REPUBLIK ÖSTERREICH

BUNDESMINISTERIUM FÜR JUSTIZ

BMJ-L578.024/0008-II 3/2008

 

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kzl.L@bmj.gv.at

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(01) 52152 2753

Sachbearbeiter(in):

Mag. Friedrich Alexander Koenig

*Durchwahl:

2156

 

 

Betrifft:

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert und ein Bundesgesetz über ein Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung und Korruptionsprävention erlassen wird; Begutachtungsverfahren; Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz

 

 

Das Bundesministerium für Justiz beehrt sich, seine Stellungnahme zu dem aus dem Gegenstand ersichtlichen Gesetzesentwurf zu übermitteln.

 

27. Mai 2008
Für die Bundesministerin:
Mag. Christian Pilnacek

Beilage:                        Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz

Elektronisch gefertigt


 

 

REPUBLIK ÖSTERREICH

BUNDESMINISTERIUM FÜR JUSTIZ

BMJ-L578.024/0008-II 3/2008

 

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kzl.L@bmj.gv.at

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(01) 52152-0*

Telefax

(01) 52152 2753

Sachbearbeiter(in):

Mag. Friedrich Alexander Koenig

*Durchwahl:

2156

 

 

Betrifft:

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert und ein Bundesgesetz über ein Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung und Korruptionsprävention erlassen wird; Begutachtungsverfahren

 

Bezug:

GZ: BMI-LR/1300/0008-III/3/2008

 

 

Unter Bezug auf das Schreiben vom 28. April 2008 beehrt sich das Bundesministerium für Justiz, zu dem im Gegenstand genannten Gesetzesentwurf wie folgt Stellung zu nehmen:

Der Entwurf ist in dieser Fassung aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz wegen mangelnder Abstimmung mit der durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2008 eingerichteten Korruptionsstaatsanwaltschaft und der Kompetenzverteilung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nach der StPO abzulehnen; zu den Einzelheiten ist zu bemerken:

I. Gesetzestext

Zu Art. 1 (Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes)

Die Beweggründe für die vorgeschlagene Ergänzung des Art. 78a Abs. 1 B-VG gehen aus den Erläuterungen nicht ausreichend hervor. Einer derart weitgehenden Verfassungsänderung bedarf es – vorbehaltlich der Stellungnahme des BKA-VD – zur Einrichtung des Bundesamts wohl nicht. Das Problem der vorgeschlagenen Regelung liegt nicht zuletzt darin, dass sie es dem einfachen Gesetzgeber in die Hand gibt, die in den Art. 78a ff B-VG vorgegebene Sicherheitsverwaltung zu ändern bzw. zu unterlaufen. Zumindest sollten die Voraussetzungen, unter denen der einfache Gesetzgeber solche Maßnahmen ergreifen darf, im vorgeschlagenen neuen dritten Satz angeführt werden. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn die Einrichtung von dem BM.I unmittelbar nachgeordneten Behörden aufgrund internationaler Verpflichtungen oder zur effizienten  Wahrnehmung von sicherheitspolizeilichen Aufgaben erforderlich ist. Jedenfalls erscheint es fragwürdig, die Einrichtung des Bundesamtes verfassungsrechtlich vorzuzeichnen, nicht aber die ihr gegenüber weisungsberechtigte Korruptionsstaatsanwaltschaft (KStA).

Zu Art. 2 (Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes):

Gemäß Z 1 soll dem § 4 SPG ein Abs. 4 angefügt werden, nach dessen Inhalt das Bundesamt neben Korruptionsbekämpfung und Korruptionsprävention auch für die bundesweite Verfolgung von Korruption zuständig sein soll.

Diese Anordnung greift in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Justiz ein, weil die Verfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen als Teil der Strafrechtspflege den Staatsanwaltschaften vorbehalten ist. Darüber hinaus obliegen nach dem BMG dem Bundesministerium für Justiz auch die Angelegenheiten der staatsanwaltschaftlichen Behörden sowie der Verfahren von Verwaltungsbehörden im Dienst der Strafrechtspflege. Die Systemwidrigkeit des Vorschlags wird auch durch einen Vergleich mit § 5 Abs. 2 SPG deutlich, der die Aufgabe „Kriminalpolizei“ in Übereinstimmung mit der StPO wie folgt definiert: „Kriminalpolizei im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Wahrnehmung von Aufgaben im Dienste der Strafrechtspflege, insbesondere die Aufklärung strafbarer Handlungen nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung 1975“. Schließlich wurde mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2008, BGBl. I Nr. 109/2007, für die Verfolgung, also insbesondere für die Leitung des Ermittlungsverfahrens bei Korruption und gerichtlich strafbaren Verletzungen der Amtspflicht und verwandter Straftaten die Korruptionsstaatsanwaltschaft eingerichtet.

Die Bestimmung des § 4 Abs. 4 SPG sollte daher wie folgt lauten:

„(4) Dem Bundesminister für Inneres unmittelbar unterstellt besorgt das Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung und Korruptionsprävention die bundesweite Vorbeugung, Verhinderung und Bekämpfung [Aufklärung] von Korruption.

Anzumerken ist letztlich, dass der Begriff „Korruption“ keinen eigenständigen, strafrechtlichen Begriffsinhalt aufweist, was als Anknüpfung in einer Zuständigkeitsbestimmung (funktionelle Zuständigkeit) nicht zuletzt auf Grund der Strafrechtsakzessorietät des SPG problematisch erscheint (gegebenenfalls könnte dieses Problem durch einen Verweis auf § 6 des BG über ein Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung und Korruptionsprävention gelöst werden).

Zu Art. 3 (Bundesgesetz über ein Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung und Korruptionsprävention):

1. In § 1 wird neuerlich die Verfolgung von Korruption als einer der drei Kernbereiche des Bundesamtes genannt; hiezu gilt das oben Ausgeführte, zumal die KStA gerade auch durch spezifische Fachkräfte (Ermittlungsorgane) die Verfolgung dieser Art von Straftaten übernehmen soll. Der Bereich der Verfolgung wird exklusiv durch § 20a StPO iVm § 18 StPO und § 2a StAG („wirksame bundesweite Verfolgung von Korruption“) abgedeckt, sodass sich der Entwurf des BMI auf die Regelung sicherheitspolizeilicher Bereiche beschränken sollte. Der Begriff „Verfolgung“ sollte daher wiederum durch den Begriff der „Bekämpfung“ bzw. der „Aufklärung“ ersetzt werden. Damit würde auch eine Übereinstimmung mit § 6 Abs. 1 des Entwurfs hergestellt, der unter der Überschrift „Aufgaben“ festlegen soll, dass das Bundesamt bundesweit für sicherheits- und kriminalpolizeiliche Angelegenheiten wegen folgend aufgezählter strafbarer Handlungen (eigentlich: „Straftaten“) zuständig ist. Der erste Teil des Satzeinschubs, der den Zweck der Einrichtung des Bundesamtes beispielsweise auflistet (beginnend mit „insbesondere“), verweist zunächst auf die Zusammenarbeit mit der KStA (allerdings ohne eine deckungsgleiche  Zuständigkeit mit dieser anzustreben), und sodann auf die „Wahrnehmung zentraler Funktionen“ bei der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Kooperation mit ausländischen Behörden. Soweit die kriminalpolizeiliche Kooperation allerdings bereits im Rahmen einer „Verfolgung“ geschieht, wäre auch hier das Wort „zentral“ – mit Blick auf die KStA – sachlich nicht begründet.

2. Nach § 3 Abs. 1 muss dem Vorschlag zur Ernennung des Direktors des Bundesamts eine Anhörung der PräsidentInnen der Höchstgerichte vorangehen. Diese doch eher ungewöhnliche Verpflichtung zur Anhörung wird in den Erläuterungen nicht näher begründet. Ohne hier dem Entwurf eine Verletzung des Grundsatzes des Trennung der Justiz von der Verwaltung (Art. 94 B-VG) zu unterstellen, erscheint sie auch sachlich nicht geboten. Weit sinnvoller wäre es doch, im Hinblick auf die selbst vom vorliegenden Entwurf nicht geleugnete enge „Verzahlung“ der Korruptionsstaatsanwaltschaft mit den neu zu schaffenden Bundesamt eine Anhörung des Leiters dieser Einrichtung vorzusehen.

Das Ausschreibungsgesetz heißt „Ausschreibungsgesetz 1989“ und sieht verschiedene Vorgangsweisen vor. Konsequent wäre es wohl, die Funktion des Direktors des Bundesamts in § 3 Z 6 AusG ausdrücklich zu nennen.

3. Zu den Zuständigkeiten gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 bis 6 ist anzuführen, dass sich diese nicht 1:1 mit den Zuständigkeiten der KStA gemäß § 20a StPO decken.

3.1. So ist im Entwurf des BM.I nicht nur Untreue unter Ausnützung einer Amtsstellung (§ 313 StGB), sondern auch Untreue mit einem erwarteten Schadensbetrag von über € 50.000,-- umfasst. In den Erläuterungen wird zu dieser Ergänzung im Bereich der qualifizierten Untreue ausgeführt, dass diese im Hinblick auf internationale Vorgaben für den Bereich der Korruption im privaten Bereich sinnvoll und nötig erscheine, zumal in jüngster Vergangenheit Aufsehen erregende Vorfälle (etwa in Deutschland) gezeigt hätten, dass Korruption und deren Bekämpfung, insbesondere im Wirtschaftsleben, zunehmend an Bedeutung gewinnen und auch in diesem Fall die Expertise des Amtes genutzt werden sollte.

Weiters ist die Zuständigkeit für Geschenkannahme durch Bedienstete oder Beauftragte gemäß § 168c StGB nicht bloß auf qualifizierte Delikte im Sinne des Abs. 2 (Wert des Vorteils übersteigt € 5.000.-) beschränkt, was schon deshalb sinnwidrig erscheint, weil Privatanklagedelikte nicht den Begriff des „gefährlichen Angriff“ nach dem SPG erfüllen. Überdies soll im Gegensatz zur KStA das Vergehen der Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten gemäß § 168d StGB umfasst werden. Diesbezüglich werden in den Erläuternden Bemerkungen keine Ausführungen getätigt und kann insbesondere im Bereich des § 168c StGB im Gegensatz zur Ausdehnung der Zuständigkeit bei qualifizierter Untreue, die durchaus überlegenswert erscheint, keine schlüssige Begründung gefunden werden.

3.2. § 6 Abs. 1 Z 7 erweitert die Zuständigkeit auf Straftaten, die „über Auftrag eines Gerichts oder einer Staatsanwaltschaft zu erledigen sind“, soweit diese entweder mit einer der in Z 1 bis 6 genannten Straftaten im Zusammenhang stehen oder von einem Beamten oder Vertragsbediensteten begangen worden sind. Abgesehen von der sprachlichen Unschärfe, weil Straftaten nicht erledigt, sondern ermittelt werden, fügt sich diese Bestimmung nicht in das System der StPO ein, weil die Staatsanwaltschaft ihre Anordnungen und Genehmigungen gemäß § 102 Abs. 1 StPO an die Kriminalpolizei gemäß deren Zuständigkeit zu richten hat. Soll beabsichtigt sein, dass sich die Staatsanwaltschaft auch bei der Ermittlung und Verfolgung anderer Straftaten des Bundesamtes bedienen darf, so wäre eine solche Regelung in der StPO selbst zu treffen, wobei einem solchen Ermessen der Staatsanwaltschaft von der Warte des Rechts auf den gesetzlichen Richter wohl Schranken gesetzt wären (keine vorhersehbare Begründung einer Zuständigkeit des Bundesamtes). Gleichzeitig ist zu bemerken, dass die in § 7 vorgeschlagene Meldepflicht überschießend formuliert ist (aus Sicht des Meldungslegers ist nicht ersichtlich, ob eine Zuständigkeit gemäß Z 7 begründet werden wird). Gleiches gilt im Wesentlichen für den Fall, dass die Straftat von einem Beamten oder Vertragsbediensteten begangen worden ist. Der Beamtenbegriff soll nicht funktional ausgelegt werden, sondern sollen auch jene Beamte und Vertragsbedienstete erfasst werden, die außerhalb ihrer dienstlichen Tätigkeit eine Straftat begehen. Die Staatsanwaltschaften oder die Gerichte sollen in diesen Fällen die Möglichkeit erhalten, das Bundesamt mit den Ermittlungen zum „Freizeitverhalten“ des öffentlichen Bediensteten zu beauftragen. Anders als die Zuständigkeit der Korruptionsstaatsanwaltschaft, die ausschließlich Amtsdelikte im eigentlichen Sinn betrifft und überhaupt von einer funktionalen Beamteneigenschaft ausgegangen wird, soll nun bei jeglicher Art von Straftat, die von einem Beamten oder Vertragsbediensteten auch außerhalb der dienstlichen Tätigkeit begangen wird, die Möglichkeit geschaffen werden, das Bundesamt mit den Ermittlungen zu betrauen. Dass nun etwa eine fahrlässige Körperverletzung im Rahmen eines Verkehrsunfalls oder der Ladendiebstahl eines Vertragsbediensteten zumindest vom Zuständigkeitsbereich des Bundesamtes umfasst sein kann, erscheint nicht zielführend. Überhaupt muss die weitere Voraussetzung, nämlich dass eine „gerichtlich strafbare Handlung über Auftrag eines Gerichts oder einer Staatsanwaltschaft zu erledigen ist“, einer präziseren Formulierung zugeführt werden, weil diese Prämisse grundsätzlich für alle Straftaten gilt. Aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz wäre hier einfach ein entsprechender Auftrag bzw. eine Anordnung der Staatsanwaltschaft die zu bevorzugende Grundlage für eine Zuständigkeit.

3.3. In § 6 Abs. 2 wird ausgeführt, dass das Bundesamt die zentrale nationale Verbindungsstelle gegenüber OLAF und EUROJUST sein soll, soweit Ermittlungsverfahren wegen der in Abs. 1 genannten Straftaten betroffen sind. Damit wird erneut in den Zuständigkeitsbereich des BMJ eingegriffen, weil gemäß § 20a Abs. 3 StPO die KStA als zentrale nationale Verbindungsstelle gegenüber OLAF und Eurojust aufzutreten hat. Der letzte Satz des § 6 Abs. 2 sollte daher entfallen; die Kommunikation hat in diesen Fällen über die KStA zu laufen. 

3.4. In § 6 Abs. 3 wird im Hinblick auf die Statuierung des Bundesamtes als nationaler Ansprechpartner für ausländische Dienststellen neuerlich auch auf die Verfolgung von Korruption abgestellt, wobei die Aufzählung für die äußere Erkennbarkeit der Zuständigkeit wohl nur die Angelegenheiten der Z 1 bis 6 umfassen dürfte. Gleiches gilt für Abs. 4. Auch hier wäre der Verweis auf OLAF zu streichen.

3.5. Die in § 6 Abs. 6 statuierte Berichtspflicht gegenüber dem Bundesminister für Inneres, der jährlich bis spätestens 31. Mai des Folgejahres nachgekommen werden soll, könnte an die Frist zur Berichterstattung der KStA gegenüber der Bundesministerin für Justiz mit Ende April des Folgejahres angeglichen werden.

3. Zu § 7 „Meldestelle“:

4.1. Nach dieser Bestimmung sollen die Sicherheitsbehörden oder –dienststellen die von einer Straftat im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 1 bis 7  Kenntnis erlangen, davon unverzüglich schriftlich dem Bundesamt berichten. Hiezu ist zunächst festzuhalten, dass die in § 6 Abs. 1 Z 7 genannten Zuständigkeiten meist erst im Zuge des Ermittlungsverfahrens festgelegt werden und eine Erfüllung der in § 7 Abs. 1 normierten Meldepflicht kaum möglich erscheint. Hingegen fehlt in § 7 ein Verweis auf § 100a StPO, wonach die Kriminalpolizei der KStA über jeden Verdacht einer in § 20a Abs. 1 StPO erwähnten Straftat gemäß § 100 Abs. 2 Z 1 StPO zu berichten hat.

4.2. Der zweite Satz dieser Bestimmung ist legistisch unzutreffend, weil die Anzeigepflicht gemäß § 78 StPO nicht den einzelnen Beamten, sondern dem Leiter der Behörde oder Dienststelle obliegt. Der Zweck der Bestimmung lässt sich darüber hinaus nicht leicht erschließen, weil es ja auch unzulässig (wenn nicht gemäß § 302 StGB strafbar) wäre, den Beamten von der ihm nach dienstrechtlichen Bestimmungen obliegenden Meldeverpflichtung abzuhalten.

4.3. Zu der in § 7 Abs. 2 ausdrücklich verankerten Verpflichtung, wonach das Bundesamt eine für jedermann zugängliche Einrichtung, etwa auf Internet-Basis, installieren und betreiben soll, welche die anonymisierte Kommunikation von Hinweisgebern mit dem Bundesamt ermögliche, wird darauf hingewiesen, dass durch bewusstes Forcieren der Übermittlung anonymer Anzeigen – womöglich unterstützt durch einen offensiven Internet-Auftritt – mit einer übermäßigen Nutzung seitens der Bevölkerung zu rechnen ist. Dadurch würde es einerseits schwerer werden, konkrete anonyme Hinweise mit entsprechendem Substrat von der Vielzahl nicht ernst gemeinter oder von sehr subjektivem Rechtsempfinden geprägter Schreiben zu unterscheiden und muss andererseits – wie immer bei anonymen Anzeigen – mit vermehrter Gefahr verleumderischer Tätigkeit gerechnet werden. Im Übrigen ist letztlich – gerade im Hinblick auf mögliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Verleumdung – eine Kommunikation über das Internet meist weniger anonym als ein Brief ohne Absender.

5. Zu § 8 Abs. 1 (Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Dienststellen) ist festzuhalten, dass die Bestimmung auch anderslautende Anordnungen der Staatsanwaltschaft berücksichtigen müsste, der ja die Leitung des Ermittlungsverfahrens obliegt. Es müsste auch klargestellt werden, dass durch diese Bestimmung nicht jene des § 99 Abs. 3 StPO unterlaufen wird. Das Primat der Staatsanwaltschaft bei der Leitung des Ermittlungsverfahrens müsste deutlich hervorgestrichen werden.  Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass der letzte Halbsatz „sofern sich das Bundesamt die Amtshandlung vorbehält“ inhaltlich nicht bestimmt ist; hier wäre schon aus Gründen des Schutzes vor Willkür eine nähere Determinierung dieses Ermessens erforderlich.

Zu § 8 Abs. 3 ist festzuhalten, dass die Wendung „Zurücklegung der Anzeige“ keine Deckung mehr in der StPO findet. Überdies würde das Bundesamt auf Grund der derzeit geltenden Bestimmungen bei Ermittlungstätigkeit für die Justiz ohnedies von der Staatsanwaltschaft bzw. dem Gericht bei Einstellung des Verfahrens, Verurteilung bzw. anderen Enderledigungen verständigt werden.

6. Zur Bestimmung „Weisungen“ in § 9 Abs. 1 wäre eine Klarstellung erforderlich, dass fachliche Weisungen nur im präventiven Bereich bzw. bei der Aufgabenerfüllung im Sinne des SPG erfolgen dürfen, weil fachliche Weisungen im Bereich der kriminalpolizeilichen Tätigkeit des Bundesamtes ausschließlich der Staatsanwaltschaft (KStA) vorbehalten wären. Vorgeschlagen wird ferner, die Regelung transparenter zu gestalten und klarzustellen, von wem Weisungen im rein sicherheitspolizeilichen Bereich kommen können.

Abs. 2 erscheint aus vielerlei Gründen problematisch: Zum ersten ist der Verweis auf Art. 20 Abs. 1 unklar. Es fragt sich beispielsweise, ob die Regelung eine „Durchgriffsweisung“ des BM.I (etwa durch einen Erlass) ausschließt. Zum zweiten stellt sich gerade hier das Problem, dass es der Korruptionsstaatsanwaltschaft selbstverständlich unbenommen bleiben muss, dem einzelnen Organ des Bundesamts bestimmte Aufträge und damit Weisungen zu erteilen. Zum  dritten bleibt offen, weshalb der Entwurf hier vom „Personal“ des Bundesamts und nicht etwa – wie z. B. in § 3 Abs. 5 des Entwurfs – von dessen Bediensteten oder – wie in § 4 Abs. 1 des Entwurfs – von dessen Organen spricht. Zum vierten begründen die Erläuterungen nicht, weshalb es einer derartigen Regelung überhaupt bedarf. Sie kann ohne inhaltliche Verluste gestrichen werden.

7. Zu § 10 „Kommission“ ist auszuführen, dass der Tätigkeitsbereich dieser als eine Art „Aufsichtsrat“ gedachten Kommission nicht klar umschrieben ist. Aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz sollte ihr keine Kompetenz in Angelegenheiten zugedacht werden, die die kriminalpolizeiliche Arbeit unter der Leitung der KStA oder gerichtliche Entscheidungen im Haupt- und Rechtsmittelverfahren betreffen. In den Erläuterungen wird zu dieser Kommission ausgeführt, dass es darum gehe, zunächst jedem Verdacht einer unrichtigen Vorgangsweise dieser Behörde nachzugehen und diesen aufzuklären, daneben solle die Kommission auch insoweit tätig werden, als es gelte, eine durch äußere Einflüsse unbehelligte Arbeit des Bundesamtes zu gewährleisten. Weiters solle die Kommission auch die Aufgabe gegenüber der Öffentlichkeit wahrnehmen, Sachverhalte, die Ermittlungen von medialem Interesse betreffen, objektiv darzustellen.  Keine dieser Aufgaben lässt sich aber dem Zweck der „Kommission“ nach § 10 Abs. 1 des Entwurfs, nämlich der „Gewährleistung der notwendigen Transparenz“ der Tätigkeit des Bundesamts, unterstellen. Hier sollte das Gesetz unbedingt Klarheit schaffen. Im Übrigen darf in diesem Konnex jedoch die Prüfungskompetenz der Staatsanwaltschaften wie auch der Gerichte selbst nicht unbeachtet bleiben, die beispielsweise gerade nach einem Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 StPO bzw. allenfalls sogar wegen geäußerter Verdachtsmomente in Richtung amtsmissbräuchlicher Ermittlungen selbst tätig werden müssen.

In § 11 Abs. 1 wird zum Thema „Aufgaben und Recht der Kommission“ ausgeführt, dass diese den ihr zur Kenntnis gebrachten Sachverhalten im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Bundesamtes nachzugehen hat. Um welche Sachverhalte es sich dabei handeln soll, geht daraus nicht hervor. Wenn weiter die „Kommission“ der Amtsverschwiegenheit unterliegen soll (§ 11 Abs. 2 letzter Satz des Entwurfs), sind der normierten „Transparenz“ grenzen gesetzt. Offenbar ist aber auch daran gedacht, mit der „Kommission“ eine Einrichtung zu schaffen, die  eine Revision oder Kontrolle ermöglicht (dafür sprechen die in den Abs. 4 und 5 des § 11 des Entwurfs vorgesehenen Befugnisse und Pflichten). Dann sollte der Entwurf dies aber auch betonen.

Auch hier ist letztlich das Ernennungsprocedere überaus fragwürdig (§ 10 Abs. 2 des Entwurfs). Wenn den PräsidentInnen der Höchstgerichte das alleinige Vorschlagsrecht zukommen soll, verstärkt sich der Eindruck, dass Agenden der Verwaltung mit denen der Justiz in unzulässiger Weise vermischt werden. Der Entwurf lässt im Übrigen eine Regelung für den Fall vermissen, dass sich diese PräsidentInnen nicht einig sind. Schließlich ist festzuhalten, dass Kommissionen üblicherweise aus Vorsitzenden (und deren Stellvertretern) sowie Mitgliedern bestehen. Es sollte eine Altersgrenze geben und Regelungen über die Nachbesetzung für die laufende Periode.

Schließlich ist zu § 17, wonach mit der Vollziehung der Bestimmung des § 8 Abs. 3 die Bundesministerin für Justiz betraut werden soll, auf die Ausführungen zu den Verständigungspflichten zu verweisen.

***

II. Erläuterungen

Auch in den Erläuterungen wird bereits im Vorblatt immer wieder betont, dass diese neu zu bildende Sicherheitsbehörde auch für die „Verfolgung“ von Korruption zuständig sein soll, wobei auf die zum Gesetzestext getätigten Ausführungen verwiesen wird. Zu den finanziellen Auswirkungen wird unzureichend nur angeführt, dass die Einrichtung der neuen Behörde samt Ausstattung mit dem nötigen Personal- und Sachaufwand mit zusätzlichen Kosten verbunden sein wird, wobei in § 3 Abs. 6 bloß vorgegeben ist, dass das Bundesamt mit dem für die bundesweite Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Sachmitteln und Personalressourcen auszustatten ist.

Im Allgemeinen Teil der Erläuterungen wird unter Bezug auf die Bedeutung von Präventivmaßnahmen im Bereich der Korruption des nationalen und internationalen Bereichs ein Ansatz, der sich alleine auf die Verfolgung strafbaren Verhaltens etwa in Form einer „Gerichtspolizei“ beschränke als zu kurz gegriffen und nicht den klaren internationalen Vorgaben entsprechend erachtet. Der Entwurf trage somit dem Ziel Rechnung, dass diese Aufgaben einer „echten“ Sicherheitsbehörde und nicht nur einem Hilfsapparat im Bereich der Justiz übertragen werden sollen.

In diesem Absatz wird offensichtlich auf die in den Erläuterungen zum Strafprozessreformbegleitgesetz II und Strafrechtsänderungsgesetz 2008 zum Thema Korruptionsstaatsanwaltschaft vorgesehenen 20 ExpertInnen Bezug genommen und diese Einrichtung als Hilfsapparat der Justiz bezeichnet. Gerade durch die Unterstützung dieser Spezialkräfte, die nicht als Hilfsapparat, sondern als Mitarbeiter und somit Teil dieser Staatsanwaltschaft anzusehen wären, kann auf diesem sensiblen Bereich der Strafverfolgung die von den internationalen Abkommen formulierte Zielsetzung erreicht werden, das wirklich eine unabhängige und transparente Strafverfolgung stattfindet. Trotz der Wichtigkeit des Einsatzes von spezialisierten Kriminalbeamten bei der Umsetzung staatsanwaltschaftlicher Anordnungen und im Rahmen der Kooperation mit den Staatsanwaltschaften darf nicht übersehen werden, dass trotz der neuen Verpflichtung zur Schriftlichkeit einer Weisung des Innenministers im Gesetzesentwurf weder die gleiche Transparenz, die durch die zwingende Übernahme der schriftlichen Weisung in den Ermittlungsakt lt. StAG garantiert ist, noch die Einheitlichkeit der Verfahrensleitung, die bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft gegeben sein wird, erreicht werden kann. Im Übrigen wird die avisierte enge Zusammenarbeit zwischen Bundesamt und Korruptionsstaatsanwaltschaft begrüßt.

Zum Thema „Verfolgung“ sei abschließend erwähnt, dass im Besonderen Teil der Erläuternden Bemerkungen zu § 1 des Entwurfs sogar ausgeführt wird, „dass die Gefahrenabwehr ureigenste Aufgabe der Sicherheitsbehörde ist; die weitere strafrechtliche Verfolgung des Täters zur Klärung der strafbaren Handlung jedoch Aufgabe der Strafprozessordnung.“

***

III. Redaktionelle Änderungsvorschläge

zu Art. III § 1 wird angeregt, unmittelbar auf § 2a StAG und nicht auf die diesen einführende Novelle zu verweisen.

In Art. III § 3 Abs. 2 müsste es im letzten Halbsatz des ersten Satzes anstelle der Wendung „, in dem der Abschluss …“ lauten „, für den der Abschluss …“.

zu Art. III § 3 Abs. 4: Das Beamten-Dienstrechtsgesetz heißt „Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979“.  Die Befristung mit zwölf Jahren ist bereits im Abs. 1 geregelt.

In Art. III § 6 Abs. 2 kann sich der Verweis im letzten Satzteil des ersten Satzes auf die in Absatz 1 genannten Fälle wohl auch nur auf die Z 1 bis 6 des Abs. 1 beziehen.

In Art. III § 6 Abs. 4 sollte das Wort „erstellen“ durch das Wort „gewinnen“ ersetzt werden.

In Art. III § 9 Abs. 1 sollte es anstelle der Wendung „vorerst erteilte mündliche Weisung“ lauten „vorerst mündlich erteilte Weisung“.

In Art. III § 10 Abs. 2 hätte im zweiten Satz das Wort „sich“ zu entfallen.

In Art. III § 11 Abs. 3 bezieht sich der Halbsatz „, deren Bekanntwerden die nationale Sicherheit …“ entgegen der wohl dahinterstehenden Intention wortinterpretativ eher auf die Quellen und nicht auf die Auskünfte.

zu Art. III § 12: Es wird angeregt, § 13 PVG entsprechend zu ändern.

IV. Weitere Vorgangsweise

In der derzeitigen Fassung vermag das Bundesministerium für Justiz dem Entwurf nicht zuzustimmen, weshalb eine interministerielle Besprechung über die aufgezeigten Punkte und eine Einbettung des Entwurfs in die durch die Schaffung der Korruptionsstaatsanwaltschaft vorgegebene Systematik angeregt wird.

* * *

Die Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz wurde auch dem Präsidium des Nationalrats übermittelt.

 

27. Mai 2008
Für die Bundesministerin:
Mag. Christian Pilnacek

Elektronisch gefertigt