ARGE Patientenanwälte Österreich

 

ArGe Selbsthilfe Österreich


 

 

 

 

 

Kennzeichen:                                       Beilagen:

GZ:BMSK-21119/10-II/A/1/2008

Bei Antwort bitte Kennzeichen angeben

 

Bezug:                               Bearbeiter:             (02742) 9005                   Datum:

                                       Dr. Bachinger/pm    DW    1 5575                              27.05.2008

 

 

Betrifft:

Die Arbeitsgemeinschaft der Patientenanwälte Österreichs und die Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Österreich erlauben sich zum Krankenversicherungs Änderungsgesetz und zum SV-Holding-Gesetz eine abgestimmte und gemeinsame Stellungnahme abzugeben.

 

 

1. Grundsätzliches:

 

Zieldefinition:

Die Problemlage (finanzieller Engpass der gesetzlichen Krankenversicherung) ist in den Erläuterungen zu den beiden Gesetzes- Entwürfen zwar klargelegt, die Zieldefinition ist dagegen unklar. Hier ist die Rede von "Umsetzung der im Regierungsprogramm...festgeschriebenen...Maßnahmen". Dies ist - wenn überhaupt - nur teilweise der Fall. Gerade die öffentliche Diskussion in diesen Tagen zeigt, dass völlig unzureichend kommuniziert wurde und wird, und dass die zur Begutachtung versendeten Novellen - allenfalls! - als ein kleiner Teil eines größeren Reformprozesses („Gesundheitsreform“, „Finanzierung aus einer Hand“) angesehen werden können.

 

Problemlösung:

Wenn man das eingeschränkte Ziel einer zumindest teilweisen finanziellen "Sanierung" der gesetzlichen Krankenversicherung definiert, fehlen in den übersandten Entwürfen, aus unserer Sicht, wichtige Überlegungen, die diesem Ziel dienen könnten.

Solche Überlegungen wären:

 

Weitere Bereiche, die unserer Ansicht nach fehlen und rasch nachgeholt werden sollten:

 

Diskussionsprozess:

Planungen von derartigen Systemänderungen bedürfen einer professionellen Kommunikation mit Systempartnern und eines professionellen Akzeptanz-Managements, damit Verunsicherungen vermieden werden. Es wird angeregt, die Diskussionsprozesse in ausreichender Form (d.h. nicht nur innerhalb der kurzen Begutachtungsfrist) nachzuholen und bei ähnlichen Vorhaben diese Prozesse ausreichend früh und in ausreichendem Umfang einzuplanen.

 

 

2. Zu einzelnen Punkten:

 

Zur Schaffung der "SV-Holding":

Die Vereinheitlichung von Entscheidungs-Prozessen und die Einführung von Controlling-Mechanismen werden grundsätzlich begrüßt. Allerdings ist zu bezweifeln, dass die vorgesehene Zentralisierung mit neuen Entscheidungsprozessen Kosteneinsparungen bringen wird. Durch die neuen Entscheidungsprozesse und Gremien werden ja die bestehenden nicht aufgelassen. Noch mehr Strukturen und zentralisierte Prozesse verursachen u.U. noch mehr Kosten. Außerdem ist zu bemängeln, dass die Änderung der Entscheidungsstruktur im Bereich Vorstand(bzw. neu Verwaltungsrat) und Kontrollversammlung offenbar nicht ausreichend diskutiert wurde. Dies hat ja eine gravierende Machtverschiebung zur Konsequenz. Für den Fall, dass diese Verschiebung akzeptiert wird, stellt sich aber die Frage, ob tatsächlich beide Gremien in dieser Form nebeneinander bestehen bleiben sollen. Die Kontrollversammlung würde dann ja immer gleichzeitig entscheiden müssen. Insgesamt ist in diesem Zusammenhang nochmals festzuhalten, dass gravierende Vereinfachungen in der Kassenlandschaft in den Gesetzes-Entwürfen gänzlich fehlen.

 

In den Gesetzesentwurf sollte an geeigneter Stelle aufgenommen werden, dass in die Gremien der SV Holding Patientenvertreter (ARGE Selbsthilfe Österreich und ARGE Patientenanwälte) aufgenommen werden. Wir möchten mit Nachdruck darauf hinweisen, dass derzeit die gesetzlich vorgesehenen Patientenvertreter, laut Patientencharta, in diesen für Patienten wichtigen Gremien nicht vertreten sind.

 

Zur Schaffung der Arzneimittel-Referenzgruppen und "aut idem"-Regelung:

Grundsätzliche Einwände gegen diese Regelung bestehen nicht. Allerdings sollten die Abläufe nochmals überdacht werden. Auch die Absicherungen der notwendigen Ausnahmen für PatientInnen sollten ergänzt werden um einen eigenen Punkt für chronisch kranke PatientInnen. Die im geplanten § 136 Abs. 2 leg.cit. in diesem Zusammenhang angeführte Möglichkeit der "Aufzahlung" bei "Wunsch-Präparaten" besteht wohl schon bisher.

In Zukunft könnten Beratungsgespräche zwischen Patient und Apotheker einen größeren Stellenwert als bisher bekommen. Die Apotheker sollten im Apothekengesetz verpflichtet werden Vorsorge zu treffen, dass die Intimssphäre der PatientInnen gewahrt werden muss und geeignete Maßnahmen zur Sicherstellung des Datenschutzes ergriffen werden müssen.

Es ist ebenfalls zu erwarten, dass in Zukunft mehr Beschwerden als bisher über die Betreuung bei Apothekern bei den Patientenanwälten einlangen werden. Es sollte daher im Apothekengesetz eine ausdrückliche Zuständigkeit für die Überprüfung durch die Patientenanwaltschaften vorgesehen werden.

 

Zum Nachweis über die erbrachten Leistungen - "PatientInnen-Quittung":

Grundsätzlich wird Leistungstransparenz im Sinne der Information an PatientInnen begrüßt. Aber auch diese Regelung sollte nochmals überdacht werden. So wäre es ev. sinnvoll, die bestehende und bereits etablierte Information der Krankenversicherungen an die Versicherten in kürzeren Zeitabständen vorzunehmen.

 

Zur neuen Regelung über den Abschluss von Kassenverträgen:

Grundsätzlich wird die dadurch zu erhoffende Absicherung von Qualitätskriterien (vor allem auch von Ergebnisqualitätskriterien) begrüßt. Im Entwurf ist derzeit (zum Unterschied zum Positionspapier der Sozialpartner) nicht enthalten, dass ökonomische Kriterien vorgesehen wären. Dies ist unbedingt beizubehalten.

 

Verträge während vertragslosem Zustand:

Die derzeitige Rechtslage ist dergestalt, dass es Einzelverträge zwischen einer Kasse und einem Arzt nur dann geben kann, wenn auch ein sog. Gesamtvertrag zwischen Kassen und Ärztekammern besteht. Es liegt somit bei der Ärztekammer, ob es überhaupt ein Kassenvertragsarztsystem gibt.

Es dürfte in unserem Rechtssystem ziemlich einmalig sein, dass eine Institution den Abschluss eines Vertrages zwischen zwei vertragswilligen Partnern, in diesem Fall zwischen einem Arzt und einer Kasse, verhindern kann.

Inwiefern durch die Ermöglichung von Kassenverträgen ohne Einwilligung der ÄK im vertragslosen Zustand das Kassenarztsystem untergraben wird, wie von der ÄK behauptet, ist für uns nicht verständlich.

Ein vertragsloser Zustand bedeutet für die Versicherten: Vorfinanzierung der Arzthonorare (alle Ärzte sind im vertragslosem Zustand Privatärzte); Einreichung der saldierten Honorarnote bei der Kasse wegen Kostenersatz, Überweisung Kostenersatz in einem gewissen Prozentsatz der Rechnungshöhe nach einigen Monaten.

Bei Vorfinanzierungspflicht werden einige notwendige Arztbesuche nicht stattfinden (andere bisher nicht notwendige sicher auch nicht), was aus gesundheitlicher Sicht bedenklich ist.

Es sollte der Grundsatz gelten: Versichertenschutz geht vor Ärztekammerschutz.

 

 

Regelungen zur Vorbereitung der Entlassung aus einer Krankenanstalt:

Diese Änderungen des KaKuG werden im Sinne eines guten Managements an der Schnittstelle zwischen intra- und extramuraler Versorgung grundsätzlich sehr begrüßt. Zur Klarstellung wird noch angeregt, im geplanten § 24 Abs 2 vorletzter Satz einzufügen, wer die Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Krankenversicherungsträger einzuholen hat - dies sollte in diesen Fällen die Krankenanstalt sein ("...erforderlich ist, ist diese Bewilligung von der Krankenanstalt einzuholen. Dieser Entlassungsbrief ist...").

 

Zu den Bestimmungen über die Verpflichtung, sich an der Umsetzung der ELGA zu beteiligen (Ärztegesetz 1998, Apothekengesetz, Zahnärztegesetz):

Diese Verpflichtung in die gegenständlichen Novellen, die ja andere Ziele verfolgen, hineinzupacken, wird abgelehnt, da das Projekt ELGA selbst sehr wichtig ist und in einer eigenen ELGA- Gesetzgebung geregelt werden sollte.

 

Entsprechend der Entschließung des Nationalrates wird die Stellungnahme dem Präsidium des Nationalrates übermittelt.

 

 

 

Für die ARGE PA                                                       Für die ArGe Selbsthilfe

Dr. Gerald Bachinger                                                Mag. Monika Maier