Stellungnahme des Stadtschulrates für Wien vom 14. April 2008 zum Entwurf  eines Bundesgesetzes mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird

(000 012/0017-kanz0/2008)

 

Mit Verfügung des Amtsführenden Präsidenten gemäß § 7 Abs. 3 des Bundes-Schulaufsichtsgesetzes, BGBl. Nr. 240/1962, wird folgende Stellungnahme abgegeben:

 

Für den APS-Bereich:

Zu Politische Bildung in der Sekundarstufe I:

Die Einführung des neuen Pflichtgegenstandes „Geschichte und Politische Bildung“ ab dem Schuljahr 2008/09 auf der 8. Schulstufe ist im Hinblick auf die hier veranschlagte Zeittangente zu überdenken. Will man ein seriöses Angebot anpeilen, ist , da die Lehrplanbestimmungen bereits vorhanden, jedoch nicht bekannt sind,  eine gedeihliche Umsetzung erst ab dem Schuljahr 2009/10 sinnvoller Weise möglich.

 

Zu Finanzielle Auswirkungen:

1a. Senkung der Klassenschülerhöchstzahl im Bereich der allgemein bildenden Pflichtschulen:

Zusätzliche Planstellen fallen für die Volksschule und Hauptschule alljährlich an, nicht erst ab dem 2. Jahr. Die Annahme, dass der noch anhaltende demografisch bedingte SchülerInnenrückgang ein geringeres Ausmaß an in die Maßnahme fallenden Klassen bedingt, stimmt zwar für Österreich, nicht jedoch in Wien. Auch ist ein linearer Rückgang der Höhe eines Schülerjahrgangs kein automatischer „Billigmacher“. Insofern wird darauf hingewiesen, dass der Rückgang an benötigten Planstellen – wie im vorliegenden Entwurf dargestellt – aus der Sicht des Stadtschulrats für Wien in dieser Form nicht eintreten wird.

 

Zu Besonderer Teil

Zu Art. I Z 2 bis 5 und 17:

Die Maßnahme der Sprachförderung als zusätzliches Angebot zu den bereits im Lehrplan verankerten besonderen „Förderunterrichtsstunden“ vorzusehen, ist eine teure Maßnahme. Hier ist der Gesetzgeber aufgerufen, diese Maßnahme nicht nur additiv zu veranschlagen.

Außerordentlich wird begrüßt, dass die Sprachförderkurse im ersten Hauptstück des SchOG angefügt werden sollen.

Aus dem Absatz „Weiters soll neben der schulstufen- und der schulübergreifenden Führung auch eine schulartübergreifende Gruppenbildung zulässig sein.“ wird geschlossen, dass die aus der Wiener Sicht so notwendige LDG- und BDG-Reform im Hinblick auf flexiblen wechselseitigen LehrerInneneinsatz mitgedacht ist. Jedenfalls wird dies eindringlich moniert.

 

Zu Z 16:

Das kursiv gedruckte Beispiel, welches beginnt mit „ …. Wenn eine Klasse einer allgemein bildenden höheren Schule sohin mit 5 Kindern ….“ ist ein sehr schlechtes Beispiel, da einerseits wohl die Führung einer Integrationsklasse angezeigt ist, anderseits aber die Klassenschülerzahl sich ebenso nicht erhöhen soll.  Es wäre hier ein besseres Beispiel zu finden.

 

 

 

 

Für den AHS-Bereich:

Zu § 8e (Sprachförderkurse):

Die Möglichkeit von Sprachförderkursen sollte auch für SchülerInnen, welche an AHS als außerordentliche SchülerInnen aufgenommen wurden (Unter- und Oberstufe) gegeben sein. Dies vor allem angesichts der Tatsache, dass diese Kurse schulstufen- und schulortübergreifend geführt werden können. Ebenso ist zu beachten, dass an künftigen „Neuen Mittelschulen“ Sprachförderkurse unter gleichen Bedingungen und mit gleichen Ressourcen geführt werden können wie an Hauptschulen.

 

Zu § 37 (3) AHS für Berufstätige:

Die Verkürzung der Studiendauer an der AHS für Berufstätige von 9 auf 8 Semester wird begrüßt, allerdings in Form einer Weitergabe der Verkürzung an die Studierenden insofern, dass 21 Wochenstunden (mit Religion) pro Semester als Ziel angestrebt werden. Grund hiefür ist die zeitliche Überbelastung der Studierenden.

 

- Änderung der Aufnahmevoraussetzung

Entfall der Aufnahmevoraussetzung „Berufstätigkeit“

Grund: Erwachsenenbildung setzt heute nicht mehr Berufstätigkeit voraus

- Änderung der Schulbezeichnung

Namensänderung von „AHS für Berufstätige“ auf „AHS für Erwachsene“

            Grund: der Erwerb höherer Bildung kann heute nicht mehr mit Berufstätigkeit

            verbunden werden, sondern ist eher Voraussetzung für Berufstätigkeit

- Ausbau des Informatik-Unterrichts (verpflichtend und als Wahlmöglichkeit),

            Wahlmöglichkeit als schriftlicher Maturagegenstand

Grund: Bedeutung für die Arbeitswelt und Berufstätigkeit der Studierenden

- Ausbau des Unterrichts in der 2. lebenden Fremdsprache

            durch Fremdsprachenunterricht in Türkisch, mit Maturaberechtigung

            Grund: Qualifikationsverbesserung und Integration von MigrantenInnen

 

 

 
Zu § 43 (1)

Die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl auf 25 (+ 20% Überschreitungs-möglichkeit) wird ausdrücklich begrüßt.

Es wird jedoch mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass sowohl die erforderlichen Werteinheiten als auch die erforderlichen Mittel  für bauliche Veränderungen und zusätzliche Schulbauten zur Verfügung gestellt werden müssen, um das Ziel zu erreichen.

Die in Aussicht gestellte Eröffnungs- und Teilungszahlenverordnung wird dringend urgiert. Jene Maßnahmen, welche in den „Erläuterungen“ vorgeschlagen werden, werden grundsätzlich begrüßt. Ergänzend wird angeregt, bei der Fortführung von Sprachteilungen in der Oberstufe die Anzahl der SchülerInnen in der jeweiligen Sprachgruppe anstatt der durchschnittlichen KlassenschülerInnenzahl als Grundlage zu nehmen.

Diese Teilungszahlenverordnung kann jedoch ebenfalls nur eingehalten werden, wenn an den Schulen die erforderlichen finanziellen Ressourcen und Teilungsräume vorhanden sind.

 

 

 

Für den BBS-Bereich:

A) Zum Gesetzestext:

Zu Ziffer 17 (§56 Abs.3):

Weshalb die Möglichkeit, Lehrbeauftragte mit Unterrichtsveranstaltungen zu betrauen weiterhin nur auf die Fachschulen für Sozialberufe beschränkt bleiben sollte, ist nicht nachvollziehbar. Wesentlich wird sein, eine derartige Möglichkeit für alle berufsbildenden Schulen zu öffnen, um sicherzustellen, dass die beruflichen Inhalte aktuell und realitätsnah gehalten werden können. Das würde auch eine noch stärkere Öffnung des Bildungsangebotes dieser Schule zur Berufs- und Arbeitswelt sicherstellen.

 

B) zum Vorblatt:

Hier wird unter Problem als 1. Punkt ein bemerkenswerter Satz festgehalten:

Die Klassenschülerhöchstzahl 30 ist mit den „Anforderungen an einen modernen, individualisierten Unterricht nicht im Einklang. - Leider wird im gesamten Gesetzesentwurf aus dieser richtigen Analyse für die berufsbildenden Oberstufen keine Konsequenz gezogen. Das ist umso bedauerlicher als alle empirischen Untersuchungen (PISA, Wirtschaftsuniversität Wien) und die langjährigen Erfahrungen vor Ort bestätigen, dass sich die Schülerpopulation der BMHS durch hohe Heterogenität in jeder Hinsicht auszeichnet und daher eine besondere pädagogische Herausforderung für Unterricht und Erziehung darstellt. Dazu gibt es auch oftmals wiederholte kritische Anmerkungen der Frau Bundesministerin zu (fälschlicherweise als „Drop Outs“ bezeichneten) Bildungsgangswechslern an den berufsbildenden Schulen. Die sich in der Novelle bietende Gelegenheit, der kritischen Anmerkung auch die konkrete Verbesserung folgen zu lassen, wurde laut Entwurfstext bisher leider kaum genutzt und sollte durch entsprechende Ergänzungen auch für den Bereich der berufsbildenden Schulen möglich gemacht werden.

 

C) zu den Erläuterungen:

Bemerkenswert ist, dass die Senkung der Klassenschülerzahl in den AHS-Unterstufen auch Verbesserungen der Versorgung mit nichtpädagogischem Personal und Raum nach sich ziehen wird. An jenen AHS-Standorten (das ist die überwiegende Mehrzahl in Wien), die als Langform geführt werden, kommen diese naturgemäß auch den AHS-Oberstufen zu Gute. Adäquate Lösungen für die Berufsbildung sind bisher laut Entwurfstext noch nicht vorgesehen. Während also die AHS-Oberstufe von den Verbesserungen hinsichtlich Raum- und nichtpädagogischem Personal mitprofitiert, gilt für die Berufsbildung der Satz, dass „eine Senkung der KlassenschülerInnenzahl eine nicht vertretbare hohe Zahl an abzuweisenden SchülerInnen zur Folge hätte“. Die logische Konsequenz, dass daher um der grundsätzlichen Analyse im Vorblatt zu entsprechen ein entsprechender Ausbau auch an diesen Schulformen zu gewährleisten wäre, wird ohne Begründung nicht gezogen und wäre daher nachzutragen. Laut derzeitigem Entwurfstext könnte gefolgert werden, dass auch in Zukunft keine Raumressourcen für eine Senkung der Klassenschülerzahlen in der BMHS vorhanden wären, während die AHS-Oberstufe zumindest an den Ausbaumaßnahmen für die Unterstufe mitpartizipieren kann.

 

In der Oberstufe sind lediglich bei einem Überschreiten einer Schülerhöchstzahl von 30 (die laut Vorblatt an sich schon mit einem modernen Unterricht nicht im Einklang steht) zusätzliche Teilungen in nur wenigen Gegenständen vorgesehen.

 

Insgesamt gesehen betrifft die Nichtberücksichtigung der Oberstufe vor allem die BMHS, denn in der Oberstufe stehen 120 AHS-Klassen mit mehr als 30 SchülerInnen, 778 BMHS-Klassen gegenüber. (Dass es sich dabei um jene Schulformen handelt, die einen wesentlich schwierigeren Bildungsauftrag - nämlich die Integration allgemeiner und beruflicher Bildung mit Vermittlung einer Doppelqualifikation - und die pädagogisch wesentlich anspruchsvollere Schülerklientel haben, sei noch einmal in Erinnerung gerufen).

Zusammenfassend genügen die Vorschläge in den übermittelten Dokumenten den Erfordernissen der BMHS daher leider in keiner Weise.

                                                        

Zudem wird auf die Tatsache verwiesen, dass die Berufsschulen bei der Absenkung der KlassenschülerInnenhöchstzahl auf 25 (Richtwert) nicht berücksichtigt werden. Für die Wiener Berufsschulen wäre diese organisatorische Maßnahme aber auf Grund der hohen Zahl von SchülerInnen mit Laufbahnverlust und Leistungsdefiziten sowie mit Migrationshintergrund dringend notwendig. Die Heterogenität der Klassenzusammensetzungen (sehr unterschiedliche Eingangsvoraussetzungen - von Sonderschul- bis AHS-AbgängerInnen) erfordert ebenfalls eine Absenkung der KlassenschülerInnenhöchstzahl.

Weiters wird auf die Tatsache verwiesen, dass ca. 3.500 Jugendliche auf der Basis des Jugendausbildungssicherungsgesetzes (2. Lehrstellenmarkt) eingeschult werden und ca. 700 SchülerInnen nach der Integrativen Berufsausbildung. Die Einrichtung von Sprachförderkursen ist im Entwurf nur für VS, HS und PS, nicht aber für Berufsschulen vorgesehen. Die Pisa-Studie beweist aber, dass für diesen Schultyp ebenfalls Förderkurse erforderlich wären.

 

 

Die Amtsführende Präsidentin

Dr. Susanne Brandsteidl e.h.