Stellungnahme zum Entwurf einer

„Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B – VG über eine

bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung“

 

 

 

  1. Vorbemerkung

 

So sehr der gegenständliche Entwurf der Einführung einer bedarfsorientierten Mindestsicherung dem Grunde nach begrüßt wird, bedeutet er doch für bestimmte in Österreich aufhältige Personen durch deren Nichtberücksichtigung als Anspruchsberechtigte eine deutliche Schlechterstellung gegenüber jenen Personen, denen nach dem Entwurf ein Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zukommt.

 

Art. 4 des Entwurfes bestimmt den Kreis jener Personen, denen Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zukommen sollen. Dieser Bestimmung zu Folge sind Rechtsansprüche auf entsprechende Leistungen für alle Personen vorzusehen, „die zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind.“ In der nun folgenden demonstrativen Aufzählung wird ausdrücklich der Personenkreis der Asylberechtigten, nicht aber jener der Subsidiär Schutzberechtigten genannt. Bei dieser Personengruppe handelt es sich in erster Linie um Menschen, die infolge der ihnen im Herkunftsland drohenden Verletzung von durch die österreichische Rechtsordnung auch verfassungsgesetzlich geschützten Gütern, wie etwa Leben und körperliche Unversehrtheit, dieses verlassen mussten, denen aber der Status des Asylberechtigten, sei es, weil bestimmte Anknüpfungsmerkmale nach der Genfer Flüchtlings­konvention nicht vorliegen, sei es, weil zwar über den Antrag hinsichtlich des Subsidiären Schutzstatus, über jenen hinsichtlich der Nicht-Anerkennung als Asylberechtigter noch nicht rechtskräftig entschieden wurde.

 

Im Gegensatz zu Subsidiär schutzberechtigten Personen, welche im Entwurf keine Erwähnung finden, sollen AsylwerberInnen ausdrücklich nach Art. 4 Abs. 4 vom Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeschlossen werden, wobei sich ein/e AsylwerberIn von einem/r Asylberechtigten oftmals nur dadurch unterscheidet, dass die Behörde über seinen/ ihren Antrag noch nicht entschieden hat.

 

In dem Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat und das Europäische Parlament über die Anwendung der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten wurde Österreich dahingehend kritisiert, dass die Geldleistungen an AsylwerberInnen nicht ausreichend zur Deckung des Lebensunterhalts bemessen seien. „Die größten Probleme bei der Anwendung der Richtlinie traten in Mitgliedstaaten auf, in denen Asylbewerber Geldleistungen erhalten. Häufig sind diese Leistungen zu niedrig, als dass sie zur Deckung des Lebensunterhalts ausreichten (CY, FR, EE, AT, PT, SI). Nur selten bewegen sich die Beträge auf gleicher Höhe mit den Mindestsozialleistungen für Staatsangehörige des Aufnahmelandes, und selbst wenn sie dies tun, reichen sie meist nicht aus, da es den Asylbewerbern an Unterstützung durch die Familie oder anderer informeller Unterstützung mangelt.“ (S.6)

 

Die im Entwurf vorgesehene Ungleichbehandlung ist rechtlich wie faktisch in mehrfacher Hinsicht bedenklich.

 

 

  1. Grundsätzliches

 

Vorab ist an dieser Stelle anzumerken, dass die im Asylgesetz (im Einklang mit dem Gemeinschaftrecht) getroffene Unterscheidung zwischen Asyl- und Subsidiär Schutzberechtigten zwar bei Betrachtung der Genesis der beiden Schutzinstitute rechtlich verständlich, der tatsächliche Unterschied in Ansehung des im Herkunftsland drohenden Übels für die betreffenden Personen aber oftmals ein verschwindender ist. Beiden Personengruppen würde im Falle ihrer Abschiebung eine Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter (wie Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, etc.) drohen. Die aus Anlass der Prüfung des Asylantrages vorzunehmende Differenzierung zwischen diesen beiden Schutzkategorien findet zwar (in aller Regel) im Gesetzestext, oftmals aber nicht in dem realiter jeweils vorliegenden Bedrohungsszenario Deckung.

 

Auch hinsichtlich einer nicht zu unterschätzenden Anzahl von Asylsuchenden, welche dem vorliegenden Entwurf nach von der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ausgeschlossen sind, ist die Situation eine vergleichbare. Flüchtling iSd der Genfer Flüchtlingskonvention, welche unserem Asylgesetz zu Grunde liegt, wird eine Person, „sobald  die in dem Abkommen von 1951 genannten Kriterien erfüllt (sind) (…). Dieser Zustand ist zwangsläufig schon vor dem Augenblick gegeben, da die Flüchtlingseigenschaft formell anerkannt wird. Nicht auf Grund der Anerkennung wird er ein Flüchtling, sondern die Anerkennung erfolgt, weil er ein Flüchtling ist“ (siehe UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Neuauflage UNHCR Österreich, Dezember 2003).

 

Diesem der Genfer Flüchtlingskonvention zu Grunde liegende sog. materielle Flüchtlings­begriff, welcher auch in der stRsp des VwGH Einzug gefunden hat (siehe etwa VwGH vom 15.05.2003, Zl. 2001/01/0499 oder VwGH vom 29.06.2004, Zl. 2003/01/0372) zu Folge, ist eine Person Flüchtling in dem Moment, in welchem sie ihr Heimatland aus den in der Konvention genannten Gründen verlassen hat. Die Textierung des vorliegenden Entwurfes hätte für diese Personengruppe zur Folge, dass es die Asylbehörden in der Hand haben, wann diese um Schutz ansuchenden Personen in den Genuss der Bedarfsorientierten Mindest­sicherung kommen, denn erst mit (formeller) Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, also der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, ist ein Flüchtling anspruchsberechtigt iSd Art. 4 Abs. 3 des Entwurfes.

 

 

  1. Spannungsverhältnis zum Gemeinschaftsrecht

 

Insbesondere in Ansehung der vorgenannten Gruppe der Subsidiär Schutzberechtigten steht der vorliegende Entwurf in einem Spannungsverhältnis zu gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. So sieht Art. 28 der „Statusrichtlinie“ (RL 2004/83/EG) die Gewährung von Sozialhilfeleistungen an Asylberechtigte und Subsidiär Schutzberechtigte vor. Zwar sieht besagte Bestimmung vor, dass derartige Leistungen hinsichtlich Subsidiär Schutzberechtigter auf sog. „Kernleistungen“ beschränkt werden können, die sodann im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene StaatsbürgerInnen zu gewähren wären, doch ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Richtlinientextes, dass zum einen bestimmte Leistungen nicht ausgeschlossen werden können, zum anderen, dass der Ausschluss nicht der Regelfall sein sollte.

 

 

 

  1. Sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung

 

Dem unserer Rechtsordnung zu Grunde liegenden aber auch in völkerrechtlichen Abkommen (etwa in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, welche in Österreich im Verfassungsrang steht oder aber auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte) normierten Gleichbehandlungsgebot zu Folge, hat eine Ungleichbe-handlung die Ausnahme und nicht die Regel zu sein, wie sie auch einer sachlichen Recht­fertigung bedarf.

 

Wie oben ausgeführt ist die Differenzierung in die beiden Schutzkategorien, nämlich jene der Asylberechtigten und jene der Subsidiär Schutzberechtigten, eher rechtshistorisch als mit Unterschieden im Tatsächlichen zu erklären.

 

Ebenso stellt bei einer großen Anzahl von Flüchtlingen iSd Genfer Flüchtlingskonvention die Frage, ob es tatsächlich von dem Engagement der Asylbehörden abhängen soll, wann diesen Personen ein Rechtsanspruch auf Leistungen der Bedarforientierten Mindestsicherung erwachsen soll.

 

 

  1. Schlussfolgerung

 

Da die Ungleichbehandlung somit nicht an Unterschieden im Tatsächlichen festzumachen, somit sachlich nicht gerechtfertigt ist und (zumindest in Teilbereichen) in einem Spannungsverhältnis zu gemeinschaftsrechtlichen wie auch völkerrechtlichen Vorgaben steht, wird angeregt, vorgenannte Personengruppen in den Kreis der Anspruchsberechtigten ausdrücklich aufzunehmen.