Anschrift:

 

An das
Bundeskanzleramt
Ballhausplatz 2
1014 Wien

                        Der Vorsitzende

VA 6100/5-V/1/08 - km                                                   Wien, am 15. April 2008

 

Sachbearb.:                                                                  Tel.: (01)51 505-243 od. 0800 223 223-243

Dr. Heidi Pacher                                                                               Fax: (01)51 505-150

 

Betr.:      Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Zweites Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird (168/ME XXIII.GP.)

Bezug:   Stellungnahme der Volksanwaltschaft

Sehr geehrte Damen und Herren!

1.    Zu Art. 1 Z 30 (Art. 112 und Art. 119 Abs. 2 und 3), Art. 1 Z 34 (Art. 116a Abs. 1 und 3), Art. 1 Z 35 (Art. 116a Abs. 4 neu), Art. 1 Z 42 (Art. 119 Abs. 4), Art. 1 Z 43 (Art. 119 Abs. 5 neu) und Art. 1 Z 44 (Art. 119a Abs. 3):

Die Volksanwaltschaft tritt dem Vorschlag der Expertengruppe Staats- und Verwaltungsreform dahingehend, die Bildung von Gemeindeverbänden sowohl im eigenen als auch im übertragenen Wirkungsbereich von Gemeinden zu erleichtern, nicht entgegen, sofern der Verfassungsgesetzgeber darüber hinaus die notwendige Klarstellung trifft, dass auch Gemeindeverbände gemäß Art. 148b Abs. 1 B-VG zur Unterstützung der Volksanwaltschaft verpflichtet sind.

Vergleichbar wie beim Rechnungshof ist davon auszugehen, dass der Volksanwaltschaft zur Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben im Bereich der Missstandskontrolle gem. Art. 148 a B-VG eine gründliche Prüfung jeder Beschwerde zu ermöglichen ist. Art. 148b Abs. 1 B-VG verpflichtet derzeit „alle Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden“ zur Unterstützung der Volksanwaltschaft; diese Regelung entspricht wörtlich der Umschreibung der zur Amtshilfe verpflichteten (und berechtigten) Organe in Art. 22 B-VG. Ein Teil der Lehre geht davon aus, dass Art. 148b Abs. 1 B-VG – wie auch Art. 22 B-VG – aber ein organisatorischer Organbegriff zu Grunde liegt. Folgt man dieser Auffassung, wären nur die organisatorischen Einrichtungen der Gebietskörperschaften selbst gegenüber der Volksanwaltschaft zur Amtshilfe verpflichtet, während Organe anderer Rechtsträger, insbesondere anderer Selbstverwaltungskörper als der Gemeinden, nicht dazu verhalten wären, der Volksanwaltschaft die Durchführung von Lokalaugenscheinen zu ermöglichen, ihr Akteneinsicht zu gewähren bzw. Auskünfte zu erteilen. Der Kreis der der Kontrolle der Volksanwaltschaft unterworfenen Verwaltungsträger wie er in Art. 148 Abs. a B-VG umschrieben ist, deckt sich nach dieser Rechtsauslegung daher nicht mit jenem, der zur Unterstützung der Volksanwaltschaft verpflichtet ist. Das diese Interpretation ein rechtspolitisch unerträgliches Ergebnis nach sich zieht, liegt auf der Hand, da eine wirksame Kontrolle durch die Volksanwaltschaft ohne umfassende Kenntnis der tatsächlichen Vorgänge nicht möglich ist. Eine verfassungsgesetzliche Klarstellung in Bezug auf Gemeindeverbände würde zur Vermeidung von Zweifelsfragen deutlich machen, dass die Befugnis der Volksanwaltschaft den beschwerdegegenständlichen Sachverhalt zu ermitteln, in keiner Weise beschränkt werden kann.

Die Volksanwaltschaft regt daher an, jedenfalls auch die Gemeindeverbände ausdrücklich als Organe zu bezeichnen, die zur Unterstützung der Volksanwaltschaft verpflichtet sind.

2.    Zu Art. 1 Z 31 (Art. 116 Abs. 2 zweiter Satz):

Den Erläuterungen ist zu entnehmen, dass sich die Expertengruppe Staats- und Verwaltungsreform der Bedeutung von Erbringen von Leistungen im allgemeinen Interesse wegen der damit verbundenen Verantwortung für das Gemeinwohl bewusst ist und Kriterien wie Versorgungssicherheit, soziale Erschwinglichkeit sowie allgemeine, dauerhafte und flächendeckende Zugänglichkeit zu gleichen Bedingungen in den Bereichen Wasserver- und Entsorgung, Abfallentsorgung, Verkehr, Energieversorgung sowie Gesundheits- oder Sozialdienstleistungen als unverzichtbar ansieht.

Genau diese Grundhaltung will auch die Volksanwaltschaft in ihren Weiterentwicklungsvorschlägen dadurch gewährleistet sehen, dass ihr im gleichen Umfang wie dem Rechnungshof die Möglichkeit zur Prüfung ausgegliederter Rechtsträger eingeräumt wird. Wie schon gegenüber dem Österreich Konvent sowie im Rahmen der Stellungnahme zu 50/SN-94/ME XXIII.GP zum Ausdruck gebracht wurde, würde der Bundesverfassungsgesetzgeber damit der internationalen Praxis folgend die Aufgaben der Volksanwaltschaft lediglich in einer Weise erweitern, wie dies für Ombudsmann-Einrichtungen in rund 2/3 aller Mitgliedstaaten des Europarates in den vergangenen 15 Jahren bereits der Fall war.

3.    Die Regelungen in Art 148a Abs. 4 und Art 148 b Abs. 1 B-VG hätten daher folgenden Wortlaut:

Art. 148a Abs. 4 B-VG neu:

„(4) Der Prüfung der Volksanwaltschaft gemäß Abs. 1 und 2 unterliegen auch Rechtsträger und Unternehmungen im Sinne des Art. 126b, soweit sie im allgemeinen Interesse liegende Aufgaben erfüllen.“

Art 148b Abs. 1 B-VG neu:

„(1) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände, der sonstigen Selbstverwaltung, anderer juristischer Personen öffentlichen Rechts und von Rechtsträgern und Unternehmungen im Sinne des Art.126b …“

 

4.    Im Übrigen hält die Volksanwaltschaft ihre bisherigen Weiterentwicklungsvorschläge, soweit sie bislang nicht berücksichtigt wurden, aufrecht.

Der Vorsitzende

 

 

Volksanwalt Dr. Peter KOSTELKA   e.h.