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Österreich, 26. Mai 2008

 

 

 

 

Betrifft: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Passgesetz 1992, das Gebührengesetz 1957 und das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird,
GZ: BMI-LR1370/0003-III/1/2008
Begutachtungsverfahren

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs erlauben sich zu oben genanntem Gesetzesentwurf folgende Stellungnahme abzugeben:

 

Mit vorgeschlagener Novelle wird laut beiliegenden Erläuterungen unter anderem auch das Ziel verfolgt, die Einführung von eigenen (in den Erläuterungen so genannten) „Jugendpersonalausweisen“ zu ermöglichen.

 

Die vorgeschlagene Neufassung des § 8 Abs 1 Passgesetz 1992 (PaßG) sieht vor, dass mündigen Minderjährigen Verfahrensfähigkeit bezüglich der Ausstellung eines Reisepasses für das gesamte Verfahren zukommt. Aus § 19 Abs 2 PaßG (BGBl 839/1992 idF BGBl I 44/2006) folgt, dass dies auch für das Verfahren be-züglich der Ausstellung eines Personalausweises gilt (bzw. hinkünftig gelten wird).

 

Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs begrüßen die Klarstellung bezüglich der Verfahrensfähigkeit von Jugendlichen grundsätzlich. Allerdings wird gefordert, die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters für die Ausstellung eines Passes für Personen (Jugendliche) ab dem 14. Lebensjahr nicht mehr vorzusehen.

 

Reisepässe und Personalausweise sind Österreichischen Staatsbürgern vorbehalten (§ 4 PaßG). Gemäß Art 6 Abs 1 B-VG besteht für die Republik Österreich eine einheitliche Staatsbürgerschaft. Eines der Prinzipien der Staatsbürgerschaft ist jenes der Privatautonomie bzw. der staatsbürgerschaftsrechtlichen Selbständigkeit: Der Wille des Einzelnen bestimmt das Verfahren weitgehend, behördliches Ermessen und Abhängigkeit von Familienangehörigen werden abgebaut (zitiert nach Bachmann/Baumgartner/u.a., Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Aufl. (2004) 132). Insoferne ist das Recht der Staatsbürgerschaft auch ein höchstpersönliches.

 

Das für die Ausstellung eines Passes bzw. Personalausweises gültige Verfahren ist das im AVG 1991 grundgelegte Verfahren; dieses verweist in seinem § 9 bezüglich der „Rechts- und Handlungsfähigkeit“ (Verfahrensfähigkeit) auf die Bestimmungen des ABGB. Demgemäß sind mündige Minderjährige (also Jugendliche zwischen dem 14. und 18 Lebensjahr) in gewissem Rahmen geschäftsfähig („beschränkt geschäftsfähig“).

 

Es ist daher nicht einzusehen, wieso die Ausstellung eines Reisepasses oder Personalausweises von der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters abhängig gemacht wird, wo doch ein solches Dokument ausschließlich zu einem Vorteil gereicht und auf einem höchstpersönlichen Recht (nämlich jenem der Staatsbürgerschaft), das der Zustimmungsbefugnis anderer prinzipiell entzogen ist, gründet. Außerdem resultiert aus der Ausstellung eines Reisepasses keinerlei Verpflichtung(sgeschäft) und allfällige Gebühren in der im GebG vorgesehenen Höhe könnten sehr wohl von mündigen Minderjährigen ohne Gefährdung ihrer Lebensbedürfnisse getragen werden.

 

In diesem Zusammenhang wird weiters darauf hingewiesen, dass die sprachliche Gestaltung von Schriftstücken der zuständigen Behörde(n) bzw. (deren) Bescheide (insbes. Rechtsbelehrung), sprachlich so abgefasst sein müssen, dass sie von Jugendlichen auch ihrem Sinn und Inhalt nach verstanden werden können, ohne dass es einer entsprechenden Interpretation durch Erwachsene bedarf. Denn nur so werden Jugendliche in die Lage versetzt, allfällige Rechtshandlungen, die ihnen nach dem AVG 1991 zustehen (Berufung etc.), der Intention der Neugestaltung von § 8 Abs 1 PaßG folgend, selbständig vorzunehmen.

 

 

 

Wieso es hinkünftig farblich unterschiedliche Personalausweise geben soll, kann auch durch die bezughabenden Erläuterungen nicht erschlossen werden. Dazu wird das Folgende ausgeführt und am Schluss der Ausführungen eine teilweise Umgestaltung der vorliegenden Novelle gefordert.

 

Die Erläuterungen zum vorliegenden Entwurf der Novelle führen als Begründung dieser Maßnahme zwar eine „… leichte Kontrolle der Altersgrenze von 16 Jahren …“ an (siehe „Ziel“ bei Vorblatt der Erläuterungen). Die direkten Erläuterungen zu § 19 Abs 2a meinen, dass der „… farblich anders gestaltete Personalausweis auf den ersten Blick über das Alter des Inhabers Auskunft geben“ solle.

 

Ganz schlüssig sind diese Begründungen einerseits vor allem deshalb nicht, weil die farbliche Gestaltung vom Stichtag der Antragstellung (Vollendung des 16. Lebensjahres) abhängen soll (siehe den neu einzufügenden Abs 2a von § 19 Abs in der Fassung der vorgeschlagenen Neufassung des PaßG).

 

Ob die Wahl dieses Stichtages (Vollendung des 16. Lebensjahres) im Zusammenhang mit dem Jugendschutz stehen könnte, kann aus den Erläuterungen jedenfalls nicht direkt entnommen werden. Eine Interpretation dahingehend sollte aber durchaus keine Fehlinterpretation der Neuregelung von § 19 Abs 2a PaßG darstellen, zumal der allgemeine Teil der Erläuterungen zur Novelle unter anderem auch ausführt, dass Jugendliche „… oftmals über kein eigenes Lichtbilddokument verfügen, mit dem sie sich zweifelsfrei legitimieren können …“. Insoferne solle, um „… diese Ausweisleistung zu ermöglichen, … eine ‚kostengünstige’ Variante zur Verfügung gestellt werden; die überdies eine in vielen Bereichen maßgebliche Altersgrenze leicht erkenn- und sichtbar macht.“

 

Dennoch, die vorgeschlagene Neuregelung (neuer Abs 2a bei § 19 PaßG) trifft in ihrem Kern nicht nur ins Leere, sondern ist im Zusammenhang mit der Neuregelung des Gebührengesetzes 1957 (GebG) in dieser Form abzulehnen!

 

Zwar ist es richtig, dass es im Bereich des Jugendschutzes, ein Blick in die Jugendschutzgesetze der Länder (vgl. Art 15 B-VG) wird dies bestätigen, vor allem drei maßgebliche Altersgrenzen gibt:

 

das vollendete 14.,

das vollendete 16. und schließlich

das vollendete 18. Lebensjahr.

 

So orientieren sich etwa jene Zeiten, an denen sich Jugendliche an öffentlichen Orten nicht ohne Begleitung durch Erwachsene aufhalten dürfen, an diesen drei Altersgrenzen. Das 16. bzw. das 18. Lebensjahr stellt darüber hinaus unter anderem eine wichtige Altersgrenze für den Konsum von Tabak bzw. alkoholischen Getränken dar.

 

Würde man, wie es die Novelle vorsieht, die farbliche Gestaltung von Personalausweisen vom Datum der Antragstellung abhängig machen, so haben Jugendliche, die ihren Personalausweis vor dem 16. Lebensjahr beantragen, einen farblich anders gestalteten Ausweis, als Jugendliche, die ihren Personalausweis nach Vollendung des 16. Lebensjahres beantragen.

 


Mit anderen Worten (ein Beispiel): Angenommen, die mit der Novelle intendierte Gesetzeslage wäre bereits seit 1.Jänner 2006 in Kraft. Darüber hinaus sei angenommen, ein Jugendlicher A, der am 1. Juli 1992 geboren wurde, stellte einen Antrag auf Ausstellung eines Personalausweises am 30. Juni 2008. Ein anderer Jugendlicher B, ebenfalls am 1. Juli 1992 geboren, stellte einen solchen Antrag am 2. Juli 2008.

 

Beide Jugendliche sind gleich alt – aber mit dem Ergebnis, dass es zwei unterschiedliche Personalausweis-Farben gibt. Darüber hinaus würde der eine Jugendliche EUR 26,30, der andere EUR 56,70 an Gebühren zu tragen haben.

 

Wie demnach eine Auskunft „… auf den ersten Blick über das Alter des Inhabers …“ (so aber wörtlich(!) die Erläuterungen zu § 19 Abs 2a PaßG) in der Praxis vonstatten gehen könnte, dürfte sich daher (nicht nur dem Praktiker) bereits auf den ersten Blick verschließen.

 

Aber damit nicht genug, denn die Änderung des Gebührengesetzes 1957 (GebG) sieht vor, dass (sinngemäß) Personalausweise, bei denen der Antragsteller das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, mit EUR 26,30 zu vergebühren sind (siehe die neu einzufügende Ziffer 1a in § 14 TP 9 Abs 2 GebG GebG iVm neu geplanter Abs 2a von § 19 PaßG).

 

Daher würden Jugendliche, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gebührenrechtlich anders behandelt, als Jugendliche zwischen dem vollendeten 16. bis 18. Lebensjahr, zumal Jugendliche, die einen Antrag zwischen ihrem 16. und 18. Lebensjahr stellen, eine Gebühr von EUR 56,70(!) zu bezahlen hätten (siehe § 14 TP 9 Abs 2 Z 1 GebG iVm neu einzufügender Ziffer 1a leg. cit.).

 

Aus unserer Sicht stellt die Vorgehensweise im Rahmen des GebG eine Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der (mündigen) Minderjährigen dar, die sachlich nicht begründbar und daher nicht verhältnismäßig ist und daher gegen das verfassungsmäßig garantierte Gleichbehandlungsgebot verstößt und daher verfassungswidrig ist.

 

Die Unsachlichkeit der Regelung im Rahmen des GebG wird vor allem darin gesehen, dass es gerade im Interesse von mündigen Minderjährigen, also Jugendlichen zwischen dem vollendeten 14. und 18. Lebensjahr ist, einen besonderen Schutz („Jugendschutz“) und damit eine besondere Fürsorge des Staates zu genießen, als für diese Altersgruppe eine möglichst zweifelsfreie Alterslegitimierung zur Verfügung stehen soll. Dieser Altersnachweis kann, so die Materialien

 

selbst, am besten durch einen Personalausweis        , der ein mögliches Höchstmaß an Fälschungssicherheit bietet, geführt werden.

 

Daher ist eine gebührenrechtliche Gleichbehandlung innerhalb der Gruppe der mündigen Minderjährigen (also 14- bis 18-jährigen) zu gewährleisten.

 

Die geplante Novelle ist also nicht schlüssig, weil als Stichtag für die farbliche Gestaltung des Personalausweises die Antragstellung (Vollendung des 16. Lebensjahres) normiert werden soll und in diesem Zusammenhang auch die Höhe der Gebühr. Im Endeffekt würden daher Jugendliche (zumindest im Zusammenhang mit dem Personalausweis) ab Vollendung des 16. Lebensjahres (offensichtlich) „wie Erwachsene“ behandelt; also sowohl, was die farbliche Gestaltung als auch die Höhe der Gebühr betrifft.

 

Zum einen könnten daher zwei paradoxe (ja gerade im Sinne des Jugendschutzes kontraproduktive!) Ergebnisse zutage treten:

 

Einerseits könnten, wie schon oben angesprochen, Jugendliche, die zwischen ihrem 16. und 18. Lebensjahr einen Personalausweis beantragt haben, (nicht nur im übertragenen Sinn) „… auf den ersten Blick …“ (zumindest) farblich als Erwachsene betrachtet werden. Dies wäre bzw. ist aber aus Sicht des Jugendschutzes grundfalsch! Darüber hinaus kann dieser „Effekt“ auch gar nicht im Interesse von Gewerbetreibenden sein, die v.a. im Rahmen der Gewerbeordnung, im Zusammenhang mit der Kontrolle der Altersgrenze für die Abgabe von Alkohol an Jugendliche (Altersgrenze 16 bzw. 18 Jahre) unter Umständen mit noch verwirrenderen Kontrollen zu rechnen hätten (siehe bereits das Beispiel oben).

 

Zum anderen könnte es sein, dass Jugendliche zweimal einen Personalausweis beantragen, eben, um nach Vollendung des 16. Lebensjahres, bereits als Erwachsene „zu (er)scheinen“: Nämlich einmal vor Vollendung des 16. Lebensjahres (mit Kosten von EUR 26,30) und einmal nach Vollendung des 16. Lebensjahres, mit diesmal aber den doppelten(!!!) Kosten – von EUR 56,70! Zur verfassungsmäßigen Bedenklichkeit dieser Regelung siehe bereits oben!

 

Insgesamt scheint daher die Bezeichnung „Personalausweis für Jugendliche“ nicht nur eine Irreführung, sondern auch schlicht falsch zu sein, außer man betrachtet – (contra legem!), Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, nicht mehr als Jugendliche.

 

 

 

Daher wird von den Kinder.- und Jugendanwaltschaften Österreichs gefordert:

 

  1. In § 8 Abs 1 PaßG ist der 2. Satz ersatzlos zu streichen.

 

  1. Die Neueinfügung eines Abs 2a in § 19 PaßG, das heißt, eine farblich unter  schiedliche Gestaltung der Personalausweise, hat zu unterbleiben.

 

  1. In der Durchführungsverordnung zum PaßG ist vorzusehen, dass das Geburtsdatum in Personalausweisen in deutlich lesbarer Schrift, das heißt, in Groß- bzw. Fettdruck auszuführen ist.

 

  1. Im Rahmen des GebG sind Kinder und Jugendliche gleich zu behandeln.

 


Begründung:

 

Ad 1.: Das AVG 1991 verweist auf die Bestimmungen des ABGB. Demgemäß sind mündige Minderjährige beschränkt geschäftsfähig. Da die Ausstellung eines Reisepasses bzw. Personalausweises vom höchstpersönlichen Recht der Staatsbürgerschaft abhängt, ist sie der Zustimmungsbefugnis anderer prinzipiell entzogen. Außerdem resultiert aus der Ausstellung eines Reisepasses keinerlei Verpflichtung(sgeschäft) und allfällige Gebühren in der im GebG vorgesehenen Höhe können von mündigen Minderjährigen ohne Gefährdung ihrer Lebensbedürfnisse getragen werden.

 

Ad 2.: Eine farblich unterschiedliche Gestaltung ist für Zwecke einer Alterskontrolle entbehrlich. Einerseits würden farblich unterschiedlich ausgeführte Personalausweise zu zusätzlicher Verwirrung bzw. und im

 

Endeffekt weniger Akzeptanz als Altersnachweis führen. Andererseits ist die Ausführung eines Personalausweises dergestalt, dass er ein mögliches Höchstmaß an Fälschungssicherheit gewährleistet. Daher ist das am Personalausweis aufscheinende Geburtsdatum zusammen mit dem Lichtbild als Altersnachweis vollkommen ausreichend.

 

Ad 3.: Um eine Kontrolle des Alters des Inhabers des Personalausweises in der Praxis zu erleichtern, soll das Geburtsdatum deutlich lesbar ausgeführt sein.

 

Ad 4.: Eine gebührenrechtliche Gleichbehandlung von Kindern bzw. Jugendlichen (14 bis 18-jährige) ist verfassungsrechtlich geboten.

 

 


Abschließend wird von den Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs angeregt, das Konzept der Edu.Card – „elektronischer Schülerausweis“ – in Kombination mit den regionalen Jugendkarten als Altersnachweis zu forcieren. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat dafür bereits ein ausgereiftes Konzept (Richtlinien etc.) vorgelegt, bis hin zu Überlegungen, dass die Edu.Karte auch die Funktionalität der Bürgercard beinhalten könnte.

 

Diese Karten, ausgestaltet als Multi-Tasking-Karten, sind für die beiden hauptsächlichen Lebenswelten von Jugendlichen, Schule und Freizeit, konzipiert – und finden auch so Verwendung (Zutrittssysteme, Schülerfreifahrt, Ermäßigungen etc.). Insoferne wäre auch die Akzeptanz dieser Karten als Altersnachweis nicht nur bei Jugendlichen, sondern z.B. auch bei Gewerbebetrieben in einem Höchstmaß gegeben.

 

 

 

Diese Stellungnahme wird auch an das Präsidium des Nationalrates zur Kenntnis gebracht.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Mag. Christian Theiss                                                                  MMag. Martin Knopper

 

für die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs