Gewerkschaft der Gemeindebediensteten

Hauptgruppe II, Personalgruppenauschuß A

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An das Präsidium des Nationalrates

Parlament

 

 

                                         Mittwoch, 16. April 2008

Betreff: Bundesgesetz über die berufsmäßige Ausübung der Musiktherapie (Musiktherapiegesetz - MuthG)

 

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren im Nationalrat!

 

Nachdem der Entwurf des MuThG sowohl Psychotherapeuten in einem Punkt besonders und präjudizierend betrifft schreiben wir hier ausführlich:

 

 

Stellungnahme des Personalgruppenausschusses (PGAA) der Hauptgruppe II der GdG zu dem Entwurf eines Musiktherapiegesetz MuthG:

 

 

Zu Dokumentationspflicht § 30 (1)

1. Musiktherapeutisch relevanter Zustand der Person bei Übernahme der Behandlung, insbesondere Vorgeschichte der Problematik und allfällige Erkrankungen sowie bisheriger Krankheitsverlauf, 2. Diagnose,

 

In den Erläuterungen heißt es zu § 30:

§ 30 normiert eine umfassende Dokumentationspflicht samt berufsrechtlicher Verankerung des Einsichtsrechts für Patienten (Patientinnen) und stellt den Dokumentationsinhalt für Musiktherapeuten (Musiktherapeutinnen) von Beginn an außer Streit. Dieser Bestimmung kommt zugleich Vorbildwirkung für die Dokumentation durch Angehörige anderer Gesundheitsberufe, insbesondere Psychotherapeuten (Psychotherapeutinnen) dar.

 

Stellungnahme:

Musiktherapie ist genauso wie die Psychotherapie keine der medizinischen Prioritätenabfolge unterliegenden Methode.

Wo für die medizinische Prioritätenreihe gilt: 1. Exploration, 2. Anamnese. 3. Diagnose, 4. Behandlung, gilt für die Psychotherapie (wie in der Diagnostikleitlinie für Psychotherapie im BMGFJ 2005 festgelegt und im Buch: "Psychotherapeutische Diagnostik", BARTUSKA et al, 2006, Springer-Verlag Wien, New York ausreichend dargelegt):

1. Aufnahme und Entwicklung der psychotherapeutischen Beziehung, 2. Auf der Basis der sich entwickelnden psychotherapeutischen Beziehung Anregungen zur Selbstexploration und Selbstanamnese, 3. Dabei entsteht eine vorläufige diagnostische Einschätzung des Psychotherapeuten, die jedoch mit Behandlungsfortschritt präzisiert, vertieft und verändert wird, mit dem Ziel bei erfolgreichem Abschluss der Psychotherapie eine Klarheit über die zugrundeliegende Störung gewonnen zu haben.

 

Daher ist klar, dass sowohl die Vorgeschichte als auch allfällige Erkrankungen sowie der bisherige Krankheitsverlauf zwar eine Rolle spielen, aber nicht die selbe, wie in der Medizin.

 

Anders als in der Medizin, wo spezifische Behandlungen jeweils spezifische Indikationen und sowohl viele als auch häufigen Kontraindikationen haben, ist die musiktherapeutische Behandlung als auch die psychotherapeutische Behandlung grundsätzlich jedem Menschen, sowohl solchen mit krankheitswertigen Störungen als auch solchen die keine krankheitswertigen Störungen mitbringen, gleichermaßen von Beginn an anbietbar. Dabei ist das therapeutische Beziehungsangebot des Therapeuten zunächst das Gleiche, entwickelt sich aber sehr rasch mit den Beiträgen des Patienten (der Patientin) in eine individuelle Richtung. Etwaige, selten anzutreffende Kontraindikationen stellen sich meist bei Beginn der Behandlung heraus (und sind in der Diagnostik - Leitlinie für PsychotherapeutInnen taxativ aufgelistet), wobei dem Patienten (der Patientin) durch den psychotherapeutischen Behandlungsversuch kein erkennbarer Schaden erwächst, und bis heute keinerlei Schadensfolgen nachgewiesen wurden.

 

Medizinische Behandlungen bedürfen auch deswegen einer besonderen Sorgfalt und Dokumentation, weil sie fast immer mit mechanischer und/oder chemischer Gewalt (Spritzen, Operationen, Bestrahlungen, Medikamente etc.) einhergehen, die nur alleinverantwortlich von dem Arzt, wegen seiner alleinigen Fachkenntnis angewendet werden  kann.

 

Bei der Musiktherapie, der Psychotherapie und wahrscheinlich auch bei der Ergotherapie finden jedenfalls keinerlei Zwangs- oder Gewaltbestandteile statt, und nahezu keine allein verantwortliche Handlungen der Therapeuten. Es wird immer im  Konsens und in Zusammenarbeit eine Kooperation des Willens und der Eigenverantwortung des Patienten mit dem Willen und der Verantwortung des Therapeuten behandelt. Ziel dieser Behandlungen ist die Entwicklung und Stärkung des eigenen Willens des Patienten, der Erweiterung seines Handlungsspielraumes und seiner Eigenkompetenz. Daher geschieht dies streng nach partnerschaftlichen Vorgehensweisen. Wobei jedes Überreden, Ausfragen, Zwingen oder Verhör (also alle Formen der autoritären oder psychischen Gewaltanwendung) als methodisch kontraproduktiv sorgfältig vermieden wird. Exploratorische Fragen sind nur unter der Vorraussetzung einer gut laufenden therapeutischen Beziehung zulässig. Auch gilt für diese Therapien, dass im "Hier und Jetzt" gearbeitet wird, wobei die Ressourcen des Patienten (der Patientin), seine Gegenwart und seine zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten viel stärker im Vordergrund stehen, als die Krankengeschichten, die auch nur teilweise über Ursachen der Erkrankungen Auskunft geben können, insbesondere dann nicht, wenn es sich um Wechselwirkungen verschiedener Kräfte handelt, die erst im Prozess der Therapie analysiert und verändert werden können.

 

Das Behandlungsergebnis der Musiktherapie ist genauso wie in der Psychotherapie von der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen einem Patienten (einer Patientin) und einem Therapeuten (einer Therapeutin) abhängig.

 

Der Musiktherapeut schuldet also genauso wie der Psychotherapeut aus eindeutigen und methodischen Gründen ein Bemühen um einen Erfolg, jedoch nicht den Erfolg selbst.

Daher ist auch die Erhebung der Vorgeschichte der Problematik und allfälliger Erkrankungen sowie der bisherige Krankheitsverlauf abhängig von der partnerschaftlichen Zusammenarbeit und keine Bringschuld des Musiktherapeuten sowie keine des Psychotherapeuten.

Musiktherapeuten sowie Psychotherapeuten können daher keine voll verantwortliche Exploration und Anamnese professionell durchführen und daher auch nicht alleinverantwortlich dokumentieren. Allenfalls in verschiedenen Anteilen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben können.

 

Es ist daher weder methodisch sinnvoll noch zumutbar, dem Musiktherapeuten genauso wenig wie dem Psychotherapeuten, die professionellen Regeln der Medizin übernehmen zu müssen (damit quasi "Medizinerabbildungen" werden zu müssen) und dabei ihre wissenschaftlich entwickelten Behandlungsmethoden in den ersten 3 - 5 Stunden aufgeben zu müssen, nur um "ärzteähnlich" dokumentieren zu können. Dazu kommt noch das der überaus wichtige Beginn einer therapeutischen Behandlung durch die aufgezwungene medizinähnliche Vorgangsweise die therapeutische Beziehung auf Dauer schädigen würde, weil bei dem Patienten (der Patientin) ein Autoritätsbild  erzeugt wird, das für die therapeutische Beziehung falsch ist (eben weil es kein Kooperationsbild ist), und wenn überhaupt in stundenlangen Arbeiten mühsam korrigiert werden müsste. Für den Patienten (die Patientin) würde das in vielen Fällen eine solche zusätzliche Belastung darstellen, dass die Therapieabbrüche viel häufiger werden.

 

Es wäre ja auch völlig absurd, wenn aufgrund der methodischen Begrenzungen der medizinischen Behandlungen durch die med. wissenschaftlichen Standards entstandenen ergänzenden Methoden wie Psychotherapie und Musiktherapie mit anderen wiss. Standards, über die ausschließlich juristische Analogie mit den Gerichtsurteilen über Medizin und Pflege, jetzt die entwickelten methodisch wissenschaftlichen Standards der Musiktherapie und der Psychotherapie zerstört und unterworfen werden sollen.

 

Völlig absurd und absolut undurchführbar sowie für jeden leicht vorstellbar ist die Problematik im Falle einer Gruppenpsychotherapie, wo für jeden einzelnen Patienten (Patientin) dann die Vorgeschichte der Problematik und allfällige Erkrankungen sowie der bisherige Kranheitsverlauf (wobei nach Diagnostikleitlinie des BMGFJ der Begriff Krankheit für Psychotherapeuten überhaupt nicht verwendet werden soll, siehe auch "Psychotherapeutische Diagnostik" BARTUSKA et. Al, 2006 Springer WienNewYork) nicht nur die Therapie außerordentlich und störend bestimmen würde, sondern auch noch stundenlange Nacharbeit erzwingen.

 

Die Aufrechterhaltung der oben zitierten Formulierungen stellt also eine anscheinend normale aber in Wirklichkeit subtile Unterminierung und aufgezwungene massive Störung der Musiktherapie und wegen der Vorbildwirkung auch der Psychotherapie zumindest in den ersten 3 - 5 Therapiestunden und wahrscheinlich noch viele Stunden länger dar, und damit den sowohl sensiblen als auch heiklen und sehr differenziert zu betrachtenden Beginn einer Behandlung.

 

Dem Musiktherapeuten und dem Psychotherapeuten würde in diesem Konfliktfall nichts anderes übrig bleiben als entweder bei seinen gelernten wissenschaftlichen Methoden zu bleiben und die Belastung durch das Gesetz zu ignorieren oder wissentlich, aber gesetzestreu, eine wesentlich schlechtere Behandlungsmethode anwenden.

 

Das juristische und wissenschaftliche Methoden zerstörende Aufzwingen von Artfremden Verpflichtungen muss daher unterbleiben und durch methodenentsprechende Formulierungen ersetzt werden.

 

Es sollte daher lauten:

Zu Dokumentationspflicht § 30 (1)

1. Musiktherapeutisch relevanter Zustand der Person bei Übernahme der Behandlung, insbesondere die therapeutische Behandlung überschreitenden Vorfälle, die in die Alleinverantwortung des Therapeuten (der Therapeutin) fallen.

 

 

Wir unterstützen daher zwar das Musiktherapiegesetz im Grundsatz und ersuchen jedoch dringendst um eine entsprechende Änderung des § 30 (1) 1. und ersuchen den zuständigen Ausschuss das wohlwollend zu diskutieren und zu übernehmen.

 

 

Mit kollegialen Grüßen,

 

 

 

 

Dr. Heiner Bartuska, Vorsitzender PGAA