollenverteilung im Gesetz (4. Abschnitt) ausdrücklich festzulegen. Derzeit scheint es insbesondere hinsichtlich der Daten von betreuten Insassen der Vollzugsanstalten fraglich, ob der Agentur eine Stellung als Auftraggeber (§ 4 Z 4 DSG 2000) oder als Dienstleister (Z 5 leg. cit.) zukommt.

 


Diese Stellungnahme wird im Sinne der Entschließung des Nationalrates vom 6. Juli 1961 u.e. auch dem Präsidium des Nationalrats zur Kenntnis gebracht.

 

19. März 2008

Für den Bundeskanzler:

i.V. ACHLEITNER

 

 

Elektronisch gefertigt


 



[1] Aus datenschutzrechtlicher Sicht.