GZ:  BMSK-40101/0013-IV/9/2008

 

 

S t e l l u n g n a h m e

 

zum Entwurf einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG

zwischen dem Bund und den Ländern über eine

bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung

 

 

 

Grundsätzliches:

 

Im Lichte des Art. 18 Abs. 1 B-VG, nämlich dem darin normierten Legalitätsprinzip, sind gegen die vorliegende Vereinbarung grundsätzliche verfassungsmäßige Bedenken anzumelden. In concreto ist die vorliegende Vereinbarung gem. Art. 15a B-VG dahingehend kritisch zu betrachten, als die vom Verfassungsgerichtshof geforderte finale Programmierung bzw. das entsprechende Bestimmtheitsgebot von Gesetzen nicht abschließend berücksichtigt wurde.

 

Da das vorliegende Regelungswerk auch keine konkreten Verfahrensvorschriften determiniert, können die vorliegenden materiellen Defizite auch nicht – wie von der Judikatur des VfGH gefordert – durch die entsprechende Bindung an Verfahrensvorschriften saniert werden.

 

Es besteht daher die immanente Gefahr, daß auf Basis des Art. 18 B-VG das vorliegende Regelungswerk einer näheren verfassungsgesetzlichen Überprüfung nicht stand hält.

 

 

Allgemeines:

 

Positiv zu vermerken ist, daß mit der gegenständlichen Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung kein bedingungsloses Grundeinkommen sichergestellt werden soll. Vielmehr werden die Leistungen nach                   Art. 10 bis 12 bei arbeitsfähigen Personen von der Bereitschaft zum Einsatz ihrer Arbeitskraft abhängig gemacht. Generell anzumerken ist jedoch, daß insbesondere bei dieser Bedingung der Bereitschaft zum Einsatz der Arbeitskraft, als auch bei den Bestimmungen über die Kürzung von Leistungen, den Ersatz von Leistungen und Rückerstattungspflichten zu großzügig und global vorgegangen wurde, im besonderen fehlen abschreckende Maßnahmen oder ernsthafte Sanktionen für Mißbrauchsfälle.

 

Positiv zu bewerten ist auch, daß der vorliegende Entwurf ländergleiche fixe Mindest-standards vorsieht. Positiv zu beurteilen ist ferner, daß der Ausgangswert für diese Mindest-standards nicht nur für Alleinstehende, sondern auch für AlleinerzieherInnen festgesetzt wurde, womit der besonderen Armutsgefährdung gerade von AlleinerzieherInnen, wenn auch in bescheidenem Ausmaß, Rechnung getragen wird. Allerdings werden den Ländern in der Umsetzung und der Gestaltung, auch in verfahrensrechtlicher Sicht, nicht unbeträchtliche Spielräume offengelassen. Eine nähere Vereinheitlichungsdefinition wäre wünschenswert, um nicht – analog beispielsweise den Bauordnungen – neun verschiedenen Länderrechten auch im Bereich der Mindestsicherung Tür und Tor zu öffnen.

 

Auch wäre sinnvollerweise anzudenken gewesen, das Instrumentarium der Legalzession für Übertragung von Ansprüchen betreffend von Dritten zu erbringenden Leistungen bereits festzuschreiben. Der diesbezüglichen Argumentation in den erläuternden Bemerkungen, daß mit einer allfälligen Rechtsverfolgung im Einzelfall behutsam umzugehen sei, um familiärer (außerhäuslicher) Gewalt nicht Vorschub zu leisten, erscheint nicht überzeugend. Es wäre hier eine Regelung allenfalls analog den Bestimmungen des Unterhaltsvorschußgesetzes anzudenken.

 

Zu den Bestimmungen im einzelnen:

 

Zu Artikel 1 2.Satz:

 

So erfreulich und gut klingend die Absichtserklärung des Inhaltes ist, daß die Bedarfs-orientierte Mindestsicherung eine dauerhafte (Wieder-)Eingliederung ihrer BezieherInnen in das Erwerbsleben weitest möglich fördern soll, ist dieser Satz an dieser Stelle in dieser Form meinem Dafürhalten nach unpassend, dies schon mit Rücksicht darauf, daß nicht nur arbeitssuchende Personen in den Genuß der Bestimmungen der Bedarfsorientierten Mindest-sicherung gelangen sollen, sondern der Maßnahmenkatalog insbesondere im Bereich des               2. Abschnittes (Verpflichtungen des Bundes) auch Bestimmungen über bspw. eine Bedarfs-orientierte Mindestsicherung für BezieherInnen einer Pension enthält. Die im 2. Satz des  Abs. 3 des Art. 2 dargelegten Ausführungen erscheinen ausreichend.

 

Zu Artikel 2 Abs. 1 2.Satz:

 

Hier wird angemerkt, daß die Formulierung „Dies hat im Rahmen von Rechtsansprüchen zu erfolgen …“ nicht besonders glücklich gewählt ist. Vorgeschlagen wird hier die Formulierung „Soweit in dieser Vereinbarung nicht Anderes bestimmt ist, besteht bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf die Bedarfsorientierte Mindestsicherung“.

 

Zu Artikel 2 Abs. 2:

 

Zu der hier vorgesehenen Formulierung „… sollen die Leistungen daher wie bisher vom Fehlen …“ ist anzumerken, daß der Passus „wie bisher“ unpassend ist und daher zu entfallen hätte.

 

Zu Artikel 4 Abs. 1:

 

Zu diesem Absatz wird vorgeschlagen, nicht nur einen Vorbehalt hinsichtlich des Abs. 3, sondern auch hinsichtlich des Abs. 4 einzubauen.

 

Zu Artikel 4 Abs. 3 Z. 3 wäre zur Vermeidung von Mißverständnissen eine Formulierung hinsichtlich der Familienangehörigen zu wählen, welche eindeutig sich nicht nur auf Schweizer Staatsangehörige, sondern auch auf EU-/EWR-BürgerInnen bezieht.

 

Zu Artikel 11 Abs. 1:

 

Gemäß dieser Bestimmung sollen die Länder zusätzliche Leistungen zumindest auf Grund-lage des Privatrechtes gewährleisten, wenn mit den Mindeststandards nach Art. 10 der angemessene Unterkunftsbedarf nicht vollständig gedeckt werden kann. Zur Frage der angemessenen Wohnkosten (Art. 3 Abs. 2) ist auszuführen, daß es sich hier um nach dem vorliegenden Entwurf nicht zu unterschreitende Mindeststandards handelt. Wenn also in der gegenständlichen Bestimmung für den Fall, als der angemessene Unterkunftsbedarf nicht vollständig mit den Mindeststandards nach Art. 10 gedeckt werden kann, zusätzliche Leistungen normiert werden, sollten den Ländern auch Möglichkeiten für eine Kürzung (also Unterschreitung) für den Fall eingeräumt werden, als der angemessene Unterkunftsbedarf in Natura gedeckt ist, weil bspw. ein Eigenheim genutzt wird oder von dritter Seite eine Wohnung zur Verfügung gestellt wird. Derartige Reduktionsmöglichkeiten müßten im Hinblick darauf, daß es sich gegenständlichenfalls um eine grundsätzlich von allen Ländern einzuhaltende Mindestsicherung handelt, aufgenommen werden.

 

Zu Artikel 11 Abs. 2:

 

Bedauerlicherweise ist es eine Erfahrungstatsache, daß das Unwesen der sog. „Mietnomaden“ nicht unbeträchtlich überhand nimmt. Die Vermieter haben in derartigen Situationen kaum Möglichkeiten, die von derartigen Mietern nicht bezahlten Mietzinse je einbringlich zu machen (was auch einen entsprechenden Verlust an Umsatzsteuer mit sich bringt). Es wäre daher jedesfalls sinnvoll, die Auszahlungen der Leistungen zur Deckung des Unterhalts-bedarfs an Dritte nicht nur davon abhängig zu machen, daß eine drohende Delogierung verhindert wird oder sonst eine den Zielen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung dienende Deckung des Unterkunftsbedarfs besser erreicht werden kann, vielmehr sollte dem „Dritten“, also Vermieter, das Recht eingeräumt werden, eine direkte Zahlung zu verlangen.

 

Zu Artikel 13 Abs. 2:

 

Zu dieser Bestimmung wird auf die eingangs unter „Allgemeines“ gemachten Ausführungen verwiesen. Die hier vorgesehene „Kann“-Bestimmung der Übertragung der Ansprüche zur Rechtsverfolgung an den zuständigen Träger sollte – auch zur Verhinderung von allfälligen Malversationen – auf ein Recht der Übertragung an den zuständigen Träger ausgedehnt werden.

 

Zu Artikel 13 Abs. 5:

 

Hier ist vorgesehen, daß von der Verwertung von unbeweglichem Vermögen vorerst abzusehen ist, wenn dieses der Deckung des unmittelbaren Wohnbedarfs der Person, die Leistungen nach den Art. 10 bis 12 geltend macht, dient. Es sollte hier allerdings eine Einschränkung dahingehend vorgenommen werden, daß nur dann von der Verwertung von unbeweglichem Vermögen abzusehen ist, wenn dieses der Deckung des unmittelbar angemessenen Wohnbedarfs dient. Eine derartige Einschränkung erscheint insofern zielführend, als bei unbeweglichem Vermögen, welches über den angemessenen Wohnbedarf hinaus verwendet wird, die Erzielung von Einkünften durch bspw. Vermietung oder Unter-vermietung releviert werden könnte.

 

Zu Artikel 14 Abs. 4:

 

Es ist absolut abzulehnen, Personen, bei denen keine Bereitschaft zu einem zumutbaren Einsatz der Arbeitskraft besteht, zulasten der Allgemeinheit auch nur mit 50 % der vorgesehenen Pauschalmindestsicherung zu unterstützen. Bei derartigen Personen wird auch die vorherige schriftliche Ermahnung verlorene Liebesmühe sein. In solchen Fällen wäre lediglich Vorsorge dafür zu treffen, daß dem/der Arbeitsunwilligen nach Art. 4 Abs. 2 zugehörigen Personen keine Beeinträchtigung entsteht. An dieser Stelle sei auch angemerkt, daß der vorliegende Entwurf keinerlei oder zumindest nicht ausreichende Bestimmungen darüber enthält, wie und in welcher Form gegen jene vorzugehen ist, welche durch sog. „Schwarzarbeit“ ihre Lebensbedürfnisse – zumeist sehr ausreichend – abdecken und dennoch die vorgesehene Mindestsicherung beziehen. Abgesehen von notorischen „Faulpelzen“ werden derartige „Schwarzarbeiter“ üblicherweise keine Bereitschaft zu einem zumutbaren ordnungsgemäßen Einsatz ihrer Arbeitskraft zeigen. Pönalebestimmungen betreffend                 sog. „Schwarzarbeiter“ könnten sinnvollerweise im Rahmen der Bestimmungen des Art. 15 statuiert werden.

 

Zu Artikel 15 Abs. 1:

 

Mit dieser Bestimmung wird eine Ersatzfähigkeit von Vermögen, welches vom jeweiligen Bezieher später aus eigener Erwerbstätigkeit erwirtschaftet wurde, ausgeschlossen. In dieser generellen Form sollte allerdings nicht ein Verzicht auf Ersatzleistungen vorgesehen werden, sondern hier adäquate Grenzen eingesetzt werden. Es erschiene nicht unbillig, wenn bspw. ein schließlich aus eigener Erwerbstätigkeit zu einem Millionenvermögen gelangter ehemaliger Bezieher einer Mindestsicherung hier in adäquater Form zu einem Rückersatz verpflichtet wird.

 

Zu Artikel 15 Abs. 3 Z. 3:

 

Diese Bestimmung sieht vor, daß Ersatz für Leistungen nach Abs. 2 von Personen, denen (frühere) BezieherInnen von Leistungen ein Vermögen ohne adäquate Gegenleistung übertragen haben, nicht verlangt werden kann. Die Sinnhaftigkeit dieser Bestimmung ist nicht nachvollziehbar. Die Übertragung eines Vermögens „ohne adäquate Gegenleistung“ ist wohl als Schenkung zu qualifizieren. Derartige Schenkungen sanktionsfrei zu akzeptieren, erscheint nicht vertretbar.

 

Zu Artikel 15 Abs. 4:

 

Die hier enthaltenen Verjährungsbestimmungen bedürfen zur Wahrung der Rechtssicherheit einer näheren Ausführung zumindest dahingehend, daß die im Abs. 1 genannten Rückerstattungspflichten – insbesondere wegen Erschleichung, bewußter Verheimlichung von Einkommen oder Vermögen oder Verletzung von Anzeigepflichten – nicht der hier normierten absoluten Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegen.

 

Zu Artikel 17:

 

Die im Abs. 2 hier vorgesehenen Clearinggutachten in strittigen Fällen sind wohl begrüßens-wert, es fragt sich jedoch, ob derartige Gutachten, welche neben einer arbeitsmedizinischen Abklärung auch eine ganzheitliche Beurteilung des Status der betreffenden Person durch Perspektivenabklärung, Erhebung einer Kompetenzbilanz sowie eine Sozialanamnese verlangen, also doch einige Zeit in Anspruch nehmen werden, die im Art. 16 Abs. 2 Z. 3 lit. b vorgesehene Entscheidungspflicht innerhalb von höchstens drei Monaten umsetzbar erscheinen lassen.

 

 

Wien, am 6.5.2008                                                               Dr. Hildegard Hartung

      Rechtsanwältin

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         ELEONORE HAUER-RONA, Vorsitzende

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