Stellungnahme des ÖAMTC

zum Entwurf der Expertengruppe Staats- und Verwaltungsreform

im Bundeskanzleramt vom 11. März 2008 für ein

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Zweites Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird

 

 

A) Grundsätzliches

Der ÖAMTC sieht in der vorgelegten Vorschlagsfassung einen interessanten Ansatz, die bisher sehr starre und weitgehend unflexible Bund-Länder-Struktur der Gesetz­gebung und Vollziehung zu lockern und neu zu gestalten. Aber auch die Reform der Kompetenzartikel an sich erscheint – unbeschadet der allfälligen Schaffung einer „dritten Säule“ - dringend notwendig.

An dieser Stelle sei auch an die „10 Maximen für bürgergerechte Gesetze“ erinnert, die seitens des ÖAMTC im Zuge der Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetzes 2007 vorgelegt wurden. Schon im Vorfeld wurden vom ÖAMTC im Rahmen des NGO-Hearings im „Österreich-Konvent“ des Jahres 2004 sowie in einer schriftlichen Mitteilung an die Mitglieder der Arbeitsgruppe zur Verfassungsreform­kommission im Jahr 2007 wesentliche Kriterien für eine zweckmäßige und bürgergerechte Verfassungsreform angesprochen. In diesem Sinne sollte von Seiten der Verfassung auf die Verständlichkeit und Akzeptanz von Gesetzen, aber auch die Vermeidung unnötiger Gesetze Wert gelegt werden. Sowohl der Zugang des Bürgers zum Recht als auch die Vollziehung sollten erleichtert werden.

Positiv ist an den Intentionen des vorliegenden Entwurfes die Erkenntnis anzuführen, dass im Verkehrs­be­reich die Kompetenzen bisher in unzweckmäßiger Weise fest­gelegt waren. Abgesehen von allfälligen historischen Entwicklungen und gewissen ökonomischen Interessen gibt es kaum relevante Gründe für eine kompetenz­rechtliche Ungleichbehandlung des Bundes­straßenwesens, des Kraftfahrrechtes und des Straßenverkehrsrechtes. Allerdings sollten auch Vor­schriften über Verkehrsbeschränkungen aufgrund des Immissionsschutzes (Luftrein­haltung) dem selben Kompetenztatbestand unterworfen werden.

Es erscheint aufgrund der Spezifika der Flugrettung (länderübergreifende Organi­sa­tion, nicht an Landesgrenzen gebundene Einsatzgebiete, komplexe Kosten­tra­gung) geboten, für die Angelegenheiten der Flugrettung einen Tatbestand der Bundes­gesetzgebung und -Vollziehung zu schaffen.

 

B) Besonderer Teil

Zu Z 1, Art 10 (Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache)

Z 9 (Verkehrsrecht, Bundesstraßen)

Der ÖAMTC begrüßt ausdrücklich die Absicht, die Kompetenzen aller verkehrs- und straßen­rechtlichen Materien zu vereinheitlichen.

Im Bereich des Straßenverkehrs zeigt die bisherige Differenzierung in Materien des Kraft­fahrrechtes als Angelegenheit der Gesetzgebung und Vollziehung des Bundes und des Straßen­verkehrsrechtes als Materie der Kompetenz Gesetzgebung Bund - Vollziehung Land kaum nennenswerte Vorteile. Ganz im Gegenteil: Die föderale Vollziehung im Bereich der „Straßen­polizei“ führt dazu, dass es etwa nicht möglich ist, eine für die effektive Prä­ventiv­arbeit nötige Information über bundesweit gültige Strafsätze anzugeben. Auch den Straßen­benützer verwirrende regionale Unter­schie­de in der Handhabung von Verordnungs­ermächtigungen für Verkehrs­beschrän­kun­gen sind immer wieder festzustellen. Der ÖAMTC hat schon mehrfach Maßnahmen auf der Ebene der Gesetzgebung verlangt, um die Schaffung bundesweit einheitlicher Strafenkataloge zu ermöglichen und damit eine einheitliche Vollziehung sicherzustellen.

Allerdings sollte in diesem Zusammenhang auch klargestellt werden, dass sich dieser Kom­petenztatbestand auch auf verkehrsrelevante Maßnahmen in Vollziehung der Angelegenheiten des Immissionsschutzes erstreckt: Für den Immissionsschutz wird offenbar kein eigen­stän­diger Kompetenztatbestand geschaffen. Nach Auffas­sung des ÖAMTC handelt es sich hierbei um eine Querschnittsmaterie, wobei sich die Zuständigkeiten als Annexmaterien darstellen, die dem jeweiligen Materienrecht zuzurechnen sind.

Zwar beruht bisher der Immissionsschutz für Luft (insbes in Form des IG-L) auf der Bundeskompetenz in Gesetzgebung und Vollziehung für „Luftreinhaltung“. Doch gera­de im Konflikt mit der davon abweichend gestal­teten Materie der Straßen­polizei kommt es zu Widersprüchen (etwa bei Fragen der Verord­nungs­erlassung, der Ver­kehrs­überwachung oder auch der Strafgeldwidmung).

Die „Luftreinhaltung“ durch verkehrsorganisatorische Maßnahmen sollte daher ein Bestandteil des Kompetenztatbestandes „Verkehrsrecht“ sein.

 

Zu ergänzender Tatbestand „Flugrettung“

Wie im Teil A) Grundsätzliches und in diesem Teil zu Art 11 ausgeführt, erscheint der Tatbestand „Rettung“ im Art 11 zu umfassend. Es wird in diesem Sinne angeregt, einen eigenen Bundes-Kompetenztat­be­stand „Flugrettung“ zu schaffen, da diese Angelegenheit – ähnlich wie etwa der Sonder­tat­bestand „Bundesstraßen“ - sowohl hinsichtlich seiner Bedeutung als auch hinsichtlich seiner Organisierbarkeit nicht eine typische Landessache sein kann. Schon die Festlegung von optimalen Stationierungsstandorten kann nicht mit den bestehenden Landesgrenzen in Einklang gebracht werden. Sollte es hingegen zur Schaffung einer „dritten Säule“ kommen, wäre diese naturgemäß prädestiniert für die Flugrettung.

Die aufgrund des neuen Kompetenztatbestandes zu schaffende Materie müsste daher sowohl die hoheitliche Festlegung von Notarzthubschrauberstandorten als auch die Ermächtigung für die gesetz­liche Festlegung der Grundlagen für die Einsatzorganisation und Einsatzverrechnung ent­halten.

 

Zu Z 2, Art 11 (Gesetzgebung und Vollziehung Landessache)

Art 11 Z 9  (Straßen)

Die Zuordnung des Straßenwesens [mit Ausnahme des Bundesstraßenwesens gem Art 10 Abs 1 Z 9] in die reine Landeszuständigkeit ist insoferne nicht ganz nachvollziehbar, als die Vorschriften über die Errichtung von Straßen zumindest bundesweit koordiniert sein sollten. Nach Auffassung des ÖAMTC wäre diese Materie naturgemäß besser in der „dritten Säule“ angesiedelt.

 

Art 11 Z 10 (Rettung u.a.)

Der neu zu schaffende Begriff „Rettung“ orientiert sich inhaltlich am bisherigen Begriff des Rettungswesens nach Art 10 und Art 118. Im Bereich der Flugrettung hat sich die bisherige Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung aber als unzureichend erwiesen, weshalb sich schon - beginnend bereits mit der Betriebsaufnahme durch Notarzthubschrauber im Jahre 1983 – der Abschluss von Vereinbarungen nach Art 15a B-VG (als "Kunstgriff") als notwendig erwiesen hat.

Es sei auf die Ausführung zu Art 10 hingewiesen. Im Sinne einer zweckmäßigen Abgrenzung wird vorgeschlagen, in Art 11 statt des Wortes „Rettung“ die Wortfolge „Rettung mit Ausnahme der Flugrettung“ zu verwenden.

 

Zu Z 2, Art 12 (Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache und Landessache, „dritte Säule“)

Art 12 Z 9 (Subsidiaritätsklausel zugunsten der „dritten Säule“)

An sich erscheint die Klausel zu Gunsten der dritten Säule zweckmäßig, um eine unrichtige Zuordnung zu einem der beiden Kompetenzträger zu vermeiden. Die Klausel könnte aber mit einer Übergangsfrist ergänzt werden: Sollte sich nämlich bei einer Materie aufgrund der Subsdiaritätsklausel, die in die dritte Säule fällt, herausstellen, dass sie besser für eine Materie des Bundes oder der Länder geeignet ist, sollte eine gewisse „Durchlässigkeit“ gewährleistet sein.

Auf die zu Art 10 formulierten Anmerkungen zur Flugrettung sei an dieser Stelle nochmals hingewiesen.

 

 

C) Weitere Vorschläge

Vermeidung von „fugitivem Verfassungsrecht“

Immer wieder ist es aufgrund der spezifischen Problemlage unvermeidbar, in einfachen Gesetzen Verfassungsbestimmungen zu verankern. Allerdings sollte der Möglichkeit, auf diese Art „fugitives Verfassungsrecht“ mit geeigneten Subsidiaritätsbestimmungen Einhalt geboten werden, etwa in dem Sinne, dass nur dann derartiges „Spezial-Verfassungsrecht“ geschaffen werden soll, wenn eine Änderung der Bundesverfassung untunlich wäre.

Absolut abzulehnen ist die Schaffung fugitiver Kompetenztatbestände, wie dies etwa mit dem vorliegenden Entwurf einer Novelle zum Datenschutzgesetz geplant ist (dortiger § 2).

 

Mag. Martin Hoffer   
ÖAMTC-Rechtsdienste

Wien, im Mai 2008