LANDESSCHULRAT

                      FÜR

NIEDERÖSTERREICH

 

 

I-100/6-2008

 

 

STELLUNGNAHME

Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Zweites Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird

 

 

Präambel:

Der vorliegende Begutachtungsentwurf schlägt neben redaktionellen Veränderungen zur Vereinfachung, Straffung und Modernisierung des Textes tief greifende substanzielle Veränderungen vor. Grundsätzlich wird der Versuch begrüßt, die in vielen Gesetzen verstreuten Bestimmungen im Verfassungsrang einer kritischen Durchleuchtung zu unterziehen und nach dieser Überprüfung (über redaktionelle Adaptierungen hinausgehende) inhaltlich begründeten Änderungen vorzunehmen.

 

Die extrem kurze Begutachtungsfrist für ein derart grundlegendes und zugleich komplexes Unternehmen verwundert. Wie sensibel vorgeschlagene Änderungen des Bundes-Verfassungsgesetzes teilweise sind, zeigt auch die Tatsache, dass es zu etlichen Punkten nicht einmal in der „Expertengruppe“ möglich war, Konsens zu erzielen.

 

Weiters verhindert der vorliegende Entwurf durch die Übertragung der Landeslehrer an den Bund in Zukunft das sinnvolle Eingehen auf regionale Bedürfnisse, es macht große Zentralschulen notwendig, was den Verlust der „Bürgernähe“ (positive Verankerung der Schule im örtlichen Geschehen) zur Folge hätte und die Schüler/innen bereits früh zu Pendlern stempelt. Eine Verwaltungsvereinfachung steht damit im krassen Gegensatz zur Bildungsqualität, weiters ist der Landeseinfluss auf die Bildung damit beendet, mit unabsehbaren Folgen für Landes- und Regionalpolitik, bzw. deren Gestaltungsmöglichkeiten.

 

Regionale Unterschiedlichkeiten und Besonderheiten gehen durch Zentralismus verloren.

Der geordnete Instanzenweg ist völlig ungeklärt.

 

Der Entwurf bedingt die Gefahr der Entpragmatisierung (neuer Dienstgeber!) mit pensionsrechtlichen Konsequenzen, nämlich der Anwendung des APG für alle Lehrer/innen. Die Folgen des Entwurfes für den persönlichen Arbeitsplatz sind unabsehbar, bedarfsmäßige Versetzungen von z.B. Niederösterreich nach Vorarlberg nicht auszuschließen.

 

Auch aus Elternsicht ergeben sich unabsehbare Konsequenzen, im Berufungsfall fehlen die konkreten regionalen Ansprechpartner; Schüler/innen als Pendler; regionale Identität durch Zentralschulen beendet (siehe oben).

 

Es muss auch festgestellt werden, dass alle neuzeitlichen Managementkonzepte einen Trend von der Zentralverwaltung hin zur kleinen Einheit vertreten. Dieser Entwurf steht dazu im scharfen Kontrast und ist daher als zentralistischer Rückschritt rundweg abzulehnen.

 

Der vorliegende Verfassungsentwurf ist den Vorgaben entsprechend sehr knapp gehalten und lässt daher weitgehend offen, welche konkreten Angelegenheiten des Schulwesens künftig tatsächlich der Mitwirkung der Länder unterliegen.


In der vorgeschlagenen Fassung des Artikel 81a wird von „Schule“ ohne nähere Begriffsdefinition gesprochen. Um die verfassungsrechtlichen Bestimmungen auf eine bestimmte Institution anwenden zu können ist es unerlässlich, eine klare Definition des Begriffes „Schule“ zu geben.

 

Auf Grund der Deregulierung in vielen Bereichen der Wirtschaft und des verstärkten Wettbewerbes auch auf dem privaten Bildungs- bzw. Fort- und Weiterbildungsmarkt wird mit einer Vielzahl von Begriffen in Verbindung mit Worten wie „Schule“, „Akademie“, „Institut“ etc agiert, was zu einer Irreführung von Eltern, Konsumenten etc führen kann. Deshalb ist es notwendig, eine klare Definition für „Schule“ im Sinne des Gesetzes beizubehalten.

 

Allgemein muss festgestellt werden, dass eine derartig weitgehende Verschiebung von Kompetenzen wie dies im Entwurf vorgesehen ist, nur gemeinsam mit Vorschlägen zu deren Finanzierung sinnvoll ist. Entsprechende Vorschläge für einen neuen Finanzausgleich liegen nicht vor. Da dies aber für eine seriöse Diskussion des Entwurfs notwendig ist, muss der vorliegende Entwurf gänzlich abgelehnt werden.

 

Zu den einzelnen Artikeln wird ausgeführt:

 

Zu Artikel 10, Abs. 1, Zi. 13 B-VG:

Artikel 10, Abs. 1, Zi. 13 sieht für die Schulen eine reine Bundeskompetenz in Gesetzgebung und Vollziehung vor. Dies bedeutet eine vollkommene Ausblendung aller regionalspezifischen Probleme aus dem Schulwesen. Dies widerspricht allen Tendenzen der gültigen Organisationslehre die von einer möglichst starken Dezentralisierung ausgehen.

Der Entwurf wird daher abgelehnt.

 

Zu Artikel 12, Abs. 1, Zi. 7 B-VG:

Artikel 12, Abs. 1, Zi. 7 gesteht „die äußere Organisation der Schulen im Rahmen der dritten Säule“ und damit der gemeinsamen Gesetzgebung und Vollziehung durch Bund und Länder zu. Bei der Verwendung der bisherigen Definition von „äußerer Organisation“ würde die jedoch nur Aufbau, Organisationsformen, Errichtung, Erhaltung, Auflassung, Sprengel, Klassenschülerzahlen und Unterrichtszeit umfassen. Dieser zentralistische Ansatz wird abgelehnt.

 

Zu Artikel 81a Abs. 1 B-VG:

Die Übernahme der Landeslehrer als Bedienstete des Bundes im Sinne des Art. 81a B-VG würde zwingend mit sich bringen, dass die Personalverwaltung bzw. Personalverrechung durch das für alle Bediensteten des Bundes vorgesehene System pm-sap zu erfolgen hätte. Dies bedeutet, dass die Länder für die Personalverwaltung- bzw. verrechung gezwungen sind, dieses System zu verwenden, was als Eingriff in die Autonomie der Länder zu werten ist.

 

Auf die Problematik der anfallenden Kosten für den laufenden Betrieb dieses Systems wird genauso wie auf die derzeit ungeklärte Frage der technischen Integration der bisher in den jeweiligen Personalverrechungssystemen der Länder verwalteten Landeslehrer in ein Bundessystem hingewiesen.

 

Da lediglich im vorliegenden Entwurf der Expertengruppe die äußere Organisation (Art. 12 Abs. 1 Z 7 B-VG) in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache und Landessache ist, der überwiegende Bereich „Schule“ in die ausschließliche Kompetenz des Bundes fällt (Art. 12 Abs 1 Z 13 B-VG), wird offensichtlich davon ausgegangen, die Bildungsdirektion als Bundesbehörde einzurichten. Ein Grund für die Einrichtung einer Landesbehörde für die Verwaltung (nunmehr auch sämtlicher Bundeslehrer) ist nicht erkennbar. Vielmehr sollte die bewährte Struktur des Landesschulrates mit den darin integrierten Agenden der Schulaufsicht aufrecht erhalten werden. Eine Eingliederung der Bezirksschulräte in die Bildungsdirektion, somit der derzeitigen Agenden der Länder in den Bereich des Bundes würde zu klaren Kompetenzen beitragen. Im Sinne klarer Strukturen und Zuständigkeiten im Schulbereich ist daher auch eine Eingliederung des Bereiches des land- und forstwirtschaftlichen Schulwesens in die Bildungsdirektion sinnvoll.

 

Zu Artikel 106, Abs. 4:

Im Artikel 106, Abs. 4 ist vorgesehen, dass Bildungsdirektionen im Amt der Landesregierungen eingerichtet werden. Diese sollten laut Entwurf die Aufgaben des Bundes in mittelbarer Bundesverwaltung vollziehen. Dies bedeutet, dass der Landeshauptmann in allen Fragen, außer jenen der „äußeren Organisation“, an die Weisungen des / der jeweiligen Bundesministers / Bundesministerin gebunden ist. Die bisherige weisungsfreie Vollziehung durch die Kollegien entfällt in Zukunft. Dies bedeutet einen absoluten Zentralismus der entgegen der bewährten Praxis keine Einbeziehung der relevanten Gruppen (Eltern und Lehrer, Schülervertreter) vorsieht. Das bisherige demokratische und partizipative Element in der Schulverwaltung wird mit diesem Entwurf beseitigt. Der Landesschulrat für Niederösterreich lehnt diese Verminderung von demokratischen Mitwirkungsrechten ab.

 

Der Entwurf sieht die Bestellung eines Bildungsdirektors mit einem Stellvertreter vor.

 

Dabei erhebt sich vorerst die Frage, ob es sich um eine politische Funktion im Sinne des bisherigen Präsidenten / der bisherigen Präsidentin oder ob es sich um eine administrative Tätigkeit im Sinne der bisherigen Landesschulratsdirektor/innen handelt. Letzteres würde bedeuten, dass es sich um eine zusätzliche Funktionsbezeichnung jenes Abteilungsvorstandes / jener Abteilungsvorständin handelt, dem/der im Amt der Landesregierung die innere Leitung der künftigen im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung zu erfüllenden Aufgaben des Landesschulrates zukommt. Es erscheint im Interesse der Rechtssicherheit und Stabilität sowie kontinuierlicher Weiterführung der Schulverwaltung geboten, hinsichtlich der Funktion, der Aufgaben und hierarchischen Stellung dieser Funktionsträger/innen eine verfassungsrechtlich abgesicherte Präzisierung vorzusehen. Weiters sollte im Hinblick des erfahrungsgemäß sehr umfangreichen und komplexen Aufgabenbereiches jedenfalls normiert werden, dass für die innere Leitung dieser Verwaltungseinheit jedenfalls als Übergangsregelung die bisherigen Landesschulratsdirektor/innen und deren/ihren Stellvertreter/innen – ähnlich wie seinerzeit im Verfassungsüberleitungsgesetz 1920 hinsichtlich der Sicherheitsdirektionen – bestellt werden. Bei der Überleitung des Landesschulrates auf die mittelbare Bundesverwaltung kommt insbesondere der Erfahrung in diesem Bereich große Bedeutung zu.