SV-Holding-Gesetz; Stellungnahme

Wien, am 27. Mai 2008
Mag.a (FH) Aksakalli/Str
Klappe: 89995
Zahl: 031/751/2008

 

 

 

An das

Bundesministerium für

Soziales und Konsumentenschutz

Stubenring 1

1010 Wien

 

Per E-Mail: stellungnahmen@bmsk.gv.at; begutachtungsverfahren@parlinkom.gv.at

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 14. Mai 2008 (GZ: BMSK-21119/10-II/A/1/2008) zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das  Notarversicherungsgesetz 1972 geändert werden (SV-Holding-Gesetz), gibt der Österreichische Städtebund, nach Prüfung, folgende Stellungnahme ab:

Sowohl das SV-Holding-Gesetz als auch das Krankenversicherungs-Änderungsgesetz führen zu tiefgreifenden Änderungen im österreichischen Krankenversicherungs- und Sozialversicherungsrecht.

Vor diesem Hintergrund ist sowohl der Ablauf als auch das Tempo der beabsichtigten Reformen zu kritisieren. Die sozialpolitischen Reformen der Bundesregierungen der Jahre 2000 bis 2006 waren vor allem dadurch gekennzeichnet, dass mit rasender Geschwindigkeit und ohne ausreichende Berücksichtigung der Interessen der Betroffenen sowie ohne umfassende Einholung der Expertisen aus dem Bereich der Wissenschaft tiefgreifende Veränderungen vorgesehen wurden, die unter dem Schlagwort „Speed kills“ vielfach kritisiert wurden.

Es ist daher zu fordern, die beabsichtigten gesetzlichen Maßnahmen vorerst auszusetzen und unter Einbeziehung aller Betroffenen in einen intensiven und konstruktiven Diskussionsprozess einzusteigen.

Entsprechend den inhaltlichen Schwerpunktsetzungen wird insbesondere zu folgenden Themen Stellung genommen:

a) Struktur der SV-Holding und der Sozialversicherungsträger

b) Vertragspartner-Angelegenheiten und Heilmittel

c) Finanzierung und finanzielle Maßnahmen

d) Angelegenheiten des Melde-, Versicherungs- und Beitragsrechts

 

a) Struktur der SV-Holding und der Sozialversicherungsträger:

1. allgemeine Anmerkungen:

Mit der geplanten 70. Novelle zum ASVG ist beabsichtigt, das Organisationsrecht sowie das Zusammenwirken zwischen den Sozialversicherungsträgern und der geplanten SV-Holding vollkommen neu zu regeln.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem grundsätzlichen Erkenntnis vom 10. Oktober 2003 (GZ – G222/02) das Verhältnis von Sozialversicherungsträgern und Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger (HVB) definiert und wie folgt beschrieben:

„Den als Selbstverwaltungskörper eingerichteten Sozialversicherungsträgern ist die Wahrnehmung gemeinsamer Interessen der in ihnen zusammengeschlossenen Versicherten sowie im Besonderen der Vollzug der jeweiligen Sozialversicherungsgesetze (wobei den sonach ergehenden Vollzugsakten zum Teil Verordnungsqualität zukommt) im übertragenen wie auch im eigenen Wirkungsbereich zugewiesen. Diese Sozialversicherungsträger in ihrer rechtlichen Qualität als juristische Personen des öffentlichen Rechts – und nicht etwa die ihnen angehörigen Versicherten – werden nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß 31 Abs. 1 ASVG zum Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger zusammengefasst.

Dem Hauptverband ist somit, wie zum einen gesetzlichen ausdrücklich angeordnet ist, zum anderen aber aus seinem Wirkungskreis erschlossen werden kann, die Stellung eines Selbstverwaltungskörpers der Sozialversicherungsträger zugedacht.“

Genau diese, vom Verfassungsgerichtshof herausgearbeitete Logik, wonach die Sozialversicherungsträger gewissermaßen ein „Bottom-up“ nach oben hin aggregiert und zu einem Selbstverwaltungskörper aller Sozialversicherungsträger zusammengeschlossen werden, soll nunmehr durchbrochen und durch einfach- und verfassungsgesetzliche Maßnahmen „auf den Kopf gestellt werden“. Die geplante Reform sieht eine zentralistisch organisierte Sozialversicherungslandschaft vor, an deren Spitze eine mit umfassenden Normsetzung- und Steuerungskompetenzen ausgerichtete SV-Holding steht. Diese Konstruktion führt zu einer – wenn auch verfassungsrechtlich beabsichtigten bzw. abgesicherten – Aushöhlung der Aufgaben der dezentral organisierten Gebietskrankenkassen und damit zu versichertenfernen Entscheidungen und ist deshalb abzulehnen. Der beabsichtigte Ausbau der Aufsichtsrechte ist überdies kostenintensiv und ineffizient.

Die derzeitigen Sozialversicherungsgesetze sehen im Bereich der Sozialversicherungsträger ein bewährtes und ausgeklügeltes System der Entscheidung, Mitwirkung und Verantwortung vor. Dieses System garantiert eine zweckgerichtete Wahrnehmung der spezifischen Interessen der in der Sozialversicherung vertretenen Systempartner, wie insbesondere der DienstnehmerInnen und der DienstgeberInnen.

Als Alternative ist folgendes Modell denkbar: Es besteht ein schlanker und effizienter Hauptverband, der als Zusammenschluss der Träger die Eigenverantwortung der Träger- Selbstverwaltungen zum Ausdruck bringt, der aber zugleich seiner koordinierenden und steuernden Funktion besser als bisher gerecht wird. Nicht Fremdverwaltung und Fernsteuerung durch eine vom tatsächlichen Leistungsgeschehen abgehobene Holding, sondern verantwortungsvoll handelnde Selbstverwaltung vor Ort ist ein erfolgversprechender Weg.

Die Hauptverbandsaufgaben müssen um nicht zeitgemäße Regelungen entrümpelt werden, zum Beispiel Streichung der Zustimmungsrechte des HVB bei Zu- und Umbauten oder bei Dienstpostenplänen für den höheren und leitenden Dienst. Der Hauptverband soll die Gesamtentwicklung beobachten und aufgrund gemeinsam vereinbarter Ziele trägerübergreifende Unterstützungsleistungen anbieten. Ziel einer HVB-Neuordnung muss es sein, die Träger besser als bisher zu befähigen, eigenständig erfolgreich zu agieren. Anreize und Unterstützungsangebote (wie z.B. trägerübergreifendes Controlling) sind dabei – aufgrund sämtlicher Erfahrung im Management – nachhaltig wirksame Mechanismen; Sanktionen führen demgegenüber lediglich zu „Vermeidungshaltungen“ und erbringen somit nicht den gewünschten Nutzen.

Eine SV-Holding als versichertenfernes und fremdsteuerndes Element führt im Ergebnis dazu, dass scheinautonome Träger in voller Verantwortung gegenüber den Kunden und Vertragspartnern nicht mehr über eigene Gelder verfügen dürfen. Entgegen einem solchen Modell muss das Spannungsfeld zwischen den Einzelinteressen der Träger und dem Gesamtinteresse der Summe der Träger konstruktiv über gemeinsam festgelegte Qualitätsziele und Qualitätsindikatoren gelöst werden.

2. zu den einzelnen Bestimmungen (SV-Holding-Gesetz):

Zu Art. 1 Z. 8 (§ 30a Abs.1 Z. 6 ASVG) – Öffentlichkeitsarbeit

Die unternehmenspolitisch wichtige Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit kann weder nach oben noch nach unten delegiert werden und soll beim jeweiligen Träger verbleiben.

Zu Art. 1 Z. 8 (§ 30a Abs.1 Z. 8 ASVG) – Kollektivverträge; Dienstrecht

Der Entwurf sieht vor, dass Dienstordnungen künftig keine Richtlinien mehr sein werden (bisher § 31 Abs. 3 ASVG). Damit werden Dienstordnungen zu „normalen“ Kollektivverträgen und sind somit nur mehr Mindestnormen. Eine überzeugende Begründung für diese Änderung fehlt. Verwirrend ist dabei, dass zwar die Richtlinienkompetenz entfällt, andererseits aber für ArbeitnehmerInnen günstigere Vereinbarungen weiterhin Sonderverträge gemäß § 460 Abs. 1 ASVG darstellen, denen der Vorstand und die SV-Holding zustimmen muss. Zudem findet sich im weitgehend unverändert geltenden § 460 Abs. 1 ASVG weiterhin die Formulierung „Dienstordnung“. Eine Anpassung dieser Bestimmung an die veränderten Richtlinienkompetenzen ist offensichtlich übersehen worden. Insgesamt ist die geplante, neue Zuständigkeit der SV-Holding in Dienstrechtsangelegenheiten damit in sich unschlüssig bzw. widersprüchlich und es fehlen überzeugende Begründungen.

Wenn der Entfall der Richtlinienkompetenz des Hauptverbandes in Dienstrechtsangelegenheiten nur den Zweck hat, außerhalb des Kollektivvertrages stehende Sonderverträge für Geschäftsführungen zu legitimieren, ist dieses Ansinnen entschieden abzulehnen.

Zu Art. 1 Z. 8 (§ 30a Abs. 1 Z. 9 ASVG) – Aus- und Fortbildung der SV-Bediensteten

Es soll weiterhin Vorschriften für die Fachprüfung der Sozialversicherungsbediensteten geben.

Die neue Richtlinienkompetenz soll sich aber nur mehr auf Standards für die Aus- und Fortbildung beziehen. Auch hier bleiben die genauen Absichten unklar. Grundsätzlich ist es aber zu begrüßen, die Trägerkompetenz bei der Aus- und Weiterbildung seiner MitarbeiterInnen im Bereich der Fachprüfungen zu stärken.

Zu Art. 1 Z. 8 ( 30f Abs.1 ASVG; bisher § 31 Abs. 5 Z. 1 ASVG) – Dienstpostenpläne

Die Richtlinien des Hauptverbandes zur Erstellung von Dienstpostenplänen sollen entfallen und damit auch die Verpflichtung zur Übermittlung dieses Planes. Auch das Erfordernis der ausdrücklichen Zustimmung des Hauptverbandes zu Beschlüssen der Versicherungsträger über Dienstpostenpläne in den beiden obersten Gehaltsgruppen F und G soll entfallen.

Da die Übermittlung der jeweils aktuellen Dienstpostenpläne samt ihrer teilweisen Beschlussfassung derzeit einen unnötigen administrativen Mehraufwand darstellt, wird dieser geplanten Maßnahme zugestimmt, da es ohnehin genügend andere und wesentlich geeignetere Maßnahmen des Personalcontrollings auf Ebene der einzelnen Träger gibt.

 

Zu Art. 1 Z. 8 (§ 30f Abs.1 ASVG; bisher § 31 Abs. 5 Z. 2 ASVG) – soziale Zuwendungen

Ebenso sollen die Richtlinien des Hauptverbandes über die Gewährung von freiwilligen sozialen Zuwendungen entfallen. Da es damit jedenfalls unsicher erscheint, ob und inwieweit auch in Hinkunft solche Zuwendungen noch gewährt werden (offenbar von Beschlüssen im Vorstand und in der Kontrollversammlung auf Trägerebene abhängig), kann dieser Maßnahme an Interesse der MitarbeiterInnen der einzelnen SV-Träger nicht zugestimmt werden.

Ersatzweise könnte eine Regelung geschaffen werden, die klar stellt, unter welchen Voraussetzungen die SV-Träger soziale Zuwendungen gewähren können.

Zu Art. 1 Z. 8 (§ 30 b ASVG) – Strategische Zielsteuerung

Geplant ist, die Sozialversicherungsträger über die SV-Holding künftig schwerpunktmäßig über ein strategisches Zielsteuerungs-Modell zu steuern. Dabei wird jedoch übersehen, dass das in der Privatwirtschaft in verschiedensten Ausprägungsformen verankerte Modell des „Führens mit Zielen“ im Bereich der öffentlichen Vollziehung, dann, wenn es darum geht, hoheitliche Vorgaben umzusetzen, nicht eins zu eins übernommen werden kann. Es herrscht jedenfalls keine Klarheit darüber, wie vereinbarte Ziele bzw. von der Holding in der zweiten Stufe festgelegte Ziele rechtlich zu betrachten sind. Es ist daher notwendig, ein Zielsteuerungsmodell vorzusehen, das es den Normunterworfenen bzw. den Adressaten von Zielen ermöglicht, die Ziele im Rechtsweg auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen.

Weiters ist zu befürchten, dass die SV-Holding ihre Handlungsoptionen vorwiegend in der Vorgabe von verbindlichen Finanzzielen suchen wird. Es ist zu befürchten, dass die SV-Holding Ziele vorgibt, die einerseits nicht leistbar bzw. realistisch sind, andererseits im Widerspruch mit den Rechtsansprüchen der Versicherten bzw. außerhalb der Steuerungsmöglichkeiten der Sozialversicherungsträger stehen. Beispielsweise sei hier auf die Gefahr hingewiesen, dass die SV-Holding abstrakte Zielgrößen bei der Dämpfung der Kostenentwicklung im Bereich der Heilmittel vorgibt, die jedoch von den einzelnen Sozialversicherungsträgern in der konkreten Umsetzung nicht zu realisieren sind.

Aus demokratie- und rechtspolitischen Überlegungen wird daher angeregt, das Zielsteuerungsmodell so zu adaptieren, dass Ziele in einem offenen Diskussionsprozess zwischen der SV-Holding und den Trägern verhandelt und vereinbart werden. Nur so ist gewährleistet, dass Entscheidung (Zieldefinition) und Verantwortung (Zielerreichung) eine handlungsrelevante Einheit bilden. In diesem Sinne wird angeregt, die Wirksamkeit von Zielen auch an das Vorliegen der Zustimmung des jeweiligen Versicherungsträgers zu knüpfen.

Unbestritten ist die Notwendigkeit, einen Mechanismus zu finden, einzelne Träger bei Bedarf enger anzuleiten und so in ihrem Handeln zu korrigieren. Nachdem das bisherige System sowohl erfolgreiche als auch weniger erfolgreiche Träger hervorgebracht hat, besteht Bedarf an einem differenzierten, stufenweisen Steuerungsmodell. Einerseits sind erfolgreiche Träger in ihrem Wirken nicht zu beeinträchtigen sondern zu stärken, andererseits muss gegenüber in ihrer Strategie irrenden Trägern eingegriffen werden.

Durchgriffsrechte des Verwaltungsrates der Holding, welcher aus lediglich 12 Personen, besteht, die mit der unmittelbaren Leistungserbringung im Gesundheitswesen und den Sozialversicherungsträgern nicht befasst und damit nicht vertraut sind, erscheinen hier jedoch ein völlig falscher Weg zu sein.

Erfolgreiche Zielsteuerung kann jedenfalls nur durch Zielvereinbarung funktionieren. Nur ein solches Postulat einer Zielvereinbarung sichert die im Interesse versichertennaher Entscheidungen gebotene Autonomie der Träger. Wenn schon die Zielvereinbarung nicht gelingt, wird auch ein – wie im Entwurf vorgesehen – „vorgegebenes“ Ziel kaum erreicht werden. Im Sinne einer "Anleitung zur Selbststeuerung" sind "Anregungen zur Sicherstellung des gewünschten Ergebnisses" durchaus vorstellbar, die durch mehrheitlichen Beschluss der Spartenkonferenz zustande kommen. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass einzelne Träger ihrer Verantwortung auf Kosten des Gesamtsystems nicht nachkommen und verbleibt die Entscheidungskompetenz und die Verantwortung bei den Selbstverwaltungen der Träger. Gleichzeitig birgt ein solches Modell die Chance, dass die Krankenversicherung insgesamt tatsächlich ein "Lernendes System" wird. Die derzeit im Entwurf vorgesehene Zielsteuerung führt demgegenüber zu einseitigen Dominanzen und wird daher im Ergebnis bei „Schuldzuweisungen“ enden, anstatt Innovationsprozesse anzustoßen.

Zu Art. 1 Z. 8 (§ 30e Abs. 1 Z. 8 ASVG) – Führung und Organisation der gesamten elektronischen

Datenverarbeitung der Sozialversicherung

Bezüglich Führung und Organisation der EDV der SV-Träger wird bestimmt, dass bis     31. Oktober 2009 entsprechende Vereinbarungen zwischen den Trägern und der SV-Holding bezüglich der Übertragung der entsprechenden Einrichtungen und des Personals abgeschlossen werden sollen.

Dieser Maßnahme kann keinesfalls zugestimmt werden, zumal damit direkt in geltende Dienstverträge eingegriffen wird. Die arbeitsrechtliche Umsetzung bleibt zudem völlig offen und bedeutet zumindest eine entsprechende Rechtsunsicherheit für die betroffenen MitarbeiterInnen.

Zu Art. 1 Z. 8 (§ 30e Abs. 2 und 3 ASVG)

Die betreffenden Bestimmungen sehen die Möglichkeit vor, dass die SV-Holding einzelne Verwaltungsaufgaben der Versicherungsträger nicht nur koordiniert, sondern auch an sich zieht bzw. als Dienstleisterin erfüllt oder an andere Träger überträgt. Diese Bestimmungen führen im Ergebnis dazu, dass die SV-Holding jede einzelne Aufgabe der Sozialversicherungsträger an sich ziehen kann und damit das Handeln der Träger determiniert bzw. konterkariert.

Die beiden Bestimmungen werden als unnötig und zu weit gehend abgelehnt. Sie zeugen von einem tiefen Misstrauen der Holding gegenüber den Trägern und verunmöglichen im Ergebnis ein vorausschauendes, verantwortungsvolles Management im Träger und eröffnen willkürlichen Management-Entscheidungen der Holding Tür und Tor. Dies wird noch verstärkt durch die Tatsache, dass sich nach § 441f ASVG die Holding auch jederzeit an den Finanzmitteln der Träger – und damit den Geldern der Versichertengemeinschaft – bedienen kann. Dies stellt eine Form der Enteignung und ist entschieden abzulehnen.

Zu Art. 1 Z. 8 (§ 30f ASVG) – Normsetzungskompetenzen der SV-Holding

§ 30f ASVG regelt umfassende Normsetzungskompetenzen der SV-Holding und tritt dabei an die Stelle des derzeitigen § 31 ASVG. Die Erlassung des SV-Holding-Gesetzes wird insbesondere damit begründet, dass es notwendig sei, „eine schlanke SV-Holding“ zu konstruieren.

§ 30f ASVG steht dazu im krassen Widerspruch und trägt durch Erlassung einer Vielzahl von Richtlinienkompetenzen dem Anspruch Folge, eine zentrale Institution zu schaffen, die das Verwaltungshandeln der einzelnen Träger viel mehr als bisher einschränkt und bestimmt. Dies trifft auch auf die im Abs. 2 angeordnete Erlassung von verbindlichen Normen, wie Mustersatzung, Musterkrankenordnung oder einer Mustergeschäftsordnung einschließlich verbindlicher Delegationsvorschriften zu. Insofern erscheint der Begriff der „schlanken Holding“ als bewusst missverständlich. Hier wird auch die bewusste Missachtung der Rechtsansicht des VfGH deutlich. Eine völlig neue Form abgehobener Selbstverwaltung in Form von SV-Holding und Verwaltungsrat bekommt weitreichendste Normsetzungskompetenzen zur Fremdsteuerung autonomer Kassen.

Zu Art. 1 Z. 8 (§ 30f Abs. 2 in Verbindung mit § 456 a Abs. 4 ASVG) – Mustergeschäftsordnung

Die bisherigen Regelungen sehen vor, dass die Vorstände der Träger in den Anhängen zu den Geschäftsordnungen Delegationsbeschlüsse fassen und zur Erleichterung des Verwaltungshandelns einzelne Angelegenheiten an Ausschüsse bzw. an den Obmann oder das Büro delegieren können. Es widerspricht dem Management-Anspruch der selbstverantwortlichen Wahrnehmung von Aufgaben und der Trägerautonomie, wenn nunmehr die Holding für die Erlassung der Delegationsvorschriften verbindliche Normen aufstellt. Diese Bestimmung ist jedenfalls abzulehnen. Delegationsvorschriften können nur innerhalb des Verantwortungskreises des Selbstverwaltungskörpers selbst erlassen werden.

Zu Art. 1 Z. 8 (§ 30f Abs. 2 Z. 4 und 5 ASVG)

Gerade in Hinblick auf die nach wie vor bestehende Möglichkeit per Verordnung einen Kostenbeitrag bei der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe zu erlassen, ist die vorgesehene Holdingstruktur entschieden abzulehnen.

 

 

Zu Art. 1 Z. 8 (§ 30g ASVG) – Verbindlichkeit von Richtlinien und Beschlüssen der SV-Holding

Bereits auf Basis der bestehenden Rechtslage ist unstrittig, dass Richtlinien der Organe des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, die von diesen im Rahmen ihrer Kompetenzen rechtskonform gefasst werden, für die Sozialversicherungsträger, wenn sie Normadressaten sind, anzuwenden sind. Die beabsichtigte Bestimmung ist in ihrem Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Ausdehnbarkeit ein Bruch. Es wäre für die normunterworfenen Träger von vorne herein nicht berechenbar, worauf und worüber sie sich einzustellen haben. Jeder Rechtsunterworfene hat einen Anspruch, dass die rechtlichen Regelungen berechenbar, vorhersehbar und begründbar sind. Diese Bestimmung ist als überschießend abzulehnen.

Zu Art. 1 Z. 9 (§ 31 ASVG) – Rechtliche Stellung der Versicherungsträger und der SV-Holding

§ 31 Abs. 1 ASVG regelt die rechtliche Stellung der Versicherungsträger und der SV-Holding und stellt darüber hinaus fest, dass zukünftig die SV-Holding nicht nur – wie der VfGH auf Basis der derzeitigen Rechtslage festgestellt hat - aus den Sozialversicherungsträgern besteht, sondern normiert auch eine Mitgliedschaft sämtlicher sozialversicherter Personen und deren DienstgeberInnen in der SV-Holding. Dieser Bestimmung kommt zentrale Bedeutung zu, stellt sie doch - als Verfassungsbestimmung konzipiert – den Rahmen für die geplante organisationsrechtliche Stellung der Sozialversicherungsträger und der SV-Holding dar.

Diese Vorgehensweise ist zu kritisieren, da sie dazu dient, die mit der Reform verbundenen zentralistischen Intentionen, welche in weiten Bereichen den verfassungsrechtlichen Grundlagen widersprechen, umzusetzen. Diese Kritik betrifft insbesondere die dominante Errichtung einer SV-Holding bei gleichzeitiger Beschneidung der Kompetenzen der Sozialversicherungsträger, die Durchgriffs- und Weisungsrechte der SV-Holding, die Nicht-Repräsentanz der Sozialversicherungsträger in der SV-Holding (Verwaltungsrat), die demokratische Kreation der Selbstverwaltungskörper aus dem Kreis der in den Sozialversicherungsträgern zusammengeschlossenen Personengruppen, oder die Frage der Steuerung mittels Zielvorgaben.

Es ist jedenfalls ein Widerspruch in sich, wenn nunmehr auch die Sozialversicherungsträger neben der SV-Holding als Selbstverwaltungskörper im Verfassungsrang eingerichtet werden.

Diese Bestimmung stellt zwar eine Bestandsgarantie dar, gleichzeitig werden mit massiven gesetzlichen Eingriffen bzw. zu erwartenden Eingriffen durch die SV-Holding die Entscheidungs-, Finanzierungs- und Verantwortungsebenen zu Lasten der Versicherten und „ihrer Gebietskrankenkasse“ verschoben.

Zu Art. 1 Z. 197 (§ 432a ASVG) – Geschäftsführung

Die bisherige Bürogliederung der erfolgreichen Träger hat sich durchaus bewährt. Die beabsichtigte Bestimmung sieht lediglich zwei GeschäftsführerInnen vor, wobei diesen gemäß § 456 a Abs. 3 1. Satz ASVG-Entwurf eigene Geschäftsbereiche zuzuweisen sind. Die beabsichtigte Etablierung einer doppelten Geschäftsführung wird aus bezweifelter Notwendigkeit abgelehnt. Eine tendenziell nach kurienpolitischen Überlegungen angelegte Bürogliederung macht aus der Management-Perspektive wenig Sinn. Organigramme und Geschäftseinteilungen sind kein Selbstzweck sondern haben dem unternehmerischen Zweck, welchen die Selbstverwaltung verantwortet, zu dienen. Es muss Aufgabe der Trägerselbstverwaltung bleiben, in Kenntnis des Trägers und der sich aus den Kundenbedürfnissen vor Ort ergebenden Erfordernisse die Büroorganisation und deren Organigramm zu beschließen.

Zu Art. 1 Z. 198 (§ 434 Abs. 1a ASVG) – Aufgaben des Vorstandes

Wenn, wie im Entwurf vorgeschlagen, die Steuerung der Sozialversicherung mittels Zielen erfolgen soll, ist es entbehrlich auch noch das Erfordernis der Abstimmung von Jahresvoranschlägen vorzusehen. Dies entspricht einem auf wenig Vertrauen beruhendem Steuerungsverständnis und gerade für den Bereich komplexer Systeme ist im Schrifttum umfassend belegt, dass nur vertrauens- und verständigungsorientierte Ansätze der Selbststeuerung erfolgversprechend sind.

Zu Art. 1 Z. 200 (§ 437 ASVG) – Kontrollversammlung

Die derzeitigen Sozialversicherungsgesetze sehen im Bereich der Gremien auf Trägerebene ein ausgeklügeltes System des Zusammenwirkens von Vorstand, Kontrollversammlung und Generalversammlung vor. Der Vorstand ist das zentrale geschäftsführende Organ, gegenüber dem die Kontrollversammlung (neben ihren expliziten Zustimmungsrechten) Kontrollrechte im Rahmen der Überwachung der Gebarung ausübt. Die Generalversammlung stellt als quasi parlamentarische Versammlung das ranghöchste Organ dar, dem insbesondere das Satzungs- und Budgetrecht zukommt. Der geplante § 437 ASVG durchbricht dieses System und normiert, dass die Kontrollversammlung künftig sämtlichen Beschlüssen des Vorstandes zustimmen muss, um diese in Wirksamkeit zu setzen. Diese Konstruktion birgt die

Gefahr einer Lähmung der Agenden der Geschäftsführung in sich.

Mit dieser Gleichschaltung entfällt das unverzichtbare Element eines eigenständigen Kontrollorganes mit einer dieser Aufgabenstellung entsprechenden kurienpolitischen Zusammensetzung.

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass die Arbeitgeber und ihre Kurie primär die Interessen eines Beitragszahlers vertreten. Die Arbeitnehmer-Kurie vertritt indessen die Interessen der Leistungsbezieher und der Beitragszahler. Diese Differenzierung ist in den gesetzlichen Regelungen entsprechend abzubilden. Die Mitwirkungspflicht der Kontrollversammlung an der Geschäftsführung kann darüber hinaus zu unlösbaren Interessenkonflikten führen, wenn es um Verträge mit Mitgliedern der Wirtschaftskammer geht.

Zu Art. 1 Z. 206 (§ 440 a Abs. 3 ASVG) – Beirat

Der Entwurf beabsichtigt, die bei den Trägern bzw. beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger eingerichteten Beiräte ausschließlich auf Ebene der SV-Holding ersatzlos zu streichen. Darin zeigt sich, wie einseitig und unausgegoren dieser Entwurf mit den Interessen der Versicherten aber auch mit der Wahrnehmung der Aufgaben auf Träger bzw. Holding-Ebene umgeht. Während sich der Hauptverband bzw. die geplante SV-Holding zentrale Weisungs- und Normsetzungsrechte einräumt, werden jene Bereiche, in denen die berechtigten

Interessen der Pensionisten oder behinderter Personen vertreten werden, auf Ebene der Holding ersatzlos gestrichen.

 

Zu Art. 1 Z. 211 (§§ 441, 441a ASVG) – Verwaltungsrat und Spartenkonferenz

§ 441 ASVG normiert, dass der Verwaltungsrat zukünftig der einzige Verwaltungskörper der SV-Holding ist. Dies bedeutet, dass der bestehende Verbandsvorstand des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger dem Grunde nach in den Verwaltungsrat umgewandelt wird, während die Trägerkonferenz als zentrales Gremium der Entscheidungsfindung und Repräsentanz der Sozialversicherungsträger ersatzlos abgeschafft werden soll. Dieses Vorhaben wird abgelehnt. Die Angelegenheiten der Krankenversicherung sollen vielmehr ausschließlich in der dafür einzurichtenden Spartenkonferenz wahrgenommen werden.

Der geplante Verwaltungsrat ist unausgewogen und nicht repräsentativ. In seiner geplanten Form ist er nicht geeignet, für ausgewogene und allgemein akzeptable Entscheidungen zu sorgen.

Zu Art. 1 Z. 8 und Z. 271 bis Z. 283 (§ 30f Abs. 2 Z. 1 bis 3, §§ 453 bis 456a ASVG) – verbindliche

Musternormen

Nach § 30f Abs. 2 Z. 1 bis 3 ASVG soll die SV-Holding an verbindlichen Normen unter anderem eine Mustersatzung (§ 455 Abs. 2 ASVG), eine Musterkrankenordnung (§ 456 Abs. 2 ASVG) und eine verbindliche Mustergeschäftsordnung (§ 456a Abs. 4 ASVG) einschließlich verbindlicher Delegationsvorschriften aufzustellen haben. Im geltenden

§ 455 Abs. 2 ASVG, der mit Ausnahme der neuen Bezeichnungen („SV-Holding“ anstelle von „Hauptverband“ und „Verwaltungsrat“ anstelle von „Trägerkonferenz“) unverändert bleibt, wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen der Hauptverband – einzelne – Bestimmungen der Mustersatzung für verbindlich zu erklären hat. Diese Regelung gilt kraft der Bestimmungen der §§ 456 Abs. 2 und 456a Abs. 4 ASVG auch für Musterkrankenordnung und Mustergeschäftsordnungen.

Durch die im Entwurf vorgesehene Regelung entsteht insofern ein Widerspruch, als der Einleitungssatz des § 30f Abs. 2 ASVG den Eindruck erweckt, die gesamten Musternormen seien verbindlich, während nach § 455 Abs. 2 ASVG der Gestaltungsspielraum nach wie vor besteht. Dieser Gestaltungsspielraum hat im Sinne der Aufrechterhaltung der Selbstverwaltung, deren zentrales Element das Satzungsrecht ist, erhalten zu bleiben. Dies gilt selbstverständlich auch für die Krankenordnung und die Geschäftsordnungen.

Zu Art. 1 Z. 225 bis 227 (§§ 446b und 447 ASVG) – Genehmigung von Großinvestitionen

Nach § 446b ASVG sollen Beschlüsse der Verwaltungskörper über Investitionen, die das dreitausendfache der Höchstbeitragesgrundlage nach § 45 Abs. 1 ASVG übersteigen (derzeit € 393.000,00) und nicht im Jahresvoranschlag vorgesehen sind, der Genehmigung der SV-Holding bedürfen. Da sich die SV-Holding wohl nicht die Genehmigung für die Beschlüsse ihrer eigenen Verwaltungskörper erteilen kann, bezieht sich diese Bestimmung ausschließlich auf die Beschlüsse der Verwaltungskörper der Versicherungsträger. Für die Versicherungsträger ist dies insofern eine Verschärfung, weil nunmehr auch Investitionen betreffend Mobilien genehmigungspflichtig durch die SV-Holding werden, bisher waren dies nur „Bauinvestitionen“ (siehe derzeit § 31 Abs. 7 Z. 1 ASVG). Die über dem Grenzbetrag liegenden Investitionsbeschlüsse der SV-Holding unterliegen jedoch weitgehend keiner Genehmigung, da sich die Genehmigungskompetenz der Bundesminister nach § 447 ASVG (bleibt nach dem Entwurf diesbezüglich unverändert) nur auf Veränderungen im Bestand von Liegenschaften, Errichtung und Umbau von Gebäuden sowie Bestandverträge bezieht. In diesem Zusammenhang wird daher gefordert, den § 447 ASVG insofern zu erweitern, dass auch die Großinvestitionen der SV-Holding, die nicht im Zusammenhang mit Liegenschaften und Bau stehen, unter seinen Anwendungsbereich fallen.

Diese Bestimmung steht überdies im Widerspruch zu dem dem Grunde nach angelegten System der Steuerung über Ziele und dem Vorhaben einer schlanken Holding.

b) Vertragspartner- und Heilmittel-Angelegenheiten:

1. allgemeine Anmerkungen

Es ist zu begrüßen, dass die gesetzlichen Regelungen über die Gesamtverträge überarbeitet werden sollen. Um jedoch eine faire und partnerschaftliche Lösung zu finden, ist eine ausgewogene Diskussion mit der Ärztekammer einem legistischem Schnellschuss jedenfalls vorzuziehen. Die Vertragsärzte sind die wichtigsten Verbündeten zur Umsetzung der qualitätsvollen medizinischen Versorgung, der Erreichung ökonomischer Ziele und zur Sicherung des Systems der Pflichtversicherung durch zufriedene PatientInnen. Dieser besonderen Expertenrolle ist sowohl bei der Vorgangsweise als auch bei den Inhalten für geplante gesetzliche Neuordnungen entsprechend Rechnung zu tragen.

2. zu den einzelnen Bestimmungen (Krankenversicherungs-Änderungsgesetz)

Zu Art. 1 Z. 2 und 25, Art. 5 Z. 1 und 2, Art. 6 sowie Art. 7 (§§ 31d und 635 Abs. 3 ASVG,

§§ 13a und 24 Abs. 7 Apothekengesetz, § 49 Abs. 1 ÄrzteG 1998 sowie § 16 ZÄG) –

eMedikation“

Der Aufbau einer zentralen Datenbank betreffend die Heilmittelverschreibungen für Versicherte und Anspruchsberechtigte ist grundsätzlich – ebenso wie eine verpflichtende Teilnahme durch die Vertragspartner – sinnvoll. Die Gesamtinformation über alle Heilmittelverschreibungen für einen Patienten ermöglicht, gesundheitsschädigende Wechselwirkungen zwischen einzelnen Heilmitteln zu erkennen und zu verhindern bzw. unökonomische Mehrfachverschreibungen zu vermeiden. Die Verpflichtung im Gesetz zur Teilnahme der Vertragspartner stellt sicher, dass die teure Investition in eine zentrale Medikamenten-Patienten-Datenbank auch entsprechenden Nutzen durch Einbindung aller Beteiligten bringt.

Die Realisierung darf aber nicht über die „eMedikation“ erfolgen. Dort wird nämlich der Apotheker ermächtigt, die gesamte Heilmittel-Situation eines Patienten zu „überwachen“, ohne über das medizinisch/pathologische Hintergrundwissen zu verfügen und ohne die Verantwortung für die Genesung zu tragen. Zu bevorzugen ist ausschließlich jene Variante, die den Arzt für die zentrale Übersicht der Heilmittel-Situation eines Patienten vorsieht. Er ist für die Untersuchung und Behandlung von Erkrankungen zuständig und ermächtigt, nur er kennt die Anamnese, die Compliance, die spezifischen Besonderheiten etc. seiner PatientInnen; mit anderen Worten: zwischen ÄrztInnen und PatientInnen besteht ein besonders sensibles Vertrauensverhältnis.

 

Die Apothekerschaft ist ihrer Rolle entsprechend – z.B. hinsichtlich OTCPräparaten - ebenfalls einzubeziehen.

Einem Aufbau von E-Mediakations-Datenbanken stehen auch deshalb erhebliche Bedenken gegenüber, da einerseits in datenschutzrechtlicher Hinsicht, andererseits auch in praktischer Hinsicht – da bisher nicht einmal der Einsatz von E-Card-Lesegeräten in Altenpflegeeinrichtungen geregelt ist – Probleme entstehen. Dies ist insofern von Relevanz, als für die Installation erhebliche technische Aufwendungen notwendig sind, und zusätzlich die Kostentragungspflicht völlig offen ist (Sozialversicherungsträger?, Ärzte?, Heimträger?).

Zu Art. 1 Z. 4, 13 und 25 (§§ 340b und 349b samt Überschrift sowie § 635 Abs. 4 ASVG)

– PatientInnenquittung:

In der Komplexität der Honorarordnung begründet, führt – z.B. durch Pauschalabgeltungen - nicht jede medizinische Leistung, die am Patienten erbracht wird, zu einer abrechenbaren Leistungspostion; umgekehrt kann eine Leistung eines Arztes zu mehreren abrechenbaren Leistungspositionen führen. Die beabsichtige Einführung einer PatientInnenquittung ist teuer und aus Sicht der Versicherten kein brauchbares Instrument der Kontrolle der ärztlichen Behandlung.

Für den Bereich der Altenpflegeheime wird weiters die Einführung einer PatientInnenquittung als nicht notwendig angesehen. Die geplante Informationspflicht an den Patienten durch einen unmittelbar nach der Inanspruchnahme des Patienten ausgestellten Leistungsnachweis ist im Seniorenheimbereich absolut unpraktikabel, da die ärztliche Tätigkeit dort im Rahmen von Visiten erfolgt und die technische Abwicklung dafür nicht realisierbar ist. Weiters sind aufgrund der derzeitigen und auch durch die Gesetzesvorhaben nicht geänderten Honorarbestimmungen die Kosten der erbrachten Leistungen erst nach Ermittlung der jeweiligen Quoten für die einzelnen Leistungen aufgrund der bestehenden Limits bzw. Deckelungen erst einige Zeit nach Ablauf eines jeweiligen Quartales eruierbar.

 

Zu Art. 1 Z. 5 und 6 (§§ 341 Abs. 1 und 342 Abs. 1 Z 7 ASVG) – gesonderte Gesamtverträge/ Teilkündigung:

a) Abschluss der Verträge durch zuständigen Krankenversicherungsträger:

Es ergibt Sinn, die Verträge der jeweils zuständigen Krankenversicherungsträger direkt mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abschließen zu können. Es muss aber gewährleistet sein, dass alle Krankenversicherungsträger verantwortungsbewusste Verträge und Honorarabschlüsse auf Basis einer abgestimmten Honorarpolitik vereinbaren. Dies setzt eine entsprechende Koordinierung voraus.

Dazu wurden vom Krankenversicherungs-Ausschuss Eckpfeiler für die Vertragspartnerpolitik sowie ein Procedere zur Koordinierung und wechselseitigen Information der Träger und des Hauptverbandes gesteckt. Die Einhaltung dieser SV-intern vereinbarten „Rahmenbedingungen“ soll dadurch sichergestellt werden, dass dem Hauptverband (der SV-Holding) ein Widerspruchsrecht zu den dezentral abgeschlossenen Ärztegesamtverträgen eingeräumt wird, wenn gegen diese vereinbarten Rahmenbedingungen verstoßen wird.

Auch § 342 Abs. 1 ASVG müsste an diese Regelung angepasst werden, wobei folgender Wortlaut vorgeschlagen wird: „Die zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den örtlich zuständigen Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge…“.

Die Schaffung einer Möglichkeit eines Teilkündigungsrechtes durch den Krankenversicherungsträger wird abgelehnt, da damit die Versorgungssicherheit gefährdet scheint. Ein dadurch drohender vertragsloser Zustand insbesondere der Ärzte für Allgemein Medizin bedeutet für die BewohnerInnen, die Angehörigen oder Sachwalter aber auch für die Verwaltungen der jeweiligen Seniorenheime einen erhöhten Verwaltungsaufwand, gleichzeitig wäre durch die ins Auge gefasste Regelung die Kontinuität der ärztlichen Versorgung durch ein und den selben Arzt gefährdet. Diese Kontinuität ist gerade für geriatrische Patienten von besonderer Wichtigkeit.

b) gesonderte Gesamtverträge:

Mit einer derartigen Lösung wird die Sozialversicherung gegenüber den Ärztekammern eindeutig gestärkt. „Schwierige“, sprich „teure“ Fachgruppen, die im Rahmen eines derzeitigen Gesamtvertrages immer wieder ihre Macht ausspielen können, könnten damit zu ökonomischeren Abschlüssen bewogen werden. Für manche Bundesländer mag diese Möglichkeit eine große Hilfe zur Erlangung einer leistbaren medizinischen Versorgung darstellen, sie ist aber sicherlich kein partnerschaftlicher Ansatz.

Anzumerken ist, dass für die Sozialversicherungsträger durch gesonderte Verhandlungen ein höherer Verwaltungsaufwand entstehen würde. Aus Patientensicht ist anzumerken, dass bei gesonderten Gesamtverträgen für einzelne Fachgruppen nicht ersichtlich sein könnte, mit welcher Fachgruppe ein Vertrag besteht, also wer auf Kassenkosten in Anspruch genommen werden kann, bzw. wo kein Anspruch besteht, also ein „vertragsloser Zustand“ vorliegt. An dieser Stelle sollte außerdem die Möglichkeit genutzt werden, den kassenfreien Raum verpflichtend in allen Gesamtverträgen auszuschließen und die Verpflichtung zu Einzelleistungsvergütungen sollte gestrichen werden.

Zu Art. 1 Z. 7, 8 und 11 (§§ 343 Abs. 2 Z. 7, 2a, 2b und 2c sowie 349 Abs. 2 ASVG)

– Erlöschensmöglichkeit der Verträge nach fünf Jahren:

Grundsätzlich sind Initiativen zur Qualitätsverbesserung zu begrüßen, sofern die geforderten Qualitätskriterien sinnvoll und praktisch umsetzbar sind. Leider sind im Gesetzesentwurf diesbezüglich keine näheren Informationen enthalten. Jedenfalls ist es notwendig, dass auch die Servicequalität in der Verordnung mitberücksichtigt wird (Barrierefreier Zugang, etc.).

Dies sollte im Gesetz klargestellt werden.

Es ist positiv zu bewerten, dass ein gesetzlicher Anreiz gesetzt wird, für angemessene Qualität Sorge zu tragen und dass die Sozialversicherung dazu ermächtigt wird, für die Qualitätskontrolle (Evaluierung) in den Vertragsarztpraxen zuständig zu sein.

Klar ist, dass es infolge der Qualitätsanforderungen zu zusätzlichen Investitionen in Arztpraxen kommen wird, die bei den Honorarverhandlungen sicherlich an die Kassen herangetragen werden.

Die generelle Erlöschensmöglichkeit nach fünf Jahren ist abzulehnen. Dies bewirkt auf Seiten der Ärzte eine massive Verunsicherung und wird zu einem deutlichen Rückgang an Interessenten für ausgeschriebene Stellen führen und somit den „Wahlarztboom“ fördern. Eine Ordinationseröffnung bzw. -übernahme durch einen Nachfolger ist für die Ärzte mit hohen Investitionskosten verbunden, die geplante Regelung wird somit als massive Drohung empfunden werden und als enormer wirtschaftlicher Unsicherheitsfaktor.

Statt der Erlöschensmöglichkeit wird vorgeschlagen, das derzeitige Kündigungsrecht in    § 343 Abs. 4 für alle Vertragsverhältnisse unabhängig vom Zeitpunkt deren Zustandekommens so abzuändern, dass bei Verstößen gegen ökonomische Grundsätze sowie bei erheblichen Qualitätsmängeln eine einseitige Kündigung durch den Versicherungsträger möglich ist. Aus Sicht der Krankenversicherung ist eine flexiblere Kündigungsmöglichkeit unerlässlich. Die aktuelle Kündigungsregelung, vor allem die Härteklausel wäre dann überflüssig.

Für Vertragsverhältnisse die vor dem 31. Juli 2008 geschlossen wurden, ist – statt der vorgesehenen „Kann-Bestimmung“ – ebenfalls eine verpflichtende Qualitätsanpassung mit einer entsprechenden Übergangsregelung vorzusehen. Andernfalls könnte eine Situation entstehen, wonach junge VertragsärztInnen einerseits für die – wie in der Praxis üblich – von Ihrem Vorgänger übernommen Ordinationen eine Ablöse bezahlen und zusätzlich die Kosten für die allfällige Qualitätsanpassung tragen, währenddessen die bisherigen Ordinationsinhaber „verschont“ bleiben.

Betreffend die Evaluierung der Kriterien durch die Krankenversicherungsträger ist anzumerken, dass diese einen ernormen Administrationsaufwand und einen zusätzlichen Personalbedarf verursacht.

Dass die Inanspruchnahme eines Schiedsverfahrens und eine Berufung nach § 344 Abs. 4 ASVG bei einer Nicht-Verlängerung des Vertrages keine aufschiebende Wirkung haben, sollte im Gesetz klar gestellt werden.

Es wird daher abschließend nochmals betont, dass die geplante Erweiterung der Kündigungsmöglichkeiten von Vertragsverhältnissen der Ärzte für Allgemeinmedizin für den Fall, dass Qualität, Effektivität und Effizienz der Behandlung aus Sicht der Krankenversicherungsträger nicht gewährleistet wäre, abgelehnt wird. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit dem Krankenversicherungsträgern, welche primär auf den Faktor Effizienz achten und weniger auf die Faktoren Qualität und Effektivität, würde es zu einer Art “Dumpingmedizin“ kommen. Davon wären am ehesten jene Patientengruppen betroffen deren Behandlungskosten am teuersten sind, dies sind eben chronisch kranke Menschen, hoch betagte Menschen und Menschen in den letzten sechs Monaten ihres Lebens. Gerade diese Personengruppen wohnen vor allem in Alten- und Pflegeheimen. Die Konsequenzen für diese Bevölkerungsgruppe wären entweder die Auflösung der Vertragsverhältnisse mit den ÄrztInnen für Allgemeinmedizin mit der Folge für die BewohnerInnen, ihren Arzt wechseln zu müssen, oder die Verschärfung des bereits erkennbaren Trends, dass die Krankenversicherungsträger die Kosten für erbrachte Leistungen auf andere abzuwälzen versuchen (z.B. an Rechtsträger von Altenpflegeheimen). Aus diesem Grund ist die gegenständliche Regelung von den Gemeinden als Betreiber von Alten- und Pflegeheimen abzulehnen.

Zu Art. 1 Z. 7, 8 und 11 (§§ 343 Abs. 2 Z. 7, 2a, 2b und 2c sowie 349 Abs. 2 ASVG) - Einzelverträge:

Grundsätzlich wird den Leistungsverträgen insofern positiv gegenüber gestanden, als es der sozialen Krankenversicherung damit ermöglicht wird, ihrem Versorgungsauftrag bei Fehlen von Gesamtverträgen über andere vertragliche Regelungen nachzukommen.

Begrüßt wird auch, dass damit die bisherige Rechtsunsicherheit über die Kompetenzen der Krankenversicherungsträger bei einem vertragslosen Zustand beseitigt wird.

Unklar ist, wie die Sozialversicherungsträger bei der Auswahl der VertragspartnerInnen für die Leistungsverträge vorgehen bzw. welche Kriterien berücksichtigt werden müssen. Eine Auswahl nach dem „good-will“ wird jedenfalls rechtlich nicht möglich sein und zu Schadenersatzklagen nicht zum Zug gekommener BewerberInnen führen. Die Möglichkeit, für die bisherigen VertragspartnerInnen im Fall eines vertragslosen Zustands automatisch ein Angebot für einen Leistungsvertrag zu stellen, soll im Gesetzesentwurf als eine mögliche Variante zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung angeführt werden.

Das Ansinnen, den ÄrztInnen mit Leistungsvertrag (also jenen, welche zuvor keine „Stelle“ innehatten) bei Wiederherstellung eines Gesamtvertrags einen Anspruch auf Abschluss eines Einzelvertrags zu gewähren, hat direkte Auswirkungen auf den Stellenplan und kann daher ohne wenn und aber nicht gutgeheißen werden.

Betreffend die Einführung von Leistungsverträgen fehlt eine Klarstellung, wie dies in Zusammenhang mit Teilgesamtverträgen/Teilkündigungen zu verstehen ist.

 

Zu Artikel 1 Z. 3 (§ 136 Abs. 2 ASVG), Z. 14, Z. 16 (§ 350 ASVG), Z. 19 (§ 351f ASVG) –

Einführung eines Referenzpreissystems verbunden mit einer aut idem Regelung:

Bei der Einführung eines Referenzpreissystems verbunden mit einer aut idem Regelung wird durch die Möglichkeit einer Zuzahlung für Heilmittel (Aufzahlung vom Referenzpreis auf den Kassenpreis des abgegebenen Heilmittels) durch die PatientInnen ein sozialpolitisches Problem gesehen. Weitere Selbstbehalte im Gesundheitswesen jeglicher Art sind abzulehnen und sollen auf keinen Fall eingeführt werden.

Es wird die Ansicht vertreten, dass die Heilmitteldistributionskette über Großhandel und Apotheken ebenfalls in die Dämpfung der Heilmittelkosten eingebunden werden muss.

c) Finanzierung und finanzielle Maßnahmen:

1. allgemeine Anmerkungen:

Die neuen finanziellen Zusatzmittel sind in dieser Form nicht geeignet, die Krankenversicherung nachhaltig zu sanieren. Durch diese Maßnahmen wird nicht einmal kurzfristig eine Konsolidierung der Ergebnisse der Erfolgsrechnungen erreicht. Die zugeführten Gelder sind auch nur ein Teil der in den letzten Jahren durch gesetzliche Maßnahmen entzogenen Gelder.

Wie auch der Rechnungshof in seinem Bericht zum Vergleich Wiener- und OÖ-GKK festgestellt hat, ist Fairness bei der Finanzierung erforderlich. Jene Gelder, die aufgrund gesetzlicher Maßnahmen der Versichertengemeinschaft entzogen wurden, sind der Versichertengemeinschaft wieder zurück zu geben. Der Rechnungshof führt als Beispiele an: Nicht deckende Ausgleichszahlungen durch Wegfall der Vorsteuerabzugsfähigkeit, Mindereinnahmen durch die Neuregelung der Krankenversicherung der Arbeitslosen, nur teilweiser Ersatz der Aufwendungen für Krankengeld durch den Familienlastenausgleichsfonds, Mehrbelastungen im Bereich der Spitalsfinanzierung, Herauslösung der Gruppe der Vertragsbediensteten aus den Versicherungsverhältnissen mit den Gebietskrankenkassen.

 

 

2. zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu Art. 1 Z. 36 u. § 237 SV-Holding-Gesetz (§§ 73 Abs. 2 u. 447f Abs. 1 ASVG) - Hebesatz

Bei der Erhöhung des Hebesatzes um 3 % von 180 auf 183 handelt es sich um eine Maßnahme die sich finanziell in der Erfolgsrechnung positiv auswirkt. Es ist grundsätzlich ebenfalls zu befürworten, dass im § 447f Abs. 1 ASVG diese zusätzlichen 3 % zu 100 % beim Krankenversicherungsträger bleiben und nicht anteilsmäßig an die Spitäler abgeführt werden müssen. Die gesetzliche Befristung bis 2012 ist jedenfalls abzulehnen.

Weiters ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die auf Grund der Beitragssatzerhöhung der Pensionistinnen und Pensionisten durchgeführten Hebesatzsenkungen der letzten Jahre mehr als 20 % betragen haben. Die 3 % sind daher keinesfalls ein geeigneter Ausgleich für die vom Gesetzgeber in den letzten Jahren gesetzten Maßnahmen, welche sich bei den Krankenversicherungsträgern in diesem Bereich finanziell negativ ausgewirkt haben.

 

Zu Art. 1 Z. 211 SV-Holding-Gesetz (§ 441f ASVG) – Mittel der SV-Holding

In § 30b ASVG werden der Holding Kompetenzen im Bereich der strategischen Zielsteuerung übertragen. Nachdem weder konkrete Aufgaben noch deren Finanzierung feststehen, ist der im § 441f ASVG angeführte XY-Prozentsatz aller eingehobenen Beiträge als Beiträge der Versicherten abzulehnen. Es sollte der § 441f dahingehend geändert werden, dass die Holding die Gelder mit den Trägern zu vereinbaren hat.

Zu Art. 1 Z. 22 KV-ÄG (§ 447a Abs. 10 ASVG)

Grundsätzlich bedeutet die Neuformulierung nur eine Zusammenführung der alten Absätze 10 und 11. Es ist jedoch in diesem Zusammenhang festzuhalten und anzumerken, dass der Gesetzgeber in der Gesundheitsreform 2005 den Gebietskrankenkassen aus diesem Titel € 90 Mio. an Zusatzeinnahmen aus der Tabaksteuer zugesagt hat. Demnach sollte der Betrag von € 12.423.759,09 auf € 90 Mio. angehoben werden.

Zu Art. 1 Z. 23 KV-ÄG (§ 447a Abs. 11 ASVG)

Grundsätzlich ist gegen eine Überweisung des Bundesministers für Finanzen in der Höhe von 76 Mio. Euro an den Ausgleichsfonds der Gebietskrankenkassen nichts einzuwenden. Bei den 76 Mio. Euro handelt es sich offensichtlich um jenen Betrag der bis April 2008 für die Rückführung der Darlehen verwendet wurde. Es ist jedoch in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass das Verhältnis zwischen der SVA der Bauern mit € 24 Mio. und den Gebietskrankenkassen mit € 76 Mio. unausgewogen ist. Bedeuten diese € 24 Mio. rund € 57,-- je Anspruchsberechtigten bei der SVA der Bauern, so sind es bei den Gebietskrankenkassen nur € 11,-- je Anspruchsberechtigten. Nachdem die SVA der Bauern in den letzten Jahren immer positive Ergebnisse erwirtschaftet hat, ist diese Relation in Anbetracht der prekären finanziellen Situation der Gebietskrankenkassen noch unverständlicher. Es wird daher vorgeschlagen, die gesamten € 100 Mio. entsprechend dem Verbandsbeitragsschlüssel auf die Gebietskrankenkassen und die SVA der Bauern gleichmäßig zu verteilen.

Zu Art. 1 Z. 25 KV-ÄG (§ 635 Abs. 7 ASVG) – Schlussbestimmung zu Artikel 1

Die im § 635 Abs. 7 ASVG vorgeschlagene Verteilung der Mittel aus dem Katastrophenfonds von 80 % im Verhältnis des negativen Reinvermögens und 20 % zur Deckung eines besonderen Ausgleichsbedarfes ist abzulehnen.

Es sollte der Katastrophenfonds im Verhältnis der einbezahlten Beiträge aufgelöst werden.

Art. 10 KV-ÄG – Änderung des Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetzes

Zu Art. 10 Z. 1 (§ 1 Abs. 2)

Diese Neuregelung der vollen Mehrwertsteuerabgeltung wird wahrscheinlich von den im Hauptverband zusammengefassten Krankenversicherern befürwortet werden, aus Sicht der Krankenfürsorgen ist aber bei einem Abgehen von der bisherigen Regelung mit erheblichen finanziellen Einbußen und einem erhöhten Verwaltungsaufwand zu rechnen.

Zu Art. 10 Z. 5 (§ 8)

In den Erläuterungen zum § 8 steht, dass jene 18 % rund 125 Mio. Euro darstellen. Diese sollen entsprechend den Erläuterungen ausschließlich im Jahr 2008 nur auf die Krankenversicherung verteilt werden. Es sollte im Gesetz präzisiert werden, dass die Aufteilung dieser 18 % entsprechend den nicht abziehbaren Vorsteuern der betroffenen Krankenversicherungsträger erfolgt.

Art. 11 KV-ÄG – Bundesgesetz, mit dem der Bundesminister für Finanzen ermächtigt wird, auf Bundesforderungen gegenüber den Gebietskrankenkassen zu verzichten

Zu Art. 11 (§ 1)

Diese vom Gesetzgeber vorgesehene Maßnahme bedeutet eine Korrektur der Bilanzen.

Demnach können die in den finanziellen Erläuterungen genannten Gebietskrankenkassen ihr negatives Reinvermögen durch Rückführung ihrer Verbindlichkeiten verringern. Inwieweit eine Ermächtigung auch eine tatsächliche Zusage ist, einen derartigen Schuldenerlass durchzuführen, ist zu klären. Es ist zu fordern, dass der Finanzminister nicht nur ermächtigt, sondern verpflichtet wird zu verzichten.

Art. 12 – Bundesgesetz zur Dämpfung der Heilmittelkosten für die Jahre 2008-2010

Die im Artikel 12 vorgesehene Verpflichtung an pharmazeutische Unternehmer und Dispositeure einen finanziellen Beitrag zur Dämpfung der Ausgabensteigerung im Bereich der Heilmittelkosten zu leisten, wenn die Abgabe der Arzneimittelspezialität auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt ist, sollte auf einen weiteren Sachverhalt ausgedehnt werden: Die Gewährung dieses Preisnachlasses müsste auch dann zu gelten haben, wenn, wie im Fall der Seniorenheime der Stadtgemeinde Salzburg, die Heilmittelkosten zuerst durch den Rechtsträger bestritten werden und es in der Folge einen Teilrückersatz durch den Krankenversicherungsträger gibt. D.h., dem entsprechend sind Öffentlich-rechtliche Bezieher von Heilmitteln den Krankenversicherungsträgern gleich zu stellen.

d) Angelegenheiten des Melde-, Versicherungs- und Beitragsrechts:

1. allgemeine Anmerkungen:

Die Finanzbehörden verfolgen das langfristige Ziel, dass die Sozialversicherungsbeiträge gemeinsam mit der Lohnsteuer an diese abzuführen sind. Hier besteht die Gefahr, dass vom "Anspruchsprinzip" im Bereich der Sozialversicherung abgegangen wird und das bereits jetzt für die Berechnung der Lohnsteuer geltende "Zuflussprinzip" generell Anwendung findet. Derzeit wird für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge zumindest jener Anspruch herangezogen, auf den der Arbeitnehmer lt. Kollektivvertrag oder gesetzlicher Bestimmungen Anspruch hat. Zum Beispiel:

- Arbeitnehmer leistet Überstunden - erhält diese aber nicht ausbezahlt;

- Arbeitnehmer wird unterkollektivvertraglich bezahlt;

- Arbeitnehmer erhält im Urlaub, Krankenstand und an Feiertagen keine Überstunden und Zulagen ausbezahlt.

In diesen Fällen werden von den Gebietskrankenkassen Nachverrechnungen vorgenommen und so die Beitragsgrundlage für die Versicherten entsprechend angehoben bzw. gesichert.

2. zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu Art. 1 Z. 7 SV-Holding-Gesetz (§ 29 a (neu) Abs. 6 ASVG):

Grundsätzlich werden gesetzliche Änderungen, die eine Verwaltungsvereinfachung bewirken, begrüßt.

Wird jedoch – wie in dieser Bestimmung vorgesehen – bei bundesländerübergreifend tätigen Dienstgebern nur mehr eine einzige Kasse für Melde- und Beitragsangelegenheiten zuständig, bewirkt dies keinerlei Verwaltungsvereinfachung. Schon jetzt wird nur von einem (gemeinsamen) Prüfer für alle Kassen geprüft, es gibt auch jetzt schon nur einen Ansprechpartner.

Eine Änderung im Zuge der Prüfung ergibt sich dadurch nicht.

Im Übrigen ist auch in der EDV der Sozialversicherungen nur eine einzige Dienstgebernummer vorgesehen. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 29a (neu) Abs. 6 ASVG wird diese einzige Nummer bereits österreichweit in Verwendung stehen. Eine Neuregelung in diesem Zusammenhang erübrigt sich daher.

Es wird darauf hingewiesen, dass eine neue Zuständigkeit der „Sitz-Kasse“ für die österreichweiten (technischen) Melde- und Beitragsangelegenheiten bedeuten würde, dass das bereits bestehende österreichweite ELDA (das bereits seit Jahren „alle technischen Aufgaben im Zusammenhang mit Melde- und Beitragsangelegenheiten“ wahrnimmt) in 9 „kleine Kassen-ELDAs“ umgestaltet werden müsste, und die bisherige hohe Zufriedenheit der Dienstgeber mit diesem System sehr stark in Frage gestellt würde. Ein für Versicherte und Dienstgeber gleich bleibendes Ergebnis würde dann nur mehr mit einem enormen zusätzlichen Verwaltungsmehraufwand für die betroffene Kasse erreicht werden können. Die Meldungen und Beiträge müssen von den „Sitz-Kassen“ für ganz Österreich eingehoben, verbucht, verwaltet und dann korrekt an die anderen Kassen verteilt werden, da sich die Leistungszuständigkeit der einzelnen Kassen durch die geplante Bestimmung nicht ändern kann.

Durch die - naturgemäß – verzögerte Weiterleitung der Beiträge ergibt sich außerdem ein möglicherweise gravierender Zinsverlust für alle anderen Kassen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass durch diese geplanten Änderungen weder für die Finanzbehörden, noch für Dienstgeber oder Versicherten, noch für die Krankenversicherungsträger eine Verbesserung oder Vereinfachung erkennbar ist. Diese Regelungen werden daher abgelehnt.

Um Berücksichtigung der erhobenen Forderungen und Anregungen wird daher ersucht.

Mit freundlichen Grüßen

 

SR Dr. Thomas Weninger e.h.

Generalsekretär