GZ.: BMI-LR1420/0014-III/1/a/2008

 

 

Wien, am 18. April 2008

 

An das

 

Präsidium des

Nationalrates

 

Parlament

1017   W I E N

 

 

 

 

 

 

Mag. Sabine Halbauer
BMI - III/1/a (Referat III/1/a)
Herrengasse 7, 1014 Wien
Tel.: +43 (01) 531262341
Pers. E-Mail: Sabine.Halbauer@bmi.gv.at

Org.-E-Mail: BMI-III-1-a@bmi.gv.at
WWW.BMI.GV.AT
DVR: 0000051

Antwortschreiben bitte unter Anführung der GZ an die Org.-E-Mail-Adresse.

 

 

                       

Betreff:

Legistik und Recht; Fremdlegistik; BG-BKA

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz personenbezogener Daten geändert wird (DSG-Novelle 2008);

Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres

 

 

In der Anlage wird vorab zu dem im Betreff bezeichneten Entwurf eine Erststellungnahme des Bundesministeriums für Inneres übermittelt.

 

 

 

Beilage

 

Für den Bundesminister:

 

Mag. Sabine Halbauer

 

 

elektronisch gefertigt


 

GZ.: BMI-LR1420/0014-III/1/a/2008

 

 

Wien, am 18. April 2008

 

An das

 

Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst

 

Ballhausplatz 2

1014    W I E N

 

Zu Zl. BKA-810.026/0002-V/2/2008

 

 

 

 

 

 

Mag. Sabine Halbauer
BMI - III/1/a (Referat III/1/a)
Herrengasse 7, 1014 Wien
Tel.: +43 (01) 531262341
Pers. E-Mail: Sabine.Halbauer@bmi.gv.at

Org.-E-Mail: BMI-III-1-a@bmi.gv.at
WWW.BMI.GV.AT
DVR: 0000051

Antwortschreiben bitte unter Anführung der GZ an die Org.-E-Mail-Adresse.

 

 

                       

Betreff:

Legistik und Recht; Fremdlegistik; BG-BKA

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz personenbezogener Daten geändert wird (DSG-Novelle 2008);

Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres

 

 

 

Aus der Sicht des Bundesministeriums für Inneres ergeben sich zu dem im Betreff be­zeichneten Entwurf folgende Bemerkungen:

 

Aufgrund der derzeit aktuell diskutierten Frage, in welchem Umfang von einem parlamentarischen Untersuchungs­ausschuss das Recht auf Datenschutz zu wahren ist bzw. von der ersuchten Behörde bei einer Aktenübermittlung auf dieses Rücksicht zu nehmen ist, erlaubt sich das Bundesministerium für Inneres im Begutachtungsverfahren dazu eine erste Stellungnahme abzugeben. Das Bundesministerium für Inneres behält sich darüber hinaus die Abgabe einer weiteren Stellungnahme zum vorgelegten Entwurf vor.

 

I. Allgemein:

§ 1 Abs. 1 DSG normiert, dass jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten hat, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht.

 

Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 2 DSG dürfen Eingriffe einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art 8 Abs. 2 der EMRK genannten Gründen notwendig sind, erfolgen. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind (sog. „sensible Daten“), nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Fall zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

 

Die in § 1 Abs. 2 DSG 2000 angeordnete Interessenabwägung erfordert für die Zulässigkeit behördlicher Eingriffe in das Datenschutzrecht jedenfalls eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die den Anforderungen des Art 8 EMRK genügt.

Unter Behörden sind im Sinne des DSG hoheitlich handelnde staatliche Organe zu verstehen, sohin primär Verwaltungsbehörden und Gerichte.

Dem öffentlichen Bereich sind weiters aber auch Handlungen von Organen der Gesetzgebung (einschließlich parlamentarischer Hilfsorgane) zuzurechnen. Verbinden sich damit Eingriffe in den Datenschutz, werden die für behördliche Grundrechtsbeschränkungen maßgeblichen Kriterien des § 1 Abs. 2 DSG heranzuziehen sein (vgl. Duschanek in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, § 1 DSG Rz 52 ff).

 

Mit der Bezugnahme auf die Eingriffsziele des Art 8 Abs. 2 EMRK wird die Befugnis des Gesetzgebers, das Grundrecht Beschränkungen zu unterwerfen, inhaltlichen Schranken unterworfen. Es handelt sich also um einen materiellen Gesetzesvorbehalt mit einer taxativen Aufzählung zulässiger Eingriffsgründe. Grundrechtseingriffe durch staatliche Behörden, die sich auf keinen der in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründe berufen können oder damit in Widerspruch stehen, wären demnach verfassungswidrig, selbst wenn sie eine einfachgesetzliche Grundlage aufweisen.

 

Das Gesetzesvorhaben lässt eine derartige Abwägung bzw. Begründung im Sinne des Art 8 EMRK gänzlich vermissen. Inwiefern die parlamentarische Kontrolltätigkeit, die von Verfassungswegen auf die Geschäftstätigkeit der Bundesregierung beschränkt ist, auf personenbezogene bzw. darüber hinaus auf private sensible Daten von Rechtsunterworfenen ausgedehnt werden soll, lässt sich weder dem Gesetz noch den Erläuternden Bemerkungen entnehmen.

 

§ 1 Abs. 2 1. Satz DSG fordert explizit eine gesetzliche Regelung als Eingriffsgrundlage, die den Anforderungen des Art 8 EMRK voll entspricht. Hinzuweisen ist ferner darauf, dass an den Determinierungsgrad der Eingriffsnormen strenge Anforderungen zu stellen sind. In der Rechtsprechung des VfGH wird gerade bei Grundrechtseingriffen eine „spezifische Determinierungspflicht“ und „Regelungsdichte“ verlangt; solcherart gesteigerte Bestimmtheitserfordernisse gehen über die allgemeinen Anforderungen des Art 18 B-VG hinaus (vgl. Berka, Das „eingriffsnahe Gesetz“ und die grundrechtliche Interessenabwägung, FS Walter, 1991, 37 ff). Demgemäß hat der VfGH in seinen Entscheidungen VfSlg 12.166/1989 (Aktenvorlage an den VfGH einschließlich Namensliste der Demonstranten), 16.467/2002 (Übermittlung von Behandlungsdaten der Gebietskrankenkassen an die Ärztekammern), etc. die Notwendigkeit ausreichender Determinierung für gesetzliche Eingriffsermächtigungen gemäß § 1 Abs. 2 DSG stets betont.

 

 

II. Geforderte Gleichstellung mit Amtshilfe, Geheimhaltungsgarantien und
        Verhältnismäßigkeit

§ 8 Abs. 3 Z 2 bzw. § 9 Z 4 DSG normieren, dass die Verwendung personenbezogener bzw. sensibler Daten das Recht auf Geheimhaltung nicht verletzt, wenn die Verwendung der Daten durch Auftraggeber des öffentlichen Bereiches in Erfüllung der Verpflichtung zur Amtshilfe geschieht.

 

Mit der geplanten Novelle zum DSG 2000 vermeint man, allein durch Einfügung der zusätzlichen Ausnahme „zur Amtshilfe oder zur Unterstützung des Nationalrates, des Bundesrates oder eines Landtages bei der Ausübung parlamentarischer Kontrolltätigkeit nach Art 52 bis 53 B‑VG oder entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen“ eine Vorlage personenbezogener und sogar darüber hinaus „sensibler Daten“ ohne weitergehende Determinierung vorsehen zu können. Dies ist rechtlich in dieser Form nicht zulässig.

 

Dabei wird nämlich ganz offensichtlich übersehen, dass ein Amtshilfeersuchen nur von einer Behörde gestellt werden kann, die ihrerseits an die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes gebunden ist und diese bei ihrer Tätigkeit zu beachten hat. Jede staatliche Behörde bedarf allerdings für einen Eingriff in den grundrechtlich gewährleisteten Datenschutz eine den Anforderungen des Art 8 EMRK entsprechende gesetzliche Grundlage. Erst auf Basis einer derartigen Grundlage kann ein Amtshilfeersuchen überhaupt erst gestellt werden. Die vermeintliche Ausnahmebestimmung der „Amtshilfe“ führt sohin keinesfalls zu einem Entfall der wesentlichen Voraussetzung einer gesetzlichen Eingriffsnorm.

Auch die Amtshilfe, insbesondere wenn sie in Form von „Informationshilfe, also durch Datenübermittlung zwischen Rechtsträgern des öffentlichen Bereiches geleistet wird“, als behördlicher Eingriff in den grundrechtlichen Geheimhaltungsanspruch verstanden werden muss, hat den Anforderungen der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 2 DSG zu entsprechen (vgl. Duschanek in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundes­ver­fassungsrecht, § 1 DSG Rz 57).

 

Selbst der Verfassungsrang des Art 22 B-VG ändert nichts an den, aus § 1 DSG hervorgehenden, grundrechtlichen Schranken der Verwendung von Daten. Art 22 B-VG besitzt nämlich nur „internen Charakter“ und kann somit, selbst in Verbindung mit den zitierten einfachgesetzlichen Bestimmungen des DSG nicht als „Befugnisnorm“ herangezogen werden, um Beschränkungen des grundrechtlichen Geheimhaltungsanspruches zu rechtfertigen (vgl. Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht, Bd 2, 1998, Rz 27.077; Wiederin, Art 22 B-VG, Rz 51). Weder das allgemeine Amtshilfegebot des Art 22 B‑VG noch die oben zitierten Bestimmungen des DSG können sicherstellen, dass Informationshilfe im konkreten Fall zur Wahrung überwiegender Interessen eines anderen notwendig ist (siehe Duschanek in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungs­recht, § 1 DSG Rz 57).

 

Bei verfassungskonformer Auslegung hat das ersuchte Organ somit bei jedem Amtshilfefall nicht nur die Rechtmäßigkeit der gewünschten Datenverwendung durch das ersuchende Organ zu prüfen, sondern auch das Bestehen einer spezifischen gesetzlichen Ermächtigung iSd § 1 Abs. 2 DSG iVm Art 8 Abs. 2 EMRK als Grundlage der erwünschten Informationshilfe; erforderlichenfalls sind die erhöhten Anforderungen für die Verwendung sensibler Daten zu beachten (vgl. Duschanek in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, § 1 DSG Rz 57; Wiederin, Art 22 B-VG, Rz 46, 51, DSK 19.5.1993, 120.402).

 

Gesetzliche Verwendungsermächtigungen für sensible Daten gemäß § 1 Abs. 2 2. Satz DSG müssen nämlich darüber hinaus auch angemessene Geheimhaltungsgarantien vorsehen, die ebenfalls von Art 8 Abs. 4 Datenschutzrichtlinie verlangt werden. In Betracht kommen etwa spezifische Verwendungsbeschränkungen, auch Löschungsfristen oder Datensicherheits-vorkehrungen.

 

Soweit die Auftraggeber des öffentlichen Bereichs in Erfüllung der Verpflichtung zur Unterstützung des Nationalrates, des Bundesrates oder eines Landtages bei der Ausübung parlamentarischer Kontrolltätigkeit nach Art. 52 und 53 B–VG Daten zu übermitteln haben, müssten zur Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen im Bereich des Datenempfängers (hier: der Gesetzgebung) auch die entsprechenden gesetzlichen Normen geschaffen werden, die sicherstellen, dass die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen erfolgt. Gleichzeitig müssten angemessene (gesetzliche) Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festgelegt werden. Insbesondere wäre Vorsorge zu treffen, dass Betroffene, die durch die Datenverwendung einen Schaden erleiden auch dann diesen Schaden geltend machen können, selbst wenn dieser Schaden nicht durch einen rechtswidrigen, schuldhaften Akt der Vollziehung entstanden ist. Dies insbesondere im Hinblick auf aktuelle Anlassfälle, die Betroffene nachhaltig in ihren Rechten und ihrem Fortkommen schädigen könnten.

 

Darüber hinaus wird unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit angeführt, dass eine Übermittlung von personenbezogenen oder gar sensiblen Daten wie beispielsweise Angaben über den Gesundheitszustand oder das Religionsbekenntnis von Mitarbeitern udgl. im Wege des parlamentarischen Interpellationsrechts zu bedenklichen Konstellationen führen kann. Unter anderem deshalb, da schriftliche Anfragen iSd § 91 NRGO auf der Internetseite des Parlaments vollständig veröffentlicht werden und somit der datenschutzrechtliche Schutzmechanismus unterlaufen werden könnte. In einer Verhältnismäßigkeitsprüfung sollte deshalb eine alle Interessen berücksichtigende Regelung überlegt werden, inwieweit die Notwendigkeit besteht, dass immer in allen Fällen eine Verpflichtung besteht personenbezogene Daten im Zuge der parlamentarischen Kontrolltätigkeit zur Überprüfung der Vollziehung an die gesetzgebenden Körperschaften zu übermitteln.

 

Es ist sohin nochmals ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass jeder Eingriff einer staatlichen Behörde in den grundrechtlichen Geheimhaltungsanspruch einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage bedarf. Allein ein Anknüpfen an die Amtshilfe reicht aus den ausführlich dargelegten Gründen jedenfalls nicht aus, um die in der Novelle zum DSG beabsichtigte Vorlage von personenbezogenen, ja sogar „sensiblen Daten“ zu erwirken.

Die geplante DSG-Novelle ist somit nicht geeignet, die beabsichtigte Vorlage in verfassungskonformer Weise zu ermöglichen.

 

 

III. Art 52 bis 53 B-VG als gesetzliche Grundlage iSd § 1 Abs 2 DSG?

In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob die Art 52 bis 53 B-VG allenfalls ausreichende gesetzliche Grundlagen bzw. Eingriffsnormen im Sinne der Verfassungs­bestimmung des § 1 Abs. 2 DSG darstellen.

Dies ist aus nachstehenden Gründen jedenfalls zu verneinen:

 

Art 52 B-VG räumt dem Nationalrat und dem Bundesrat die Befugnis ein, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen sowie ihren Wünschen über die Ausübung der Vollziehung in Entschließungen Ausdruck zu geben.

Dieses Kontrollrecht beschränkt sich eindeutig auf die Geschäftstätigkeit der Bundesregierung und insoweit ist es mehr als fraglich, ob diese, zwar im öffentlichen Interesse gelegene Kontrolle der Vollziehung, tatsächlich im Sinne der oben bereits angeführten Verhältnismäßigkeitsprüfung die Übermittlung von (sensiblen) personenbezogenen Daten erforderlich macht. Das Bundesministerium für Inneres geht nicht davon aus, dass es Regelungsziel sein soll, durch die hier vorgeschlagenen Normen die Geheimhaltungsgarantien des Datenschutzgesetzes und des Art. 8 EMRK auszuhöhlen. Von einer Eingriffsnorm, die den Anforderungen des Art 8 EMRK entspricht, kann sohin jedenfalls nicht ausgegangen werden. Darüber hinaus trifft die allgemeine Kontrollbestimmung des Art 52 B-VG keinerlei angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen.

 

Art 53 B-VG ermöglicht dem Nationalrat die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, legt jedoch in seinem Absatz 2 explizit fest, dass die näheren Verfahrensbestimmungen durch das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates getroffen werden.

§ 33 GOG-NR verweist seinerseits wiederum auf die Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse, sodass weder in Art 53 B-VG noch in § 33 GOG-NR die notwendige gesetzliche Grundlage erkannt werden kann.

 

Dass weder Art 52, Art 53 B-VG noch § 33 GOG-NR eine ausreichende gesetzliche Grundlage für einen Eingriff in den grundrechtlich gewährleisteten Datenschutz darstellen, wird auch durch die Formulierungen bzw. den Aufbau der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-Untersuchungsausschuss) bestärkt.

 

So sieht etwa § 7 Abs. 1 Z 3 VO-UA ausdrücklich vor, dass die Aussage vor dem Untersuchungsausschuss verweigert werden darf in Bezug auf Tatsachen, über welche eine Person nicht würde aussagen können, ohne eine gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit zu verletzen, sofern sie von der Pflicht zur Geheimhaltung nicht gültig entbunden wurde oder sie als öffentlich Bediensteter gemäß § 6 (Amtsverschwiegenheit) zur Aussage verhalten wurde.

 

Die Wendung „sofern sie von der Pflicht zur Geheimhaltung nicht gültig entbunden wurde“ würde jeden Anwendungsbereich verlieren, würde man ernsthaft behaupten, dass bereits Art 52 bis 53 B-VG den Untersuchungsausschuss dazu legitimieren, sämtliche Unterlagen etc. uneingeschränkt einzusehen. Faktum ist vielmehr, dass Art 52 bis 53 B-VG nicht einmal geeignet sind, die Amtsverschwiegenheit in jedem Fall zu durchbrechen. Jede gegenteilige Auffassung würde zwangsläufig in Erklärungsnot geraten, warum die Dienstbehörde gemäß § 6 VO-UA die Vertraulichkeit von Informationen vor dem Untersuchungsausschuss begehren kann und die Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit diesfalls nur durch einen Zweidrittel-Beschluss des Untersuchungsausschusses aufgehoben werden kann.

Kommt die Zweidrittelmehrheit nicht zustande, würde gemäß § 6 iVm § 7 Abs. 1 Z 3 VO-UA die Amtsverschwiegenheit, die sich auf amtliche Wahrnehmungen bezieht, vor dem Untersuchungsausschuss weiterhin gelten, während das Datenschutzgesetz, das private personenbezogene und sensible Daten schützt, sohin Daten, die wohl nicht direkt der Geschäftstätigkeit der Bundesregierung unterliegen, bei Zugrundelegung der hier abgelehnten Auffassung bereits in jedem Fall aufgrund der Art 52 bis 53 B-VG nicht gelten  würde. Ein derartiger Wertungswiderspruch kann dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden. Diese Auffassung verkennt daher nicht nur die bezughabenden Rechtsgrundlagen, sondern auch deren Zusammenspiel und würde zudem – konsequent zu Ende gedacht - zum Ergebnis führen, dass für eine Entbindung gemäß § 7 VO-UA gar kein Anwendungsspielraum bliebe. Dass der Gesetzgeber Bestimmungen ohne tatsächlichen Anwendungsbereich erlässt, kann wohl nicht ernsthaft behauptet werden.

 

 

IV. Rechtsschutz

Insbesondere müsste eine wirksame Beschwerdemöglichkeit der Betroffenen bei Verletzungen der Rechte auf Geheimhaltung im Bereich der Gesetzgebung geschaffen werden, da die Datenschutzkommission (DSK) gemäß § 1  Abs. 5 iVm § 31 DSG 2000 nicht zur Entscheidung zuständig ist, soweit sich die Verwendung von Daten auf Akte der Gesetzgebung bezieht.

Für den Bereich der Untersuchungsausschüsse können dem Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) und der Verfahrensordnung für Parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA)  keine ausreichenden Datenverwendungsregelungen, die auch spezielle und angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen, entnommen werden.

 

V. Ergebnis

Im Ergebnis kann sohin festgehalten werden, dass jeder staatliche Eingriff in das Datenschutzrecht einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die den Anforderungen des Art 8 EMRK entspricht. Selbst die Bestimmung zur Amtshilfe ist nicht geeignet, von einer derartigen gesetzlichen, EMRK-konformen Grundlage abzusehen. Vielmehr kann die ersuchende Behörde im Rahmen eines Amtshilfeersuchens nur insoweit personenbezogene bzw. sensible Daten anfordern, als sie hiefür eine gesetzliche Grundlage hat. Bereits aus diesem Grund geht ein bloßer Verweis auf die Gleichstellung zur Amtshilfe fehl.

Eine gesetzliche Grundlage, die den Anforderungen des Art 8 EMRK entspricht, kann durch das nunmehrige Gesetzesvorhaben jedenfalls nicht verfassungskonform erreicht werden, sodass die angedachten Änderungen zum DSG bzw. vermeintlichen Ausnahmen vom grundrechtlichen Geheimhaltungsanspruch aus Rechtsschutzerwägungen mit Entschieden­heit abgelehnt werden müssen.

 

Gleichzeitig wird diese Stellungnahme dem Präsidium des Nationalrates in elektronischer Form übermittelt.

 

 

 

 

 

Für den Bundesminister:

 

Mag. Sabine Halbauer

 

 

elektronisch gefertigt