Amt der Wiener Landesregierung

 

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MD-VD - 692-1/08                                                            Wien, 13. Mai 2008

Entwurf einer Vereinbarung gemäß

Art. 15a B-VG zwischen dem Bund

und den Ländern über eine bundes-

weite Bedarfsorientierte Mindest-

sicherung;

Begutachtung;

Stellungnahme

 

zu BMSK-40101/0013-IV/9/2008

 

 

An das

Bundesministerium für Soziales

und Konsumentenschutz

 

 

Zu dem mit Schreiben vom 16. April 2008 übermittelten Entwurf einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:

 

Wien begrüßt die Einführung einer Bedarfsorientierten Mindestsicherung zur Harmonisierung der Systeme der sozialen Absicherung der Menschen und zur verstärkten, wirksamen Armutsbekämpfung. Allerdings ist festzuhalten, dass der vorliegende Entwurf, insbesondere im Bereich der Erläuterungen, nicht in allen Punkten dem Verhandlungsergebnis entspricht und daher in dieser Form nicht akzeptiert werden kann. Das Land Wien geht daher davon aus, dass die vorliegende Stellungnahme entsprechenden Niederschlag findet.

 

Zu Art. 2 Abs. 4 Satz 3:

 

Weder aus der Bestimmung selbst, noch aus den Erläuternden Bemerkungen geht hervor, in welcher Form und auf welche Dauer dieses Verschlechterungsverbot gelten soll und was mit dem Begriff „haushaltsbezogene Leistungsniveau“ gemeint ist. Es muss jedenfalls - nicht nur in den Erläuterungen - ausgeschlossen sein, dass im Einzelfall komplizierte Vergleichsberechungen angestellt werden müssen.

 

Zu Art. 4:

 

Bezüglich der subsidiär Schutzberechtigten und der Asylberechtigten wird auf das geltende EU-Recht verwiesen (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlose als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes). Die Erläuterungen wären ebenso anzupassen, da EU-rechtliche Vorschriften es den Ländern nicht unbenommen lassen, Asylberechtigten ab Zuerkennung ihrer Flüchtlingseigenschaft einen Rechtsanspruch einzuräumen.

 

Zu Art. 8 Abs. 2:

 

Die Wortfolge „orientiert sich an“ sollte ersetzt werden durch den Begriff „entspricht“.

 


Zu Art. 13 Abs. 4:

 

Der Begriff „insbesondere“ sollte entfallen, da eine taxative Aufzählung ausreichend erscheint und ein zu umfangreicher Verfahrensaufwand vermieden werden soll.

 

Zu Art. 14 Abs. 1:

 

Die Wortfolge „auch wenn es sich um nach Art. 4 Abs. 2 zugehörige Personen handelt“ sollte entfallen, da Art. 14 Abs. 1 in der vorliegenden Form schwer verständlich ist.

 

Zu Art. 15 Abs. 1:

 

Zur Wortfolge „wenn ein solches Vermögen nach Art. 13 Abs. 5 sichergestellt wurde“ wird bemerkt, dass nicht das Vermögen, sondern nur eine Forderung sichergestellt werden kann (z. B. durch ein Pfandrecht). Beim Ersatzanspruch gegen die Erben ist zwischen zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden: Wird gegen den Bezieher oder die Bezieherinnen noch zu Lebzeiten ein Bescheid auf Ersatz erlassen, so gehen diese Verbindlichkeiten im Wege der Universalsukzession auf die Erben über. Die Haftung der Erben hängt davon ab, ob sie eine bedingte oder unbedingte Erbserklärung abgeben. Nach dem Tod des Beziehers oder der Bezieherin kann ein Bescheid auf Ersatz gegen die Erben nur dann erlassen werden, wenn es eine gesetzliche Grundlage dafür gibt. Die Haftung der Erben muss in diesem Fall mit der Höhe des Wertes des Nachlasses gesetzlich beschränkt werden. Es wird ersucht, die Regelung des § 26 Abs. 4 Satz 2, 3 und 4 WSHG zu übernehmen. Für eine Haftung kommen grundsätzlich nur die Erben des Bescheidadressaten in Betracht. Ein Ersatz von Erben der miteinbezogenen Personen ist nicht möglich. Auch dies sollte - zumindest in den Erläuterungen - klargestellt werden.

 

Zu Art. 16 Abs. 2:

 

Es wird bezweifelt, ob die in den entsprechenden Landesgesetzen vorzusehenden Sonderregelungen zur Regelung des Gegenstandes im Sinne des Art. 11 Abs. 2 B-VG unbedingt erforderlich und daher zulässig sind. Um einer allfälligen Prüfung der entsprechenden Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof standzuhalten, müssten die entsprechenden - vom AVG abweichenden Regelungen - nämlich „unerlässlich“ sein (vgl. VfSlg. 8945).

 

Zu Art. 18:

 

Da für die Umsetzung der erforderlichen landesgesetzlichen Bestimmungen betreffend den Datenschutz die Möglichkeit einer Verknüpfungsanfrage für die Länder eine unabdingbare Voraussetzung darstellt, wird deren Einräumung durch den Bund - allenfalls im Meldegesetz 1991 oder in einem anderen Bundesgesetz - begrüßt.

 

Zu Art. 19 Abs. 2 und 4:

 

Obwohl bei den Beiratsmitgliedern offensichtlich an Frauen und Männer gedacht ist, bedarf es erfahrungsgemäß doch einer Quotenregelung um eine ausreichende Repräsentanz von Frauen und damit der Anliegen und Bedürfnisse von Frauen hinsichtlich der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu gewährleisten, was auch nach den Erläuterungen stets besondere Beachtung finden muss. Es soll daher vorgesehen werden, dass dort, wo mehrere Mitglieder von einer Dienststelle oder Einrichtung zu entsenden sind, Geschlechterparität zu beachten ist und dort, wo nur ein Mitglied entsandt wird, bei einer Nachbesetzung eine Person des bisher nicht zum Zug gekommenen Geschlechts entsendet wird oder bei einer hier nicht angesprochenen aber wohl sinnvollen Vertretungsregelung jeweils das Mitglied und dessen Vertretung verschiedenen Geschlechtern angehören müssen.

 

Zu Art. 21:

 

Um sicherzustellen, dass der Begriff „Nettozusatzkosten der Länder“ den gesamten Unterschiedsbetrag zwischen bisher geleisteter Sozialhilfe und künftig zu leistender Mindestsicherung beinhaltet, sollte im Rahmen dieser Vereinbarung folgende Definition erfolgen:

„Nettozusatzkosten: Anteil am gesamten durch die Umsetzung dieser Vereinbarung für die Gebietskörperschaften verursachten zusätzlichen finanziellen Aufwand, der gemäß Art. 20 leg. cit. durch die Länder zu tragen ist.“

 

Zu den Erläuterungen:

 

In den finanziellen Erläuterungen führt der Bund seine Kosten für die Erhöhung der Ausgleichszulagenrichtsätze für die Jahre 2007 und 2008 in der Höhe von ca. 91 Mio. Euro an (im Vorblatt und auf Seite 4). Es ist nicht nachzuvollziehen, warum der Bund Kosten anführt, die ihm erwachsen, bevor die bedarfsorientierte Mindestsicherung überhaupt in Kraft getreten ist und dabei gleich für zwei aufeinander folgende Jahre. Dieser Aufwand ist vergleichbar mit den Kosten, die den Ländern durch die Anpassung ihrer Sozialhilfe an die Ausgleichszulagenrichtsätze in 2007 und 2008 entstanden sind. Wenn der Bund darauf besteht, diesen Posten in dieser Form zu belassen, müssten auch die Länder ihre angefallenen Kosten der Jahre 2007 und 2008 anführen.

 

Die Einbeziehung der nicht krankenversicherten SozialhilfeempfängerInnen in die gesetzliche Krankenversicherung wird unter der Voraussetzung begrüßt, dass in der Verordnung gemäß § 9 ASVG der Beitragssatz von und für Ausgleichszulagenempfänger­Innen (einschl. Sonderzahlungen 80 Euro) tatsächlich zur Anwendung gelangt.

 

Im drittletzten Absatz auf Seite 5 der Erläuterungen ist von rund 14 Mio. Euro jährlich die Rede. In Wirklichkeit handelt es sich um rund 15 Mio. Euro. Die Beiträge und Kosten für Kinder bleiben an dieser Stelle völlig unerwähnt.

 

Der dritte Absatz der Erläuterungen zu Art. 3 und Art .12 sollte entfallen, da es sich um eine Kompetenz der Länder handelt.

 

In den Erläuterungen zu Art. 8 (Krankenversicherung, Seite 11) wird darüber hinaus angeführt, dass Selbstbehalte z. B. für Heilbehelfe (die auch für Ausgleichszulagen­empfängerInnen bestehen) von den Ländern im Einzelfall zu decken wären. Dieser Satz ist zu streichen, da dies Landeskompetenz ist.

Die Erläuterungen zu Art. 11 sollten mit dem Vereinbarungstext übereinstimmen. Es hat daher zu lauten: „Wenn mit dem Mindeststandard der angemessene Unterkunftsbedarf nicht vollständig gedeckt werden kann, sollen die Länder wie schon bisher zusätzliche Leistungen zur Deckung des Unterkunftsbedarfes gewähren.“ Ebenso ist der vorletzte Absatz der Erläuterungen zu Art. 11 zu streichen, da dieser nicht mit dem Vereinbarungstext übereinstimmt.

 

Zur Anlage „Statistik“:

 

Die Anlage „Statistik“ sollte mit den rechtlichen Bestimmungen abgeglichen werden. So geht die Statistik vom Begriff „Haushalt“ aus, während in den Erläuterungen zur Vereinbarung der Begriff „Bedarfsgemeinschaft“ verwendet wird. Der statistische Output sollte mit dem Input im Rahmen der Vollziehung übereinstimmen. Ungeklärt ist zum Beispiel der Umgang mit volljährigen Kindern im Haushalt der Eltern. Bei der Berechnung der Leistung des volljährigen Kindes werden sehr wohl die Eltern berücksichtigt und ein geringerer Richtsatz herangezogen. Das volljährige Kind erhält demnach keinen „Alleinunterstützten-Richtsatz“, sondern bloß 50% (ab der dritten Person) bzw. 75% vom Mindeststandard. Wie diese sehr häufige Fallkonstellation gezählt wird, ist unklar bzw. widersprüchlich.

 

Abgelehnt wird die Bekanntgabe von Wohnbeihilfedaten (Tabellen 6 und 10), da die Wohnbeihilfe nicht Bestandteil dieser Vereinbarung ist.

 

Die Hilfe zur Erziehung und zur Erwerbsbefähigung im Glossarium auf Seite 8 sollte gestrichen werden. Dafür sollte die Hilfe in besonderen Lebenslagen - sofern sie als zusätzliche Leistung zur Regelleistung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gewährt wird - extra erfasst werden, um diese Leistungen vergleichbar zu machen.

 

Hingewiesen wird, dass der Zugang zur Erwerbsarbeit bereits nach Beendigung der Schulpflicht möglich ist und deshalb auf Grund der Altersbegrenzungen in den Tabellen 3 und 9 (ab 20. Lebensjahr) das Erwerbspotenzial verfälscht dargestellt wird.

Angeregt wird auch die Tabelle 12 zu teilen und in einer Extratabelle die Einnahmen den Ausgaben gegenüber zu stellen. Empfohlen wird weiters die Kategorie „Unterstützte und Drittverpflichtete“ in vier Unterpunkte zu untergliedern und die Rückerstattung als zusätzliches Kriterium hinzuzufügen (hat völlig anderen rechtlichen Hintergrund als der Ersatz).

 

Weiters wird vorgeschlagen, den Termin für die Datenlieferung vorzuverlegen (z. B. März 2010), um eine aktuellere österreichweite Datenbasis zu erhalten.

 

 

                                                                      Für den Landesamtsdirektor:

 

 

                                                                              Mag. Andrea Mader

SR Dr. Hans Serban, LL.M.                                Obermagistratsrätin

 

 

Ergeht an:

1.  Präsidium des Nationalrates

 

2.  alle Ämter der Landes-

regierungen

 

3.  Verbindungsstelle der

Bundesländer

 

4.  MA 40

     (zu Zl. MA 40-FBSR - 702/08/53)

mit dem Ersuchen um Weiter-

leitung an die einbezogenen

Dienststellen