Amt der Wiener Landesregierung

 

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MD-VD - 740/08                                                                Wien, 4. Juni 2008

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem ein

Bundesgesetz über die Lebenspartnerschaft

erlassen und das allgemeine bürgerliche

Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Mietrechts-

gesetz, das Unterbringungsgesetz, das Urheber-

rechtsgesetz, das Unternehmensgesetzbuch,

das IPR-Gesetz, das Notariatsaktsgesetz, die
Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung,

das Außerstreitgesetz, die Exekutionsordnung,

die Konkursordnung, die Anfechtungsordnung,

die Notariatsordnung, das Gerichtsgebührenge-

setz, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Privatstif-

tungsgesetz, das Todeserklärungsgesetz, das

Wohnungseigentumsgesetz 2002, das Kleingarten-

gesetz, das Konsumentenschutzgesetz, das Ver-

sicherungsvertragsgesetz, das Anerbengesetz, das

Kärntner Erbhöfegesetz, das Tiroler Höfegesetz,

die Ausgleichsordnung, das Firmenbuchgesetz,

das GmbH-Gesetz, das Übernahmegesetz, das Ge-

richtsorganisationsgesetz, das Notariatstarifgesetz,

die Rechtsanwaltsordnung, das Strafgesetzbuch, die

Strafprozessordnung und das Strafvollzugsgesetz

geändert werden (Lebenspartnerschaftsgesetz -

LPartG);

Begutachtung;

Stellungnahme

 

zu BMJ-B4.000/0013-I 1/2008

 

 

An das

Bundesministerium für

Justiz

Zu dem mit Schreiben vom 24. April 2008 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:

 

1. Allgemeine Bemerkungen:

 

Zunächst wird begrüßt, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erstmals in Österreich eine rechtliche Grundlage zur Anerkennung und Absicherung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften geschaffen werden soll. Es bleibt jedoch grundsätzlich und kritisch anzumerken, dass mit diesem Entwurf nicht die umfassend erforderlichen Änderungen des Personenstandsgesetzes sowie weiterer mit dem Inhalt des Entwurfs in Zusammenhang stehender Regelungen, wie z. B. des Sozial- und Versicherungsrechts, verbunden werden konnten.

 

Zu bemerken ist, dass insbesondere durch das Fehlen einer Generalklausel zur Gleichstellung mit der Ehe in weiterer Folge noch zahlreiche Gesetze einzeln anzupassen sein werden und bleibt in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass damit für die Menschen, die eine Lebenspartnerschaft eingehen, ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit verbleibt. Ebenso wäre eine inhaltliche Erweiterung eines Lebenspartnerschaftsgesetzes auch auf kindschaftsrechtliche Bereiche für die Zukunft wünschenswert.

 

Aus Sicht des fremdenrechtlichen Bereiches ist zu bemerken, dass die beabsichtigte Schaffung des Rechtsinstituts der Lebenspartnerschaft keine unmittelbare Änderung der Vollziehung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, zur Folge hat, da die derzeitige Legaldefinition des Familienangehörigen im § 2 Abs. 1 Z 9 NAG ausdrücklich von  „Ehegatten“ des Fremden spricht. 

 

Eine Einwanderung von LebenspartnerInnen ist nach der derzeit geltenden Rechtslage nur als sonstige Angehörige von Österreichern, EWR-Bürgern oder Schweizer Bür-

gern möglich. Dies ist jedoch gegenüber den Voraussetzungen für Familienangehörige an deutlich erschwerte Erteilungsvoraussetzungen (u. a. hinsichtlich des Nachweises des Bestehens der Lebenspartnerschaft bereits im Herkunftsstaat, Unterhaltsgewährung in der Vergangenheit, erhöhte Richtsätze für die Berechnung des erforderlichen Einkommens) gebunden.

 

Für die Zuwanderung von LebenspartnerInnen von Drittstaatsangehörigen, welche beispielsweise nach In-Kraft-Treten des geplanten Gesetzes ihre Lebenspartnerschaft in Österreich eintragen lassen, besteht derzeit keine eigene Regelung im NAG, da eine Familienzusammenführung für Drittstaatsangehörige wiederum lediglich auf „Familienangehörige“ abstellt. LebenspartnerInnen von in Österreich lebenden Drittstaatsangehörigen könnten unter der Voraussetzung eines vorhandenen Quotenplatzes und eines ausreichend hohen Einkommens lediglich als „Privatiers“ nach Österreich einwandern, wobei eine Erwerbstätigkeit mit diesem Aufenthaltstitel ausgeschlossen ist.

 

Um auch den Partnern einer registrierten Lebenspartnerschaft die gemeinsame Einwanderung im Rahmen des Familienverbandes oder des Familiennachzuges zu eröffnen und das Recht auf die Erhaltung des Familienlebens im Sinne des § 8 EMRK
zu wahren, wäre die Definition des Familienangehörigen im NAG um die LebenspartnerInnen zu ergänzen.

 

In diesem Zusammenhang ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass etwa in Belgien, Niederlanden und Spanien die Eheschließung gleichgeschlechtlicher PartnerInnen zulässig ist und damit nach der dortigen Ortsform gemäß § 16 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPRG), BGBl. Nr. 304/1978 in der geltenden Fassung, eine gültige und international anzuerkennende Ehe vorliegt.

 

Eine solche Ehe wäre nur dann nicht in Österreich anzuerkennen, wenn sie gemäß § 6 IPRG als ordre public widrig - also als mit den Grundwertungen der österreichischen

Rechtsordnung unvereinbar - anzusehen wäre. Die beabsichtigten Regelungen über die Lebenspartnerschaft gehen von einem eheähnlichen Zusammenleben von PartnerInnen gleichen Geschlechts aus und knüpfen daran etliche Rechtswirkungen an. Vielfach sind die Bestimmungen den bestehenden Regelungen für EhegattInnen nachgebildet.

 

Insbesondere nach In-Kraft-Treten des Lebenspartnerschaftsgesetzes könnte man schwerlich von einem ordre public-widrigen Ergebnis sprechen, wenn die gleichgeschlechtlichen PartnerInnen einer in Belgien, Niederlande oder Spanien geschlossenen gültigen Ehe im Zuge eines Verwaltungsverfahrens in Österreich die Gleichbehandlung mit Familienangehörigen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG oder mit EhegattInnen im Sinne der §§ 11a und 16 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) anstreben.

 

Um eine diskriminierende Ungleichbehandlung der in verschiedenen Ländern der Europäischen Union (teilweise in Rechtsform der „Ehe“, teilweise in anderer Rechtsform) zulässigen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu vermeiden, sollte daher eine rechtliche Anpassung auch des NAG und des StbG erfolgen.

 

Zur Textierung des Gesetzes bleibt kritisch anzumerken, dass insbesondere im Artikel I zum Teil keine geschlechtsneutralen bzw. ausschließlich männliche Formulierungen gewählt wurden. Es wäre jedoch gerade bei einem neuen Gesetz wünschenswert, beide Geschlechter direkt anzusprechen.

 

2. Besondere Bemerkungen:

 

zu Artikel I:

 

§ 4 Abs. 1:

 

In der vergleichbaren Vorschrift des § 1 Abs. 2 EheG gibt es die Möglichkeit einer Ehemündigerklärung durch das Gericht ab dem 16. Lebensjahr. In der gegenständli-chen Vorschrift des Entwurfs fehlt diese Möglichkeit.

 


§ 6 Abs. 1 und 2:

 

Die im Artikel 1 des Entwurfs, im § 6 Abs. 1 und 2 getroffenen Regelungen sind jedenfalls für eine technische (und organisatorische) Umsetzung nicht ausreichend.

 

So wäre das Personenstandsgesetz etwa hinsichtlich folgender Punkte zu ergänzen: das Führen eines eigenen Buches „Lebenspartnerschaft“, eventuelle Nachbeurkundungen von im Ausland geschlossenen Partnerschaften (bzw. deren zusätzliche Registrierung oder gerichtliche Anerkennung), die Eintragung der Lebenspartnerschaft im Geburtenbuch, da diese eine Ehe ausschließt und umgekehrt.

 

§ 12:

 

Der Entwurf entspricht der Bestimmung des § 94 ABGB. Es wird gerade zum Regelungsinhalt des Unterhalts allerdings nochmals darauf hingewiesen, dass im Entwurf verabsäumt wurde, auch die entsprechenden Anpassungen im Sozialversicherungsrecht, etwa hinsichtlich der Bestimmungen des § 293 ASVG vorzunehmen, was auch Auswirkungen auf den Vollzug des NAG bzw. StbG hat:

 

Sowohl § 10 Abs. 5 StbG als auch § 11 Abs. 5 NAG sehen den Lebensunterhalt von Antragstellerinnen auf Verleihung einer Staatsbürgerschaft bzw. eines Antragstellers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich nur dann als gesichert an, wenn die im § 293 ASVG vorgesehenen Richtsätze erfüllt sind. § 293 ASVG sieht für Lebenspartnerinnen im Gegensatz zu Ehegattinnen bisher allerdings keinen eigenen Richtsatz vor. Dies bedeutet in der Praxis, dass ein/e im Ausland lebende/r Lebenspartner nur dann eine reelle Chance auf Zuwanderung nach Österreich hat, wenn der/die in Österreich lebende Lebenspartner/in in Entsprechung des § 11 Abs. 5 NAG nachweisen kann, dass diese/r neben dem pfändungsfreien Existenzminimum für sich zusätzlich

einen Betrag in der Höhe des Richtsatzes für eine erwachsene Person - Sorgepflichten gegenüber anderen Personen unberücksichtigt - gemäß § 293 Abs. 1 lit. a, bb (für das Jahr 2008: 747,00 Euro) zur Sicherung des Lebensunterhalts zur Verfügung hat.

 

Es ist daher unverständlich, dass ein/e Ehegatte/in eines/r Zusammenführenden einem Richtsatz von 1.120,-- Euro/Monat unterliegt, während Lebenspartnerinnen einem Richtsatz von ca. 1.820,-- Euro unterliegen, um einerseits das pfändungsfreie Existenzminimum nachweisen zu können und anderseits den Richtsatz für den Lebenspartnerinnen zu erfüllen. Unabhängig von der Problematik der Höhe des Lebensunterhaltes wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Zweck „Niederlassungsbewilligung-Angehöriger“ nach § 47 Abs. 3 NAG nur dann gilt, wenn der/die Zusammenführende Österreicher, EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

 

Ansonsten kommt nur der Aufenthaltszweck „Niederlassungsbewilligung -ausgenommen Erwerbstätigkeit“ zu tragen, wofür allerdings der doppelte Richtsatz eines Erwachsenen (Jahr 2008: 2-mal 747,00 Euro) erforderlich ist.

 

Diese Regelung stellt in der Regel somit Lebenspartnerinnen gegenüber Ehegattinnen insofern schlechter, als diese auf Grund des eigenen Richtsatzes für Ehegatten nach § 293 Abs. 1 lit. a, aa nur einem Richtsatz von dzt. 1.120,-- Euro/Monat netto unterliegen. Dieselbe Benachteiligung ergibt sich im Staatsbürgerschaftsgesetz aus § 10 Abs. 5 StbG, sodass Lebenspartnerinnen einen höheren Lebensunterhalt als Ehegattinnen nachweisen müssen. Im Bereich der Staatsbürgerschaft verstärkt sich diese Problematik insofern, als die Durchrechnung auf die letzen drei vergangenen Jahre vorgesehen ist.

 

Konsequenterweise sollte daher § 293 ASVG insofern geändert werden, als der Ehegattinnenrichtsatz auch für im gemeinsamen Haushalt lebende Lebenspartnerinnen gelten soll.

 

§ 15 Abs. 2 Z 2:

 

Auf den offenkundigen Schreibfehler, dass das erste Wort „wenn“ gestrichen werden sollte, da bereits der Einleitungssatz des § 15 Abs. 2 mit dem Wort „wenn“ endet, wird verwiesen.

 

§ 15 Abs. 2 Z 3:

 

Zunächst wird in formaler Hinsicht auf den offenkundigen Schreibfehler verwiesen, dass das erste Wort „der“ statt „die“ lauten müsste.

 

Für die Unterscheidung, dass in der vergleichbaren Vorschrift des § 52 EheG als Auflösungsgrund genügt, wenn der andere an einer „schweren ansteckenden oder Ekel erregenden Krankheit“ leidet, währenddessen It. Regelung des Entwurfs dies aber nur bei einer „schweren ansteckenden Krankheit“ (nicht jedoch bei einer Ekel erregenden!) einen Auflösungsgrund darstellt, kann keine sachliche Begründung gefunden werden außer der Bemerkung im Besonderen Teil der Erläuterungen, dass vorgeschlagen wird, den Ausdruck der Ekel erregenden Krankheit „als nicht mehr zeitgemäß zu streichen“. Diesfalls wird vorgeschlagen, eine derartige Streichung wegen „Unzeitgemäßheit“ auch in der Änderung des EheG (zu § 52 EheG) aufzunehmen.

 

§ 19 Abs. 2:

 

Bei Aufzählung der Nichtigkeitsgründe im Entwurf fehlt der in der vergleichbaren Vorschrift des § 23 EheG geregelte Nichtigkeitsgrund der „Staatsangehörigkeitsehe“; auf die Tatsache, dass der Entwurf keine Änderung des StbG enthält (daher auch keine diesbezügliche Angleichung der Rechtsstellung der Lebenspartner an die Rechtsstellung der Ehegatten, sh. ALLGEMEINE BEMERKUNGEN), wird deshalb nochmals verwiesen.

 

zu Artikel II:

 

Überschrift vor den §§ 757 bis 759:

 

Es wird auf ein Redaktionsversehen hingewiesen: statt „Lebensgefährten“ müsste es „Lebenspartners“ heißen, ebenso statt „Ehegattens“ „Ehegatten“.

 


zu Artikel VIII:

 

§§ 27a bis 27d:

Gemäß der zu § 27a des Entwurfs vergleichbaren Vorschrift des § 17 Abs. 1 IPRG ist das jeweilige Personalstatut der Verlobten maßgeblich, gemäß § 27a des Entwurfs jedoch das Recht des Staates, in dessen Register die Lebenspartnerschaft eingetragen wird (d. h. das Recht des Registerstaates).

 

In den zu §§ 27b und 27d des Entwurfs vergleichbaren Vorschriften der §§ 18 Abs. 1 und 20 Abs. 1 IPRG hat jeweils das gemeinsame Personalstatut der Ehegatten Vorrang vor dem Recht des Staates, in dem diese ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben, in den §§ 27b und 27d des Entwurfs ist es genau umgekehrt.

 

Gemäß der zu § 27c des Entwurfs vergleichbaren Vorschrift des § 19 IPRG wird wie im § 27c des Entwurfs zunächst auf die Rechtswahl der Parteien abgestellt, mangels einer solchen aber auf die Kriterien des § 18 IPRG (Personalstatut vor Recht des Staates, in dem die Ehegatten  ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben), während § 27c des Entwurfs in zweiter Linie auf das Recht des Registerstaates verweist.

 

Warum in den genannten Bestimmungen des Entwurfs andere Kriterien Vorrang haben als in den vergleichbaren Vorschriften, welche die Ehe betreffen, ist - auch unter Einbeziehung des Besonderen Teils der Erläuterungen - nicht nachvollziehbar und wären daher die Bestimmungen an die Regelungen betreffend die Ehe anzupassen.

 

 

                                                                                Für den Landesamtsdirektor:

 

 

                                                                                           Dr. Peter Krasa

Mag. Erwin Streimelweger                                               Obersenatsrat


Ergeht an:

1.  Präsidium des Nationalrates

 

2.  alle Ämter der Landes-

regierungen

 

3.  Verbindungsstelle der

Bundesländer

 

4.  MA 35

(zu MA 35 - R/11004/08)

mit dem Ersuchen um Weiter-

leitung an die einbezogenen

Dienststellen