STELLUNGNAHME

des Beirates für die slowenische Volksgruppe zum Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundesverfassungsgesetz geändert und ein zweites Bundes-Verfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird (Staats- und Verwaltungsreform 2008)

 

 

 

Der Beirat für die slowenische Volksgruppe beehrt sich in offener Frist zum übermittelten Entwurf einer Staats- und Verwaltungsreform 2008 nachstehende

 

STELLLUNGNAHME

 

zu erstatten. Gleichzeitig wird die Stellungnahme auch an die Adresse begutachtungsverfahren@parlament.gv.at übermittelt.

 

 

1.      Der Schwerpunkt der vorgeschlagenen Reform betrifft eine Neugestaltung der Kompetenzverteilung im Bereich des Schulwesens. Davon betroffen ist insbesondere auch das Minderheitenschulgesetz für Kärnten.

         Dabei ist auffallend, dass im Allgemeinen das Schulwesen in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sein soll. Die einzige Ausnahme sollte das Minderheitenschulrecht für Pflichtschulen sein, dieses wird der „dritten Säule“ zugeordnet. Zur Begründung wird ausgeführt, dass in diesem Bereich schon bisher die Kompetenzen zwischen Bund und Land geteilt sind.

 

         Dies ist zwar richtig, aber grob vereinfacht. In den bestehenden und zur Aufhebung vorgesehenen Kompetenzbestimmungen des Minderheitenschulgesetzes für Kärnten ist der überwiegende und praktisch wichtigste Teil der Kompetenzen in Gesetzgebung und Vollziehung dem Bund vorbehalten, nur die örtliche Festlegung der für die slowenische Minderheit im Besonderen in Betracht kommenden öffentlichen Volks- und Hauptschulen ist in der Grundsatzgesetzgebung Bundes- und in der Ausführungsgesetzgebung sowie in der Vollziehung Landessache. Auch das ist aber insoweit zu relativieren, als im Sinne der Verfassungsbestimmung des Artikel 7 Z 2 des Staatsvertrages von Wien und der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes im autochthonen Siedlungsgebiet der slowenischen Volksgruppe, welches mit dem Geltungsbereich des Minderheitenschulgesetzes für Kärnten übereinstimmt, sicherzustellen ist, dass in jeder Gemeinde zumindest eine Schule als für die slowenische Volksgruppe im Besonderen in Betracht kommende Schule vorzusehen ist. De facto ist nach der derzeitigen Rechtslage Landeskompetenz daher ausschließlich die örtliche Festlegung der örtlichen Schulstandorte innerhalb der Gemeinden des zweisprachigen Gebietes.

 

         Nach der im Entwurf vorgesehenen Regelung wäre es dagegen möglich, dass die Kompetenz im Bereich des Minderheitenschulrechtes für Pflichtschulen zur Gänze auf das Land übergeht, falls der Bund von seiner Zuständigkeit keinen Gebrauch macht. Dies ist zunächst aus Gründen der historischen Erfahrung der slowenischen Volksgruppe strikt abzulehnen: Von der slowenischen Volksgruppe befürwortete Regelungen im Bereich des zweisprachigen Schulwesens waren niemals politischen Angriffen seitens der Bundesebene ausgesetzt, sehr wohl und wiederholt aber politischen Angriffen seitens des Landes Kärnten. Verwiesen sei auf die Ereignisse in den Jahren 1957/1958 – Abschaffung des verpflichteten zweisprachigen Unterrichtes – und die Schuldebatte in den 1980er Jahren. Die Erfahrungen am Beispiel der nicht gelungenen Regelung der zweisprachigen Topographie lassen auch für den Schulbereich eine Untätigkeit des Bundesgesetzgebers und somit einen Kompetenzübergang auf das Land befürchten. Ein solcher möglicher Kompetenzübergang ist aus Sicht der slowenischen Volksgruppe entschieden abzulehnen.

         Es spricht nichts dagegen auch das Minderheitenschulrecht für Pflichtschulen in Gesetzgebung und Vollziehung dem Bund  zuzuweisen und diesbezüglich keine Unterschiede zum übrigen Schulwesen zu machen. Dies entspricht auch weit eher der Tatsache, dass für die slowenische (und kroatische) Volksgruppe ohnehin aufgrund staatsvertraglicher Regelungen auf jeden Fall auf Bundesebene Handlungsbedarf gegeben ist. Nicht zuletzt würde dies auch unterstreichen, dass das Minderheitenschulwesen nicht als regionale Angelegenheit, sondern als Angelegenheit von gesamtstaatlicher Bedeutung angesehen wird.

 

2.      Artikel 81a sieht die Auflassung der Landesschulräte und deren Ersetzung durch die Bildungsdirektion im Amt der Landesregierung sowie einen Beirat vor. Daraus ergibt sich die Frage der Weiterexistenz der Abteilung beim Landesschulrat für Kärnten für das zweisprachige Schulwesen und die Vertretung der slowenischen Volksgruppe in diesem Beirat. Hingewiesen wird auf Artikel 7 Z 2 des Staatsvertrages von Wien, welcher ausdrücklich eine Abteilung der Schulaufsichtsbehörde für slowenische Schulen vorsieht. Die vorgeschlagene Regelung lässt in ihrer Knappheit eine Beurteilung, ob sie diesen staatsvertraglichen Vorgaben entspricht, nicht zu. Die Bildungsdirektion im Amt der Kärntner Landesregierung wird offensichtlich auch Aufgaben der Abteilung für das zweisprachige Schulwesen des Landesschulrates übernehmen. Auch wenn dafür eine eigene Abteilung eingerichtet wird, um den Verpflichtungen aus Artikel 7 Z 2 des Staatsvertrages zu genügen, wird die Geschäftseinteilung im Amt der Landesregierung vom Landeshauptmann mit Zustimmung der Landesregierung zu treffen sein (Artikel 106 Abs. 5 des Reformentwurfes). Die Einrichtung der Minderheitenschulabteilung in der Bildungsdirektion wird dadurch ausschließlich der Politik und Verwaltung in Kärnten überlassen. Dadurch werden die bereits oben unter Punkt 1. geäußerten Bedenken, der Bund könnte sich aus dem Bereich des Minderheitenschulwesens für Kärnten bei sich ergebender politischer Gelegenheit zurückziehen, nur noch verstärkt. Der Beirat für die slowenische Volksgruppe fordert daher eine eingehende Überprüfung, ob die Einrichtung einer Bildungsdirektion im Amt der Landesregierung samt entsprechender Abteilung für das zweisprachige Schulwesen den Erfordernissen des Artikel 7 Z 2 des Staatsvertrages genügt.

 

3.      Für den Bereich des Minderheitenschulwesens ergibt sich eine weitere Komplikation aus der Kompetenzzuweisung im vorgesehenen Artikel 11 Z 12 „Kindergärten und Horte“ in die ausschließliche Gesetzgebung und Vollziehung des Landes. Nach Auffassung des Beirates für die slowenische Volksgruppe ist das zweisprachige Schulwesen im Sinne des Begriffes „Elementarunterricht“, wie er im Staatsvertrag verwendet wird, dahingehend zu verstehen, dass darunter auch Kindergärten fallen, falls deren Besuch verpflichtend ist, auf jeden Fall aber auch Horte für die Nachmittagsbetreuung der Schülerinnen und Schüler. Es ist nicht einzusehen, warum die Kinder zwar das Recht auf Unterricht in slowenischer Sprache haben sollten, nicht aber auch das Recht auf eine entsprechende Nachmittagsbetreuung in slowenischer Sprache, wenn die Nachmittagsbetreuung mittlerweile zum allgemein üblichen Standard des schulischen Angebotes gehört.

         Es müsste daher sichergestellt sein, dass auch dann, wenn das laut Kompetenzverteilung zuständige Land in den entsprechenden Kindergarten- und Hortgesetzen keine Vorkehrungen für eine zweisprachige Betreuung trifft, eine solche durch bundesrechtliche Maßnahmen vorgesehen werden kann.

 

4.      Ähnliche Probleme ergeben sich auch in anderen Bereichen, so ist etwa laut Entwurfs-Artikel 11 Z 9 der Bereich „Straßen“ in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache. Es ist bekannt, dass etwa in Fragen der zweisprachigen Topographie das Land Kärnten auf keinen Fall bereit ist im Geiste der Minderheitenschutzbestimmungen und entsprechenden Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes zu handeln, andererseits aber auch die Meinung vertreten wird, dem Bund käme diesbezüglich keine Weisungsbefugnis zu, so dass der Rechtsstaat in dieser Frage seit Jahren vor der Kärntner Minderheitenfeindlichkeit kapituliert. Der vorgeschlagene Entwurf bietet diesbezüglich keine Lösungsansätze.

 

5.      Angesichts dieser Probleme wird vorgeschlagen in Artikel 10 ausdrücklich einen Kompetenztatbestand „Volksgruppenangelegenheiten“ vorzusehen. Damit wird ermöglicht in der Querschnittmaterie „Volksgruppenrechte“ in Zukunft keine Kompetenzfragen aufkommen zu lassen, soweit notwendig und erwünscht, bundeseinheitliche Regelungen für alle Volksgruppen zu schaffen, falls notwendig auch Sonderregelungen für einzelne Volksgruppen vorzusehen, ohne gegen das Gleichheitsgebot zu verstoßen, und es überdies nicht im Belieben der Landespolitik zu belassen, ob in bestimmten Bereichen, welche den Landeskompetenzen überlassen bleiben, die Minderheit überhaupt berücksichtigt wird.

 

6.      Die vorgeschlagene Reform des Bundesrates könnte dazu führen, dass die in einem Bundesland überwiegende politische Meinung das jeweilige Bundesland auf Bundesebene absolut repräsentiert, ohne jede Rücksichtnahme auf die sonstigen politischen Kräfteverhältnisse in diesem Bundesland. Eine Volksgruppe als Minderheit per se ist dadurch besonders betroffen. Dieser Vorschlag ist der absolute Gegensatz zu jenen Überlegungen, den Volksgruppen z.B. zumindest im Bundesrat ein eigenständiges politisches Mandat einzuräumen. Die slowenische Volksgruppe in Kärnten war in der Vergangenheit zu ihrem Nachteil oft den Folgen tagespolitischer Reflexe der Landespolitik ausgesetzt, ohne jegliche Bedachtnahme auf langfristige Folgen. Demokratiepolitisch erscheint daher eine weitere Stärkung „landesfürstlicher“ Positionen aus Sicht der slowenischen Volksgruppe bedenklich zu sein.

 

 

Zusammenfassend ist zu sagen, dass der vorliegende Reformentwurf

 

-         im Bereich des Schulwesens wegen des möglichen Überganges von Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenzen vom Bund auf das Land Kärnten und damit zu befürchtender Nachteile für die slowenische Volksgruppe entschieden abzulehnen ist;

-         ein Kompetenztatbestand „Volksgruppenangelegenheiten“ als Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung als notwendig erachtet wird und

-         eine weitere Stärkung der jeweils herrschenden politischen Konstellation in einem Bundesland abzulehnen ist, wenn nicht gleichzeitig eine Aufwertung politischer Mitwirkungsmöglichkeiten für die Volksgruppe stattfindet.