Stellungnahme der Grünen Andersrum zum vorliegendes Entwurf eines Lebenspartnerschaftsgesetzes

 

 

 

 

An das Bundesministerium für Justiz

Museumstrasse 7

A-1070 Wien                                                                                Wien, am 16.06.2008

 

 

 

Die Grünen Andersrum Wien begrüßen grundsätzlich, dass es nun erstmals einen ministeriellen Gesetzesentwurf gibt, um lesbische und schwule PartnerInnenschaften rechtlich gleichzustellen. Die langjährige Forderung von NGOs und Grünen nach einer rechtlichen Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren findet somit zum ersten Mal Niederschlag in einem konkreten Entwurf eines Ministeriums. Das ist prinzipiell erfreulich.

Trotzdem halten wir den vorgelegten Entwurf für nicht zweckdienlich, nicht ausreichend und für nicht modern. Er stellt gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften, nicht, wie vielfach behauptet, weitgehend der Ehe gleich, sondern er führt in vielen Rechtsbereichen die Diskriminierungen gleichgeschlechtlicher Paare fort.

 

1. Rechtliche Gleichstellung

Um die völlige Gleichstellung lesbischer und schwuler PartnerInnenschaften zu gewährleisten, stehen prinzipiell drei Möglichkeiten zur Verfügung:

 

a) Ein neues, zeitgemäßes und modernes Rechtsinstitut zu schaffen, das sowohl verschieden- als auch gleichgeschlechtlichen Paaren offen steht, mit zeitgleicher Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare (siehe die Initiativanträge der Grünen zu Zivilpakt und Öffnung der Ehe).

b) Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.

c) Schaffung eines neuen Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Paare mit allen Rechten und Pflichten, die 1:1 aus dem Eherecht übernommen werden, inklusive Generalklausel für alle betroffenen Rechtsbereiche, entweder in einem eigenen Gesetz oder im LebenspartnerInnenschaftsgesetz.

 

Der vorliegende Entwurf folgt keiner dieser Möglichkeiten. Er kommt zwar der im Punkt c) erwähnten Möglichkeit am nächsten, unterscheidet sich aber in vielen Bereichen vom derzeit gültigen Eherecht, wird somit – trotz des Bemühens einer rechtlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare – lesbische und schwule LebenspartnerInnenschaften weiterhin diskriminieren. Zudem fehlt die Generalklausel, damit in allen Gesetzen die LebenspartnerInnenschaft mit der Ehe gleichgestellt wird. Die Abweichungen vom Eherecht münden aber ebenso wenig in einem modernen und zeitgemäßen Gesetz, das den heutigen Lebensbedingungen vieler Menschen und deren Bedürfnissen entspricht, sondern es werden antiquierte Bestimmungen des Eherechts übernommen.

 

2. Unterschiede zum Eherecht

In seiner Stellungnahme hat das Rechtskomitee Lambda im Detail auf die Unterschiede zum derzeitigen Eherecht hingewiesen. Wir werden deshalb diese Punkte nicht wiederholen, aber unterstützen diese Kritik.

 

3. Die fehlenden Rechtsbereiche

Ein Gesetz über die LebenspartnerInnenschaft hat nur dann Sinn, wenn die Rechtsbereiche, die in der Zuständigkeit anderer Ressorts – vor allem der der Koalitionspartnerin – fallen, akkordiert sind. Die Lücken im Fremdenrecht, im Steuerrecht, im Sozialbereich, usw. sind daher dringend zu schließen, da sonst ein LebenspartnerInnenschaftsgesetz in wesentlichen Bereichen wirkungslos wäre und die Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren weitergeführt wird. Insbesonders weisen wir auf die Notwendigkeit hin, LebenspartnerInnen eines LebenspartnerInnenschaftsgesetzes in den Gesetzesbereichen Fremdenrechtspaket 2005 und Asylgesetz 2005 mit EhegattInnen in allen Belangen gleichzustellen .

Ein weiterer Rechtsbereich, der im Gesetzesentwurf ausgeklammert ist, ist die medizinisch unterstützte Fortpflanzung, die auch für lesbische Paare möglich sein soll.

 

4. Geschlechtergerechte Sprache

Die Verwendung von geschlechtergerechter Sprache ist auch in Gesetzen wesentlich. Abgesehen von der Symbolwirkung von Sprache soll diese ja auch die Realität abdecken. Bei einer gültigen "Lebenspartnerschaft" von zwei Frauen, handelt sich nicht um zwei Lebenspartner sondern um zwei Lebenspartnerinnen. Das LebenspartnerInnenschaftsgesetz soll daher in einer geschlechtergerechten Sprache (z.B. durch die Verwendung eines Binnen-I) geschrieben sein.

 

5. Übernommene Regelungen aus dem Eherecht

Prinzipiell halten wir es für sinnvoll und notwendig, in einem modernen neuen Rechtsinstitut – welchen Namen dieses auch immer erhält – antiquierte Regelungen nicht aus dem Eherecht zu übenehmen. Im vorgelegten Entwurf sehen wir allerdings diesbezüglich keine wesentlichen Reformen. Gleichzeitig wird aber auch nicht die Ehe geöffnet. Die Pflicht zur Mitwirkung im Erwerb sowie die Pflicht zum gemeinsamen Wohnsitz und zur Treue werden aus dem Eherecht übernommen. Besonders schmerzlich werden die übernommenen Paragrafen im Rechtsbereich der Auflösung. Die Auflösung begehren zu können, wenn der Partner "unheilbar" krank ist, erscheint uns mit dem Wissen und Erfahrung um HIV und Aids für unhaltbar. Diese aus dem Eherecht übernommene Regelung sehen wir auch als Beweis dafür, dass die Schaffung eines zeitgemäßen Rechtsinstituts nicht Ziel dieses Entwurfs war. Vielmehr geht der Entwurf an den Lebensbedingungen und -erfahrungen vieler Lesben und Schwulen vorbei. Dass die Verschuldensfrage bei der Auflösung einer LebenspartnerInnenschaft – in Anlehnung an das Eherecht – weiterhin eine Rolle spielt, erachten wir ebenfalls als antiquiert.

Insgesamt stellt sich die Frage, warum es in wesentlichen Bereichen eine Abweichung zum Eherecht gibt (insbesondere dort, wo es sich um diskriminierende Unterschiede handelt), in anderen Bereichen jedoch nicht auf die heutigen Lebensbedingungen und Bedürfnisse von PartnerInnenschaften Rücksicht genommen wird.

 

5. Fazit

Die Grünen Andersrum Wien bestätigen daher ihre Forderungen nach einer Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare mit gleichzeitiger Reform der Ehe sowie die Schaffung eines neuen Rechtsinstitut für gleich- und verschiedengeschlechtliche Paare, das an die heutigen Lebensbedingungen angepasst ist und den Bedürfnissen der Menschen in einer modernen Gesellschaft entspricht – so wie dies von den Grünen schon mit dem Initiativantrag zur Einführung des Zivilpakt Zip im Nationalrat und dem Antrag zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geschehen ist. Nur durch die gleichzeitige Einführung eines neuen Rechtsinstituts für gleich- und verschiedengeschlechtliche Paare sowie die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wird eine völlige Gleichstellung gewährleistet.

 

 

Für die Grünen Andersrum Wien:

Petra Galkova, Sprecherin der Grünen Andersrum Wien

Iris Hajicsek, Sprecherin der Grünen Andersrum Wien

Marco Schreuder, LT-Abg. Wien, Sprecher der Grünen Andersrum Wien

Ulrike Lunacek, NR-Abg., Gleichstellungssprecherin der Grünen

 

 

 

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