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Auskunft:   Herr Dir. Mag. Moder, DW 2000

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Hauptverband der österreichischen

Sozialversicherungsträger

Kundmanngasse 21

1031 Wien                                                                                              Eisenstadt, 26. Mai 2008

 

 

 

 

SV-Holding-Gesetz

Stellungnahme der Burgenländischen Gebietskrankenkasse

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

die Burgenländische Gebietskrankenkasse lehnt den vorgelegten Entwurf eines SV-Holding-Gesetzes entschieden ab, da damit die Selbstverwaltung in den Trägern de facto abgeschafft wird, alle wesentlichen Entscheidungen über eine mangelnd legitimierte Holding festgelegt und vorgegeben werden, ohne auf die regionalen bzw. versichertenspezifischen Besonderheiten Bedacht zu nehmen.

 

Auch wenn einer Verpflichtung der Träger zu einer Leistungs- und Tarifoptimierung, einer bedarfsorientierten Angebotsplanung und eines verstärkten Vertragspartner-Controllings durchaus zugestimmt werden kann, kann das nicht durch Zielfestsetzungen der SV-Holing erfolgen, sondern muss im Rahmen der Selbstverwaltung und unter Beachtung der Autonomie der Träger geschehen. Mit der geplanten Regelung wird jedoch einschneidend in die Eigenständigkeit der Träger eingegriffen und deren Verantwortung für die regionale bzw. versichertenorientierte Gestaltung einer flächendeckenden, bevölkerungsorientierten Gesundheitsversorgung drastisch geschmälert.

 

Darüber hinaus wird auch in die Geschäftsführung der Träger massiv eingegriffen, wenn alle Beschlüsse des Vorstandes nur mehr mit der Zustimmung der von der Wirtschaftskammer dominierten Kontrollversammlung gefasst werden können. Neben einer u.E. unzulässigen Vermischung von Geschäftsführung und Kontrolle hätte dieses Modell weit reichende Folgen:

 

1.        Erstmals seit Bestehen der Sozialversicherung und der mit ihr verbundenen Selbstverwaltung wird das Prinzip der Selbstverwaltung ausgehebelt. Selbstverwaltung bedeutet, dass der Staat auf einen bestimmten Teil seiner Zuständigkeit verzichtet und diese den unmittelbar Betroffenen zur Verwaltung überlässt. In der Sozialversicherung und im Speziellen in der Krankenversicherung heißt das, dass die Gewerbetreibenden ihre Krankenversicherung in der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft regeln, die Bauern in der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, die Beamten in der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter und bislang die unselbstständig Erwerbstätigen im Wesentlichen in den Gebietskrankenkassen. In letzterer hatten die Dienstgeber als nicht unwesentliche Beitragszahler ein unbestrittenes Kontrollrecht über das Organ der Kontrollversammlung. Mit der geplanten Änderung können die Arbeitnehmer nicht mehr über ihre Krankenversicherung und deren Leistungen bestimmen, sondern sind vom Wohlwollen der Dienstgeber abhängig. Damit wird aber den Zielsetzungen der Selbstverwaltung widersprochen.

Abzulehnen ist auch die Begründung für diese Parität, nämlich dass Dienstnehmer und Dienstgeber gleich hohe Beiträge in die Krankenversicherung einzahlen. Diese Beitragsparität stimmt nur für die Beiträge der unselbstständig Erwerbstätigen. Allerdings sind bei den Gebietskrankenkassen andere, nicht unwesentliche Personengruppen versichert, für die kein Dienstgeberbeitrag bezahlt wird. Zu nennen sind hier insbesondere die Pensionisten. Rechnet man bereits bestehende Kostenbeteiligungen, zB Rezeptgebühren, Serviceentgelt für die E-Card, Beteiligungen beim Zahnersatz, bei Heilbehelfen und Hilfsmittel, hinzu, ist eine paritätische Finanzierung bei Weitem nicht gegeben. Es ist unter diesem Umstand auch der Anspruch der Wirtschaftskammer, alle Entscheidungen bestimmen zu können, nicht gerechtfertigt.

2.        Das geschäftsführende Organ der Krankenkassen, der Vorstand, wird völlig entmachtet und sinnentleert. Letztendlich bestimmt die Kontrolle, welche Akte die Geschäftsführung setzen darf! Da die Interessen der Arbeitnehmer und der Dienstgeber im Bereich der Krankenversicherung durchaus widersprüchlich sind, ist ein Dauerpatt mit einer Lähmung des Verwaltungshandelns durchaus vorhersehbar.

Darüber hinaus wird hier den Wirtschaftskammern ein wirksames Instrument zum Ausbau ihrer Machtinteressen in den Trägern in die Hand gegeben. Es ist absehbar, dass bei entsprechendem und zu erwartendem Einsatz dieses Instruments die solidarische Krankenversicherung immer weiter zurückgedrängt wird zu Gunsten verursacherorientierter Regelungen, wie Kostenbeteiligungen, Selbstbehalten, Bonus-Malus-Systemen etc.

3.    Durch ihren dominanten Einfluss auf Entscheidungen der Geschäftsführung kann die Wirtschaftskammer in Hinkunft die finanziellen Interessen ihrer Mitglieder, die gleichzeitig Vertragspartner der Träger sind (Laborinstitute, Röntgeninstitute, Optiker, Bandagisten, Akustiker, Taxibetriebe u.v.a.m.), wirksam beeinflussen. Es steht zu befürchten, dass es gezielt zu einem Umlenken von Mitteln der Krankenversicherung zu den Mitgliedsbetrieben kommt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu erwarten, dass die gesetzliche Krankenversicherung die Kostensteigerungen deutlich eindämmen kann.

4.    Indirekt ist durch den geplanten Machtausbau auch eine verstärkte Einflussnahme auf den intramuralen Bereich zu erwarten, einerseits über spezifische Trägerbeschlüsse, andererseits über die Entsendungen in die Gesundheitsplattformen.

 

Zu einzelnen Bestimmungen wird wie folgt Stellung genommen:

 

 

§ 29 a (neu) Abs. 6 – Melde- und Beitragsangelegenheiten

 

Die BGKK bezweifelt den Nutzen dieser Regelung, da überregionale Dienstgeber schon derzeit ihre Meldungen zentral über eine Datendrehscheibe übermitteln können und Betriebsprüfungen bei diesen Dienstgebern koordiniert im Rahmen der GPLA (gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben) durchgeführt werden.

 

Da allerdings die Leistungszuständigkeit unverändert bleiben soll, müssten parallel Datenbanken zur melderechtlichen und zur leistungsrechtlichen Versichertenevidenz geführt werden. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, wie bzw. von welchem Träger die immer wieder notwendigen Verwaltungsverfahren geführt werden.

 

Grundsätzlich ist die Durchführung des Melde-, Versicherungs- und Beitragswesens durch die regionalen Gebietskrankenkassen ein Kernstück unserer Tätigkeit und auch Voraussetzung für eine optimale, versichertennahe Betreuung.

 

 

§ 30 a Abs. 1 Z 6 – Öffentlichkeitsarbeit

 

Die BGKK verwehrt sich strikt gegen die Übertragung und Konzentration der Öffentlichkeitsarbeit bei der SV-Holding. Erster Ansprechpartner, aber auch Informant der Versicherten muss auch in Zukunft der regional zuständige Träger bleiben. Gegen eine gemeinsame Planung und Koordination ist jedoch nichts einzuwenden, solange die Autonomie der Träger gewahrt bleibt.

 

 

§ 30 b – Strategische Zielsteuerung

 

Die vorliegende Textierung bedeutet, dass letztendlich die Ziele von der SV-Holding bestimmt werden: Entweder werden sie vereinbart oder sie werden bei Nichteinigung von der Holding festgelegt! Den Trägern wird damit in wesentlichen Bereichen die Gestaltungsmöglichkeit genommen und die Selbstverwaltung zu Befehlsempfängern degradiert.

 

 

§ 30 c – Monitoring und Controlling

 

Neben dem Rechnungshof und dem Bundesministerium werden die Träger nun auch von der SV-Holding überwacht. Für die BGKK stellt sich die Frage, ob eine Bündelung dieser Kontroll- und Controllingaktivitäten vor dem Hintergrund einer ökonomischen Verwaltungsführung nicht sinnvoll wäre.

 

 

§ 30 d – Sicherstellung der Zielerreichung

 

Selbstverständlich ist davon auszugehen, dass Ziele aktiv angestrebt und erreicht werden. Allerdings darf eine Festlegung nicht so erfolgen, dass sie abseits von realistischen Parametern so wie für die BSC 2008 erstellt werden. Gerade dann aber hätte die Holding ein permanentes Durchgriffsrecht auf die Träger. Ein derartiger Eingriff wird von der BGKK abgelehnt.

 

 

§ 30 e und § 635 Abs. 3 Dienstleistungsaufgaben der Holding

 

Die BGKK befürwortet alle Maßnahmen, die eine Optimierung der EDV-Anwendungen sowie in ihrer Gesamtheit eine Kosteneinsparung durch Nutzung von Synergieeffekten zum Ziel haben. Deshalb haben wir auch die Entwicklung von Standardprodukten immer unterstützt. Auch die Zusammenführung der Rechenzentren findet die Zustimmung der BGKK, auch wenn dadurch – mangels eigenem Rechenzentrum – für die BGKK Mehrkosten entstehen. Ein darüber hinaus gehendes Durchgriffsrecht in den täglichen Betrieb sowie die Übertragung aller EDV-Einrichtungen im Hard- und Softwarebereich sowie des EDV-Personals wird jedoch entschieden abgelehnt. Die BGKK kann weder eine sachliche Rechtfertigung noch die behaupteten Einsparungen erkennen. Die bisherigen Erfahrungen mit zentralen Anwendungen sind jedoch mahnendes Beispiel für Kostensteigerungen resultierend aus mangelndem Wissen über die Zusammenhänge innerhalb der IT-SV. Eine zentrale Dienstleistungs-EDV bis hin zum täglichen Betrieb kann u.E. weder kostengünstiger noch kundenfreundlicher sein.

 

Aus Sicht der BGKK müssen daher folgende Bereiche in eigener Verantwortung bleiben:

 

·            Beschaffung und Betreuung der IT-Arbeitsplatzgeräte;

·            Beschaffung und Betreuung der Back-Office-Systeme, wie File-, Druck-, Mail- und Intranet-Server;

·            Beschaffung, Entwicklung und Betreuung kassenspezifischer Anwendungen, wie Vorsorgeprojekte, Patientenverwaltung in den Eigenen Einrichtungen etc.;

·            Speicher-, Sicherungs- und Archivierungssysteme für trägerspezifische Anwendungen;

·            Drucksysteme und damit zusammenhängende Nachbearbeitung;
Kuvertierung und Versand;

·            Benutzer-Helpdesk;

·            Telefonie.

 

 

Neben Mitarbeitern für die Systemadministration ist es unabdingbar, auch Softwareentwicklungspersonal vor Ort zu haben, um trägerspezifische Anwendungen flexibel und schnell erstellen und warten zu können sowie Adaptierungen von Programmen und Schnittstellen für gemeinsame Anwendungen zielgerichtet herstellen zu können.

 

Warum durch diesen Entwurf den Trägern die gesamte EDV-Infrastruktur entzogen wird, aber gleichzeitig (Abs. 2) die Holding ermächtigt wird, Aufgaben an andere Träger und auch anderen Einrichtungen (wem?) zu übertragen, entzieht sich unserem Verständnis.

 

Darüber hinaus kann die Holding (Abs. 3) jederzeit einzelne Verwaltungsaufgaben zur Steigerung von Effizienz und Effektivität an sich ziehen und an Dritte übertragen. Da weder die Aufgaben determiniert noch die Kriterien für Effizienz und Effektivität festgelegt sind, wird hier einer willkürlichen Vorgangsweise der Holding Tür und Tor geöffnet und die Autonomie der Träger sowie das Prinzip der Selbstverwaltung der Lächerlichkeit preisgegeben.

 

 

30 f – Normsetzungskompetenz der SV-Holding

 

Eine Mitwirkung der Träger bei der Erlassung von Richtlinien ist nicht im Ansatz vorgesehen, für Umsetzung und Ergebnis sind aber die Träger verantwortlich. Auch diese Maßnahme widerspricht dem Prinzip der Selbstverwaltung entscheidend.

 

Im Besonderen bedeutet die Festlegung verbindlicher Delegationsvorschriften (Abs. 2 Z 3) einen massiven Eingriff in die Organisationsstruktur und Gestion der einzelnen Träger und eine weitere Aushebelung der lokalen Selbstverwaltung.

 

Verstärkt wird diese Missachtung des demokratischen Prinzips noch durch die Bestimmung des § 30 g.

 

 

 

 

 

§ 31 – Rechtliche Stellung der Versicherungsträger und der SV-Holding

 

Befremdend und rechtshygienisch äußerst bedenklich ist es, Abs. 1 dieses Paragraphen in den Verfassungsrang zu heben; offensichtlich aus Angst und Sorge, diese Bestimmung könnte einer Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof nicht Stand halten. Jedenfalls spricht sich die BGKK vehement gegen eine derart massive – verfassungsrechtlich unsaubere und bedenkliche – Umgestaltung des Systems der österreichischen Sozialversicherung aus.

 

Da die SV-Holding eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist, wird sie durch Organe tätig. Eines davon müsste eigentlich eine Art „Vollversammlung“ zu sein. Entsprechend der Textierung wären in dieser neben den Versicherungsträgern alle sozialversicherten Personen und ihre Dienstgeber als Mitglieder vertreten. Der BGKK ist unklar, wieso die Versicherten, die eigentlich Mitglieder ihrer zuständigen Träger und über die Träger nur mittelbar in der SV-Holding vertreten sein sollten, explizit auch direkte Mitglieder in der SV-Holding sind und welche Funktionen und Aufgaben sie dort zu erfüllen haben? Wieso die Dienstgeber explizit nochmals genannt werden – als Versicherte u.a. der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft wären sie ohnehin bereits Mitglieder der SV-Holding – ist noch weniger verständlich!

 

Deutlich wird jedoch die Zielsetzung des SV-Holding-Gesetzes: Abschaffung der Autonomie der Träger, die SV-Holding gibt verbindliche Vorgaben, die die Träger durchzuführen haben!

 

 

§ 63 Abs. 1 – Weiterleitung der Beiträge

 

Die BGKK befürwortet den Entfall der Akontierungen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und zur Verbesserung der finanziellen Situation der Krankenversicherung.

 

 

 

§ 73 Abs. 2 – Zusatzhebesatz

 

Die BGKK befürwortet auch diese Maßnahme zur Verbesserung der Einnahmesituation, weist aber darauf hin, dass damit lediglich Verschlechterungen der letzten Jahre ausgeglichen werden und der Hebesatz der ASVG-Versicherten weiterhin weit unter den Sätzen nach dem BSVG und GSVG liegen. Darüber hinaus wird vorgeschlagen die Regelung bis ins Jahr 2013 gelten zu lassen, da dann eine Neuregelung gleichzeitig mit dem Finanzausgleich, der die Spitalfinanzierung ebenfalls bis Ende 2013 regelt, getroffen werden kann.

 

 

§ 437 sowie § 431 Abs. 1 und § 438 Abs. 2 a

 

Die Bedenken gegen diese Bestimmungen wurden bereits in den einleitenden, grundsätzlichen Ausführungen geäußert.

 

 

§ 441 f – Mittel der SV-Holding

 

Um auch die SV-Holding zu einer sparsamen und verwaltungsökonomischen Verwaltungstätigkeit zu motivieren schlägt die BGKK vor, die Anhebung der jährlichen Mittel mit dem Prozentsatz der Beitragseinnahmensteigerung zu limitieren.

 

Kritisch ist überdies zu bemerken, dass es in Hinkunft in der SV-Holding kein die Finanzgebarung kontrollierendes Organ gibt. Eine Rechtfertigung für den Mitteleinsatz ist somit nicht erforderlich.

 

 

Freundliche Grüße

 

 

Der Obmann:                                                                                          Der leitende Angestellte:

 

 

 

 

Josef GRAFL                                                                                            Mag. Christian MODER