Bundesministerium für

Gesundheit, Familie und Jugend

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ZAHL

DATUM

CHIEMSEEHOF

2001-BG-10/106-2008

27.5.2008

* POSTFACH 527, 5010 SALZBURG

 

 

landeslegistik@salzburg.gv.at

 

FAX (0662) 8042 -

2164

TEL  (0662) 8042 -

2290

 

 

Herr Mag. Feichtenschlager

 

BETREFF

Entwurf eines Krankenversicherungs-Änderungsgesetzes – KV-ÄG; Stellungnahme

Bezug: Zl 96100/0010-I/B/9/2008

 

           

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Zu dem im Gegenstand bezeichneten Gesetzentwurf gibt das Amt der Salzburger Landesregierung folgende Stellungnahme bekannt:

 

1. Allgemeines:

Das geplante Vorhaben wurde am 14. Mai 2008 per E-Mail zur Begutachtung versandt. Das Ende der Begutachtungsfrist wurde mit 27. Mai 2008 festgelegt; den zur Begutachtung eingeladenen Stellen verbleiben somit nicht einmal zwei Kalenderwochen bzw unter Berücksichtigung der arbeitsfreien Samstage, Sonn- und Feiertage nur sieben Werktage   zur Abgabe einer Stellungnahme. Die gewählte Vorgangsweise setzt sich damit in dreifacher Weise über die Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften hinweg: Ziel des geplanten Vorhabens ist eine „Neugestaltung der


Aufgaben des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger und seiner Organisation“. Ein derart weitreichendes und in die Zukunft wirkendes Vorhaben würde jedenfalls die Einräumung einer „angemessenen Frist“ zur Begutachtung im Sinn des ersten Satzes des Art 2 Abs 1 der Vereinbarung erfordern. Stattdessen wurde nicht einmal  den gegenbeteiligten Vertragspartnern die im Art 2 Abs 4 Z 1 der Vereinbarung festgelegte Mindestfrist von vier Wochen zur Begutachtung des geplanten Vorhabens zugestanden. Auch fehlt eine der Vereinbarung entsprechende Darstellung der finanziellen Auswirkungen.

Eine sorgfältige Begutachtung des geplanten Vorhabens und seiner Auswirkungen ist unter diesen Rahmenbedingungen nicht möglich. Seitens des Landes Salzburg stößt die Vorgangsweise auf äußerstes Befremden und wird daher noch die Übermittlung eines ausgereiften und fertig gestellten Entwurfs und die Einräumung einer angemessenen, der Tragweite des Vorhabens entsprechenden Begutachtungsfrist erwartet.

 

2. Zu den finanziellen Auswirkungen:

Ziel des geplanten Vorhabens ist, die Finanzierung der Versicherungsleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung nachhaltig abzusichern. Besonders bedeutsam sind in diesem Zusammenhang der Forderungsverzicht des Bundes im Ausmaß von 450 Millionen Euro zugunsten jener Gebietskrankenkassen mit einem negativen Reinvermögen  und die im Art 10 geplante vollständige Abgeltung der nicht-abziehbaren Vorsteuer.

Da eine Realisierung des geplanten Vorhabens zu bedeutenden finanziellen Belastungen der Länder führt (Pkt 2.2), hat das Land Salzburg mit gesondertem Schreiben gemäß Art 2 Abs 1 der Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften das Verlangen nach Aufnahme von Verhandlungen in einem Konsultationsgremium gestellt.

2.1. Vom Forderungsverzicht des Bundes zugunsten der Gebietskrankenkassen würde vor allem die Wiener Gebietskrankenkasse (in einem Ausmaß von fast 240 Millionen Euro) profitieren. Die Salzburger Gebietskrankenkasse gehört dagegen nicht zu den davon Begünstigten.

2.2. Durch die im Art 10 geplante Änderung des Gesundheits- und Sozialbereichs-Beihilfengesetzes wird das System der Abgeltung der Vorsteuerbeträge beginnend mit dem Jahr 2008 geändert: An die Stelle der bisher geltenden pauschalierten Abgeltung tritt eine „1:1 Abgeltung“ der nicht abzugsfähigen Vorsteuern. Dadurch können die Sozialversicherungsträger mit zusätzlichen Einnahmen im Ausmaß von 125 Millionen Euro pro


Jahr rechnen. Dieses Vorhaben hat mittelbar jedoch auch erhebliche finanzielle Auswirkungen auf die Ertragsanteile der Länder an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben, weil die Abgeltung im Weg eines Vorwegabzuges am Gesamtaufkommen der Umsatzsteuer erfolgt (§ 8 Abs 2 Z 1 FAG 2008). Den diesbezüglichen Erläuterungen folgend „entfallen von den geschätzten zusätzlichen Beihilfen für die Sozialversicherungsträger in einer Größenordnung von 125 Millionen Euro auf die Länder rund 28 Millionen Euro und auf die Gemeinden etwa 14 Millionen Euro“.

Für das Land Salzburg ergeben sich im Fall einer Realisierung dieses Vorhabens Mindereinnahmen an den Ertragsanteilen an der Umsatzsteuer im Ausmaß von 1,8 Millionen Euro pro Jahr. 

Das im Art 10 geplante Vorhaben wird als einseitiger Eingriff des Bundes in das geltende Finanzausgleichsgefüge entschieden abgelehnt! Nach langen, mühevollen Verhandlungen im Vorfeld des Finanzausgleichsgesetzes 2008 konnten die Länder erreichen, dass ihnen für Zwecke der Krankenanstaltenfinanzierung zusätzlich 100 Millionen Euro zugeteilt werden. Lediglich fünf Monate nach dem Inkrafttreten des Finanzausgleichsgesetzes  2008 würde den Ländern mehr als ein Viertel davon – 28 Millionen Euro – wieder „weggenommen“ werden.

Das Land Salzburg behält sich daher ausdrücklich alle rechtlichen Schritte gegen dieses Vorhaben vor. Dies schließt auch die spätere Inanspruchnahme des Konsultationsmechanismus ein.

 

3. Zu einzelnen Bestimmungen:

 

3.1. Zu Artikel I (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes):

Zu den §§ 136 und 350:

1. Der Wortlaut des geplanten § 136 Abs 2 ist unglücklich gewählt, weil der Eindruck entstehen könnte, dass Arzneispezialitäten, deren Preise über den Referenzpreisen liegen, unter Umständen qualitativ besser sind als solche, die zu Referenzpreisen abgegeben werden.

2. Zur Aut-idem Regelung gibt es in anderen Ländern positive Erfahrungen. Voraussetzung dafür waren aber klare Festlegungen. Es ist daher angebracht, zunächst alle Unsicherheiten zwischen der Ärzteschaft und den Apothekern zu bereinigen.

3. Zur Referenzpreisregelung wird vorgeschlagen, vor deren Realisierung zunächst die Ziele festzulegen und diese Regelung, vor allem unter dem Gesichtspunkt der sozialen Verträglichkeit, zu evaluieren. 

Zu § 340b:

Aus fachlicher Sicht wird die Einführung eines Nachweises über die erbrachten Leistungen („Patientenquittung“) zwar als sinnvoll erachtet, sie darf jedoch nicht zu einem überbordendem Verwaltungsaufwand für den Leistungserbringer führen. Vorstellbar ist eine Information pro Quartal, die mit dem Honorierungssystem der Gebietskrankenkassen kompatibel ist.

Zu den §§ 343 und 349:

1. Die geplante Befristung von Kassenverträgen wird kritisch gesehen, da sich einerseits das Problem der Besetzung von Kassenstellen in peripheren Landesteilen ergeben kann, andererseits besteht die Gefahr einer Verlagerung von kostenintensiven Behandlungen in die Spitäler. Es wird daher vorgeschlagen, statt der geplanten Befristung von Kassenverträgen eine Verschärfung der Bestimmungen über die Kündigung von Kassenverträgen zu überlegen, was auch die Sicherung der Qualität vereinfachen würde.

2. Kriterien für die Verlängerung des (Kassen-)Vertrages sind gemäß § 343 Abs 2b Z 1 ASVG unter anderem auch Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualitätskriterien. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 118a Ärztegesetz 1998 eine Gesellschaft für Qualitätssicherung eingerichtet wurde. Es scheint hier zu einer Doppelgleisigkeit zu kommen. Probleme sind vorprogrammiert.

 

3.2. Zu den Artikeln 2 (Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes), Art 3 (Änderung des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes) und Art 4 (Änderung des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes):

Zu der in den §§ 92 GSVG, 86 BSVG und 64 B-KUVG geplanten Referenzpreisregelung wird auf die Ausführungen zu den §§ 136 und 350 ASVG (Pkt 3.1) verwiesen.

Nach dem Zitat des in diesen Bestimmungen verwiesenen § 350 Abs 1a Z 1 oder 2 fehlt die Kurzbezeichnung des verwiesenen Gesetzes („ASVG“).  

 

3.3. Zu Artikel 9 (Änderung des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten):

Zu § 19a Abs 4 Z 3:

Damit sollen Krankenanstalten neuerdings verpflichtet werden, sich schon bei der Beschaffung von Arzneimitteln an den vom Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger herausgegebenen Erstattungskodex und an die Richtlinie über die ökonomische Verschreibweise zu halten. Dazu wird darauf aufmerksam gemacht, dass eine derartige verbindliche Anknüpfung für die Krankenanstalten betriebswirtschaftlich negative Auswirkungen haben kann: Das lt Erstattungskodex bzw der Richtlinie „günstigste“ Arzneimittel muss nämlich nicht notwendigerweise auch für die Krankenanstalt im Einkauf das ökonomisch günstigste sein! Im Ergebnis entstehen konsequenterweise Mehrkosten, die letztlich von den Rechtsträgern der Krankenanstalten in ihrer „ökonomischen Eigenständigkeit“ zu tragen sind. Das Land Salzburg unterstützt die Intention einer Abstimmung in der Verschreibung von Arzneimitteln zwischen stationärem und niedergelassenem Bereich. Dies setzt aber eine gründlichere Auseinandersetzung voraus.

Außerdem ist diese Regelung wie auch des § 24 Abs 2 insofern verfassungsrechtlich bedenklich, als dem Landes(ausführungs)gesetzgeber dadurch die Schaffung einer dynamischen Verweisung auf den Erstattungskodex des Hauptverbandes, die Richtlinie über die ökonomische Verschreibweise und eines gegebenenfalls festgelegten Referenzpreises aufgetragen wird. Durch die nunmehr gebotene „Beachtung“ dieser Vorgaben (an Stelle der bisherigen Berücksichtigung) erlangen diese Festlegungen Normcharakter gegenüber den Krankenanstalten, also zu im Verhältnis zum Hauptverband außen stehenden Rechtsträgern. Eine Verweisung auf die jeweils geltenden Normen einer Normsetzungsautorität des Bundes ist dem Landesgesetzgeber aber verfassungskonform nicht möglich.

Zu § 24:

Mit der Konsultation des chefärztlichen Dienstes ist ein erhöhter Verwaltungsaufwand für die Krankenanstalten verbunden. Eine Kostenschätzung fehlt. Je höher eine Krankenanstalt in der Versorgungsstufe steht, umso höher wird dieser Aufwand auch sein (Spezialabteilungen wie Onkologie, Referenzzentren etc.). Die Notwenigkeit der Reduzierung der Kosten im Gesundheitswesen wird nicht in Frage gestellt, jedoch muss hier auch ein Weg gefunden werden, der eine einfache (verwaltungsökonomische und patientenfreundliche) Vorgangsweise bei der Einholung von chefärztlichen Bewilligungen ermöglicht.

 

3.4. Zu Artikel 12 (Änderung des Bundesgesetzes zur Dämpfung der Heilmittelkosten für die Jahre 2008 bis 2010):

Zu § 1:

Im Abs 1 fehlt die Angabe der Prozente. Eine Beurteilung der Auswirkungen ist daher nicht möglich.

 


Gleichschriften dieser Stellungnahme ergehen ue an die Verbindungsstelle der Bundesländer, an die übrigen Ämter der Landesregierungen, an das Präsidium des Nationalrates und an das Präsidium des Bundesrates.

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für die Landesregierung:

Dr. Ferdinand Faber

 

 

 

Ergeht nachrichtlich an:

1. – 8. E-Mail an: Alle Ämter der Landesregierungen

9.       E-Mail an: Verbindungsstelle der Bundesländer vst@vst.gv.at

10.     E-Mail an: Präsidium des Nationalrates begutachtungsverfahren@parlinkom.gv.at

11.     E-Mail an: Präsidium des Bundesrates peter.michels@parlament.gv.at

12.     E-Mail an: Bundeskanzleramt vpost@bka.gv.at

13.     E-Mail an: Institut für Föderalismus institut@foederalismus.at

14.     E-Mail an: Abteilung 8 zu do Zl 20801-4809/195-2008

16.     E-Mail an: Abteilung 9 zu do Zl 20901-K/1/239-2008

 

zur gefl Kenntnis.