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Steiermärkische Gebietskrankenkasse

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Ihr Zeichen/Datum

Unser Zeichen

Auskunft

Datum

 

AGSV/2008-0079

Mag. Andrea Magyar

23.05.2008

 

OE GR/408/08/Mag.Gb

DW1129, Fax 661129

 

 

 

andrea.magyar@stgkk.at Thomas.schwerdtfeger@stgkk.sozvers.at

 

 

 

 

Stellungnahme zu dem Entwurf des Krankenversicherungs-Änderungsgesetzes        (KV-ÄG)


 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

gemäß Delegierungsbeschluss des Vorstandes vom 17.12.1999 (§ 3 Z. 4 des Anhanges zur Geschäftsordnung des Vorstandes) gibt der Obmann für die Kasse nachfolgende Stellungnahme ab:

 

 

1.          Bildung von Referenzpreisgruppen; aut-idem-Abgabe (§§ 31 Abs. 5 Z 13, 31d, 136 Abs. 2, 350 Abs. 1a und 3a ASVG)

 

Im Gesetzesentwurf ist eine Aufzahlung durch den Versicherten in der Höhe des Differenzpreises zum Kassenpreis vorgesehen, wenn er die Abgabe einer anderen als der verordneten Referenzarzneispezialität verlangt. Durch diese Maßnahme wird im Bereich „Heilmittel“ erstmals eine Aufzahlung normiert.

 

Diese Regelung soll nicht eingeführt werden, weil für die Versicherten in diesem Bereich grundsätzlich keine Zuzahlungen anfallen sollen.

 

Alternativ wird vorgeschlagen – ähnlich der Regelung bei den Bandagisten – dass der Versicherte jene Medikamente, die auf sein Verlangen abgegeben werden, zur Gänze vorzufinanzieren hat, bei anschließendem Kostenersatz.

 

Bei Einführung dieses Systems ist die Abgabe von teureren außertariflichen Produkten aus dem Bandagistenbereich stark zurückgegangen.

 

Im Entwurf fehlen weiters Bestimmungen betreffend die Kontrolle der gesetzeskonformen Verordnung bzw. Abgabe von Referenzarzneispezialitäten. Es wird die Aufnahme einer gesetzlichen Bestimmung gefordert, die eindeutig regelt, dass entsprechende Kontrollen durch die Sozialversicherungsträger erfolgen und was durch den verordnenden Arzt zu  dokumentieren ist. Weiters ist zu normieren, wann welche Sanktionen bei Zuwiderhandeln zu setzen sind, wobei eine Vertragskündigung bei wiederholten Verstößen zwingend vorzusehen ist, ebenso wie Honorarkürzungen bzw. Rückforderungsmöglichkeiten.

 

Die in § 350 Abs. 1a Z. 3 lit. d ASVG vorgesehene Möglichkeit des Ausschlusses der Ersetzung einer Referenzarzneispezialität („die medizinisch-therapeutische Unzweckmäßigkeit der Ersetzung durch eine mögliche Referenzarzneispezialität“) lässt einen weiten Interpretationsspielraum zu. Um ein auch in der Praxis taugliches Instrument in Händen zu haben, ist die Festlegung von klaren Kontrollmechanismen (wie ist zu dokumentieren; Aushändigung der Dokumentationen; etc.) und Sanktionen z.B. in der Heilmittel-Bewilligungs- und Kontrollverordnung (HBKVO) erforderlich. Die im Entwurf vorgesehene Regelungsmöglichkeit im Apotheken-Gesamtvertrag ist nicht ausreichend, da alle Maßnahmen und Sanktionen von der Zustimmung einer Interessensvertretung abhängig gemacht werden.

 

Weiters existiert kein Gesamtvertrag für hausapothekenführende Ärzte, womit die Festlegung von Sanktionen auf dieser Ebene nicht möglich ist. In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass der Arzt in zwei verschiedenen Funktionen - einerseits als verordnender Arzt, andererseits als die Heilmittel abgebende Stelle – tätig wird und in beiden Bereichen, für die unterschiedliche rechtliche Bestimmungen gelten, Rechtsverletzungen begehen kann. Es ist daher auch erforderlich z.B. im Apothekengesetz die oben beschriebenen Sanktionsmöglichkeiten vorzusehen, um diese auch für den hausapothekenführenden Arzt zur Anwendung bringen zu können.

 

Die aut-idem Regelung ist vom Grundsatz her wie folgt zu konkretisieren:

 

Ein möglicherweise halbjährlicher Wechsel des Medikamentes (anderer Medikamentenname, ev. andere Farbe und Größe der Tabletten etc.) kann zu einer Verunsicherung des Patienten führen. Damit im Zusammenhang stehend sinken Compliance und Adherence. Die Folge sind langfristige Mehrkosten für den Krankenversicherungsträger durch insuffiziente Behandlung. Anzustreben ist eine Regelung, die Compliance und Beständigkeit gewährleistet. Verlangt wird daher, dass der Patient bei der Ersteinstellung mit dem kostengünstigsten Präparat therapiert wird, sofern nicht medizinische Gründe dagegen sprechen. Jedenfalls sollte ein Wechsel des Medikaments bei bestehender Compliance zumindest bei älteren Patienten sowie chronisch Kranken nicht zwingend vorgesehen werden.  Die übrigen im § 350 Abs. 1a enthaltenen Ausnahmeregelungen sollten unbedingt aus obgenannten Gründen beibehalten bleiben.

 

 

 

 

 

 

 

2.            Patientenquittung (§§ 340b, 349b ASVG)

 

Da die Grundsätze über Inhalt und Umfang der Patientenquittung mittels VO durch den Hauptverband erst festzulegen sind, kann über dieses Konzept noch keine exakte Stellungnahme abgegeben werden.

 

Grundsätzlich ist Folgendes festzuhalten:

 

Der Entwurf sieht einen Nachweis über die vom Vertragspartner erbrachten Leistungen, nicht aber über die dem Krankenversicherungsträger entstandenen Kosten vor. Die Patientenquittung ist somit eher als Kontrollinstrument denn als kostenbewusstseinsbildende Maßnahme für die Versicherten anzusehen.

 

In den Erläuterungen zum Entwurf werden die Verwaltungskosten mit jährlich € 20,0 Mio. angegeben. Diese Höhe ist in keiner Weise nachvollziehbar und auf den einzelnen Vertragspartner herabgebrochen sicher nicht besonders ins Gewicht fallend. Dennoch ist sicherzustellen, dass diese Kosten nicht von den Sozialversicherungsträgern zu übernehmen sind.

 

 

3.            Rezertifizierung (§§ 343 Abs. 2 Z 7, 343 Abs. 2a, 2b und 2c ASVG)

 

§ 343 Abs. 2 Z. 7 ASVG sieht vor, dass der Einzelvertrag eines Vertragsarztes bei Nicht-Verlängerung erlischt.

 

Die Verordnung der Bundesministerin, welche die Standards festzulegen hat, um eine Rezertifizierung zu erlangen, muss jedenfalls auch exakte Kriterien enthalten, unter welchen Voraussetzungen ein Einzelvertrag erlischt. Es ist klar zu beschreiben, was z.B. unter Struktur- oder Ergebnisqualität zu verstehen ist und wie bzw. mit welchen Unterlagen die Erfüllung der einzelnen Kriterien nachgewiesen wird. Sonst ist eine Prüfung durch die Sozialversicherungsträger nicht möglich. Wichtig ist auch die Aufnahme eines klarstellenden Hinweises, dass unter effizientem Vorgehen vor allem die Einhaltung ökonomischer Grundsätze zu verstehen ist.

Da für den Vertragsarzt, dessen Vertrag nicht verlängert wird, die Möglichkeit besteht, die Paritätische Schiedskommission bzw. die Landesberufungskommission anzurufen, muss die Entscheidung, die zur Nicht-Verlängerung geführt hat, nach objektiven Kriterien überprüfbar sein. In diesem Zusammenhang würde sich ein Punktesystem mit einer Mindestpunktezahl (insgesamt und in jedem einzelnen Bereich) zur Erreichung der Rezertifizierung anbieten.

 

Des Weiteren ist dem Entwurf nicht zu entnehmen, ob und welche Maßnahmen gegen einen Vertragspartner seitens des KV-Trägers ergriffen werden können, sofern innerhalb von 5 Jahren Regelverstöße gegen die VO bzw. die RÖK vorliegen.

 

Jedenfalls ist daher den Krankenversicherungsträgern zusätzlich zu den vorgeschlagenen gesetzlichen Regelungen das Recht einzuräumen, für Vertragspartner, welche beharrlich gegen die RÖK verstoßen, jederzeit – unabhängig von einer 5 Jahresfrist – Sanktionen bis hin zur Kündigung zu ergreifen. Darüber hinaus ist den Versicherungsträgern die gesetzliche Möglichkeit einzuräumen jederzeit bei  Nichteinhaltung der im § 342 Abs. 2b vorgegebenen Kriterien eine Verwarnung auszusprechen und gegebenenfalls das Vertragsverhältnis kündigen zu können.

 

Laut den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf hat ein allfälliges Verfahren über die Nicht-Verlängerung des Vertrages nach den §§ 344, 345 und 347 ASVG keine aufschiebende Wirkung. Unter Berücksichtigung der in der Praxis üblichen monatelangen Verfahrensdauer durch alle Instanzen könnte es bei Vakanz einer Planstelle über diesen Zeitraum zu Versorgungsproblemen in der betreffenden Region kommen. Bei sofortiger Besetzung der betreffenden Planstelle vor Rechtskraft der Entscheidung der Schiedskommission besteht allerdings die Gefahr der doppelten Besetzung dieser Planstelle, sofern die Nicht-Verlängerung des Einzelvertrages für unwirksam erklärt werden sollte. Es ist gesetzlich zwingend vorzusehen, dass für die Dauer der oben beschriebenen Verfahren befristete Einzelverträge abgeschlossen werden können.

 

Den bisherigen Unterlagen kann die Form des Nachweises der Erfüllung der Kriterien zur Rezertifizierung durch den Vertragsarzt sowie die Verteilung der Beweislast in einem allfälligen Verfahren nicht entnommen werden, wobei davon auszugehen ist, dass der Vertragsarzt den Nachweis über die Erfüllung der Kriterien zu erbringen hat. Um allfällige diesbezügliche Probleme zu vermeiden, muss in der Bestimmung klargestellt werden, dass der Vertragsarzt die Erfüllung der Kriterien nachzuweisen hat.

 

Laut § 343 Abs. 2c des Entwurfes können Vertragsärzten, deren Vertragsverhältnis bereits vor dem 31.07.2008 begonnen hat, vom KV-Träger Auflagen erteilt werden, wenn sie die in der Verordnung der Bundesministerin festgelegten Kriterien nicht erfüllen. Die genaue Form der Auflagen sowie die Vorgehensweise bei Nichterfüllung sind im Gesetzesentwurf nicht enthalten und sollten aus der Verordnung hervorgehen.

 

Da die zweimalige Nichteinhaltung der erteilten Auflagen zur Kündigung des Vertragsverhältnisses führt, eine Evaluierung jedoch nur alle fünf Jahre vorgesehen ist, würde es nach dem Wortlaut des Entwurfes zumindest 10 Jahre dauern, dass der Vertrag aus den in § 343 Abs. 2c ASVG genannten Gründen gekündigt werden kann. Es muss klargestellt werden, dass eine Überprüfung der erteilten Auflagen auch innerhalb der 5-jährigen Evaluierungsfrist möglich ist.

 

Die Kündigung kann zudem unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 2 und 4 erfolgen, d.h. die Härteklausel soll weiterhin bestehen. Damit unterliegt die Kündigung eines vor 31.07.2008 geschlossenen Vertragsverhältnisses weiterhin den bisherigen Beschränkungen. Es wird daher gefordert, bei Kündigungen mangels Erfüllung der Rezertifizierungsauflagen die Anwendung der Härteklausel entfallen zu lassen.

 

 

4.            Leistungsverträge (§ 343e ASVG)

 

Laut § 343e des Entwurfes ist die Vergabe von Leistungsverträgen nicht nur bei Fehlen eines Gesamtvertrages, sondern auch bei Nichterfüllung des Versorgungsauftrages infolge Kündigung einer großen Anzahl von Einzelverträgen möglich.

 

Bezüglich der Vergabe von Leistungsverträgen an Ärzte ist zu bemerken, dass sich weder im Gesetzesentwurf noch in den Erläuterungen eine Bestimmung zur Auswahl der betreffenden Ärzte findet. Die bei der Besetzung von Planstellen zur Anwendung kommenden Vergaberichtlinien kommen bei Fehlen von Gesamtverträgen nicht zur Anwendung. Die Anwendung von allgemeinen vergaberechtlichen Bestimmungen dürfte nicht relevant sein, ist jedoch nicht gänzlich auszuschließen.

 

Bei Durchführung einer Auslobung zur Vergabe von Leistungsverträgen (Vergabe an alle Ärzte, die den ausgelobten Bedingungen entsprechen) ist eine Kostensenkung für den Fall eines vertragslosen Zustandes in Frage zu stellen, weil möglicherweise mehr Ärzte einen Leistungsvertrag zu den ausgelobten Bedingungen abschließen möchten als vorher Planstellen vorhanden waren.

 

Es muss daher eine gesetzliche Regelung getroffen werden, die es ermöglicht Leistungsverträge bedarfsgerecht zu vergeben, ohne dass das Vergabeverfahren entweder aufgrund seiner Dauer oder des Verwaltungsaufwandes die Sicherstellung der Sachleistungsversorgung gefährdet.

 

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass davon ausgegangen wird, dass der im Falle einer Kündigung oder Teilkündigung des Gesamtvertrages mögliche Abschluss von Leistungsverträgen in den Privatrechtsbereich fällt und daher eine freie Vergabe durch die Sozialversicherung möglich ist.

Zur Absicherung dessen ist es jedoch erforderlich mit einer klaren gesetzlichen Regelung dafür Sorge zu tragen, dass Einzelverträge von den Sozialversicherungsträgern unter Berücksichtigung der Bedarfslage kurzfristig ohne die Anwendung vergaberechtlicher Vorschriften vergeben werden können.

 

Auf Grund der Textierung des §343e („Stehen keine Gesamtverträge in Geltung…“) muss klargestellt werden, dass es im Falle eines gekündigten Gesamtvertrages schon vor dem Wirksamkeitsbeginn dieser Kündigung möglich sein muss, die angesprochenen Leistungsverträge abzuschließen (jedoch unter der Bedingung, dass der Gesamtvertrag tatsächlich außer Kraft tritt). Nach der derzeitigen Bestimmung könnte die Auffassung vertreten werden, dass erst nach dem Eintritt eines vertragslosen Zustandes mit den entsprechenden Handlungen begonnen werden bzw. diese vollzogen werden dürfen.

 

 

5.            Teilkündigung/Teilabschluss eines Gesamtvertrages (§§ 341 Abs. 1, 342 Abs. 1 Z 7 ASVG)

 

Aus den Allgemeinen Erläuterungen zum Gesetzesentwurf geht hervor, dass für einzelne Fachgruppen gesonderte Gesamtvertragsabschlüsse sowie Teilkündigungen von künftigen Gesamtverträgen möglich sein sollen. Im Gesetzestext werden künftige Gesamtverträge allerdings nicht erwähnt.

Die Regelung betreffend die Teilkündigung von Gesamtverträgen wird in § 342 ASVG angesiedelt. In dieser Bestimmung wird der Inhalt der Gesamtverträge näher bestimmt aber keine gesetzliche Kündigungsmöglichkeit normiert. Der Text der neu eingefügten
Ziff. 7 lautet: „Teilkündigungen ………. sind zulässig“.

Die geplante Regelung bedeutet also, dass es zulässig ist, in den Gesamtvertrag eine Teilkündigungsbestimmung aufzunehmen. Es ist damit aber nicht geregelt, dass bestehende Gesamtverträge, die diese Bestimmung nicht beinhalten, teilgekündigt werden können bzw. in neuen Gesamtverträgen zwingend eine Teilkündigungsmöglichkeit vorgesehen sein muss.

 

Um den beabsichtigten Zweck einer Flexibilisierung erreichen zu können, muss mit einer eindeutigen gesetzlichen Regelung einer Teilkündigung für alle – bestehende und künftig abzuschließende – Gesamtverträge vorgesehen werden. Der bestehende Entwurf ist dafür untauglich.

 

 

 

6.         Art. 9 (§ 19a Abs. 4 Z 3, § 24 Abs. 1a und 2, 24 Abs. 2 KAKuG)

 

Auch hier sollten Sanktionen bei Nichteinhalten der Bestimmungen festgelegt werden. Bei einem Verstoß sind Sanktionen im Sinne von Rückforderungen über den Landesfonds vorzusehen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Der Obmann:

 

Josef Pesserl