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Wien, am 6. Mai 2008

Zl. B,K-001-1/050508/EH

 

Betreff: Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der Österreichische Gemeindebund erlaubt sich zu obig angeführtem Begutachtungsentwurf folgende Stellungnahme abzugeben:

 

I. Die neuen „Gemeindeartikel“ im B-VG (Art 115 bis 119 B-VG) werden überwiegend positiv gesehen, zumal damit einige der zentralen Forderungen – die der Österreichische Gemeindebund in der Vergangenheit formuliert hat – erfüllt werden.

 

I. 1. Einräumung einer Bestandsgarantie für die Gemeinden (Art. 116 Abs. 4 B-VG neu), Entfall der Gebietsgemeinden (Art 120 B-VG „alt“)

Die Bundesverfassung hält nach wie vor an der Gemeinde als dem letztlich zentralen Gliederungselement des österreichischen Staatsgebietes fest. Neu ist aber, dass in Hinkunft Änderungen im Bestand der Gemeinden einer Volksabstimmung in jeder der betroffenen Gemeinden bedürfen. Aus der Sicht der Verankerung der kommunalen Selbstverwaltung stellt die erstmalige Einräumung einer „territorialen Bestandsgarantie“ für die Gemeinden einen großen Fortschritt gegenüber der geltenden Rechtslage dar. Mit dem Entfall der „Gebietsgemeinden“ können auch in Hinkunft Ortsgemeinden zwangsweise nicht zu Gebietsgemeinden zusammengeschlossen werden.

 

I. 2. Verankerung der kommunalen Daseinsvorsorge (Art. 116 Abs. 2 zweiter Satz):

Im neuen Art 116 Abs. 2 B-VG wird ausdrücklich das Recht der Gemeinde verankert „Leistungen von allgemeinem Interesse für die örtliche Gemeinschaft zu erbringen oder erbringen zu lassen.“ Begrüßt wird die explizite Nennung der Daseinsvorsorge als kommunale Aufgabe.

 

I. 3. Erleichterung der Bildung von Gemeindeverbänden (Art 116a Abs 1 bis 3 neu; Art 119 B-VG neu)

Durch diese Änderungen soll die Möglichkeit der Bildung von Gemeindeverbänden gegenüber der geltenden Rechtslage deutlich erweitert werden: einerseits soll die Einrichtung von Gemeindeverbänden nicht mehr auf „einzelne Aufgaben“ beschränkt bleiben, sondern kann auch mehrere Angelegenheiten zum Inhalt haben, andererseits sollen Gemeindeverbände auch zur Besorgung von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches eingerichtet werden können. Darüber hinaus wird auch der ausdrückliche Verweis auf das „Interesse der Zweckmäßigkeit“ als überflüssig angesehen.

Der Österreichische Gemeindebund wiederholt an dieser Stelle seine Kritik an der Bildung von Zwangsverbänden und weist neuerdings darauf hin, dass interkommunale Zusammenarbeit stets nur auf freiwilliger Basis erfolgen soll.

 

I. 4. Ortspolizeiliche Verordnungen „neu“ (Art. 118 Abs. 4, Art. 118 Abs. 6 bis 8 neu)

Bisher konnten die Gemeinden verfassungsunmittelbar auf der Grundlage des Art. 118 Abs. 6 B-VG ortspolizeiliche Verordnungen lediglich zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender Missstände, die das örtliche Gemeinschaftsleben stören, beschließen. Die neue Bestimmung des Art. 118 Abs. 4 sieht vor, dass die Gemeinde „im Rahmen der Gesetze Verordnungen erlassen kann“. Damit wird dem Wunsch des Österreichischen Gemeindebundes entsprochen, dass die Gemeinden ein Recht auf gesetzesergänzende Verordnungen erhalten, welches nicht mehr an die restriktiven Kriterien des gegenwärtigen ortspolizeilichen Verordnungsrechtes gebunden ist. Auch weiterhin kann die Gemeinde die Nichtbefolgung einer Verordnung als Verwaltungsübertretung erklären. Zusätzlich sollen die Gemeinden in einer solchen Verordnung auch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der öffentlichen Aufsicht zur Mitwirkung an der Vollziehung dieser Verordnung ermächtigen können.

Der Entfall der Wortfolge „unter Ausschluss eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde“ wird hingegen vom Österreichischen Gemeindebund klar abgelehnt. Im eigenen Wirkungsbereich darf im Interesse der kommunalen Selbstverwaltung kein Instanzenzug an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde (beispielsweise Landesverwaltungsgerichte) ermöglicht werden.

 

 

II. Kritisch äußert sich der Österreichische Gemeindebund zu folgenden Punkten des vorgelegten Entwurfs:

 

II. 1. Ermächtigungsnorm in Art. 120b B-VG neu

Dieser neu eingeführten Bestimmung zufolge kann sich das Aufsichtsrecht nicht nur auf die Rechtmäßigkeitskontrolle, sondern auch auf die Zweckmäßigkeit in der Verwaltungsführung erstrecken.

Diese Eingriffsmöglichkeit in die kommunale Selbstverwaltung wird vom Österreichischen Gemeindebund abgelehnt, da die Verwaltungsführung im eigenen Wirkungsbereich – ohne erweiterte Staatsaufsicht – bei den Gemeinden verbleiben muss.

 

II. 2. Aufzählung der Aufsichtsmittel in Art. 119a B-VG neu

Die Bestimmungen über die Gemeindeaufsicht wurden der neuen geplanten Verfassungsrechtslage angepasst. Diesbezüglich bekräftigt der Österreichische Gemeindebund seine Forderung, dass die dem Landesgesetzgeber zur näheren Ausgestaltung vorgegebenen Instrumentarien taxativ aufgezählt werden sollen. Der Landesgesetzgeber soll über den Kreis der Aufsichtsmittel des Art 119 a B-VG hinaus keine weiteren Instrumente der Gemeindeaufsicht schaffen können.

 

III. Abschließend teilt der Österreichische Gemeindebund mit, dass an der bereits im Österreich-Konvent geäußerten Forderung nach der Einbeziehung der Gemeinden und Städte in das bundesstaatliche Vertragswerk nach Art 15 a B-VG festgehalten wird. Die aktuell initiierte Änderung der Österreichischen Bundesverfassung sollte diesen wichtigen Punkt beinhalten, um so dem Fernziel eines auch rechtlich strukturierten paktierten Finanzausgleichs in Form einer staatsrechtlichen Vereinbarung aller drei Gebietskörperschaften näherzukommen.

 

Nachdem zumindest einigen Medienberichten zufolge der Entwurf bereits von vielen Seiten abgelehnt wird, regt der der Österreichische Gemeindebund an, dass zumindest jene Teile, die von allen Seiten unbestritten sind, in einer „kleinen Verfassungsnovelle“ rasch umgesetzt werden.

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Für den Österreichischen Gemeindebund:

 

Der Generalsekretär:

Der Präsident:

 

 

Hink e.h.

Mödlhammer e.h.

 

vortr. HR Dr. Robert Hink

Bgm. Helmut Mödlhammer