Gz BKA-F141.020/0045-II/4/2008

bearbeiterin Frau Dr. Anna Lasser

E-mail anna.lasser@bka.gv.at

Telefon (+43 1) 53115/7540

Ihr Zeichen



An das

Bundesministerium für

Soziales und Konsumentenschutz

Stubenring 1

1010 Wien

 

andrea.otter@bmsk.gv.at

 

 

 

Betreff: Entwurf der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über eine und bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung;

Stellungnahme

 

 

Sehr geehrte Frau Maga. Otter!

 

 

Das Bundeskanzleramt, Sektion Frauen und Gleichstellung, dankt für die Übermittlung des im Betreff genannten Entwurfs und übermittelt dazu nachstehende Stellungnahme.

 

Grundsätzlich wird gegenständliche Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung befürwortet und positiv gesehen.

 

Zahlreiche Bestimmungen sehen eine Verbesserung der derzeitigen Leistungen vor und werden vor allem Frauen zugute kommen. In diesem Zusammenhang wird sehr begrüßt, dass es sich dabei um bundesweit zu gewährleistende Mindeststandards handelt, die zwar weitergehende Leistungen oder günstigere Bedingungen zulassen, jedoch keine Verschlechterungen des jeweiligen derzeitigen Leistungsniveaus.

 

Dabei sind insbesondere die Anhebung der Geldleistung und deren jährliche Valorisierung entsprechend dem Ausgleichszulagenrichtsatz sowie die Einbeziehung der LeistungsbezieherInnen in die gesetzliche Krankenversicherung anzuführen; weiters die Bestimmungen hinsichtlich der Verwertung eigenen Vermögens, die Regelungen über den Ersatz für gemäß den Artikeln 10 bis 12 erbrachten Leistungen, der in Artikel 14 neu geschaffene Freibetrag zur Erleichterung der (Re-)Integration in das Erwerbsleben sowie die Vereinfachung des Zugangs zu den Leistungen, insbesondere auch durch Artikel 16 Abs. 3.

 

Aus frauenpolitischer Sicht besonders wichtig sind auch die in den Erläuterungen zu Artikel 13 vorgenommene Klarstellung, dass eine Rechtsverfolgungspflicht nicht angenommen werden kann, wenn die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen die Gefahr neuerlicher häuslicher Gewalt bedeuten würde, weil etwa bereits ein Betretungsverbot nach § 38a SPG verhängt worden ist sowie die in Artikel 14 verankerten Ausnahmen von der Verpflichtung zum Einsatz der Arbeitskraft, die familiären Betreuungspflichten Rechnung tragen.

Dennoch lässt dieser Entwurf wesentliche Probleme ungelöst:

Gemäß Artikel 4 der Vereinbarung ist der Bezug von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung auf Personen, die zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigt sind, beschränkt.

 

Selbstverständlich wird das Anliegen, Sozialtourismus vermeiden zu wollen, als berechtigt anerkannt; dennoch gibt es Personengruppen, deren Sondersituation berücksichtigt werden sollte und die daher Rechtsansprüche auf Leistungen erhalten sollen, auch wenn sie noch keinen qualifizierten Aufenthaltstitel erlangt haben.

 

Dazu zählen aus frauenpolitischer Sicht Migrantinnen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind sowie Opfer von Frauenhandel.

 

Gewaltbetroffene Migrantinnen sollten jedenfalls, unabhängig von ihrem Aufenthaltstitel, Anspruch auf Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung haben und damit auch jedenfalls Krankenversicherungsschutz. Dem Schutz der Migrantinnen vor Gewalt, der ökonomische und sozial(versicherungs)rechtliche Absicherung voraussetzt, sollte absolute Priorität eingeräumt werden.

 

Opfer von Frauenhandel haben nach derzeitiger Rechtslage bis zur Erteilung des Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen keinen gesetzlichen Krankenversicherungsschutz, ab diesem Zeitpunkt sind sie in die Grundversorgung einbezogen und damit krankenversichert; doch sind die Leistungen nach der Grundversorgungsvereinbarung niedriger als die Bedarfsorientierte Mindestsicherung.

 

Diese – zahlenmäßig sehr kleine Gruppe – sollte, ebenfalls unabhängig von einem Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen, in die Bedarfsorientierte Mindestsicherung eingeschlossen werden, die Schwere der an ihnen begangenen Menschenrechtsverletzung rechtfertigt eine Ausnahmeregelung. Das Regierungsprogramm sieht überdies vor, die Frage des Zugangs zur Krankenhilfe für Betroffene des Frauenhandels bis zur Klärung des Aufenthaltsstatus einer Lösung zuzuführen.

 

Ein weiteres frauenpolitisches Problem stellen die Anrechnungsbestimmungen dar: Auch wenn Artikel 6 des Entwurfs zukünftig ausschließen soll, dass die Anrechnung des PartnerIneinkommens zu einem unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz für Ehepaare liegenden Haushaltseinkommen führt, und damit Härten vermieden werden sollen, bleibt das grundsätzliche Problem ungelöst.

 

Die überwiegende Anzahl der Fälle, in denen die Auszahlung von Notstandshilfe aufgrund der Anrechnung des PartnerIneinkommens eingestellt wird, betrifft Frauen, die in diesen Fällen kein eigenständiges Einkommen - und keine eigenständige Krankenversicherung - mehr haben und ökonomisch vollkommen vom Partner abhängig sind. Vor allem bei Lebensgemeinschaften erscheint die Anrechnung besonders problematisch, da dieser kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch gegenüber steht.

 

Zumindest mittelfristig sollte daher die Anrechnung des PartnerIneinkommens gänzlich abgeschafft werden, als erster Schritt sollten jedoch wenigstens die Freibeträge (§ 36 AlVG) erhöht bzw. in Artikel 6 der gegenständlichen Vereinbarung die mindestsichernden Elemente der Arbeitslosenversicherung diesbezüglich verstärkt werden.

Jedenfalls ist aus frauenpolitischer Sicht jedoch der eigene Krankenversicherungsschutz aller Frauen, unabhängig von ihrem Familienstand, zu gewährleisten.

 

Die in Artikel 10 Abs. 2 der Vereinbarung festgelegten Mindeststandards für AlleinerzieherInnen werden äußerst positiv gesehen, der besonderen Armutsgefährdung dieser Personengruppe sollte jedoch weiter gehend als im Entwurf Rechnung getragen werden.

 

In Anbetracht der hohen finanziellen Belastungen, die AlleinerzieherInnen zu tragen haben, erscheint die Festsetzung des Mindestbedarfs für ein Kind mit 18% (ab dem vierten Kind mit 15%) des Ausgangswerts als zu niedrig. Selbst die Erläuterungen zu dieser Regelung verweisen darauf, dass höhere Standards auf Landesebene natürlich möglich und gerade hier auch zu erwarten sind.

Überwiegend sind in den geltenden Landesgesetzen auch bereits höhere Standards vorgesehen (zwischen 20% und 40% des Ausgangswerts), sodass sich ein Mindeststandard im Sinne einer effektiven Armutsprävention konsequenterweise an diesen orientieren sollte.

 

 

Mit freundlichen Grüßen,

Für die Bundesministerin:

 

 

 

Elektronisch gefertigt