An das Bundesministerium für Justiz

Dr. Georg Kathrein

Postfach 63

1016 WIEN

 

                                                                                                                    Graz, am 14.6.2008

 

 

Stellungnahme zum Entwurf des Zweiten Gewaltschutzgesetzes im Rahmen des Begutachtungsverfahrens

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Herzlichen Dank für die Einladung, zum Entwurf des Zweiten Gewaltschutzgesetzes Stellung zu nehmen!

 

Da „Rettet das Kind“ Steiermark über die Kinderschutzzentren und Prozessbegleitungsstellen den Schwerpunkt in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hat, haben wir versucht, den Entwurf aus dem Blickwinkel der uns zugänglichen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen zu lesen und mögliche Konsequenzen für diese Zielgruppe rückzumelden.

 

Wir nehmen sehr erfreut zur Kenntnis, dass derzeit vielfältige Überlegungen angestellt werden, um das Recht von Kindern auf Gewaltfreiheit und das Recht auf staatlichen Schutz zu stärken.

 

 

A.      ZIVILRECHT

 

1.                Änderungen im Bereich der Exekutionsordnung (Einstweilige Verfügung)

 

Die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich der Exekutionsordnung sind sehr zu begrüßen. Gleichzeitig haben wir aber auch den Eindruck, dass auf Wegweisungen sowohl bei körperlicher als auch sexualisierter Gewalt gegen Kindern und Jugendlichen derzeit kaum oder viel zu selten zurückgegriffen wird. Meistens verlassen Frauen mit ihren Kindern die Wohnung, was zusätzlich zu der bereits bestehenden Belastung durch die erlebte Gewalt oft unzumutbare Wohnbedingungen bedeutet.

D. h., es muss parallel zur Verbesserung der Exekutionsordnung überlegt werden, wie durch entsprechende Öffentlichkeitskampagnen die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen erreicht bzw. das Bewusstsein, Wegweisung als mögliche Maßnahme bei Gewalt gegen Kinder und Jugendliche einzusetzen, gesteigert werden kann.

 

 

2.                Änderungen im Bereich der Zivilprozessordnung

 

Die geplante Ausweitung der psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung auf Zivilverfahren nach oder parallel zum Strafverfahren ist als sehr positiv zu bewerten. Ergänzend ist anzumerken, dass es aus dem Blickwinkel von Kindern und Jugendlichen wichtig wäre, dass (die oft massiv belasteten) Elternteile (meist Mütter), wenn sie sich als Folge der Gewalt am Kind/Jugendlichen entschließen, die Scheidung einzureichen, die Möglichkeit haben, von der Prozessbegleiterin, die sie im Strafverfahren ihres Kindes begleitet hat, auch im Scheidungsverfahren begleitet und vertreten zu werden. Im Entwurf bezieht sich die Möglichkeit, im Zivilverfahren Prozessbegleitung zu beanspruchen, nur auf direkte Opfer.

 

Die Möglichkeit der Geheimhaltung der Wohnadresse des Opfers ist ein wichtiger Aspekt, um den Schutz des Opfers bei z. B. Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten.

 

Ebenso ist es wichtig, dem Opfer die gleichen Rechte im Zivilverfahren (abgesonderte Vernehmung, Absehen von Vernehmungen bei Minderjährigen), wie sie auch im Strafverfahren gelten, zu gewährleisten. Hierzu muss allerdings angemerkt werden, dass die Bezirksgerichte derzeit nicht ausreichend ausgestattet sind, um abgesonderte Vernehmungen durchzuführen, was immer dann zu Schwierigkeiten führt, wenn Strafverfahren vom Landesgericht aufs Bezirksgericht verlegt werden.

 

 

B.      STRAFRECHT

 

1.      Gerichtliche Aufsicht bei Sexualstraftätern und sexuell motivierten Gewalttätern

 

Da dieser Bereich nicht unserer Praxis entspricht, nur insofern eine Rückmeldung, dass die in § 52a (2) formulierte gerichtliche Aufsicht des Rechtsbrechers nicht Aufgabe der Jugendwohlfahrt sein kann.

 

 

2.                Beharrliche Gewaltausübung

 

Es ist zu begrüßen, dass dieser bislang nur unzureichend erfasste Tatbestand nun im Bereich der Strafprozessordnung berücksichtigt ist.

 

 

3.      Änderung des § 78 – Ausweitung der Anzeigeverpflichtung

 

Die angestrebte Änderung im Bereich der Anzeigeverpflichtung auf „Personen, denen die Pflege und Erziehung oder sonst die Sorge für die körperliche oder seelische Integrität des Minderjährigen obliegt“, wurde von unserer Seite intensiv diskutiert. Gemeinsam mit VertreterInnen von Seiten des Jugendamtes, des Landes Steiermark und der Kinder- und Jugendanwaltschaft wurde von „Rettet das Kind“ ein Positionspapier für den steiermärkischen Jugendwohlfahrtbeirat formuliert, dessen Kernpunkte hier nochmals angeführt werden sollen.

 

Obwohl wir uns nicht grundsätzlich gegen eine Anzeige bei Gewalt gegen Kindern und Jugendlichen aussprechen, möchten wir darauf hinweisen, dass eine Anzeige nicht immer den Schutz des Kindes gewährleistet und gerade, wenn die Belastung des Kindes sehr hoch ist, andere Schutzmaßnahmen zu bevorzugen sind. Gleichzeitig sprechen wir uns dafür aus, dass der Zeitpunkt einer Anzeige gut geplant und koordiniert werden muss und dass Kinder auf eine Anzeige vorbereitet werden müssen. Diesen Ansprüchen wird die derzeitig geltende gesetzliche Regelung durchaus gerecht, eine geplante Ausweitung der Anzeigepflicht verhindert dies aber und zwar aus folgenden Gründen:

 

Symptom ≠ Beweis

Gewalt an Kindern (insbesondere sexualisierte oder psychische Gewalt) führt sehr selten zu spezifischen Hinweisen, sondern meist zu Auffälligkeiten bzw. Symptomen, die auch anderen Problemfeldern zugeordnet werden können.

Eine „unverzügliche“ Anzeigeverpflichtung erhöht den Druck auf Personen im Nahbereich der Kinder/Jugendlichen (KindergartenpädagogInnen, PädagogInnen, BetreuerInnen), die oft diese ersten, wichtigen Hinweise wahrnehmen. Dadurch steigt einerseits die Gefahr des vorschnellen Agierens aber auch die Gefahr des Bagatellisierens aus Angst vor unberechtigten Verdächtigungen und Verleumdungsklagen.

 

Im Sinne der betroffenen Kinder und Jugendlichen wäre eine sorgfältige Gefährdungseinschätzung und ein darauf abgestimmter Interventionsplan mit dem Blick auf das Kindeswohl. „Handeln im Verdachtsfall“ erfordert besonders qualifiziertes Vorgehen und durchdachte Maßnahmen, um mittels fundierter Abklärung nicht nur eine Anzeige zu erwirken, sondern vorrangig den Schutz des Kindes zu gewährleisten.

 

Anzeigeverpflichtung ≠ Gefährdungsabschätzung

Bei Verdacht auf Gewalt gegen Kinder und Jugendliche brauchen Berufsgruppen, die in der Betreuung von „gefährdeten“ Kindern/Jugendlichen tätig sind, die Möglichkeit, mit erfahrenen Fachkräften aus z. B. Kinderschutzzentren oder spezialisierten Beratungseinrichtungen die getätigten Beobachtungen zu besprechen, zu einer Gefährdungseinschätzung zu kommen, um dann gestärkt die nächsten Schritte einleiten zu können (z.B. Stützung des Kindes, Meldung an die Jugendwohlfahrt, Anzeige).

 

Die Meldepflicht gewährleistet, dass die Maßnahmenplanung und Umsetzung durch ExpertInnen aus dem Bereich Gewalt gegen Kinder erfolgt. Dadurch kann bereits vor der Anzeige ein Hilfeplan für das Kind erstellt und Maßnahmen zum Schutz des Kindes gesetzt werden, bevor gerichtlich verordnete Maßnahmen greifen. Durch Umgehung der Meldepflicht durch die Ausweitung der Anzeigeverpflichtung wird diese wichtige Rolle der Jugendwohlfahrt zur Polizei bzw. Staatsanwaltschaft verlagert, die dieser Aufgabe mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln nicht gerecht werden kann.

 

Anzeigeverpflichtung ≠ Orientierung an den Bedürfnissen des Kindes

Damit Kinder/Jugendliche, die von Gewalt betroffen sind, über ihre Erlebnisse sprechen können, braucht es viel Vertrauen in ihre Bezugspersonen und vor allem auch viel Zeit.

Es ist wichtig, dass Kinder/Jugendliche in dieser sensiblen Phase der Aufdeckung gestärkt und altersadäquat über die geplanten Schritte informiert und auf diese auch vorbereitet werden. Eine „unverzügliche“, verfrühte Anzeige auf Verdacht hin, ohne dass das Kind bereit ist, auch vor Gericht auszusagen, führt häufig zum Rückzug des Kindes, sodass es über das Erlebte nicht mehr spricht, und auch zu dem Gefühl, der Erwachsenenwelt wiederum hilflos ausgeliefert zu sein. Damit werden jegliche Maßnahmen, das Kind zu schützen, massiv erschwert bzw. unmöglich gemacht. Gerade die Anzahl der Verfahrenseinstellungen oder auch der Freisprüche bei Gewalt an Kindern zeigt, dass eine Anzeige den Schutz von Kindern keinesfalls gewährleistet.

 

Anzeigeplanung = Traumareduktion = Kinderschutz

Bei einer geplanten Anzeige ist wichtig, dass Kinder/Jugendliche auf den Ablauf und die Rahmenbedingungen eines Strafverfahrens vorbereitet werden. Erst dadurch wird es möglich, das Strafverfahren für Kinder mit allen derzeit zur Verfügung stehenden Mitteln möglichst schonend zu gestalten und einer weiteren Traumatisierung durch das Strafverfahren vorzubeugen. Um die entsprechenden Unterstützungsmaßnahmen für das Kind und deren Bezugspersonen (Schutzmaßnahmen, Prozessbegleitung, familienentlastende Maßnahmen, …) gut koordinieren zu können, braucht es wiederum als Drehscheibe die Jugendwohlfahrt.

 

Aus vieljähriger Erfahrung (z. B. im Bereich der Prozessbegleitung von minderjährigen Gewaltopfern) wissen wir, dass es für Kinder eine weitere massiv traumatisierende Erfahrung ist, wenn Verfahren mangels an Beweisen eingestellt werden oder durch Freispruch enden.

 

Ausweitung der Anzeigeverpflichtung ≠ Garantie für Kinderschutz

Das Ziel, Gewalt an Kindern „aus dem Dunkelfeld herauszuholen“ und damit Kindern das grundsätzliche Recht auf Schutz vor Gewalt zu sichern, kann durch eine Ausweitung der Anzeigeverpflichtung auf alle mit Kindern befasste Professionen leider nicht gewährleistet werden.

 

Aus unserer Sicht steht durch die bestehende gesetzliche Regelung ein guter und vor allem ausreichender Rahmen für die Möglichkeit, Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche, die von Gewalt betroffenen sind, zu installieren, zur Verfügung. Die Ausweitung der Anzeigepflicht gewährleistet nicht, dass Fälle, die in der letzten Zeit die Öffentlichkeit erschüttert haben, nicht mehr vorkommen bzw. zu verhindern sind.

 

Im Gegenteil: Es ist zu befürchten, dass über die geplante, breite Anzeigeverpflichtung vielen Familien, Kindern und Jugendlichen der Weg zu Anlaufstellen (pädagogisches Personal, Beratungsstellen, Kinderschutzzentren, …), die Hilfe bieten können, aus Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen verunmöglicht wird und damit auch die Inanspruchnahme niederschwelliger Schutz- und Unterstützungsangebote bereits in dem Stadium, wo Hinweise auf Gewalt noch diffus und nicht eindeutig zuordenbar sind, verhindert wird.

 

Zusätzlich ist es gerade aus therapeutischer Sicht ganz wichtig, dass Personen, die Opfer von Gewalt wurden, wieder Handlungsfähigkeit erlangen, um aus ihrer Hilflosigkeit herauszukommen. Dazu gehört, Kinder/Jugendliche genau über die nächsten notwendigen Schritte zu informieren, sich Zeit für ihre Befürchtungen und Ängste zu nehmen und auch mit ihnen einen gemeinsamen, für sie annehmbaren Weg zu erarbeiten. Dieser muss nicht Anzeige heißen. Insbesondere wenn der Schutz des Kindes/der/des Jugendlichen auch anders gewährleistet werden kann, ist dies im Sinne der Selbstbestimmung von Jugendlichen zu respektieren. Ist dies nicht der Fall, führt kein Weg an einer Anzeige vorbei, was aber auch in der derzeitigen gesetzlichen Regelung klar ist.

4.      Abbrechen des Verfahrens im Opferinteresse

 

Auch wenn wir uns gegen die Ausweitung der Anzeigeverpflichtung aussprechen, macht die Möglichkeit, in bestimmten Fällen das Verfahren zu unterbrechen, Sinn, insbesondere dann, wenn die Belastung des Opfers (reaktiviert durch die Anzeige) so steigt, dass z. B. die Aussage bei Gericht unmöglich wird. Hier wäre es sehr zu begrüßen, wenn, wie vorgeschlagen, das Verfahren unterbrochen werden kann, um in der Prozessbegleitung oder im Rahmen von therapeutischer Unterstützung Zeit zum Stabilisieren des Opfers zu haben.

 

 

5.      Änderung des Tilgungsgesetzes

 

Die vorgeschlagenen Änderungen im Tilgungsgesetz finden uneingeschränkt unsere Zustimmung.

 

 

Zusammenfassung bzw. weitere Anregungen:

 

Im Gesamten gesehen sind die Vorschläge, die im Entwurf des 2. Gewaltschutzgesetztes gemacht werden, bis auf den Punkt der Ausweitung der Anzeigeverpflichtung, sehr zu begrüßen. Aus unserer Sicht empfehlen wir dringend die bestehende Regelung der Meldepflicht beizubehalten und nicht durch eine Ausweitung der Anzeigeverpflichtung zu ersetzen. Die Wiedereinführung bzw. Ausweitung der Anzeigeverpflichtung wäre ein gravierender Rückschritt aus der Sicht des Opferschutzes.

 

Aus unserer langjährigen Erfahrung im Bereich des Kinderschutzes und der Prozessbegleitung möchten wir die Gelegenheit nützen, um noch folgende Punkte anzuregen:

 

Meldepflicht

Statt einer allgemeinen Anzeigepflicht wäre es wichtig, Standards für Meldungen bzw. auch den Umgang mit Meldungen zu formulieren bzw. für alle davon betroffenen Berufsgruppen transparent zu machen.

 

Schulung bzw. Sensibilisierung von Berufsgruppen, die mit Kindern/Jugendlichen arbeiten

Um adäquate Schritte bei Gewalt an Kindern einleiten zu können, brauchen Berufsgruppen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, ein Grundwissen darüber, wie sich Gewalterfahrungen bei Kindern äußern und auch darüber, wohin sich betroffene Kinder, aber auch sie selbst, wenden können, um ihre Eindrücke zu reflektieren und abzuklären, welche nächsten Schritte zum Schutz des Kindes erforderlich sind.

 

Ausbau und Sicherung von Kinderschutzzentren

Kinderschutzzentren sind Anlaufstellen für betroffenen Kinder und Jugendliche, aber auch für Personen, die in ihrem beruflichen Umfeld mit dem Thema Gewalt an Kindern und Jugendlichen zu tun haben, und haben damit eine wichtige Rolle in der Wahrnehmung von Gewalt an Kindern und Jugendlichen, in der Interventionsplanung, aber auch in der Unterstützung von allen an diesem Prozess Beteiligten. Sie liefern einen wichtigen Unterstützungsbeitrag in der Gefährdungseinschätzung für gerade diese Berufsgruppen, die nun mit der vorgeschlagenen Erweiterung der Anzeigepflicht erfasst werden sollen. Es ist wichtig, diese Zentren mit entsprechenden Ressourcen auszustatten, um genau diesen Aufträgen gerecht werden sowie ihr Wissen in der Fortbildung für andere Berufsgruppen einbringen bzw. entsprechende Öffentlichkeits- bzw. Sensibilisierungsarbeit machen zu können. Derzeit stehen den Kinderschutzzentren, bedingt durch unterschiedliche Förderungen in den Bundesländern, sehr unterschiedliche finanzielle Ressourcen zur Verfügung, was zur Folge hat, dass viele Kinderschutzzentren zum Teil weit von den, von ExpertInnen formulierten, österreichischen bzw. auch deutschen Mindeststandards für qualitative Arbeit in Kinderschutzzentren abweichen. Es wäre im Sinne des Rechts auf Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, die von Gewalt betroffen sind, wünschenswert, dass diese Mindeststandards für Kinderschutzzentren österreichweit umgesetzt werden können und damit betroffenen Kindern/Jugendlichen, deren Angehörigen und Bezugspersonen sowie auch MultiplikatorInnen ein ausreichendes und qualitativ hochwertiges Angebot zur Verfügung steht.

 

Verpflichtende Schulung bzw. Fortbildungsangebote für RichterInnen und Staatsanwälte/Staatsanwältinnen

Wir sind im Rahmen der Prozessbegleitung immer wieder damit konfrontiert, dass Befragungen für Opfer massiv belastend sind oder Verfahren eingestellt werden oder mit Freisprüchen enden, weil manche RichterInnen oder Staatsanwälte/Staatsanwältinnen nicht mit den Dynamiken von Gewalt bzw. den Folgen von Traumatisierung vertraut sind. Dies äußert sich z. B. darin, dass die Glaubwürdigkeit von Opfern in Frage gestellt wird, weil bestimmte RichterInnen oder Staatsanwälte/Staatsanwältinnen sich nicht vorstellen können, wie Täterstrategien oder auch Familiendynamiken bei Gewalt an Kindern wirken und welche Folgen diese für Kinder/Jugendliche haben. Es genügt nicht, eine Spezialzuständigkeit einzuführen, diese Personen müssen auch entsprechend geschult werden! Hier besteht dringlicher Handlungsbedarf, um Opfern gerecht zu werden.

 

Erfassung von derzeit nicht im Strafgesetz erfassten Delikten

Vor kurzem wurde uns ein Fall zugetragen, bei dem kein Paragraph gefunden wurde, unter dem diese Art von sexuellem Missbrauch auch verhandelt werden konnte. Um diese Art von Fällen zu verdeutlichen, kurz die Fallschilderung: Ein Mann ejakulierte jahrelang auf den nackten Bauch eines Kindes, während dieses schlief. Das Kind wachte in der Früh mit einem, wie es schildert, „ekligen Gatsch“ auf dem Bauch auf, den es erst Jahre später zuordnen konnte und zusätzlich mit anderen Delikten zur Anzeige brachte. Nach unseren Definitionen fällt diese Art von Handlungen eindeutig unter sexuellen Missbrauch, die strafrechtliche Entsprechung fehlt allerdings offensichtlich.

 

Verleumdungsklagen

Im letzten Jahr waren wir zunehmend mit Verleumdungsklagen konfrontiert (und zwar nicht vom Angeklagten eingeleitet, sondern von Seiten des Gerichts), insbesondere bei jugendlichen Mädchen, nachdem das eigentliche Verfahren zur Gewalt gegen sie eingestellt wurde. Die Verleumdungsklagen an sich wurden allesamt entweder eingestellt oder endeten in Freisprüchen. Trotzdem bedeutete dies für die Opfer, die plötzlich zu Angeklagten wurden, eine massive Belastung, zusätzlich zu der Tatsache, dass für sie die Einstellung des eigentlichen Verfahrens nicht nachvollziehbar war. Hier wäre es wünschenswert, dass einerseits diese Vorgehensweise diskutiert wird und auch, dass in diesen speziellen Fällen, wenn notwendig, die Prozessbegleitung weitergeführt werden kann. Es wären wenige Stunden, die die Opfer in dem extrem heiklen Bereich von Verleumdungsklagen sehr unterstützen könnten.

 

 

Ich hoffe, dass unsere Rückmeldungen bzw. Anregungen für Sie inhaltlich nachvollziehbar sind und auch in der endgültigen Fassung des neuen Gewaltschutzgesetzes berücksichtigt werden können. Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung!

 

 

Mit freundlichen Grüßen!

 

Mag.a Petra Birchbauer