GZ.:

XII/21184

Fristvermerk:

 

Anschrift:

An das
Bundeskanzleramt
Verfassungsdienst
Ballhausplatz 2
1014 Wien

Singerstraße 17-19, 1011 Wien
Tel.: +43-1-514 39/221
Fax: +43-1-514 39/512
Robert.Steiner@bmf.gv.at
www.finanzprokuratur.at

 

Datum:                          

Wien, am 21. Mai 2008

Betreff:

DSG-Novelle 2008

Beilagen:

 

Anrede

Sehr geehrte Damen und Herren!

Texteingabe:

Zu dem der Prokuratur mit Schreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 4. März 2008 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz personenbezogener Daten geändert wird (DSG-Novelle 2008) erstattet die Finanzprokuratur nachstehende

 

S t e l l u n g n a h m e :

 

Der Entwurf sieht unter den Z 27 und 30 vor, dass die Bestimmungen des DSG 2000 über die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nicht-sensibler und sensibler Daten (§§ 8 und 9 DSG 2000) in den Ausnahmekatalogen dahingehend ergänzt werden, dass eine Verletzung solcher Interessen auch dann nicht vorliegt, wenn die Verwendung der Daten „zur Unterstützung des Nationalrates, des Bundesrates oder eines Landtages bei der Ausübung parlamentarischer Kontrolltätigkeit nach Art. 52 bis 53 B-VG oder entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen geschieht.“.

 

Die Prokuratur hegt gegen diese Regelung folgende rechtliche Bedenken:

 

Beschränkungen des Grundrechtes auf Datenschutz zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen sind im hoheitlichen Tätigkeitsbereich des Staates aufgrund der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 2 DSG 2000 nur aufgrund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind, und  - im Fall der Verwendung sensibler Daten - darüber hinaus die Verfolgung wichtiger öffentlicher Interessen zur Voraussetzung haben und angemessene Garantien für den Schutz Betroffener vorsehen. Auch im Fall zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden. Das Grundrecht auf Datenschutz bindet daher in diesem Sinn auch den Gesetzgeber.

 

Es stellt sich demnach die Frage, ob die in der Novelle vorgesehenen Ausnahmen zugunsten der dort genannten Kontrollorgane zulässige Eingriffsgründe iSd § 1 Abs 2 DSG 2000 darstellen.  Den Erläuterungen zu Z 27 und 30 zufolge, dient die Regelung der Klarstellung; Abwägungen über die Zulässigkeit des vorgesehenen Eingriffs sind den Erläuterungen nicht zu entnehmen. 

 

Nach Ansicht der Prokuratur ist die Frage der Zulässigkeit des vorgesehenen Eingriffs in den Datenschutz   aus folgenden Gründen zu verneinen:

 

Nach Art 8 Abs 2  EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Nach dem Entwurf dient der Eingriff der parlamentarischen Kontrolltätigkeit nach Art 52 bis 53 B-VG und der Kontrolltätigkeit des Landtages nach den entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen.  Diese Kontrolltätigkeit erstreckt sich auf die Geschäftsführung der Bundes- bzw. Landesregierung und ihre Mitglieder.  Wieso es in diesem Zusammenhang der Preisgabe von Daten – sogar sensibler – sonstiger Betroffener bedarf, ist nicht ersichtlich.

 

Insoweit im Entwurf eine Parallele zum Eingriffstatbestand der Amtshilfe hergestellt wird, so trifft dieser Vergleich insofern nicht zu, als Art 22 B-VG noch keine ausreichenden Rechtsgrundlage für eine Datenübermittlung darstellt, sondern es hiefür ebenfalls noch einer gesetzlichen Grundlage iSd § 1 Abs 2 DSG bedarf (vgl zB § 26 StPO; § 56 SPG; § 158 BAO). 

 

Darüber hinaus kann dem Entwurf nicht entnommen werden, wodurch die angemessenen Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen iSd § 1 Abs 2 DSG 2000 gewährleistet sind. Art 52f BV-G stellen diesen Schutz ebenso wenig sicher, wie die Geschäftsordnung des Nationalrats.

 

Die Prokuratur muss daher von der vorgesehenen Ausweitung des Eingriffsrechtes abraten.

 

 

Mit vorzüglicher Hochachtung
Im Auftrag:

(Dr. R Steiner)

GZ.:

XII/21184

Fristvermerk:

 

Anschrift:

An das
Bundeskanzleramt
Verfassungsdienst
Ballhausplatz 2
1014 Wien

Singerstraße 17-19, 1011 Wien
Tel.: +43-1-514 39/221
Fax: +43-1-514 39/512
Robert.Steiner@bmf.gv.at
www.finanzprokuratur.at

 

Datum:                          

Wien, am 21. Mai 2008

Betreff:

DSG-Novelle 2008

Beilagen:

 

Anrede

Sehr geehrte Damen und Herren!

Texteingabe:

Zu dem der Prokuratur mit Schreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 4. März 2008 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz personenbezogener Daten geändert wird (DSG-Novelle 2008) erstattet die Finanzprokuratur nachstehende

 

S t e l l u n g n a h m e :

 

Der Entwurf sieht unter den Z 27 und 30 vor, dass die Bestimmungen des DSG 2000 über die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nicht-sensibler und sensibler Daten (§§ 8 und 9 DSG 2000) in den Ausnahmekatalogen dahingehend ergänzt werden, dass eine Verletzung solcher Interessen auch dann nicht vorliegt, wenn die Verwendung der Daten „zur Unterstützung des Nationalrates, des Bundesrates oder eines Landtages bei der Ausübung parlamentarischer Kontrolltätigkeit nach Art. 52 bis 53 B-VG oder entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen geschieht.“.

 

Die Prokuratur hegt gegen diese Regelung folgende rechtliche Bedenken:

 

Beschränkungen des Grundrechtes auf Datenschutz zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen sind im hoheitlichen Tätigkeitsbereich des Staates aufgrund der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 2 DSG 2000 nur aufgrund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind, und  - im Fall der Verwendung sensibler Daten - darüber hinaus die Verfolgung wichtiger öffentlicher Interessen zur Voraussetzung haben und angemessene Garantien für den Schutz Betroffener vorsehen. Auch im Fall zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden. Das Grundrecht auf Datenschutz bindet daher in diesem Sinn auch den Gesetzgeber.

 

Es stellt sich demnach die Frage, ob die in der Novelle vorgesehenen Ausnahmen zugunsten der dort genannten Kontrollorgane zulässige Eingriffsgründe iSd § 1 Abs 2 DSG 2000 darstellen.  Den Erläuterungen zu Z 27 und 30 zufolge, dient die Regelung der Klarstellung; Abwägungen über ihre Zulässigkeit sind den Erläuterungen nicht zu entnehmen. 

 

Nach Ansicht der Prokuratur ist die Frage der Zulässigkeit des vorgesehenen Eingriffs in den Datenschutz  aus folgenden Gründen zu verneinen:

 

Nach Art 8 Abs 2  EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Nach dem Entwurf dient der Eingriff der parlamentarischen Kontrolltätigkeit nach Art 52 bis 53 B-VG und der Kontrolltätigkeit des Landtages nach den entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen.  Diese Kontrolltätigkeit erstreckt sich auf die Geschäftsführung der Bundes- bzw. Landesregierung und ihre Mitglieder.  Wieso es in diesem Zusammenhang der Preisgabe von Daten – sogar auch sensibler – sonstiger Betroffener bedarf, ist nicht ersichtlich.

 

Insoweit im Entwurf eine Parallele zum Eingriffstatbestand der Amtshilfe hergestellt wird, so trifft dieser Vergleich insofern nicht zu, als Art 22 B-VG noch keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine Datenübermittlung darstellt, sondern es hiefür ebenfalls noch einer gesetzlichen Grundlage iSd § 1 Abs 2 DSG 2000 bedarf (vgl zB § 26 StPO; § 56 SPG; § 158 BAO). 

 

Darüber hinaus kann dem Entwurf nicht entnommen werden, wodurch die angemessenen Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen iSd § 1 Abs 2 DSG 2000 gewährleistet sind. Art 52f BV-G stellen diesen Schutz ebenso wenig sicher, wie die Geschäftsordnung des Nationalrats.

 

Nach Ansicht der Prokuratur ist daher die vorgesehene Ausweitung des Eingriffsrechtes unzulässig, weshalb vor einer derartigen legistischen Maßnahme abgeraten wird.

 

Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass in Z 30 bei § 9 Z 4 des Entwurfes die Ziffer „2.“ zu entfallen hätte.

 

Die Stellungnahme wird unter einem auch dem Präsidium des Nationalrates auf elektronischem Wege übermittelt.

 

 

Mit vorzüglicher Hochachtung
Im Auftrag:

(Dr. R Steiner)