AMT DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
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-

Bezug

BearbeiterIn

Durchwahl

Datum

 

BMGFJ-93500/0076-I/B/7/2008

Dr. Markus Grubner

12377

15. April 2008

 

 

 

Betrifft

Entwurf eines Bundesgesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Musiktherapie; Begutachtungsverfahren; Stellungnahme

Die NÖ Landesregierung hat in ihrer Sitzung vom 15. April 2008 beschlossen, zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Musiktherapie wie folgt Stellung zu nehmen:

 

I.          Vorbemerkungen:

 

Mit dem vorliegenden Entwurf soll die Rechtsgrundlage für einen neuen Beruf geschaffen werden. Der Entwurf ist zur Begutachtung innerhalb einer Frist von etwa drei Wochen übermittelt worden. Diese Vorgangsweise ist in mehrfacher Hinsicht bedenklich und wird daher abgelehnt:

 

1.         Nach Art. 1 Abs. 1 der Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitäts­pakt der Gebietskörperschaften werden (u.a.) Gesetzesentwürfe der Bundes­ministerien den Ämtern der Landesregierungen und der Verbindungsstelle der Bundesländer, dem Österreichischen Gemeindebund und dem Österreichischen Städtebund übermittelt.

 

Nach Art. 1 Abs. 4 leg. cit. sind diese Entwürfe zur Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist zu übermitteln. Nach Art. 1 Abs. 4 Z. 1 leg. cit. darf diese Frist, gerechnet ab Zustellung, bei Gesetzes- und Verordnungsentwürfen vier Wochen nicht unterschreiten.

 

Der vorliegende Entwurf ist am 27. März 2008 beim Amt der NÖ Landesregierung eingelangt. Die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme endet am 18. April 2008, sie beträgt somit etwa drei Wochen.

 

Die Frist entspricht weder den Vorgaben von Art. 1 Abs. 4 Z. 1 der Vereinbarung, noch ist sie angemessen. Die kurze Frist überrascht auch deswegen, da der Ent­wurf ohne Einbindung der Länder vorbereitet worden ist. Auch im Hinblick auf das geplante In-Kraft-Treten des Entwurfes am 1. Juli 2009 kann die kurze Begutachtungsfrist nicht nachvollzogen werden.

 

2.         Nach den Ausführungen in den Erläuterungen stützt sich der Entwurf auf Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B‑VG („Gesundheitswesen“). Es ist aber – soweit ersichtlich – keine Auseinandersetzung mit der Reichweite dieses Kompetenztatbestandes und vor allem keine Abgrenzung zum landesrechtlich zu regelnden Berufsrecht erfolgt. Dass Klärungsbedarf hinsichtlich der Reichweite des Kompetenztatbestandes des Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B‑VG und der Möglichkeit, diesen Entwurf darauf zu stützen, besteht, ergibt sich nicht zuletzt aus den Ausführungen in den Erläuterungen, wonach „Musiktherapie […] nicht Bestandteil der Medizin oder Psychotherapie und somit auch nicht Bestandteil des ärztlichen oder psychotherapeutischen Berufes ist“.

 

II.         Zu den einzelnen Bestimmungen:

 

Zu § 7 und § 8:

Es wird angeregt, die „selbständige Berufsausübung“ auf den freiberuflichen Bereich ein­zuschränken und die Ausübung der Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses – ent­sprechend dem herkömmlichen Verständnis im Berufsrecht – als unselbstständige Berufs­ausübung zu bezeichnen. Falls – und darauf deuten die Erläuterungen hin – die Abgren­zung zwischen „eigenverantwortlicher Tätigkeit“ und einer solchen „nach Anordnung“ verlaufen sollte, so sollte dieses Unterscheidungsmerkmal im Gesetztext Niederschlag finden.

 

Es wäre weiters zu klären, warum eine Zuweisung zur Musiktherapie auch durch einen Zahnarzt erfolgen kann.

 

Zu § 11:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa VfSlg. 10.296/1984, 11.547/1987, 14.762/1997) dürfen Verordnungen bloß präzisieren, was in den wesentlichen Konturen bereits im Gesetz selbst vorgezeichnet ist. Soll ein Gesetz mit Durchführungsverordnungen vollziehbar sein, müssen daraus folglich alle wesentlichen Merkmale der beabsichtigten Regelung ersehen werden können (Prinzip der Vorausbe­stimmtheit des Verordnungsinhaltes durch das Gesetz, vgl. etwa VfSlg. 11.859/1988). Die die Grundlage der Verordnung bildende gesetzliche Regelung muss nämlich dem Verord­nungsgeber in ausreichendem Maß Kriterien vorgeben, um eine darauf gestützte Durch­führungsverordnung erlassen zu können (VfSlg. 14.550/1996). Nach der angeführten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist demnach die Grenze zwischen einer ausreichenden materiellen Bestimmtheit des Gesetzes und einer formalgesetzlichen Delegation da­nach zu beurteilen, ob die im Verordnungsweg getroffene Durchführungsregel auf ihre inhaltliche Gesetzmäßigkeit überprüft werden kann.

 

Vor dem Hintergrund dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung erweist sich § 11 des Entwurfes als verfassungswidrige formalgesetzliche Delegation, weil dem Gesetz hin­sichtlich der inhaltlichen Vorgaben keinerlei nähere Anhaltspunkte entnommen werden können.

 

Zu § 17:

In den Erläuterungen wird ausgeführt, dass das Berufsrecht dem Vorbild anderer einschlägiger Berufe folgen soll. Anders als bei anderen Berufen erlischt aber nach § 17 die Berufsberechtigung im Falle einer fünf Jahre dauernden Unterbrechung der Berufsausübung. Eine Begründung für diese Abweichung ist nicht ersichtlich.

 

Zu § 32:

Auch die Regeln über die Verschwiegenheitspflicht weichen von den Regeln anderer Berufe (vgl. etwa § 54 des Ärztegesetzes 1998) ab. § 32 Abs. 2 sollte daher entfallen. Die Ausführungen in den Erläuterungen, wonach in Ausnahmefällen zum Schutz des Patienten (der Patientin) Aussagen vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde dennoch zulässig sein könnten, können im Hinblick auf § 32 Abs. 2 des Entwurfes nicht nachvollzogen werden.

 

Eine Ausfertigung dieser Stellungnahme wird unter einem dem Präsidium des National­rates elektronisch übermittelt.

 

Ergeht an:

1.   An das  Präsidium des Nationalrates,

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2.   An das  Präsidium des Bundesrates

3.   An alle vom Lande Niederösterreich entsendeten Mitglieder des Bundesrates

4.   An alle Ämter der Landesregierungen (zu Handen des Herrn Landesamtsdirektors)

5.   An die Verbindungsstelle der Bundesländer, Schenkenstraße 4, 1014 Wien

6.   Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst, Ballhausplatz 2, 1014 Wien

7.   Landtagsdirektion

 

 

NÖ Landesregierung

Dr. PRÖLL

Landeshauptmann