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Entwurf eines Familienrechts-Änderungsgesetzes 2008; Stellungnahme

Geschäftszahl

Innsbruck,

Präs.II-1429/61
16.06.2008

 

 

Zu GZ BMJ-B4.000/0017-I 1/2008 vom 13.05.2008

Aus der Sicht der vom Land Tirol zu vertretenden Interessen besteht gegen den oben angeführten Gesetzentwurf grundsätzlich kein Einwand.

Zu einzelnen Bestimmungen wird jedoch Folgendes bemerkt:

Zu Artikel I Z. 4 (§ 215 Abs. 3 ABGB):

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Erläuterungen zu Artikel I Z. 4 im Widerspruch zum Gesetzestext stehen.

Nach dem Gesetzeswortlaut hat der Jugendwohlfahrtsträger ein Verfahren zur Anerkennung oder Nicht­anerkennung von ausländischen Entscheidungen über die Annahme an Kindes statt einzuleiten, wenn dies zur Wahrung der berechtigten Interessen eines unter 18 Jahre alten Wahlkindes erforderlich ist.

Nach den Erläuterungen soll hingegen der Jugendwohlfahrtsträger mit der vorgesehenen Bestimmung zur Antragstellung nach den neuen §§ 91a ff. AußStrG ermächtigt werden. Nach den Erläuterungen handelt es sich somit bei § 215 Abs. 3 ABGB um eine Kann-Bestimmung, nach dem Gesetzeswortlaut um eine Regelung mit zwingendem Charakter.

Im Allgemeinen Teil der Erläuterungen, Z. 2 (Schwerpunkte des Gesetzentwurfes) lit. f, werden die Gründe für die Regelung des § 215 Abs. 3 AGBG dargelegt. Unter anderem wird dabei ausgeführt, dass für Adop­tionen aus Ländern, die nicht Vertragsstaaten des Haager Adoptionsübereinkommens sind, ein unsicherer Rechtsrahmen vorliegt. Dies ist zweifellos richtig. Allerdings gibt es keine Regelungen, die sicherstellen, dass die Behörden, die ein Verfahren zur Prüfung bedenklicher Anerkennungsentscheidungen einleiten sollen, von diesen Adoptionen Kenntnis erlangen. Solange keine derartigen Bestimmungen (etwa im Fremdenpolizeigesetz) geschaffen werden, wird sich § 215 Abs. 3 ABGB als zahnlose Schutzbestimmung erweisen.

Um feststellen zu können, ob berechtigte Interessen eines unter 18 Jahre alten Wahlkindes zu wahren sind, müsste die Jugendwohlfahrt ein eingehendes Abklärungsverfahren durchführen. Die rechtlichen Vor­aussetzungen für die Durchführung eines solchen Abklärungsverfahrens fehlen aber.

Nach den Ausführungen im Allgemeinen Teil der Erläuterungen, Z. 2 (Schwerpunkte des Gesetzentwurfes) lit. f, wird  im Zusammenhang mit § 215 Abs. 3 ABGB davon ausgegangen, dass die „gewissermaßen prä­ventive Zusammenarbeit“ eine Aufgabe der Jugendwohlfahrt und daher in den Jugendwohlfahrtsgesetzen zu regeln sei. Dabei wird offensichtlich übersehen, dass das Jugendwohlfahrtsrecht auf dem Kompetenz­tatbestand des Art. 12 Abs. 1 Z. 1 B-VG beruht und daher zunächst grundsatzgesetzliche Regelungen erlassen werden müssten. Es bleibt auch offen, welche präventive Arbeit die Jugendwohlfahrt bei Adoptio­nen aus Nicht-Vertragsstaaten des Haager Adoptions-Übereinkommens leisten soll.

Die Verpflichtung der Jugendwohlfahrtsträger zur Einleitung von Verfahren über die Anerkennung oder Nichtanerkennung ausländischer Entscheidungen über die Annahme an Kindes statt wird aus grundsätz­lichen Erwägungen abgelehnt.

Die Einbeziehung von Jugendwohlfahrt und Gericht erzeugt nur einen unnötigen Verwaltungsaufwand.

Auf die Bestimmung des § 215 Abs. 3 ABGB sollte verzichtet werden. Statt dessen sollten Regelungen getroffen werden, die sicherstellen, dass sämtliche Adoptionen aus Ländern, die nicht Vertragsstaaten des Haager Adoptionsübereinkommens sind, direkt den Pflegschaftsgerichten (die gleichfalls zur Wahrung des Kindeswohls verpflichtet sind) zur Kenntnis gebracht werden.

Noch besser wäre ein eigenes Auslandsadoptionsgesetz mit genauen Vorgaben hinsichtlich der Adoptio­nen aus Nicht-Vertragsstaaten des Haager Adoptionsübereinkommens. Komplexe Verfahren zur Prüfung der Anerkennung ausländischer Entscheidungen wären dann entbehrlich.
Mit den Aufgaben der Jugendwohlfahrtsträger nach § 215 Abs. 3 ABGB wäre auch ein entsprechender Personalaufwand verbunden. Die Ausführungen im Vorblatt und in den Erläuterungen hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen des gegenständlichen Gesetzentwurfes gehen auf diese Personalkosten über­haupt nicht ein und entsprechen deshalb nicht der Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebiets­körperschaften.
 
Zu Artikel III Z. 15 (§ 26 des Unterhaltsvorschussgesetzes 1985):
 
Die Änderung des § 26 des Unterhaltsvorschussgesetzes 1985 sollte zum Anlass genommen werden, eine Klarstellung hinsichtlich der Verjährung von Vorschusszahlungen, die vom Unterhaltsschuldner hereinge­bracht wurden, zu treffen. Im Gegensatz zur Bestimmung des § 22 leg. cit., die für die dort genannten Fälle zu Unrecht gewährter Vorschüsse eine Verjährungsfrist von drei Jahren vorsieht, enthält § 26 überhaupt keine Verjährungsregelung. Es besteht daher eine Unsicherheit darüber, innerhalb welcher Fristen Vor­schusszahlungen, die vom Unterhaltsschuldner hereingebracht wurden, zurückgefordert werden können.
 
Eine Ausfertigung dieser Stellungnahme wird unter einem auch dem Präsidium des Nationalrates über­mittelt.
 
 
Für die Landesregierung
 
 
Dr. Liener
Landesamtsdirektor