Stellungnahme im Rahmen des Begutachtungsverfahrens zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem ein Bundesgesetz über die Lebenspartnerschaft erlassen werden soll

 

GZ: BMJ-B4.000/0013-I 1/2008

 

 

 

Allgemeine Vorbemerkungen:

 

1. Die HOSI Wien begrüßt grundsätzlich die vorgelegte Gesetzesinitiative, insbeson­dere den Umstand, dass der Entwurf das Eingehen der Lebenspartnerschaft (LP) am Standesamt vorsieht. Dies ist für uns eine unabdingbare Voraussetzung bei der Umsetzung dieses Gesetzesvorhabens.

 

2. Die HOSI Wien hat stets einem neuen, modernen, den Bedürfnissen von gleichge­schlechtlichen Paaren angepassten Rechtsinstitut den Vorzug gegenüber der Öffnung der bestehenden standesamtlichen Ehe gegeben. Leider orientiert sich der Entwurf in wesentlichen Bereichen (Scheidung/Auflösung) jedoch zu sehr an der Ehe. Angesichts des Umstands, dass die Gewährung wesentlicher Rechte der Ehe für die LP von vorn­herein nicht vorgesehen ist (Adoption, Zugang zur Fortpflanzungsmedizin), können wir keinen logischen bzw. triftigen Grund erkennen, warum bei der LP nicht auch in anderen Bereichen von den Bestimmungen des Eherechts abgewichen werden soll (siehe dazu später). Ein potentieller bedeutsamer Vorteil eines eigenen Rechtsinstituts – gegenüber der Öffnung der bestehenden Ehe – geht daher durch den Entwurf verloren. Stattdessen vereint der Entwurf mehrere gravierende Nachteile: Ihm zufolge soll für die LP einerseits das rigide, unpassende Scheidungsrecht übernommen werden, andererseits bleiben der LP wesentliche Rechte der Ehe vorenthalten. Das lehnen wir strikt ab.

 

3. Wir bedauern außerordentlich, dass die unbedingt notwendigen Anpassungen in den einzelnen Materiengesetzen im vorgelegten Entwurf nicht enthalten sind. Wir fordern daher, dass diese Änderungen zeitgleich und in vollem Umfang mit dem LpartG in Kraft treten. In diesem Zusammenhang kritisieren wir die mangelnde Zusammenarbeit der betroffenen Ministerien in Hinblick auf die Verabschiedung eines umfassenden Gesamt­pakets sowie auch die gewählte Herangehensweise. Statt hunderte Einzelbestimmun­gen zu ändern bzw. ins LPartG zu übernehmen, wäre es unserer Ansicht nach effekti­ver, wie in den nordischen Ländern eine Generalklausel im LPartG zu formulieren, mit der bloß festgehalten wird, dass für die LP im Prinzip dasselbe gilt wie für die Ehe, und nur die – wenigen – Ausnahmen bzw. Abweichungen von der Ehe ausdrücklich anzu­führen.

 

4. Sollte der vorliegende Entwurf jedoch isoliert verabschiedet werden, muss in entsprechender Weise dafür gesorgt werden, dass die Anpassung besagter Materiengesetze rasch, umfassend und ohne Diskriminierung beauftragt wird.

 

 

Besondere Anmerkungen:

 

Wie bereits erwähnt, halten wir die im Entwurf vorgesehenen, im Vergleich zur Ehe nur unzureichend abgewandelten Auflösungsbestimmungen für nicht adäquat, weshalb wir diese in dieser Form ablehnen.

 

Die LP sollte unserer Auffassung nach in dieser Frage auf die Bedürfnisse gleichge­schlechtlicher Paare besser eingehen. Eine Auflösung aus Verschulden sollte überhaupt ausgeschlossen werden.

 

Es sollte nur zwei Arten der Auflösung einer LP geben: einvernehmliche und nicht einvernehmliche Auflösung.

 

–          Die einvernehmliche Auflösung sollte mit sofortiger Wirkung vor dem Standesamt (ohne Gericht) möglich sein, wenn beide PartnerInnen dies wollen und eine schriftliche Vereinbarung hinsichtlich vermögens- und unterhaltsrechtlicher Fragen sowie über die Obsorge allfälliger Kinder vorlegen.

 

–          Bei nicht einvernehmlicher Auflösung sollte die Frist dafür maximal ein Jahr betragen. Können sich die LebenspartnerInnen über eine einvernehmliche Auflösung nicht einigen, so sollte jede/r Partner/in (ohne Angabe von besonderen Gründen) durch entsprechenden Antrag bei Gericht die Auflösung der LP begehren können. Wird dieser Antrag innerhalb von zwölf Monaten nicht zurückgezogen, hat das Gericht danach die LP unter Festlegung allfälliger Unterhaltsansprüche und von Regelungen betreffend die Aufteilung von (Gebrauchs-)Vermögen und Ersparnissen sowie die Obsorge etwaiger Kinder aufzulösen.

 

Der ausdrückliche Wunsch und Wille eines/einer der Partner/innen, die LP zu beenden, sollte ausreichen, um die Auflösung durchführen zu können. Daher sollte es dazu weder irgendwelcher Umstände (Untreue, Krankheit etc.) noch der Klärung einer Verschul­densfrage durch ein Gericht bedürfen.

 

Die Unterhaltspflicht nach Auflösung der LP sollte sich nach Bedürftigkeit und Zumutbarkeit richten und zeitlich begrenzt sein (beispielsweise auf ein Jahr) – und sich ausdrücklich nicht nach dem Verschulden richten, da es keine Auflösung aus Verschulden geben soll.

 

 

Begründung: Wir betrachten das derzeitige österreichische Scheidungsrecht – nicht zuletzt im europäischen Vergleich – als besonders antiquiert. Wir sehen darin auch ein massives grund- bzw. menschenrechtliches Problem: Eine Person gegen ihren Willen bis zu sechs Jahre (Ehe) bzw. bis zu drei Jahre (LP-Entwurf) rechtlich an eine andere Person zu fesseln stellt für uns eine äußerst problematische Einschränkung der persönlichen Freiheit dar. Eine solche halten wir für inakzeptabel. Vom Staat gewährte Rechte davon abhängig zu machen, dass Personen, die in den Genuss dieser Rechte kommen möchten, sich solchen Bedingungen unterwerfen, erachten wir als sittenwidrig.

 

Im Übrigen sehen auch die Schweizer Regelungen – die sich insbesondere ja die ÖVP zum Vorbild nimmt – Unterschiede bei der Auflösung der Ehe und der Lebenspartner­schaft vor. Während nach Schweizer Recht ein/e Partner/in die Scheidung einer Ehe maximal zwei Jahre blockieren kann, kann die Auflösung einer Lebenspartnerschaft auch in der Schweiz nur bis zu einem Jahr blockiert werden.

 

 

Mag. Kurt Krickler, Generalsekretär

Wien, am 16. Juni 2008