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96100/0010-I/B/9/2008       Sp 660/08/Dr.Neu/AW         3714                26.5.2008

14.5.2008                          Dr. Neumann

 

Krankenversicherungs-Änderungsgesetz, KV-ÄG

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Die Wirtschaftskammer Österreich begrüßt ausdrücklich die im Begutachtungsentwurf vorgesehenen Reformen zur Zukunftssicherung der sozialen Krankenversicherung. Mit diesem Entwurf wurden die Vorschläge der Sozialpartner umgesetzt.

 

Aufgrund der eng bemessenen Zeit zur Ausarbeitung des Gesetzesentwurfes ergeben sich aber naturgemäß noch einige Anmerkungen unsererseits, auf die wir nun im Folgenden hinweisen möchten:

 

Zu §§ 136 Abs. 2, 350 Abs. 1, 351c Abs. 3a ASVG („aut idem“)

 

Nach § 351c Abs. 3a soll die SV-Holding bei Vorliegen von bestimmten Voraussetzungen „Referenzgruppen“ bilden. Hiezu erhebt sich die Frage, welche Arzneispezialitäten eine Referenzgruppe umfasst. Da keine Vorschriften über ein Verfahren zur Aufnahme von Arzneispezialitäten in eine Referenzgruppe vorgesehen sind - so ist dem Entwurf insbesondere kein Recht für vertriebsberechtigte Pharmaunternehmen einen Antrag auf Aufnahme einer Arzneispezialität in eine Referenzgruppe zu entnehmen - lässt sich vermuten, dass alle im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten, auf die die in den Voraussetzungen für die „Bildung einer Referenzgruppe“ genannten Merkmale zutreffen, zur Referenzgruppe gehören. Eine klare Regelung wäre jedenfalls wünschenswert. Wenn die vorhin getroffene Annahme über die Zugehörigkeit von Arzneispezialitäten zu einer Referenzgruppe zutrifft, bleibt für die „Bildung einer Referenzgruppe“ durch die SV-Holding eigentlich nur noch die Ersichtlichmachung der Referenzgruppe im Erstattungskodex übrig. Soll dies unter „Bildung einer Referenzgruppe“ gemeint sein? Unter den Voraussetzungen für die „Bildung einer Referenzgruppe“ sollte neben den im Entwurf angeführten Kriterien wie gleicher Wirkstoff etc. auch die „gleiche Indikation“ (oder das „gleiche Anwendungsgebiet“) genannt werden.

 

Ferner sieht der Entwurf keine Regelung der Folgen vor, wenn die SV-Holding ohne Vorliegen der Voraussetzungen eine Referenzgruppe bildet. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs ist der Erstattungskodex und jede seiner Änderungen eine Verordnung. Fasst man die im § 351c Abs. 3a des Entwurfs vorgesehene Referenzgruppenbildung als Änderung des Erstattungskodex auf, so wäre eine solche Referenzgruppenbildung eine Änderungsverordnung zum Erstattungskodex und - sofern die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen - mittels Beschwerde beim VfGH zu bekämpfen.

 

Voraussetzung für die Referenzgruppenbildung durch die SV-Holding ist die Tatsache, dass mindestens drei Arzneispezialitäten mit identem Wirkstoff etc. laut Warenverzeichnis des österreichischen Apothekerverlages als lieferbar angeführt sind. Das erwähnte Warenverzeichnis hat - soweit bekannt - seine Grundlage in dem zwischen der österreichischen Apothekerkammer und dem Hauptverband abgeschlossenen Gesamtvertrag. Das Warenverzeichnis wird in § 348a ASVG unter den im Gesamtvertrag insbesondere zu regelnden Gegenständen nicht erwähnt, weshalb es durch Änderung des Vertrages wohl auch „abgeschafft“ werden könnte, im Gegensatz etwa zum Erstattungskodex, der seine Rechtsgrundlage im ASVG hat und daher nur durch Änderung dieses Gesetzes abgeschafft werden könnte.  Es handelt sich daher um eine Verweisung, die deshalb (rechtlich) problematisch erscheint, weil in einem Gesetz auf ein Verzeichnis Bezug genommen wird, auf dessen Bestand und Inhalt der Gesetzgeber keinen Einfluss hat. Auch ist keineswegs gesichert, dass das Warenverzeichnis den aktuellen Stand der tatsächlich lieferbaren Arzneispezialitäten wiedergibt.

 

Die Textierung des § 350 Abs. 1a Z 1, wonach eine Arzneispezialität „bei Vorliegen einer entsprechenden Referenzgruppe im Erstattungskodex unter ihrer Wirkstoffbezeichnung“  zu verordnen ist, ist sprachlich nicht ganz geglückt. Gemeint ist offenbar, die Verordnung einer Arzneispezialität, die zu einer Referenzgruppe gehört. Darüber hinaus existiert für eine Arzneispezialität keine Wirkstoffbezeichnung, weshalb nicht von „ihrer Wirkstoffbezeichnung“ gesprochen werden kann. Die „Wirkstoffbezeichnung“ ist die Bezeichnung des Wirkstoffes.  

 

Nach dem vorliegenden Entwurf ist der Referenzpreis der jeweils zum 1. Jänner und 1. Juli eines Jahres geltende KVP für die kostengünstigste Arzneispezialität innerhalb der Referenzgruppe. Der Referenzpreis wird somit keineswegs von der SV-Holding festgelegt. Er ist vielmehr das Ergebnis der in der Vergangenheit erfolgten Anwendung der Preisbildungsvorschriften der VO-EKO und eines allfälligen Preiswettbewerbes unter den Anbietern der Arzneispezialitäten, die zur Referenzgruppe gehören. Damit unterscheidet sich der vorliegende Entwurf in diesem Punkt nicht von den RÖV, die auch eine Verpflichtung zur Verschreibung der günstigsten Arzneispezialität aus einem Bereich des Erstattungskodex vorsehen.

 

Schließlich stellen sich noch folgende Fragen zu § 351c Abs. 3a: Worauf bezieht sich der Klammerausdruck „auf Basis Behandlungskosten“ Ist der Referenzpreis, der sich - wie oben erwähnt - automatisch ergibt, von der SV-Holding zu publizieren und damit den verschreibungs- und abgabeberechtigten Personen zur Kenntnis zu bringen? 

 

Zu § 343 Abs. 2b ASVG:

 

So notwendig und sachlich gut die Änderungen für den Fall gesamtvertragslosen Zustandes und die Qualitätssicherung auch sind, lassen sie die notwendige Adaptierung in Bezug auf die Gesetzeslage bei individuellen Verfehlungen von Vertragsärzten leider noch vermissen, wie
 § 343 Abs. 4 ASVG mit allen bisherigen Sicherungsmaßnahmen zugunsten des Einzelvertragspartners unberührt bleiben. Eine entsprechende Adaptierung bei den Kriterien für die Rezertifizierung ist jedenfalls notwendig oder denkbar wäre auch, die Aufhebung der Sozial- und Schiedskommissionsregelungen bei wesentlichen Vertragsverletzungen, mit der Folge, dass die allfällige Bekämpfung von Vertragskündigungen im Wege der Gerichte zu erfolgen hätte.

 

Zu § 343e ASVG:

 

Zum Anspruch auf Abschluss eines Einzelvertrages bei Wiederinkrafttreten eines Gesamtvertrages ist anzumerken, dass die Regelung keine Vorsorge für den Fall von Anspruchskollisionen trifft. Was soll etwa gelten, wenn es im Falle eines gesamtvertragslosen Zustandes mit einem bestimmten bisherigen Vertragsarzt zu keinem Einzelvertrag kommt (weil er oder die Kasse nicht will oder weil man sich über die Konditionen nicht einigt), aber ein anderer bisheriger Nichtvertragsarzt einen solchen Einzelvertrag abschließt? Wer hat dann Anspruch gemäß dem letzten Satz? Vielleicht gar beide? Die Einschränkung des Anspruchs auf „im Rahmen des Stellenplans“ ist daher jedenfalls zu wenig. Die Option, Einzelverträge auch mit bisherigen Nichtvertragspartnern abzuschließen, ist aber essentiell und unverzichtbar.

 

Zu Artikel 2 bis 4:

 

In den Art 2 bis 4 des Entwurfs wird jeweils unter Z 1 auf „§ 350 Abs. 1a Z 1 oder Z 2“ Bezug genommen, wobei vergessen wurde die Gesetzesbezeichnung ASVG hinzuzufügen.

 

Zu Artikel 10 (Änderung des Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetzes):

 

Die vorgeschlagenen Änderungen sehen einen 1:1 Ersatz der Vorsteuer im Rahmen des GSBG für Leistungen der Sozialversicherungsträger untereinander vor, nicht jedoch für gleichgelagerte Tätigkeiten, welche von Tochtergesellschaften der SV für die Sozialversicherung geleistet werden. Dieser Steuernachteil verhindert Einsparungspotenziale für die Sozialversicherung und könnte auch als Gegenargument zur laufenden Rechenzentrumskonsolidierung verwendet werden, weil die Einsparungspotenziale (bei Beibehaltung der steuerlichen Ungleichbehandlung) vergleichsweise geringer ausfallen. Beihilfenrechtlich sollten daher auch Einrichtungen iSd § 81 Abs. 2 ASVG eine 1:1 Erstattung erhalten und umsatzsteuerrechtlich als „Hilfseinrichtung“ im Sinne der Randziffer 749 Umsatzsteuerrichtlinien 2000 qualifiziert werden.

 

Zu Artikel 12 (Bundesgesetz zur Dämpfung der Heilmittelkosten für die Jahre 2008 bis 2010):

 

Die WKÖ lehnt dieses Bundesgesetz ab, weil entsprechend der Vorschläge der Sozialpartner die Dämpfung der Heilmittelkosten durch Vereinbarungen bis 2010 zu erzielen ist und derzeit noch Gespräche geführt werden.

 

Zu § 1 Abs. 1 ist anzumerken, dass ein „Depositeur“ nach den Begriffsbestimmungen des Arzneimittelgesetzes (AMG) wohl auch ein „pharmazeutischer Unternehmer“ ist. Nach § 2 Abs. 13a AMG ist ein „pharmazeutischer Unternehmer“ ein in einer Vertragspartei des EWR-Abkommens ansässiger Unternehmer, der dazu berechtigt ist, Arzneimittel unter seinem Namen in Verkehr zu bringen, herzustellen oder damit Großhandel zu treiben. Unter einem „Depositeur“ versteht § 2 Abs. 6 AMG entweder 1. einen Gewerbetreibenden, der auf Grund der Gewerbeordnung 1994 zum Großhandel mit Arzneimittel berechtigt ist und über eine entsprechende Bewilligung gemäß § 63 Abs. 1 AMG verfügt, oder 2. den Betreiber einer inländischen öffentlichen Apotheke, der ein im Ausland hergestelltes Arzneimittel in seinem Namen in den inländischen Verkehr bringt. Daraus folgt, dass ein „Depositeur“ Arzneimittel in Verkehr zu bringen berechtigt ist, entweder als Arzneimittel-Großhändler oder als Betreiber einer inländischen öffentlichen Apotheke. Damit ist klar, dass der Begriff „pharmazeutische Unternehmer“ als Oberbegriff auch „Depositeure“ umfasst. Die Anführung der Depositeure in Art. 12 § 1 Abs. 1 des Entwurfs ist daher entbehrlich. Der Klammerausdruck in § 1 Abs. 1 müsste „ausgenommen Arzneimittel-Großhändler“ und nicht „ausgenommen Großhändler“ lauten, um mit der Definition des § 2 Abs. 2 AMG überein zu stimmen.  

 

Im Übrigen scheinen die Abs. 2 bis 5 des § 1 unvollziehbar. Hiezu müssten nämlich Lieferant (Arzneimittel-Großhändler) und Apotheker im Zeitpunkt der Begleichung der Rechnung für die Lieferung von Arzneispezialitäten - diesen Zeitpunkt nennt § 1 Abs. 3 - bereits wissen, ob die Arzneispezialitäten auf Rechnung der gesetzlichen KV-Träger oder an Privatpersonen abgeben werden. 

 

 

Freundliche Grüße

 

 

 

Dr. Christoph Leitl                                                                  Dr. Reinhold Mitterlehner

Präsident                                                                                     Generalsekretär-Stv.