Zl. 12-REP-43.00/08 Ht/Er

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HAUPTVERBAND DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNGSTRÄGER

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                                                                                                        Wien, 14. April 2008

An das                                                                                                                   Per E-Mail
Bundesministerium für
Gesundheit, Familie und Jugend
Radetzkystraße 2
1031 Wien

 

An das

Präsidium des Nationalrats                                                                             Per E-Mail

Betr.:     Entwurf eines Bundesgesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Musiktherapie (Musiktherapiegesetz – MuthG)

Bezug:  Ihr E-Mail vom 26. März 2008;
GZ: BMGFJ-93500/0076-I/B/7/2008

Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nimmt wie folgt Stellung:

Vorab wird darauf hingewiesen, dass der vorgelegte Entwurf in zahlreichen Punkten mit sich selbst bzw. vor allem auch mit den Ausführungen in den Erläuterungen in Widerspruch steht. Einerseits wird in den Erläuterungen versucht darzulegen, dass es sich bei der Musiktherapie keineswegs um eine Leistung aus dem ärztlichen Bereich oder der Psychotherapie handelt und dass eine Änderung der einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen nicht in Aussicht genommen wird, andererseits wird aber auch von „behandlungsbedürftigen Verhaltensweisen“, „Behandlung von akuten und chronischen Erkrankungen“ und auch von „gesundheitspolitischer Verpflichtung“ gesprochen.

Weiters wird im allgemeinen Teil der Erläuterungen unter dem Titel „Finanzielle Auswirkungen“ unter anderem ausgeführt, dass durch die Schaffung des vorgeschlagenen Musiktherapiegesetzes für die Sozialversicherungsträger keine finanziellen Kostenfolgen entstehen würden.

Dies wird damit begründet, dass weder die Leistung der Musiktherapie im Katalog der der ärztlichen Hilfe gleichgestellten Leistungen gemäß § 135 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, als Voraussetzung für den Abschluss eines Vertrages mit einem Krankenversicherungsträger enthalten ist, noch (in Ermangelung eines „entsprechenden Vertragspartners“ im Sinne des § 131 ASVG) die Verpflichtung zur Kostenerstattung an einen Versicherten (eine Versicherte), der (die) Musiktherapie in Anspruch genommen hat, angenommen werden kann. Auch würde eine Änderung der einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen nicht in Aussicht genommen.

Darüber hinaus liege der Schwerpunkt der Berufsausübung von Musiktherapeuten und Musiktherapeutinnen klar im institutionellen Bereich und würde in diesem Rahmen bereits jetzt von der öffentlichen Hand finanziert.

Hiezu ist festzuhalten, dass bei berufsrechtlicher Verankerung dieser Therapieform und infolge der Belastung der Patienten mit Kosten der Druck auf den Gesetzgeber zur Änderung des ASVG im Sinne einer Gleichstellung der Berufsgruppe mit jenen im § 135 ASVG bereits enthaltenen jedenfalls beträchtlich zunehmen wird. Dadurch wird sich daher jedenfalls eine finanzielle Betroffenheit der Sozialversicherung ergeben, für die in der Folge unbedingt auch eine gesetzliche Bedeckung vorzusehen sein wird.

Weiters sind, selbst bei einem Schwerpunkt im institutionellen Bereich (worunter wohl auch Krankenanstalten und Rehabilitationseinrichtungen zählen), hiefür allein schon aufgrund der Anerkennung als Berufsbild steigende Kosten durch erhöhte Personalkosten zu erwarten. Diese werden im Wege der Leistungsabgeltungen sehr wohl von der Sozialversicherung abzudecken sein.

Zu den einzelnen Bestimmungen selbst ist Folgendes anzumerken:

Zu § 6

Im Zusammenhang damit, dass durch die Schaffung des vorgeschlagenen Musiktherapiegesetzes für die Sozialversicherungsträger „keine finanziellen Kostenfolgen“ entstehen sollen (vgl. dazu die Erläuterungen), bleibt völlig offen, welcher Krankheitsbegriff der Behandlungsbedürftigkeit i. S. d. Musiktherapiegesetzes zugrunde liegt, also insbesondere ob hier der Krankheitsbegriff des § 120 Abs. 1 Z 1 ASVG gemeint ist (regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Krankenbehandlung notwendig macht).

Angesichts der bekannten finanziellen Situation der Sozialversicherungsträger ist es notwendig, dass alle ihnen im Zusammenhang mit der Musiktherapie dennoch entstehenden Kosten vom Bund ersetzt werden.

Zu den §§ 7 und 8

Im Gegensatz zu den Berufsgruppen gemäß MTD-Gesetz wird hier eine selbständige Berufsausübung normiert. Im MTD-Gesetz ist der Begriff freiberuflich enthalten. Es sollte unseres Erachtens jedenfalls an der bisherigen Nomenklatur festgehalten werden, schon um Interpretationsprobleme auch für andere Berufsgruppen zu vermeiden.

Weiters ist vorgesehen, dass die Berufsausübung auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zu einem selbständig berufsberechtigten Musiktherapeuten möglich ist. Dies unterscheidet sich ebenfalls wesentlich von den im MTD-Gesetz geregelten Berufsgruppen. Auch hier wird angeregt, den Ausführungen im MTD-Gesetz zu folgen. Bislang ist es nämlich den Angehörigen der im MTD-Gesetz geregelten Berufsgruppen nicht gestattet, andere Mitglieder der Berufsgruppe anzustellen.

Gemäß § 7 Abs. 2 hat bei Erkrankungen oder bei einer Rehabilitation, vor der zweiten musiktherapeutischen Behandlung eine Zuweisung durch einen Arzt (eine Ärztin), einen klinischen Psychologen (Psychologin), Psychotherapeuten (Psychotherapeutin), einen Zahnarzt (eine Zahnärztin) zu erfolgen. Dafür anfallende Kosten sind jedenfalls nicht von der sozialen Krankenversicherung zu tragen. Eine entsprechende Klarstellung muss im Gesetz verankert werden. Dies gilt sinngemäß auch für die Regelung des § 8.

Darüber hinaus geben wir zu bedenken, dass neben den klinischen Psychologen und Psychotherapeuten auch Ärzte in undifferenzierter Form sowie Zahnärzte berechtigt sind, zur Musiktherapie zuzuweisen.

Dies wird als für nicht zielführend erachtet. Wir halten es für notwendig, dass es eine Zuweisungsberechtigung eingeschränkt nur für Fachärzte für Psychiatrie, Kinderheilkunde sowie sonstige Ärzte mit Psychiatriediplom geben darf. Nur so ist eine gezielte Vorselektion und Indikationsstellung für diese Therapie sichergestellt. Mit der derzeitigen Regelung ist mit einem Wildwuchs bei den Zuweisungen mit falschen Indikationen und unzureichendem Therapieerfolg, welche sogar bis zu einer Gefährdung von Patienten durch eine ungeeignete Therapie mit Verschleppung erfolgreicher Therapiemaßnahmen führen kann, zu rechnen.

Zu den §§ 9 und 10

Die Ausbildungsinhalte, speziell die Erfahrung in der klinischen Krankenbehandlung, sollten genauer festgelegt werden (Umfang, Ausbildungsstätten etc.). Die Ausbildungsinhalte haben sich am Berufsbild, an den Anforderungen der Praxis und an den rechtlichen Rahmenbedingungen zu orientieren. Diese nach „besten Wissen und Gewissen“ festzulegen ist zu unbestimmt.

Zu den §§ 12 und 13

Hier werden die Voraussetzungen für die selbständige und unselbständige Berufsausübung festgeschrieben, wobei diese für beide Bereiche gleich ausgestaltet sind. Fraglich ist aus unserer Sicht, ob nicht zumindest für die selbständige Berufsausübung auch eine praktische Erfahrung als Voraussetzung notwendig wäre.

In § 13 Abs. 1 ist der Begriff des „musiktherapeutischen Sachverständigen“ ist nicht näher definiert.

Zu § 15 Abs. 2

Warum bzw. wie Musiktherapie „im Fall der drohenden Lebensgefahr für den Patienten“ zur Anwendung gelangen soll, ist nicht dargestellt, weshalb die vorgeschlagene Textierung nicht nachvollziehbar erscheint.

Zu § 17 Abs. 1

Zum Erlöschen der Berufsberechtigung wird unter anderem festgehalten, dass diese eintritt, wenn eine länger als fünf Jahre dauernde Unterbrechung der Berufsausübung der Musiktherapie erfolgt ist. Es bedarf unserer Ansicht nach einer Klarstellung, denn unter Bezugnahme auf die §§ 12 und 13 kann dies wohl nicht bedeuten, dass damit die absolvierte Ausbildung nichtig wird oder die Vertrauenswürdigkeit oder die gesundheitliche Eignung dadurch wegfällt. Vielleicht wäre ein geeigneteres Mittel bei länger dauernder Nichtausübung der Tätigkeit, dass es einer Nachschulung seitens des Musiktherapeuten bedarf.

Zu § 17 i.V.m. § 20 Abs. 4 und Abs. 5

Die in den Erläuterungen als „neuer Weg“ beschriebene Vorgehensweise in Bezug auf den Verlust der Vertrauenswürdigkeit stellt sich in ihrer Gesamtheit als sehr unbestimmt dar und ist daher abzulehnen. Nicht ersichtlich ist etwa, wie „Vertrauenswürdigkeit“ als Voraussetzung zur Berufsausübung nachgewiesen sein soll, oder auch warum etwa bei Missbrauchsvorwürfen eine förmliche Entschuldigung ausreichen soll. Auch die meisten anderen in § 17 Abs. 4 aufgezählten Maßnahmen sind wohl zur Wiederherstellung der Vertrauenswürdigkeit nicht geeignet (z. B. musiktherapeutische Selbsterfahrung, Kostentragung für die notwendige Folgebehandlung, …).

Zu § 18

Die hier normierten Informationspflichten sind derartig umfassend und weitreichend, dass sie schon etwas überzogen erscheinen. Zumindest aber sollte eine derartige Regelung – wenn dies überhaupt sinnhaft erscheint – auch bei allen übrigen Berufsgruppen vorgesehen werden, wie z. B. den Ärzten, denen aufgrund ihrer Stellung im Gesundheitssystem eine wesentlich größere Bedeutung zukommt.

Zu § 19 i.V.m. § 23

Nicht geregelt ist, ob es einen Rechtszug im Falle einer Nichtaufnahme in die Musiktherapeutenliste geben soll. Insbesondere im Zusammenhang mit dem in § 17 sehr unbestimmt geregelten Erlöschen der Berufsberechtigung erscheint dies bedenklich.

Zu § 27 Abs. 2

Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass dieser Absatz nicht schlüssig ist. Einerseits wird eine persönliche und unmittelbare Berufsausübung verpflichtend vorgesehen, andererseits werden weit reichende Ausnahmebestimmungen normiert („Hilfspersonen“).

Bezüglich der Regelung, dass sich Musiktherapeuten Hilfspersonen, insbesondere Studierender der Musiktherapie, bedienen können, wenn diese nach ihren genauen Anordnungen und unter ihrer Aufsicht handeln, weisen wir außerdem darauf hin, dass sich diese Möglichkeit ebenfalls nicht bei den vom MTD-Gesetz geregelten Berufsgruppen findet. Sie sollte schon aus Gründen der Qualitätssicherung entfallen.

Zu § 33

Die Kontrolle des Provisionsverbots ist den Patienten regelmäßig unmöglich und eine Kontrollverpflichtung des Bundesministers ist nicht ersichtlich. Da Musiktherapeuten nur auf Zuweisung tätig werden, wären jedenfalls auch die zuweisenden Ärzte verstärkt amtswegig zu kontrollieren.

Zu § 35

Die hier verwendeten Begriffe sind zum Teil sehr unklar, so etwa sollte jedenfalls näher ausgeführt werden, in welcher Form durch eine Musiktherapie eine „schwerwiegende Gefahr für Leib, Leben oder Gesundheit einer Person“ entstanden sein könnte.

Abschließend wird nochmals darauf hingewiesen, dass der vorliegende Gesetzesentwurf hinsichtlich mehrerer grundlegender Fragen eindeutig zu unbestimmt ist, wie etwa zur Wirksamkeit der Musiktherapie und auch zu ihrer Stellung im österreichischen Gesundheitssystem.

Mit freundlichen Grüßen
Für den Hauptverband: