Bundeskanzleramt -  Verfassungsdienst

Ballhausplatz 2

1014 Wien

 

 

 

 

GZ: BMSK-15003/0005-I/6/2008

Wien, 09.05.2008

 

 

 

 

Betreff:  Datenschutz

Bundesgesetz, mit dem das Datenschutzgesetz 2000 geändert wird (DSG-Novelle 2008) Einladung zur Stellungnahme

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz nimmt mit Bezug auf das Schreiben vom 4. 3. 2008, GZ BKA-810.026/0002-V/3/2008, zum Entwurf einer DSG-Novelle 2008 wie folgt Stellung:

 

1. Zu Z 10 (§ 1):

 

Die Erweiterung der Ausnahme zur Verwendung personenbezogener Daten im lebenswichtigen Interesse nicht nur des Betroffenen, sondern von Personen generell im Abs. 2, ist kritisch zu betrachten. Da im Falle, dass durch die Verwendung der Daten Leben gerettet werden kann, wohl auch eine Interessensabwägung zu dem Ergebnis eines zulässigen Eingriffs in das Grundrecht führt, erscheint diese Erweiterung verzichtbar. Art 7 lit d der RL 95/46/EG geht im Übrigen ausschließlich von lebenswichtigen Interessen des Betroffenen aus.

 

Der Abs. 3 des § 1 kann wegen der gleichen, umfassender formulierten Bestimmungen in den § 26 („Auskunftsrecht“) und § 27 („Recht auf Richtigstellung oder Löschung“) ersatzlos gestrichen werden.

 

Der letzte Satz des Abs. 3 des § 1 ist insoweit unverständlich, als eine Einschränkung des Rechts auf Richtigstellung für niemanden sinnvoll ist.

 

Von der Gesetzessystematik her gehört Abs. 4 des § 1 in den Abschnitt 5, „Rechte des Betroffenen“.

 

Beide Anregungen sind im Hinblick auf den neuen Abs. 2 des § 4 des Entwurfs von Bedeutung.

 

2. Zu Z 16 (§ 4 Abs. 1 Z 4):

 

Es ist fraglich, ob nach Entfall des Begriffes „Standesregeln“ diese mit der neu vorgeschlagenen Formulierung ausreichend erfasst sind.

 

3. Zu Z 24 (§ 4 Abs. 2):

 

Während die Neuerungen bei den Definitionen in § 4 DSG – E notwendig sind und daher begrüßt werden, ist der neue Abs. 2 im Hinblick auf Verständlichkeit verbesserungsfähig. Materiellrechtliche Bestimmungen, wie die Art der Meldung von der Vorabkontrollpflicht unterliegenden Dateien, sollten jedenfalls am Ort der sonstigen Regelung (also zB. § 17 Abs 1a DSG-Entwurf) erfolgen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wäre die Einschränkung der Meldepflicht bei manuellen Dateien und die Möglichkeit ihrer nichtelektronischen Meldung somit besser im § 17 aufgehoben als im neuen Abs. 2 des § 4, zumal § 17 Abs. 1 zweiter Satz des Entwurfs dazu verleitet, eher zu melden als dies zu unterlassen, und so nach ha. Ansicht unnötige Meldungen manueller Dateien vermieden werden könnten. Übrigens dürfte ein Informationsverbund mit manuell geführten Dateien sehr unwahrscheinlich sein.

 

Schließlich enthält der vorgeschlagene § 18 keinen „Abs. 2“, sodass diese Wortfolge entfallen kann.

 

4. Zu Z 26, 27 und 30 (§ 8 Abs. 2 und 3 Z 2 und 5 , § 9):

 

Der Entwurf sieht vor, den 2. Satz des § 8 Abs. 2 entfallen zu lassen, da dies der Klarheit diene und das Widerspruchsrecht des § 28 DSG dadurch nicht eingeschränkt werde. Tatsächlich war die praktische Anwendung des § 28 DSG bisher nahezu nicht gegeben, so dass es auch aus Gründen der Publizität und der Klarheit notwendig wäre, sehr wohl den Hinweis auf § 28 DSG zu belassen oder andererseits bei § 28 DSG selbst darauf zu verweisen, dass dieses Recht auch bei der Verwendung zulässigerweise veröffentlichter Daten gelte. Der Wegfall dieses Satzes könnte nämlich dazu führen, dass gerade damit die Nichtanwendbarkeit des § 28 DSG argumentiert wird (arg: Wenn schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei der Verwendung zulässigerweise veröffentlichter Daten definitiv nicht verletzt werden, könnte es wohl auch keinen Rechtsschutz gegen solche Veröffentlichungen geben).

 

Zu § 8 Abs. 3 Z 2: Es handelt sich hier schlicht um Datenübermittlung (§ 4 Abs. 1 Z 12 DSG), in der Regel wohl auch um eine Änderung des Erhebungszwecks (§ 4 Abs. 1 Z 12, § 6 Abs. 1 DSG). Den Zugriff der Vertretungskörper nun einfachgesetzlich auf sensible und nicht-sensible Daten auszudehnen, ist trotz Verweis auf deren Kontrollrechte nicht unproblematisch, weil diese Rechte schon in der derzeitigen Form ausreichen (Art. 53 Abs. 3 B-VG: „Die Gerichte und alle anderen Behörden sind verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebungen Folge zu leisten; alle öffentlichen Ämter haben auf Verlangen ihre Akten vorzulegen.“), und weil die Praxis gezeigt hat, dass offenbar die Vertraulichkeit der Daten in den allgemeinen Vertretungskörpern bislang nicht ausreichend gewährleistet wurde. Auch scheint im Fall der Beantwortung parlamentarischer Anfragen fraglich, ob es tatsächlich im Belieben der anfragenden Abgeordneten stehen kann/soll, jegliche personenbezogenen Daten zu erfragen – denn der Hinweis in den Erläuternden Bemerkungen auf die „ersuchende parlamentarische Körperschaft“ als Kontrollinstanz, ist wohl nicht so zu verstehen, dass parlamentarische Anfragen künftig einer parlamentsinternen „Vorabkontrolle“ (etwa durch die Parlamentsdirektion) unterliegen sollen. Es wird daher den einzelnen anfragenden Abgeordneten obliegen, wie die Anfrage formuliert und welche personenbezogenen, ja auch sensiblen Daten, erfragt werden. Vor dem Hintergrund der Veröffentlichung der Anfragebeantwortungen scheint auch das bedenklich.

 

 

Zu §§ 8 Abs. 3 Z 5 und § 9 Z 9: Laut Entwurf sollen bei beiden Bestimmungen die Wortfolgen „…und die Daten rechtmäßig ermittelt wurden.“ entfallen. In den EB gibt es keine Begründung für diesen Wegfall. Aus Sicht des Konsumentenschutzes sollte diese Bedingung jedenfalls erhalten bleiben, da wohl nur rechtmäßig ermittelte Daten Grundlage der Geltendmachung von Rechtsansprüchen sein sollen.

 

5. Zu Z 34 (§ 15a):

 

Das BMSK begrüßt die verpflichtende Einführung eines Datenschutzbeauftragten, wobei es allerdings aus konsumentenpolitischer Sicht zu kurz gegriffen ist, wenn nur die Bestimmungen des DSG zu überwachen sind, die Überwachung datenschutzrechtlicher Bestimmungen anderer Gesetze aber, wie z.B. der Gewerbeordnung, nicht zu dessen Aufgaben gehören. Wie in Deutschland sollten daher jedenfalls Unternehmen, die automatisierte Verarbeitungen vornehmen, die einer Vorabkontrolle unterliegen oder personenbezogene Daten geschäftsmäßig zum Zweck der Übermittlung oder der anonymisierten Übermittlung automatisiert verarbeiten, unabhängig von der Anzahl der mit der automatisierten Verarbeitung beschäftigten Personen einen Datenschutzbeauftragten bestellen müssen.

 

In diesem Zusammenhang ist auch die Anknüpfung ausschließlich an die Mitarbeiterzahl des Betriebes zu kritisieren, weil nicht sachgerecht. Ganze Branchen, die viele kleine Filialen betreiben, wären damit aus dem Anwendungsbereich ausgenommen, wiewohl die MitarbeiterInnenzahl im Unternehmen insgesamt die Tätigkeit eines Datenschutzbeauftragten sehr wohl rechtfertigen würde. Sinnvoller wäre daher eine Kombination bei der Voraussetzung für die Bestellung, zB mehr 20 MitarbeiterInnen im Betrieb, jedenfalls aber wenn im Gesamtunternehmen mehr als 50 MitarbeiterInnen beschäftigt sind.

 

Darüber hinaus wird auf die Qualifikation des Datenschutzbeauftragten nur wenig Augenmerk gelegt: adäquate, den besonderen Umständen der Arten der Datenverarbeitung angepasste Fachkunde und Zuverlässigkeit wären zu fordern.

 

 

 

6. Zu Z 37 (§ 17 Abs. 1):

 

Die Novellierung sollte nicht ungenutzt bleiben,

 um klarere Bestimmungen zu formulieren. Bereits vor dem Klammerausdruck „Änderungsmeldung“ sollte es daher besser lauten: „Sofern sich nachträglich die in § 19 festgelegten Inhalte einer Datenanwendung ändern, ist der Auftraggeber zu einer Änderungsmeldung verpflichtet.“

 

7. Zu Z 38 (§ 17 Abs. 1a):

 

Es ist sehr fraglich, ob das Meldeverhalten von potentiellen Auftraggebern durch die verpflichtende Verwendung der Bürgerkarte gestärkt wird. Eher ist anzunehmen, dass es sich hier um einen Versuch der Forcierung der Verwendung derselben handelt, der jedoch im schlimmsten Fall zu einer Nichtbeachtung der Meldepflicht führen kann.

 

8. Zu Z 40 (§ 19):

 

Weil der neu formulierte § 18 keine Absätze enthält, kann im neu formulierten Teil des § 19 Abs. 1 Z 3a des Entwurfs die Wortfolge „Abs. 2“ des § 18 entfallen.

 

9. Zu Z 42 (§§ 20 bis 22):

 

Im § 21 Abs. 1 Z 1 des Entwurfs kann die funktionslose Wortfolge „ergeben hat“ entfallen.

 

10. Zu Z 44 (§ 26 Abs. 1):

 

Zwar ist es richtlinienkonform, dass die Auskunft über Empfänger oder Empfängerkreise informieren kann; allerdings sollte aus Gründen des Rechtsschutzes des Betroffenen grundsätzlich der Empfänger mitgeteilt werden müssen, außer der Auftraggeber weist ein überwiegendes Interesse nach, nur den Empfängerkreis zu melden.

 

11. Zu Z 47 (§ 26 Abs. 10):

 

Unklar ist der Einschub, „…soweit ihm dies nicht ohnehin bekannt ist,…“ im zweiten Satz des Absatzes, da ja nicht anzunehmen ist, dass der Auskunftswerber nach Daten fragt, die er schon kennt. Im schlimmsten Fall könnte daraus unnötigerweise eine Beweisfrage werden.

 

12. Zu Z 51 (§ 30 Abs. 2a):

 

„Sofern sich eine zulässige…“ statt „Sofern sich eine zulässigen…“

 

13. Zu Z 82 (§ 50a):

 

Allgemeines zu § 50a: Hier wird unter anderem gesetzlich festgelegt, dass ein Betroffener von einer Videoüberwachung im privaten Bereich schon deshalb nicht in schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen verletzt ist, weil „…bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, das überwachte Objekt könnte … der Ort eines gefährlichen Angriffs … werden.“ (Abs. 3 Z 5), wobei als derartige „Tatsache“ schon ein bloß höherer Wert der Sache gilt (Abs. 3 Z 5 lit. d und e). Diese Festlegungen erscheinen im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes in ihrer Allgemeinheit als ein nicht von vornherein unbedenklicher Eingriff in die Privatsphäre der überwachten Personen; insbesondere im Hinblick darauf, dass es sich hierbei auch um sensible Daten handeln kann.

 

Abs 1: Die fortlaufende Feststellung von Ereignissen, die ein bestimmtes Objekt betreffen, inkludiert auch die Tätigkeit von Detektiven mit dem Ziel eine Person zu beobachten. Sollte wirklich an eine derart weite Anwendung gedacht sein, spricht sich das BMSK insofern dagegen aus, als eine für solche Zwecke individuell angepasste Bestimmung dort geregelt werden sollte, wo die entsprechenden Ausübungsbefugnisse an sich geregelt sind, also der Gewerbeordnung. Videoüberwachung sollte im DSG-E nur im Hinblick auf statische Überwachung geregelt sein.

 

Abs. 3: Videoüberwachung stellt meist eine Abwägung des Schutzes von Gütern (seltener auch von Personen) im Verhältnis zum Schutz der Privatsphäre der BürgerInnen dar. Es stellt sich die Frage, wann der Schutz der Güter höherwertig ist als das Grundrecht auf Datenschutz. Die in § 50a Abs. 3 vorgenommenen Abwägungen können nur teilweise überzeugen. Insbesondere sind die in Absatz 3 Z 2, 4,5 und 7 vorgenommenen Wertungen, wann ein Betroffener nicht in seinen schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen verletzt ist, tlw. sehr weitgehend und unscharf.

In Z 2 wird davon ausgegangen, dass bestimmte Verhaltensweisen im öffentlichen Raum typischerweise darauf gerichtet sind, wahrgenommen zu werden. Dennoch kann nach unserem Verständnis daraus noch nicht eindeutig abgeleitet werden, dass der Betroffene somit „automatisch“ seine Zustimmung zu einer Videoüberwachung gibt. Die EB ziehen als Beispiel Auftritte bei Veranstaltungen heran: gerade Auftritte im Rahmen von Veranstaltungen passieren aber im Kreis der Veranstaltung und sind so gesehen nicht öffentlich.

Auch Z 4 überzeugt nicht. Die Tatsache, dass eine fremde Person die Handlung eines Anderen, der möglicherweise von der Beobachtung gar keine Kenntnis hat, über längere Zeit überwacht, ist an sich ein Eingriff in das Grundrecht, auch wenn keine weitere Verarbeitung stattfindet.

Z 5 lit. d sollte deutlicher gestaltet werden, damit klar ist, dass auf Grund dieser Bestimmung nicht jedes kleine Kaufhaus die Berechtigung zum Aufstellen von Videokameras hat, sondern dass es um bedeutende Einzelobjekte geht.

Z7 sollte überhaupt gestrichen werden, da die Bestimmung nahe legt, jeder könne sozusagen auf Verdacht hin (wenn er auch konkretisiert sein muss…) eine Videoüberwachung installieren. Insbesondere i. Z. m. den §§ 8 Abs. 3 Z5 und § 9 Z9 DSG-Entwurf, die ja die Verwertbarkeit von Dateien unabhängig von deren rechtmäßiger Ermittlung vorsehen, werden hier die Möglichkeiten zur privaten Überwachung bei weitem zu sehr ausgedehnt.

 

Abs 4: Fraglich ist, ob die Bestimmungen zur Videoüberwachung im DSG – Entwurf überhaupt auf Behörden anwendbar sein sollen. Der Eingriff durch staatliche Überwachung sollte dort geregelt sein, wo zwingende Gründe dies unausweichlich erscheinen lassen. Mit der Normierung in den entsprechenden Verwaltungsgesetzen wäre mehr Rechtsklarheit geschaffen.

Was den höchstpersönlichen Bereich betrifft, der nicht der Videoüberwachung nach Abs 3 Z 4-7 unterliegen soll, wäre eine Klarstellung bzw. eine indikative Liste im Gesetzestext selbst sinnvoll.

 

Abs. 5: Auch hier erscheinen die Befugnisse recht weitgehend und einer „Vernaderung“ Tür und Tor geöffnet. Will man die Tätigkeit allzu eifriger BürgerInnen hintanhalten, wird man wohl diese Weiterleitung noch einschränken müssen, so dass Bagatelldelikte davon jedenfalls nicht erfasst sein sollten (z.B. Zeitungsdiebstahl am Sonntag). Fraglich ist auch, ob eine derart weit gefasste Bestimmung noch Art 6 Abs. 1 lit. b der RL RL 95/46/EG Genüge tut.

 

14. Zu Z 82 (§ 50d Abs. 2):

 

Eine Ausnahme zur Kennzeichnungspflicht der Videoüberwachung wird grundsätzlich abgelehnt.

 

15. Zu Z 82 (§ 50e):

 

Die Auskunft und Einsichtnahme ist kostenlos zu erteilen; höchstens kann die Verpflichtung des Betroffenen bestehen, die notwendigen Kosten eines Datenträgers bezahlen zu müssen.

 

16. Zum Fragenkreis „Datenschutzgütesiegel“:

 

Zur Frage nach dem Sinn eines Datenschutzgütesiegels äußert sich das BMSK eher vorsichtig: Zweifellos könnte ein unter strengen Kriterien vergebenes und laufend geprüftes Datenschutzgütesiegel den KonsumentInnen zusätzliche Sicherheit beim Konsum geben. Gleichzeitig sehen wir aber eine wahre Flut von mehr oder weniger extern geprüften Gütesiegeln, die letztendlich eher zu einer Verwirrung der KundInnen beitragen.

 

Die Etablierung eines Gütesiegels fordert daher nicht nur im Hinblick auf den erstmaligen und laufenden Prüfungsaufwand, sondern auch im Hinblick auf die Verbreitung und Werbung hohe Kosten.

 

17. Zum Vorblatt:

 

Seite 2 letzter Absatz erste Zeile: „Anwesenheit“ statt „Abwesenheit“.

 

18. Zu den Erläuterungen – Allgemeiner Teil:

 

Finanzielle Auswirkungen, vorletzter Absatz, vorletzte Zeile: „Verwaltungslasten“ statt „Veraltungslasten“.

 

 

Eine Ausfertigung dieser Stellungnahme wird unter einem dem Präsidium des Nationalrates übermittelt.

 

 

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für den Bundesminister:

 

Dr. Helmut Walla

 

 

Elektronisch gefertigt.