VERWALTUNGSGERICHTSHOF |
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A-1014 Wien, Judenplatz 11 |
PRÄSIDIUM |
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An das
Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst
Ballhausplatz 2
1014 Wien
v@bka.gv.at
Zum Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Zweites Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird, nimmt das Präsidium des VwGH wie folgt Stellung:
Beim vorgesehenen "Drei-Säulen-Modell" nimmt der Expertenentwurf eine Zuordnung für "öffentliche Aufträge" nicht vor, sondern stellt eine solche zwischen der Säule 1 und der Säule 3 zur Diskussion. Aus der Sicht des VwGH sprechen die besseren Gründe für eine Einbindung in die 1. Säule.
Das öffentliche Auftragswesen ist dadurch gekennzeichnet, dass es besonders dicht durch EG-Richtlinien gestaltet ist. Auch gibt es in diesem Bereich eine umfassende "konkretisierende" Rechtsprechung des EuGH. Das bedeutet zum einen, dass der Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers im Kern begrenzt ist; zum anderen ist nicht nur eine präzise, sondern mitunter auch eine rasche Umsetzung ins nationale Recht geboten. Gerade im letztgenannten Fall - projiziert man das derzeitige Recht der Länder auf Mitwirkung (Zustimmung) an der Gesetzgebung des Bundes in die Zukunft - kann das zu Umsetzungsproblemen führen. Eine unzureichende Umsetzung ist aber im Regelfall mit schwierigen Auslegungsfragen verbunden, was wieder häufig - bis zu einer höchstgerichtlichen Klarstellung - zu Rechtsunsicherheit und insofern Rechtsschutzdefizit führt.
Wenn damit das Rechtsschutzinteresse der Verfahrensparteien angesprochen ist, so darf auch in Erinnerung gerufen werden, dass es bei neun Landes- und einem Bundestribunal gerade im Vergabewesen zu Problemen der Zuständigkeitsabgrenzung - zu Lasten der Beteiligten - kommen kann, wofür der Fall "Stadion Klagenfurt" für die breite Öffentlichkeit ein nachhaltiges Beispiel gebildet hat.
Eine Organisationsstruktur von neun Landes- und einem Bundestribunal in einer so komplexen Rechtsmaterie trägt vor allem auch eine Tendenz zu einer unterschiedlichen Spruchpraxis in sich. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit - bis zu einer klarstellenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung - steht auch in einem Spannungsverhältnis zu dem von der (vergaberechtlichen) Rechtsmittelrichtlinie geforderten Grundsatz eines raschen und effektiven Rechtsschutzes.
Damit zusammenhängend ist schließlich zu betonen, dass die Komplexität der Materie nicht nur eine tiefe Einarbeitung erfordert, sondern auch eine stete Befassung mit der immer wieder aktuellen Rechtsprechung des EuGH und der Höchstgerichte. Wenn in einzelnen Landestribunalen im Jahr nur fünf bis zehn Vergabenachprüfungsfälle anfallen, so bedeutet dies zumindest einen unverhältnismäßigen Ressourceneinsatz.
Unter einem ergeht eine Ausfertigung dieser Stellungnahme an das Präsidium des Nationalrates.
Wien,am 21. April 2008
Der Präsident:
JABLONER
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PRÄSIDIUM |
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Zl. 1701/6-Präs/2008 |
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An das
Präsidium des Nationalrates
PARLAMENT
Dr. Karl Renner-Ring 3
1017 Wien
begutachtungsverfahren@parlament.gv.at
zur gefälligen Kenntnisnahme.
Wien,am 21. April 2008
Der Präsident:
JABLONER