GZ:  BMJ-B12.101/0002-I 5/2008

 

 

S t e l l u n g n a h m e

 

zum Entwurf für ein 2. Gewaltschutzgesetz (2. GeSchG)

 

 

Allgemeines:

 

Grundsätzlich ist das gegenständliche Gesetzesvorhaben im besonderen im Bereich der vorgeschlagenen Maßnahmen gegen Gewalt an Kindern durchaus zu begrüßen.

 

Auch die Ausweitung der Rechte von Opfern auf das Zivilverfahren analog zu jenen des Strafverfahrens erscheint folgerichtig und grundsätzlich begrüßenswert.

 

Gleiches ist prinzipiell von der mit dem gegenständlichen Gesetzesentwurf vorgesehenen „Verschlußhaltung“ der Wohnorte von Parteien oder Zeugen festzuhalten, wenn hier tatsächlich ernsthafte und schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bestehen.

 

Keinesfalls zuzustimmen ist jedoch dem Entwurf, welcher sowohl im neu vorgesehenen               § 75a ZPO, als auch in den neu vorgesehenen §§ 289a und 289b gegen die dort neu vorgesehenen Anordnungen kein Rechtsmittel für zulässig erklärt. Um dem Rechtsstaatlich-keitsprinzip Genüge zu tun, wären zu dieser Rechtsmittelfrage Änderungen zumindest in der Form vorzunehmen, daß kein gesondertes Rechtsmittel zulässig ist, d.h. es müßte jedesfalls die Möglichkeit gewahrt werden, im Rahmen der Anfechtung im Hauptgegenstand einen allfälligen Verfahrensverstoß relevieren zu können.

 

 

Zu einzelnen Bestimmungen:

 

Zu Artikel II Z. 1:

In dem neu vorgesehenen § 73a ZPO ist im Abs. 2 normiert, daß einem Opfer, dem im Strafverfahren juristische Prozeßbegleitung gewährt wurde, unabhängig von seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen auf Antrag Verfahrenshilfe zu gewähren sei. Meinem Dafürhalten nach ist hier eine doch überschießende Tendenz des Opferschutzes vorliegend und mit dem sozialpolitischen Gedanken der Verfahrenshilfe nicht in Einklang zu bringen.

 

Zu Artikel VI Z. 1:

In dem hier neu vorgesehenen Abs. 3 des § 66 StPO soll einem Opfer eines Verbrechens, durch das sein privater Lebensbereich verletzt „worden sein könnte“, Prozeßbegleitung auch außerhalb der Voraussetzungen des Abs. 2 gewährt werden, soweit glaubhaft gemacht würde, daß das Opfer durch die Tat solchen seelischen Belastungen ausgesetzt wurde, die es an einer seinen Interessen entsprechenden Beteiligung am Verfahren hindern. Auch diese vorgesehene Änderung im Rahmen des Strafverfahrens erscheint doch eine gewisse überschießende Tendenz zu zeigen. Die Umsetzung dieser Bestimmung in der vorgesehenen Form hätte auch die Prozeßbegleitung im Rahmen eines Zivilprozesses nach dem vorgesehenen § 73a ZPO mit allen dort normierten Bonifikationen (einschließlich Verfahrenshilfe) zur Folge und besteht doch Anlaß zur Sorge, daß dieses Institut rechtsmißbräuchlich ausgenützt werden könnte.

 

Zu Artikel VI Z. 4:

Gegen eine verstärkte Anzeigepflicht ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Im Abs. 1 sollte die Aufzählung der anzeigepflichtigen Personen jedoch explizit um jene Personen ausgedehnt werden, die beruflich mit Kindern zu tun haben (bspw. LehrerInnen, KindergärtnerInnen, etc.). Meinem Dafürhalten nach sind diese Personen in der Aufzählung in der vorliegenden Form bei richtiger Interpretation nicht inkludiert.

 

Die Im Abs. 2 des vorgesehenen § 78a StPO normierten Ausnahmen der Anzeige-verpflichtung müßten nicht nur Seelsorger, sondern auch andere Berufsgruppen, welche der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, insbesondere Rechtsanwälte, erfassen.

 

Zu Artikel VI Z. 7:

Mit dem hier vorgesehenen § 197a StPO ist eine Abbrechung des Verfahrens im Opfer-interesse vorgesehen, eine derartige Abbrechung soll dann stattfinden, wenn die mit einem Strafverfahren verbundenen Belastungen einem minderjährigen Opfer nicht zugemutet werden können. Eine derartige Bestimmung ist im Sinne einer Interessensabwägung bzw. Balance zwischen gebotener Strafverfolgung einerseits und dem Kindeswohl andererseits deswegen abzulehnen, weil im besonderen die Opferschutzbestimmungen für minderjährige Opfer sowohl im Bereich der bereits bestehenden strafrechtlichen Regelungen, als auch der mit dem gegenständlichen Gesetzesentwurf ausgeweiteten Regelungen, dies auch im Zivilprozeßbereich, für ausreichend erachtet werden sollten. Die Umsetzung dieser vorgesehenen Bestimmungen des § 197a StPO erscheint in diesem Licht nicht primär im Opferinteresse, sondern doch eher im Interesse des Täters gelegen zu sein und ist daher abzulehnen.

 

In diesem Zusammenhang wäre anzumerken, daß ein „Opferschutz“ in der Richtung, daß  eine extensive mediale Berichterstattung über den Privat- und Intimbereich erfassende Situationen gesetzgeberisch weitestgehend unterbunden werden sollte. Gerade derartige Veröffentlichungen sind zweifellos einer der belastendsten Faktoren für Opfer.

 

 

 

Wien, am 11.6.2008                                                             Dr. Hildegard Hartung

      Rechtsanwältin

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