An das

Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend

Radetzkystrasse 2

1030 Wien

 

 

 

                                                                                                                               Wien, 21.5.2008

 

 

 

Ihr Schreiben GZ 96100/0010-I/B/9/2008 vom 14. Mai 2008

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Apothekengesetz, das Ärztegesetz 1998, das Zahnärztegesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten sowie das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert werden und ein Bundesgesetz, mit dem der Bundesminister für Finanzen ermächtigt wird, auf Bundesforderungen gegenüber den Gebietskrankenkassen zu verzichten, sowie ein Bundesgesetz zur Dämpfung der Heilmittelkosten für die Jahre 2008 bis 2010 erlassen werden (Krankenversicherungs-Änderungsgesetz – KV-ÄG;

Begutachtung

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Die ARGE Pharmazeutika, Interessenvertretung des pharmazeutischen Großhandels, nachfolgend ARGE genannt, beehrt sich zu den vorgelegten rubrizierten Entwürfen folgende

 

Stellungnahme

 

zu erstatten.

 

Die ARGE ist die private Interessenvertretung des pharmazeutischen Großhandels in Österreich und vertritt 97 % des pharmazeutischen Großhandels, wobei der Vollgroßhandelsmarkt zur 100 % abgedeckt wird.

 

1.    Grundsätzliche Anmerkungen

Die ARGE war in der Vergangenheit und ist auch heute noch stets bereit sich in konstruktive Gespräche betreffend Regelungen über den Vertrieb von Arzneimittel in Österreich einzubringen und zeigt auch Verständnis dafür, dass die prekäre Situation der Österreichischen Sozialversicherungsträger einer dauerhaften und nachhaltigen Lösung bedarf. So war sie, ebenso wie die Pharmig, Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs, durchaus bereit, in Vorgesprächen mit Vertretern des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger nach Lösungen zu suchen und auch einen freiwilligen Beitrag als Soforthilfe zu leisten. Um so befremdlicher erscheint der Umstand, dass in der Folge weder die Arge noch die Pharmig in die Erarbeitung des so genannten „Sozialpartnerpapiers“ eingebunden waren, noch in das offizielle, formale Begutachtungsverfahren miteinbezogen wurden.

 

Es bleibt unverständlich, warum beispielsweise der Beirat für die Volksgruppe der Roma, die Österreichische Bundessportorganisation, das Wirtschaftsforum der Führungskräfte, die Bundes-Jugendvertretung, die Zentralstelle Österreichischer Landesjagdverbände, der Verband der Öffentlichen Wirtschaft und Gemeinschaft, oder etwa das Österreichische Hebammengremium aufgefordert wurden, zu den vorliegenden Entwürfen Stellung zu nehmen, nicht aber die privaten Interessenvertretungen der Pharmawirtschaft wie eben die ARGE oder die Pharmig. Wenn es sich hierbei um ein Versehen handelt, so ist dies traurig, wenn die beiden Interessenvertretungen aber bewusst ausgeklammert wurden, ist es noch trauriger und zeigt, welche Wertschätzung  diese Organisationen in der Politik genießen. Da nimmt es auch nicht Wunder, dass im Vorblatt zu den Entwürfen als Alternativen „keine“ angegeben werden. Offensichtlich kann und will die Politik nicht darauf eingehen, dass in den oben erwähnten Gesprächen mit dem Hauptverband der Österreichischen  Sozialversicherungsträger ein freiwilliger Beitrag seitens der Hersteller / Depositeure und des österreichischen, pharmazeutischen Großhandels in der Höhe von 180 Mio. €, verteilt über drei Jahre, als sofortige Hilfsmaßnahme angeboten wurde. Dass man es aber doch nicht ganz vergessen hat, zeigt dann in der Folge der völlig abstruse Entwurf eines Bundesgesetzes zur Dämpfung der Heilmittelkosten für die Jahre 2008 bis 2010 mit dem man das - offensichtlich im Vorfeld ausgelotete - Belastungsvolumen der Pharmawirtschaft ohne Bedachtnahme auf deren Argumente per Gesetz und nicht partnerschaftlich lukrieren möchte. So viel zu den Themen Ehrlichkeit, Partnerschaftlichkeit und Verhandlungskultur.

 

Die ARGE möchte sich in ihrer Stellungnahme primär auf arzneimittelrelevante Kritik beschränken, da von einer Gesamtgesundheitsreform bei dem vorliegenden Gesetzesvorhaben wohl nicht gesprochen werden kann.

 

 

Zu den einzelnen Regelungsschwerpunkten:

 

1.    Nachweis über die erbrachten Leistungen

Diesbezüglich darf auf eine Ankündigung der Österreichischen Bundesregierung verwiesen werden, dass Verwaltungsaufwendungen für Unternehmen zu senken sind um deren Produktivität (und Wettbewerbsfähigkeit) zu stärken. Durch die im § 340b vorgesehenen Regelungen wird sehenden Auges das Gegenteil zumindest in Kauf genommen. Der mit der Ausstellung der „Patientenquittungen“ verbundene enorme administrative Aufwand der niedergelassenen Ärzte wird die erhofften Einsparungen mit Sicherheit bei weitem konsumieren. Da spielt es auch keine Rolle mehr, dass es sich bei Absatz 2 um eine geradezu klassische formalgesetzliche Delegation und somit einen Verstoß gegen das Legalitätsprinzip, einem der Grundpfeiler unserer Demokratie, handelt. Es wird dem Hauptverband - wohl nach Weisungen der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend - freigestellt, nähere Details betreffend Grundsätze über den Inhalt und Umfang des Nachweises nach eigenem Gutdünken festzulegen, ohne an irgendwelche gesetzliche Vorgaben gebunden zu sein. Ein perfektes Steuerungsinstrument!

 

2.      aut idem, Referenzpreissystem und Zuzahlung durch den Patienten

          Zunächst ist festzuhalten, dass von einer Zuzahlung des Patienten im Sozialpartnerpapier nirgendwo die Rede ist und dadurch endgültig der Weg zur Zwei-Klassen-Medizin geöffnet und beschritten wird. Waren bisher schon Aussagen des Hauptverbandes wie „in Österreich bezahlt die Sozialversicherung alles“ (freilich unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit) im Rahmen etwa von Diskussionen über die Anwendbarkeit der Transparenzrichtlinie falsch und irreführend (Selbstbehalte, Rezeptgebühr), so dürfte nun auch jedem Patienten klar sein, dass er neben seinen Beitragsleistungen auch noch „extra kräftig zur Kassa gebeten wird“. Unfassbar jedoch ist die Art und Weise wie die Politik mit dem äußerst sensiblen Thema aut idem umgeht. Dies beginnt damit, dass ein nicht nachvollziehbares Einsparungspotential von ursprünglich 120 Millionen, dann von 35 Millionen einfach einmal angenommen wird - dies mit dem Hinweis auf eine ÖBIG-Studie, die man aus welchen Gründen auch immer unter Verschluss hält. Man will offenbar gar nicht, dass sich Experten eingehend und nachhaltig mit der Frage beschäftigen, ob und in welchem Ausmaß die Umsetzung des aut idem-Prinzips tatsächlich zu Einsparungen führt. Man will gar nicht zur Kenntnis nehmen, dass die österreichische Generikapolitik immer das Ziel verfolgte letztendlich den Originalanbieter zu veranlassen, mit seinem Produkt auf das Preisniveau der generischen Arzneimittel abzusenken. Jeder mit der Materie vertraute weiß, dass das Originalprodukt nach Eintritt des dritten generischen Anbieters zwingend gleichpreisig mit dem entsprechenden Generikum sein muss. Dies im Gegensatz zu Ländern, wo aut idem der Förderung des Preiswettbewerbs innerhalb der Generikaanbieter dient. Dies scheint die Politik bei ihrem Blick über die Grenzen zu übersehen. Wie dies auch beim Thema Referenzpreis der Fall ist. Während in Deutschland die zur Abgabe berechtigte Person innerhalb einer Referenzgruppe zwischen den drei günstigsten Präparaten wählen kann, soll in Österreich ausschließlich das günstigste abgegeben werden dürfen. Völlig unbegreiflich ist die Textierung des vorgesehenen § 351c Abs 3a; erstens fehlt bei den Arzneispezialitäten mit identem Wirkstoff oder identer  Wirkstoffkombination die Legaldefinition des Generikums lt. AMG (§1 Abs.19) bzw. ein Verweis darauf und zweitens ist von „praktisch gleicher Darreichungsform“ die Rede.

 

          Wenn im § 351c Abs. 3a die Rede von mindestens drei laut Warenverzeichnis des österreichischen Apothekerverlages lieferbaren Generika die Rede ist, so hat man wohl übersehen, dass mehrere verschiedene Nachfolgeprodukte mit gleichem Wirkstoff aber unterschiedlichem Namen von ein und demselben Hersteller oder innerhalb eines Firmenverbundes angeboten werden bzw. angeboten werden können. Dies sollte insoferne Berücksichtigung finden, als der Hinweis „von unterschiedlichen Herstellern“ eingefügt wird.

 

3.      Bundesgesetz zur Dämpfung der Heilmittelkosten für die Jahre 2008 bis 2010

          Bei wohlwollender Bewertung dieses Entwurfes gelangt man zu der Ansicht, dass dieser ohnehin nur als „Rute im Fenster“ dient, um die Pharmawirtschaft zu zwingen, ihren eingangs erwähnten freiwilligen Beitrag in der Höhe von 180 Mio. € zu leisten ohne auch nur eine der gewünschten Rahmenbedingungen, die Sie in dem als Beilage angeschlossenen und vor Aussendung des gegenständlichen Entwurfes den Vertretern des Hauptverbandes zur Verfügung gestellten Termsheets ausgeführt hat zu berücksichtigen. Rahmenbedingungen die es den betroffenen Unternehmen überhaupt erst ermöglichten finanziell helfend zur Seite zu stehen. Diese Vorgangsweise möge nicht näher beleuchtet werden, sie spricht für sich.

 

          Zum Entwurf selbst ist festzuhalten, dass damit pharmazeutischen Unternehmen, die nunmehr dritte Preisregelung  additiv aufgebürdet werden soll. Da ist es auch schon egal, dass die Höhe des „gewünschten Preisnachlasses“ nicht einmal beziffert wird. Wie das Ganze in der Praxis funktionieren soll, versteht niemand. Abgesehen davon, dass Rechnungen durch den pharmazeutischen Großhändler bzw. durch die Apotheke weit vor der Abrechnung der Apotheker mit den Sozialversicherungsträgern beglichen werden, ergäben sich durch den allfälligen expost-Nachlass völlig unlösbare Schwierigkeiten durch die sicher eintretenden Verschiebungen innerhalb der einzelnen  Aufschlagsstufen  beim pharmazeutischen Großhandel. Des Weiteren kann niemals nachvollzogen werden, welcher Großhändler welche bzw. wie viele einzelne Packungen, die er der jeweiligen Apotheke geliefert hat, erstattet werden und somit von dem nachträglichen Rabatt betroffen sind.

 

4.      Fazit

          Die ARGE lehnt im Lichte der dargelegten Ausführungen die vorgelegten Entwürfe in ihrer derzeitigen Fassung mit Nachdruck und Entschiedenheit ab. Gleichzeitig möchte sie festhalten und anbieten, dass sie jederzeit bereit ist, an konstruktiven partnerschaftlichen Lösungen der anstehenden Probleme mitzuarbeiten und auch – wie in den mit dem Hauptverband geführten Gesprächen signalisiert – auf freiwilliger Basis einen entsprechenden Beitrag zu leisten.

 

          Mit freundlichen Grüßen

 

für die Arge Pharmazeutika

 

 

 

Prof. Mag. Heinz Krammer