GZ.: BMI-LR1420/0006-III/1/2008

 

 

Wien, am 14. Mai 2008

 

An das

 

Präsidium des

Nationalrates

 

Parlament

1017   W I E N

 

 

 

Rita Ranftl
BMI - III/1 (Abteilung III/1)
Herrengasse 7, 1014 Wien
Tel.: +43 (01) 531262046
Pers. E-Mail: Rita.Ranftl@bmi.gv.at

Org.-E-Mail: BMI-III-1@bmi.gv.at
WWW.BMI.GV.AT
DVR: 0000051

Antwortschreiben bitte unter Anführung der GZ an die Org.-E-Mail-Adresse.

 

 

                       

Betreff:

Legistik und Recht; Fremdlegistik; BG-BKA

Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Zweites Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird,

Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres

 

 

In der Anlage wird zu dem im Betreff bezeichneten Entwurf die Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres übermittelt.

 

 

 

Beilage

 

Für den Bundesminister:

 

i.V. Mag. Peter Andre

 

 

elektronisch gefertigt


 

GZ.: BMI-LR1420/0006-III/1/2008

 

 

Wien, am 14. Mai 2008

 

An das

 

Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst

 

Ballhausplatz 2

1014    W I E N

 

 Zu Zl. BKA-603.363/0004-V/1/2008

 

 

 

 

 

Rita Ranftl
BMI - III/1 (Abteilung III/1)
Herrengasse 7, 1014 Wien
Tel.: +43 (01) 531262046
Pers. E-Mail: Rita.Ranftl@bmi.gv.at

Org.-E-Mail: BMI-III-1@bmi.gv.at
WWW.BMI.GV.AT
DVR: 0000051

Antwortschreiben bitte unter Anführung der GZ an die Org.-E-Mail-Adresse.

 

 

                       

Betreff:

Legistik und Recht; Fremdlegistik; BG-BKA

Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Zweites Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird;

Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres

 

 

Aus der Sicht des Bundesministeriums für Inneres ergeben sich zu dem im Betreff be­zeichneten Entwurf folgende Bemerkungen:

 

Allgemeines

Vorweg ist zu bemerken, dass die Zuordnung der Straßenpolizei (derzeit Art. 11 Abs. 1 Z 4)  in den Vollzugsbereich des Bundes und die Aufnahme des Begriffes „Kriegsfolgen“ (Art 10 Abs. 1 Z 15), nicht zuletzt auch deshalb, weil diesbezüglich keinerlei Erläuterungen getroffen werden, hinsichtlich ihrer budgetärer Auswirkungen im Ressortbereich des BM.I derzeit nicht ausreichend abgeschätzt werden können.

 

Zu Art. 1 (Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes)

 

Zu Z 1 (Art. 10 Abs. 1 Z 3) und Z 27 (Art. 102 Abs. 2):

 

Der in den Erläuterungen zu den vorgeschlagenen Z 3 und 7 des Art. 10 Abs. 1 vertretenen Ansicht, wonach die Tatbestände „Aufenthaltsverbot, Ausweisung und Abschiebung“ sowie „Asyl“ zur Fremdenpolizei gehören, kann nicht beigetreten werden.

 

Gerade in der jüngeren Vergangenheit bereitete die Abgrenzung von „Asylsachen“ (vgl. in diesem Sinn Art. 129c Abs. 1 Z 1 B‑VG in der noch bis 30. Juni 2008 geltenden Fassung sowie Art. 129c idF BGBl. I Nr. 2/2008) und Angelegenheiten der „Fremdenpolizei“ sowie anderer sachlich nahe stehender Tatbestände (zB „Ausweisung“) gewisse Auslegungsschwierigkeiten. So darf etwa auf den Umstand hingewiesen werden, dass Ausweisungen nicht nur von den Fremdenpolizeibehörden, sondern auch von den Asylbehörden (Bundesasylamt und UBAS) ausgesprochen werden. Ausweisungen sind daher – auch nach der geltenden Verfassungsrechtslage – nicht gänzlich vom Tatbestand „Fremdenpolizei“ erfasst und können daher auch von anderen Behörden als den die Fremdenpolizei vollziehenden Sicherheitsbehörden angeordnet werden.

Der Tatbestand „Fremdenpolizei“ ist daher enger als vorgeschlagen auszulegen.

 

Zur Schaffung von mehr Rechtsklarheit hat daher auch der Bundesverfassungsgesetzgeber im Zuge der mit 1. Juli 2008 wirksamen Änderung des B‑VG, BGBl. I Nr. 2/2008, entschieden, in Art. 10 Abs. 1 Z 3 einen eigenen Kompetenztatbestand „Asyl“ einzufügen und die neu formulierte Tatbestandsgruppe „Aufenthaltsverbot, Ausweisung und Abschiebung; Asyl; Auslieferung“ durch Aufnahme in Art. 102 Abs. 2 nun ausdrücklich der Vollziehung in unmittelbarer Bundesverwaltung zugänglich zu machen.

 

Würde das Asylwesen wie vorgeschlagen als Bereich der „Fremdenpolizei“ und somit als Angelegenheit der „Sicherheitsverwaltung“ iSd. § 2 Abs. 2 SPG normiert werden, so hätte dies zur unmittelbaren Konsequenz, dass erstinstanzliche Asylangelegenheiten nur noch von den Sicherheitsbehörden iSd. Art. 78a B‑VG bzw. § 4 SPG, nicht aber wie bisher bundesunmittelbar durch das dem Bundesminister für Inneres nachgeordnete Bundesasylamt vollzogen werden könnten.

 

Es wird daher vorgeschlagen, in der Z 3 des § 10 Abs. 1 nach dem Tatbestand „Ein- und Auswanderung“ die Tatbestände „Aufenthaltsverbot, Ausweisung und Abschiebung; Asyl“ einzufügen.

 

Aufgrund des ersten Teils der Staatsreform im Jahr 2007 kam es zu einer eingehenden Diskussion über die Einführung einer Landesverwaltungsgerichtsbarkeit in den Bundesländern. Auch der Arbeitsplan 2008 sieht eine Punktation zu den Landesverwaltungsgerichten vor. Bei einer möglichen Implementierung dieser Landesverwaltungsgerichte könnten fremdenrechtliche Materien zunächst von einer Bezirksverwaltungsbehörde und in zweiter Instanz von einem Landesverwaltungsgericht vollzogen werden. Dies könnte mitunter dazu führen, dass dem Bundesministerium für Inneres zwar eine legistische Zuständigkeit in diesen Bereichen zugeordnet ist, ihm eine Vollzugskompetenz jedoch nur in Randbereichen zukommt. Unter diesem Aspekt könnte angedacht werden, durch eine Ergänzung des Wortlautes des vorgeschlagenen Art. 102 Abs. 2 um den Tatbestand „Ein- und Auswanderung“ verfassungsrechtlich die Möglichkeit vorzusehen, dass Angelegenheiten des Ein- und Auswanderungswesens auch in unmittelbarer Bundesverwaltung durch Behörden des Bundes vollzogen werden können, wenn dies der Bundesgesetzgeber vorzusehen beabsichtigt.

 

Eine Zuordnung von weiteren, im engeren Sinn „fremdenrechtlichen“ Sachverhalten wie „Ausländerbeschäftigung“ (alternativ z.B. „Arbeitsmarktregulierung“) oder dem – immer wichtiger werdenden – Feld der „Integration“ lässt sich auf Basis der vorgeschlagenen Fassung des B-VG überhaupt nicht vornehmen. Eine pauschale Zuordnung zur „Sicherheitsverwaltung“ liegt den Überlegungen offenbar nicht zugrunde und wäre wohl auch bei näherer Betrachtung nicht zutreffend.  Nicht ausreichend geklärt scheint, ob z.B. „Ausländerbeschäftigung“ unter Art. 10 Abs. 1 Z 11 („Arbeitsrecht“) subsumiert werden kann und ob „Integration“ - als Querschnittsaufgabe – gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 9 iVm Art. 12 Abs. 2 zu betrachten wäre.

 

Zu Z 1 (Art 10 Abs. 1 Z 6)

Hinsichtlich der Kompetenz „öffentliche Aufträge“ stellt der vorliegende Entwurf bewusst die Zuordnung zwischen der Säule 1 und der Säule 3 zur Diskussion.

 

Begründet wird dies folgendermaßen:

„Über die Zuordnung der „öffentlichen Aufträge“ konnte in der Expertengruppe kein Konsens erzielt werden. Einige Mitglieder haben sich für eine Einordnung in der dritten Säule ausgesprochen, um eine Mitwirkung der Länder im Gesetzgebungsprozess sicherzustellen, andere Mitglieder haben sich für eine Zuordnung zum Bund ausgesprochen. Eine inhaltliche Änderung tritt durch die Umbenennung in „öffentliche Aufträge“ nicht ein.“

 

Für die Zuordnung zur Säule 1 „Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache“ - und damit gegen die Zuordnung zur Säule 3 - sprechen folgende Gründe:

 

1. Die öffentliche Auftragsvergabe wird maßgeblich durch EG-Richtlinien bestimmt. Es existieren EG-Richtlinien für „klassische Auftraggeber“, „Sektorenauftraggeber“ (bestimmte Wirtschaftssektoren) sowie eine Rechtsschutzrichtlinie, die jedenfalls in nationales Recht umzusetzen sind. Abweichende nationale Regelungen sind diesbezüglich nicht möglich. Wenn auch diese EG-Richtlinien nicht den – geringwertigen - Unterschwellenbereich betreffen, so sind auf Grund eines VfGH - Erkenntnisses diesbezüglich gleichartige nationale Regelungen vorzusehen.

Letztlich ist der Bund gegenüber der EU und dem EuGH für die vollständige und richtige Umsetzung der EG-Richtlinien verantwortlich. Allfällige Rechtsschutzdefizite in den Ländern und Gemeinden könnten sich unmittelbar auch in bundesbudgetärer Hinsicht auswirken.

 

2. Die Mitwirkung (Zustimmung) der Länder an der Gesetzgebung hatte zur Folge, dass Veröffentlichungen des nationalen Gesetzes in Vollziehung der Umsetzung der EG-Richtlinien erst im allerletzten Augenblick, manchmal erst wenige Stunden vor dem in Kraft treten der EG-Richtlinien, erfolgte. Die lange Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit der Veröffentlichung nationaler Bestimmungen ist unzweckmäßig und stellt für alle Verfahrensparteien eine zusätzliche Belastung dar.

 

3. Negativer Kompetenzkonflikt: Wenn sich auf Grund verfassungsrechtlich unterschiedlicher Kompetenzregelungen neun Landes- und ein Bundestribunal im Rechtsschutzbereich über die Zuständigkeit in einem Fall nicht einig werden, dann kann es zu einem (negativen) Kompetenzkonflikt kommen, welcher letztlich die Rechtsschutzinteressen der Verfahrensparteien gefährdet. Im Fall „Stadion Klagenfurt“ haben sich sowohl die Bundes- als auch die landesspezifische Rechtsschutzbehörde für nicht zuständig erklärt. Erst ein Erkenntnis des VfGH stellte im konkreten Fall nach Monaten die Kompetenz der landesspezifischen Rechtsschutzbehörde fest. Bei einer Zuordnung zur Säule 1 wäre keine Rechtsunsicherheit und damit auch kein Rechtsschutzdefizit gegeben.

 

4. Rechtssicherheit: Die Schaffung von neun vergabespezifischen Landes-Rechtsschutzbehörden und einer vergabespezifischen Bundesbehörde bewirkt – auf gleicher Ebene – zehn Tribunale mit der Tendenz unterschiedlichster Spruchpraxis. Dadurch kommt es für die Rechtsanwender zu einer Aufsplitterung der Auslegungsmöglichkeiten, die zu einem massiven Rechtsschutzdefizit führen. Die Vereinheitlichung der Rechtsprechung erst auf Grund von Erkenntnissen des VwGH und des VfGH führt zu einer monatelangen Verzögerung, in der Rechtsunsicherheit gegeben ist.

 

5. Mengenproblem: Auf Bundesebene werden jährlich ca 150 Fälle anhängig gemacht, auf Landesebene ist insgesamt von einer ähnlichen Größenordnung auszugehen. Das bedeutet, dass in einigen Bundesländern lediglich fünf bis zehn Fälle pro Jahr zu entscheiden sind. Durch den geringen Anfall ist die Auseinandersetzung mit der komplexen Rechtsmaterie einschließlich der Kenntnis der einschlägigen und aktuellen Entscheidungen des EuGH nicht so häufig.

 

6. Entscheidungsqualität: Die Entscheidungen des Bundesvergabeamtes werden, so ferne sie überhaupt in Beschwer gezogen werden, vom VfGH und VwGH in sehr hohem Ausmaß bestätigt. Mehr als 98 % der Entscheidungen des BVA bleiben im Rechtsbestand, das Bundesvergabeamt hat in den letzten Jahren durch konsequente Personal- und Ausbildungsmaßnahmen diesbezüglich einen neuen Maßstab gesetzt.

 

7. Fristen: Neben der Entscheidungsqualität ist auch die Einhaltung der Fristen ein wesentliches Rechtsschutzkriterium: gerade bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, die wesentliche Impulse für die Infrastruktur einer Volkswirtschaft beinhalten können, ist auch die schnelle Rechtssicherheit von Bedeutung. Die bestehenden Entscheidungsfristen von einer Woche hinsichtlich „Vergabestopp“, sechs Wochen für die Endentscheidung, werden vom Bundesvergabeamt zu über 95 % eingehalten. Damit ist neben einer qualitativ hochwertigen Entscheidung auch die Raschheit und Klarheit der Entscheidung gewährleistet.

 

 

Zu Z 1 (Art. 10 Abs. 1 Z 7)

 

Grundsätzlich ist die Schaffung einer neuen und kohärenten Kompetenzverteilung zu begrüßen.

Jedoch erscheint die Ableitung des Begriffes Sicherheitsverwaltung aus einem einfachen Gesetz (SPG) nicht ausreichend mit den bisher der Rechtsordnung zugrunde gelegten Grundsätzen wie Stufenbau der Rechtsordnung abgestimmt und damit auch nicht entsprechend abgesichert.

Im Sinne der Rechtssicherheit wird der bisher erfolgten Aufzählung der einzelnen Rechtsmaterien der Vorzug gegeben.

 

Zu Zu1 (Art. 12 Abs. 1 Z 1)

 

Vor dem Hintergrund eines einheitlichen Staatsbürgerschaftsrechts für das gesamte Bundesgebiet sollte Vorsorge dafür getroffen werden, dass die Gesetzgebung weiterhin in alleiniger Bundeskompetenz verbleibt. Andernfalls hätte dies zur Folge, dass die einzelnen Länder eigene bzw. uneinheitliche Regelungen zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft schaffen könnten. Eine der Folgen daraus wäre, dass der Wohnort des Antragstellers maßgebend sein würde, unter welchen landesrechtlich festgesetzten Voraussetzungen die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt werden könnte.

Generell sollte aber überlegt werden, ob die Schaffung des Säulenmodells der Kompetenzen, so wie sie hier vorgeschlagen, auch tatsächlich zielführend ist. Durch das Fehlen von klaren Abgrenzungsparametern zwischen Gesetz- und Vollzugskompetenzen des Bundes und der Länder erscheint eine klare Zuordnung der jeweiligen Materien nur schwer möglich. Denn nicht zuletzt das soeben erwähnte Beispiel im Zusammenhang mit dem Staatsbürgerschaftswesen zeigt auf, dass in der dritten Säule sowohl bei der Gesetzgebung als auch bei der Vollziehung eine Klarheit der Zuständigkeiten bzw. eine klare Abgrenzung nicht gewährt werden kann. Derartige Zersplitterungstendenzen wären zu vermeiden.

 

 

Zu Z 2 (Art. 12 Abs. 1 Z 6)

 

Vorweg darf auf das vom BM.I seinerzeit an den Österreich-Konvent übermittelte Positionspapier hinsichtlich Katastrophenschutzmanagement verwiesen werden.

Mit dem nunmehr vorliegenden Entwurf, der die Zuständigkeit für die Katastrophenhilfe im Rahmen der „dritten Säule“ vorsieht, scheint ein Teil der vorerwähnten Zielvorstellungen verwirklicht bzw. in weiterer Folge durch den einfachen Gesetzgeber realisierbar. Insbesondere wird begrüßt, dass nunmehr eine systematische Differenzierung gegeben sein soll zwischen „Katastrophenhilfe“ im Sinne der Intervention als Zuständigkeit in der dritten Säule und „Katastrophenschutz“ im Sinne der reinen Prävention, der als Annexmaterie der Hauptzuständigkeit folgt. Inwieweit hierdurch einzelnen bestehenden bundesgesetzlichen Regelungen zu Interventionen bei außerordentlichen Ereignissen - etwa bei radiologischen Notstandsituationen, bei der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, bei der Waldbrandbekämpfung oder im überbetrieblichen Rettungswesen im Bergbau – die Kompetenzgrundlage entzogen wird und künftig zunächst die Länder für die Gesetzgebung in diesen Bereichen zuständig werden, wird noch gesondert zu prüfen sein.

 

Zu Z 23 (Art 97 Abs. 2):

 

Die Beibehaltung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung von Landesgesetzen wird im Interesse einer effizienten Steuerung des Einsatzes der Organe des Wachkörpers Bundespolizei nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit aber auch im Hinblick auf die Entschließung des Nationalrates vom 16.3.1989, E 110-NR/XVII.GP betreffend laufende Bemühungen zur Entlastung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes von artfremden Tätigkeiten begrüßt.

 

 

Zu Z 28 (Art 102 Abs. 5)

 

Die Institutionalisierung des „Landeshauptmannes als Krisenmanager“ ist eine seit längerem bestehende Forderung der Bundesländer und findet sich auch als Zielvorgabe im gegenwärtigen Regierungsprogramm. Die vorgeschlagene konkrete Ausgestaltung sollte aber im Lichte der nachstehend angeführten Überlegungen gesehen werden:

Ausgangspunkt der Überlegungen zur Institutionalisierung des „Landeshauptmannes als Krisenmanager“ war es, in komplexen Katastrophenfällen Rechtssicherheit hinsichtlich der behördlichen Zuständigkeit für die Vollziehung von Maßnahmen der Katastrophenhilfe zu schaffen. In einzelnen komplexen Gefahrenlagen und unter dem im Katastrophenfall meist gegebenen Entscheidungsdruck ist es mitunter schwierig bis unmöglich festzustellen, welche Maßnahme (etwa das Freihalten eines Katastrophengebietes, Betriebseinstellungen, Verkehrsanhaltungen, Evakuierungen etc.) durch welche Behörde auf welcher Rechtsgrundlage zu setzen ist. Hier sollte daher durch die Einführung einer „originären“ Katastrophenhilfebehörde, die über eine Art Allzuständigkeit für die Katastrophenhilfe verfügt, Abhilfe geschaffen werden.

 

Nunmehr wird aber bereits durch die Schaffung des Kompetenztatbestandes Katastrophen­hilfe in der dritten Säule, die in der Landeszuständigkeit bleibt, solange der Bund keine diesbezüglichen Regelungen trifft, klargestellt, dass die Regelung und der Vollzug der Katastrophenhilfe jedenfalls den Ländern obliegt. Es kann daher auch den Bundesländern überlassen bleiben, hierfür durch einfachgesetzliche Regelungen eine geeignete Behördenstruktur zu schaffen. Erforderlich wäre im Sinne der anzustrebenden Rechtssicherheit lediglich eine subsidiäre Bestimmung, dass der Landeshauptmann auch zur vorübergehend mittelbaren Vollziehung von Angelegenheiten der Bundesverwaltung berufen ist, wenn dies zur Abwehr eines offenkundig nicht wieder gutzumachenden Schadens erforderlich ist.

 

Die derzeit vorgesehene Regelung des Art. 102 Abs. 5 hätte hingegen zur Folge, dass der Landeshauptmann im jedem Katastrophenfall, bei dem die sofortige Erlassung von Maßnahmen erforderlich ist, bereits erstinstanzlich einzuschreiten hätte, und zwar auch anstelle der derzeit in der Regel zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden - in einigen Bundesländern auch anstelle der Bürgermeister - oder sonstiger Behörden, möglicherweise auch dann, wenn er nach bestehenden einfachgesetzlichen Regelungen ohnehin selbst zuständig ist. Inwieweit der Landeshauptmann bei seinem Einschreiten nach Art. 102 Abs. 5 wiederum Bezirksverwaltungsbehörden beiziehen kann, ist dem Entwurf nicht zu entnehmen. Auch bleibt unklar, welcher Gebietskörperschaft bzw. Behörde Akte der Vollziehung nach Art. 102 Abs. 5 zurechenbar wären. In operativer Hinsicht ist nicht nachvollziehbar, wie der Übergang der Zuständigkeit von sonstigen Behörden auf den Landeshauptmann im Rahmen eines Katastropheneinsatzes praktisch vollzogen werden soll, da das Einvernehmen mit den zuständigen obersten Organen, wenngleich unverzüglich, so doch erst im Nachhinein herzustellen wäre. In gleicher Weise ist unklar, wie lange diese Zuständigkeit bei länger andauernden Katastrophen bestehen soll, wie sie wieder beendet werden soll und wie vorzugehen ist, wenn das Einvernehmen mit den obersten Organen nicht herstellbar ist.

 

Die gegenständliche Regelung hätte zudem zur Folge, dass der Landeshauptmann im Katastrophenfall auch an die Stelle der Sicherheitsbehörden und Militärbehörden tritt, was aus grundsätzlichen Überlegungen für problematisch erachtet wird. Ebenso verhält es sich mit dem möglichen Einschreiten eines Landeshauptmannes in anderen Bundesländern.

 

Abzulehnen ist zudem auch die vorgesehene Regelung, dass der Bundeskanzler anstelle der zuständigen Behörden die Maßnahmen zu treffen hat, wenn alle Länder betroffen sind  Es ist hierbei schwierig nachzuvollziehen, welche möglichen Anlassfälle dieser Regelung überhaupt unterliegen könnten, da Katastrophenfälle, die alle Bundesländer betreffen, bislang nicht eingetreten sind. Denkbar wären etwa Szenarien wie eine Pandemie oder eine weiträumige radiologische Notstandsituation. Hierfür sind jedoch bei gegebener Verfassungslage durch einfachgesetzliche Regelungen ausreichende Rechtsgrundlagen für die Gefahrenabwehr geschaffen worden. Solche vorstellbare Szenarien verlangen zudem keine sofortige Erlassung bundesweiter Maßnahmen, sondern eine längerfristige Koordination der Bundes- und Landesverwaltung. Der Entwurf ignoriert hier gänzlich die Entwicklung der letzten fünf Jahre im Bereich des Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagements, dessen Koordination auf Bundesebene dem Bundesministerium für Inneres obliegt und das im Gegensatz zum Bundeskanzleramt hierfür auch über die entsprechenden operativen Instrumente verfügt.

 

Zudem darf bemerkt werden, dass die seinerzeit seitens des BM.I vorgeschlagene besondere Unterstützungs- und Assistenzpflicht bzw. gegenseitige Informationspflicht der Gebietskörperschaften, die über die derzeitige Amtshilfe hinaus gehen soll, im gegenständlichen Entwurf nicht umgesetzt wurde.

 

 

 

Zu Z 40 (Art 118 Abs. 4):

 

Die Schaffung der Möglichkeit für die Gemeinden, in Verordnungen in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden die Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, soweit es sich um solche des Wachkörpers Bundespolizei bzw. des rechtskundigen Dienstes der Bundespolizei-/Sicherheitsdirektionen handelt, an der Vollziehung dieser Verordnungen vorzusehen, kann seitens des BM.I keinesfalls zugestimmt werden. Diese Möglichkeit würde dem BM.I jede Steuerungsmöglichkeit für eine effiziente Ressourcenplanung bzw. einen effizienten Einsatz der vorhandenen Ressourcen nehmen.

Im Übrigen ist es nicht nachvollziehbar, dass zwar bei Landesgesetzen eine Zustimmung der Bundesregierung, die jedenfalls beizubehalten wäre, für den Fall vorgesehen ist, dass die Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung von Landesgesetzen vorgesehen sein sollen, bei Verordnungen des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden jedoch nicht. Hier würde sich jedoch für den Fall, dass auch hier eine dem Art 97 Abs. 2 nachgebildete Regelung aufzunehmen beabsichtigt ist, ein quantitatives Problem bei 2357 Verordnung erlassenden Gemeinden ergeben und wäre derartiges daher auch praktisch nicht zu bewältigen.

In diesem Zusammenhang darf auch darauf hingewiesen werden, dass Art 118 Abs. 2 B-VG hinsichtlich der Definition des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde nicht geändert wird.

Demnach umfasst der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde „alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden“.

Seitens des BM.I wird im Rahmen der Begutachtung von Landesgesetzen, die eine allfällige Mitwirkung der Sicherheitsexekutive vorsehen, streng darauf geachtet, dass diese tunlichst nicht zur Vollziehung von Materien der örtlichen Sicherheitspolizei und insbesondere des eigenen Wirkungsbereiches, die nur wenig Bezug zu den Kernaufgaben der Sicherheitsexekutive haben, herangezogen wird (zumindest nicht zum Vollzug solcher Materien, die nicht etwa mittels Landes-Polizeigesetzen sondern lediglich mittels ortspolizeilicher Verordnungen geregelt werden).

Angemerkt werden kann auch, dass der VfGH im Erkenntnis VfSlg 5789 ausführte, es widerspreche jeder Erfahrung, „dass die örtliche Sicherheitspolizei eine nach militärischem Muster eingerichtete Formation erfordere“ (vgl Thienel, Die Aufgaben der Bundesgendarmerie, 27f). Dies muss jedenfalls auch auf den (sonstigen) eigenen Wirkungsbereich angewendet werden.

Durch die Schaffung dieser Möglichkeit für die Gemeinden würden sich aber auch in der praktischen Umsetzung zahlreiche Problemstellungen ergeben. So müssten die BeamtInnen vor Dienstantritt immer eruieren, in welchen der zum Überwachungsbereich gehörigen Gemeinden gerade derartige Gemeindeverordnungen existieren. Sie müssten Prioritätsabwägungen vornehmen (in welcher Gemeinde wird wann bzw. wie lange überwacht), wie ist die Stellung solcher VO zu den Kernaufgaben etc, etc. Damit verbunden wäre jedenfalls auch ein erhöhter Personal- u Budgetbedarf – bzw. würde dies andernfalls jedenfalls zu Einschränkungen in den Kernbereichen der Sicherheitsexekutive, das sind die Sicherheits-, Kriminal- und Verkehrspolizei, führen.

 

 

Zu Art. 2 (Erlassung eines 2. Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetzes)

 

Zu § 2 Abs. 2 Z 4:

 

Es wird im Hinblick auf die vorgeschlagene Aufnahme des Tatbestandes „Staatsbürgerschaft“ in der sog. „dritten Säule“ (Art. 12 Abs. 1 Z 1) angeordnet, dass die derzeit geltenden Verfassungsbestimmungen des § 10 Abs. 6 StbG (Verleihung der Staatsbürgerschaft durch Bestätigung der Bundesregierung) und des § 41 Abs. 2 StbG (Zuständigkeit der Vertretungsbehörden für Personen mit Hauptwohnsitz außerhalb des Bundesgebietes; Anwendung des AVG und Landesregierung als Berufungsbehörde) nur noch als einfachgesetzliche Bestimmungen weiter gelten sollten.

 

Nach Art 12 Abs. 3 der vorgeschlagenen Fassung ist eine Beibehaltung der Vollziehung durch die Länder von Staatsbürgerschaftsangelegenheiten nach wie vor möglich. Die Beibehaltung dieser Bestimmung in Verfassungsrang war und ist daher unbedingt notwendig. Aus den erläuternden Bemerkungen lässt sich zudem keine weitere Argumentation für die Entkleidung des Verfassungsranges gewinnen.

 

Die Änderung des normativen Ranges dieser beiden Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes hängt somit untrennbar mit der letztlich vorgenommenen Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung ab.

 

Gleichzeitig wird dem Präsidium des Nationalrates diese Stellungnahme in elektronischer Form übermittelt.

 

 

 

Für den Bundesminister:

 

i.V. Mag. Peter Andre

 

 

elektronisch gefertigt